One-Sided von Lunatik (Was ist schon Liebe?) ================================================================================ Kapitel 2: Katzenbabys ---------------------- Mit genervter Miene, kurz vor einem Wutausbruch saß er da. Mit verschränkten Armen vor der Brust, angelehnt an den Baum. Die Augen geschlossen. Der Grund? Ein grinsender Chinese neben ihm, den Blick vom Russen nicht lassend. „Was?“, donnerte es, als Kai schon am Rande seiner Selbstbeherrschung war. „Nichts“, kam es heiter von Rei zurück und sein Grinsen wurde noch breiter. „Entspann dich doch, ich beiß schon nicht.“ „Ich bin entspannt wie noch nie!“ Sarkasmus war eine von Kais Stärken, Selbstbeherrschung war es einst auch, bis er Leader von einem so chaotischen Team wurde… „Wisch dir endlich dein lüsternes Grinsen aus dem Gesicht! Ich bin keine Statue zum angaffen!“, schrie der Russe schon förmlich, da der Chinese keine Anstalten machte den Blick von ihm zu nehmen. „Nein, du bist eine lebende Sehenswürdigkeit. Der härteste Kerl mit dem weichsten Kern!“, verkündete Rei ernst. „Was?!“ Der Geduldsfasen riss und der Graublauhaarige stürzte sich auf den neben ihm Liegenden. Rei konnte noch schützend seine Arme heben, doch es half nichts, Kai saß schon auf ihm und… kitzelte seinen Bauch! Was machte er da?! Wie war es dazu gekommen? Der Tiger hatte ihn schon nach nur ein Paar Wochen so weit, dass er sich hier vergnügt im Gras wälzte und ihn versuchte zu Tode zu kitzeln, anstatt zuzuschlagen! Was war es nur? Die bloße Anwesenheit Reis schien ihn ungemein zu beruhigen. Rei derweilen schaffte es sich von Kai zu befreien und beide rollten, sich an den Armen haltend, den Hügel runter. Sie bemerkten es nicht einmal. Gefangen in ihren eigenen Bewegungen, versinkend in den Augen des jeweils anderen, mit gestiegenem Adrenalin im Blut. Wie kleine Kinder lachten sie heiter und waren doch so konzentriert in den Kampf vertieft. Jeder von ihnen versuchte den anderen zu Boden zu werfen und unter sich zum stilliegen zu bringen. Beide wollten gewinnen, doch nicht um den Gewinnes Willen, nicht damit der andere verliert, sondern damit dieser Kampf noch weiter gehen konnte. Solange jeder gewinnen wollen würde, würde es weitergehen… Kinder glauben an die Ewigkeit. Doch Kai war schon lange kein Kind mehr. Länger als jeder andere… Es war falsch, dass er Spaß hatte, es war falsch, dass er lachte, es war falsch, dass er nicht wollte, dass Rei verliert, dass dieses Spiel aufhört. Falsch. Die Stimme aus der Dunkelheit hallte unaufhörlich in Kais Gedanken, verkündete ihm, dass das alles falsch war und binnen Sekunden glaubte er daran, denn dieser Stimme konnte er sich nicht widersetzen. Niemals. Der Teamleader hielt inne, als er gerade wieder die Macht über Rei erlangt hatte und dieser unter ihm lag. Sie waren inzwischen unten am Fluss angekommen und Kais Blick verharrte auf dem Wasser. Falsch. Es war nicht für ihn. Für andere, nicht für ihn. „Kai?“, besorgt blickte Rei seinen Teamchef an. „Schhh. Hörst du es?“ Nach einigen Augenblicken des aufmerksamen Lauschens konnte der Langhaarige einen leisen Ton aus dem nahe liegendem Gebüsch vernehmen. Er konnte es nicht gleich einordnen, doch als Kai aufgestanden war, somit Rei befreiend, und beide sich dem Gebüsch näherten wusste er, dass das Geräusch das leise Miauen von kleinen Kätzchen war. „Katzenbabys!“, entfuhr es Rei, als sie so nah waren, dass man die große graue Katze, die viele kleinere fütterte, sehen konnte. „Schrei doch nicht, du erschreckst sie noch.“ Fast geräuschlos kniete sich der Russe hin und betrachtete mit sanftem Blick die grauen, flauschigen Wesen. Rei kniete sich ebenfalls daneben und musterte die Kätzchen. Nach kurzem überlegen, meinte er schließlich: „Wir sollten sie nicht einfach so da lassen.