Animos - Die Kinder der Götter von abgemeldet (Die Rettung von Teraden) ================================================================================ Kapitel 3: Sheer ---------------- Wie immer schlug mir beissender Rauch entgegen, als ich Meister Mortons Hütte betrat. Meine Augen begannen sofort zu tränen und ich konnte nur mit Mühe ein Husten unterdrücken. Isael war schon da. Er und mein Meister warteten am Boden um eine Kerze sitzend. Morton war ganz und gar nicht erfreut über meine Verspätung. Ich wusste es. Aber er liess sich nichts anmerken und sagte nichts. Er sagte selten etwas. Und doch wusste ich, dass ich meine Strafe im Verlaufe dieses Nachmittags noch bekommen würde. So war es immer. Aber ich sass dennoch neben Isael zu der Kerze. Nun endlich hob Morton den Blick und begann zu sprechen: „Heute werde ich euch einen Fluch lernen, mit dem ihr ein Wesen zwingen könnt, das zu tun, was ihr wollt. Wir werden es an einer Ratte üben.“ Morton stand auf und holte einen kleinen Käfig, in dem ein paar Ratten sassen. Es roch übel nach Kot und Tod. Die Ratten waren eng zusammen gedrängt und griffen einander die ganze Zeit an. Zwei waren tot, eine davon war schon halb aufgefressen. Mir wurde übel und ich begann zu schwitzen. Ich hasste diese düstere Hütte. Es gab nur ein einziges, winziges Fenster und das war von Lumpen verhangen. Aber dennoch sah ich, dass draussen die Sonne schien. Wie gerne wäre ich jetzt mir Isael durch den Dschungel gestreift. Ich sah die Ratte vor mir mitleidig an. Sie hatte überall Bisse und ihr Fell war an den meisten Stellen ausgefallen. Dann hörte ich wieder Morton zu. „Ihr müsst euch mit eurem ganzen Geist auf sie konzentrieren. Dann sprecht ihr die Worte orda me!“ Ich und Isael wussten beide, was das hiess. Gehorche mir! Morton hatte uns Nachmittage lang die schwarze Sprache gelernt. Morton zeigte es uns zuerst vor. Er schloss die Augen und versank in Trance. Nach einer Weile öffnete er sie und zischte: „Orda me!!“ Die Ratte biss sich plötzlich selbst in den Schwanz. Sie quietschte, aber sie biss immer fester zu. Blut tropfte auf den Boden. Schliesslich hielt sie denn Schwanz zwischen ihren Zähnen. Sie quietschte immer noch. Ich schaute weg. ..so grausam.. Ich wollte Morton an die Kehle springen. Aber ich tat nichts. Ich tat nie etwas. Endlich liess Morton von der Ratte ab, der Bann brach und sie rannte schnell davon. Nun war Isael an der Reihe. Seine Augen glänzten vor Erregung, ich wusste, dass er so was gerne tat. Er war einfach durch und durch ein Schwarzmagier. Nicht wie ich. Zumindest von der Einstellung her. Isael wollte das Selbe versuchen wie Morton, doch seine Ratte wollte nicht so recht gehorchen. Sie knabberte nur ein bisschen an ihrem Schwanz, dann begann sie sich seelenruhig zu putzen. Morton und ich lachten. Dann kam ich. Ich wusste nicht so recht, was ich sie anstellen lassen sollte. Ich wollte sie nicht quälen. Da kam mir ein Gedanke. Ich zog mein Messer und legte es mit der Schneide nach oben auf den Boden. Dann konzentrierte ich mich auf die Ratte, wie Morton es mir gelernt hatte. In meinem Kopf war nur noch die Ratte, alles andere wurde verbannt. ..Ratte.. ..Ratte.. „Orda me!“ Die Ratte sah sich zuerst etwas verwirrt um, dann ging sie zu meinem Messer. Sie hob den Kopf, holte kräftig aus und schlug dann ihre Kehle voll in die Klinge. Blut spritzte mir ins Gesicht und ein kleiner, weisser Kopf rollte mir vor die Füsse. „Hervorragend, Sanseth, Schlangenkind!“ Meister Morton klatschte in die Hände. „Grosses Talent. Ganz ein schwarzer Magier!“ ..Nein!!!.. Ich wollte kein Schwarz-Magier sein. Ich wollte kein Talent dafür haben. Eigentlich hasste ich all das hier. Ich hatte die Ratte getötet, damit sie nicht leiden musste. Aber Meister Morton hatte mich grossgezogen. Ohne ihn wäre ich im Dschungel gestorben. Meine Mutter hatte mich damals verstossen. Morton war wie ein Vater für mich. Und Isael wie ein Bruder. ..es ist mein Leben, ob ich will oder nicht.. Wir übten noch denn ganzen Nachmittag. Morton war so zufrieden mit mir, dass er sogar meine Strafe vergass. Darüber war ich sehr erleichtert. Mein Rücken brannte noch immer von den letzten Peitschenhieben. Als endlich auch Isael seine Ratte dazu brachte, sich zumindest so lange in den Schwanz zu beissen, dass es blutete, durften wir gehen. Wir rannten sofort in den Dschungel. Hier war unser Revier und hier waren wir beide gleich, Isael und ich. Hier waren wir beide einfach nur zwei Jungen. Wir sammelten Früchte, Gemüse und Pilzen fürs Essen. Ich tötete auch noch ein kleines Wiesel, aber nicht mit Magie, sondern mit meiner Steinschleuder. Ich jagte nie mit Magie. Ausserhalb von Meister Mortons Hütte hatte ich sie noch fast nie gebraucht. Ausserhalb der Hütte lebte ich ein anderes Leben, ohne Grausamkeit und Brutalität. Heute kochte Isael für uns drei, ich wollte ihm helfen, aber der Meister rief mich zu sich, diesmal in sein Zimmer und nicht in die Hütte. Als ich eintrat, war er über ein dickes Buch gebeugt. Ich schloss die Tür hinter mir. Erst jetzt sah er auf. „Du hast heute Grosses geleistet“, begann er, „die wenigsten schaffen den Ordon-Fluch gleich beim ersten Versuch. Ich bin stolz auf dich.“ Obwohl ich die schwarze Magie verabscheue, muss ich zugeben, dass mich dieser Satz enorm rührte. ..stolz.. ..auf mich.. ..auf den Schlangenjungen.. Ich fühlte mich extrem geehrt. Aber Morton war noch nicht fertig. Er holte eine lange Kiste unter seinem Bett hervor. Sie war mit Schlangen-Gravierungen dekoriert. ..Schlangen.. Mein Herz klopfte vor lauter Neugierde. Langsam öffnete Morton die Kiste und nahm ein langes Schwert hinaus. Die Scheide und der Griff waren beide aus dunklem Holz. Er hielt es mir hin. Mit grossen Augen nahm ich es entgegen. Ich holte tief Luft, dann zog ich es. Die scharfe Klinge blitzte auf. Der Griff fühlte sich angenehm an. Auch er war mit einer Schlange geschmückt. Lange sah ich es von oben bis unten an. Dann erst schob ich es zurück in die Scheide. Nun sprach Morton wieder: „Ich ernenne dich hiermit zum gelehrten Schwarzmagier. Als Zeichen meiner Anerkennung schenke ich dir Sheer, das Schlangenschwert.“ Ich war sprachlos. ..Sheer.. Morton verneigte sich tief und ich tat es ihm gleich. Dann sagte er in etwas weniger feierlichem Ton: „Ich dachte, es passt zu dir.“ Er zwinkerte. „Danke!“ Das war alles, was ich über die Lippen brachte. Und in diesem Moment rief uns Isael zum Essen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)