“ „Wie?“, Kai schien gerade aus seinen Gedanken gerissen worden zu sein. „Es ist Regenzeit, sie werden sich noch zu Tode frieren, außerdem sind sie mit Sicherheit hungrig!“ „Und was schlägst du vor?“, Kai riss seinen Blick von den drei Neugeborenen und musterte skeptisch den Schwarzhaarigen. Der konnte keine gute Idee haben… „Na, sie mit nach Hause nehmen! ...Aber ich hab nichts da und ganz sicher keine Milch“, lächelte Rei entschuldigend. Eindeutig keine gute Idee. „Also versuchst du gerade sie mir aufzubinden, was?“, entgegnete Kai mürrisch. „Aber du magst doch Katzen! Schau dir doch diese großen feuchten Babyaugen an. Nicht mal du kannst doch diesen süßen Wesen widerstehen und sie einfach so sterben lassen!“, mit einem Mitleid erregendem Blick beugte sich Rei zu Kai vor und schaute ihm intensiv in die Augen, als ob er ihn zu hypnotisieren versuchte. „Übertreib es nicht, von dem bisschen Wasser sterben sie nicht…“, Kais Stimme wurde immer leiser und er schaute in die großen feuchten Augen Reis… “Zuerst brauchen wir einen Karton zum transportieren. Die Mutter trägst du, sie kann ganz schön kratzbürstig sein, immerhin wird es so aussehen, als ob wir ihre lieben Kinder wegnehmen wollen.“ „Ja! Ich hab da hinten eine Kiste gesehen. Bin gleich zurück!“ Und schon sprang der Tiger auf und verschwand in dem Schatten der Brücke, die einige Meter entfernt war. Seufzend blickte ihm Kai hinterher. „Auf was lasse ich mich da nur ein?“ Sie waren auf dem Weg zu Kais Wohnung und die Hälfte davon war schon hinter ihnen, als ein starker Regen ausbrach. Die Folge war, dass beide bis auf die Knochen durchnässt und schwer keuchend vor der Eingangstür angekommen waren. „Du… solltest schnell…unter die heiße…Dusche“, brach Kai keuchend vor. Sie waren gut eine halbe Stunde gerannt, was eigentlich kein Problem normalerweise wäre. Doch das zusätzliche Gewicht, welches sie auch noch behutsam halten sollten, und der Regen machten sich bemerkbar. „Aber…das ist doch… deine Wohnung, du solltest… zuerst“, entgegnete der nicht minder erschöpfte Rei. „Das bisschen Regen… werde ich schon überleben. Die… zweite Tür links. Handtücher liegen auf dem Regal…“ „Danke“, sagte Rei leise und verschwand in besagter Richtung. So langsam beruhigte sich Kais Atem und er brachte den Karton mit den neugeborenen Babys in die Küche, wo er endlich seine nasse Jacke nahm, die er als Schutz über dem Karton gelegt hatte als der Regen einsetze, und sie achtlos auf einen der Stühle schmiss. Die Katze, welche Rei getragen hatte und gleich absetze, als sie die Wohnung betraten, war dem Graublauhaarigen gefolgt und sprang nun auf den Küchentisch, wo ihre Babys seelenruhig in der kleinen Kiste schliefen. Ein zufriedenes „Miau!“ war ihr einziger Kommentar. Schweigend zog Kai an der weißen Kühlschranktür und nahm eine Flasche Milch in die Hand. Aus dem hängenden Holzschrank holte er noch eine Schale und goss die Milch rein. Zufrieden stellte er die Schale auf dem Tisch und setze sich auf dem Stuhl davor, auf welchem immer noch die nasse Jacke hing. Kai legte seine Arme auf den Tisch, seinen Kopf auf eben diese und beobachtete interessiert die Katze. Langsam schritt diese zu der Schale und schnupperte erst dran, danach leckte sie vorsichtig an der Milch. Als die Graue sich sicher war, dass die Milch in Ordnung war, verputze sie diese auch schon genüsslich, aber schnell. Kai starrte sie immer noch an, inzwischen war das Interesse in seinem Blick leichter Melancholie gewichen. Die Katze erinnerte ihn an jemanden. Er konnte nicht genau sagen an wen, doch eine vage Ahnung verriet ihm: An ihn selbst. „Nun bist du hier.“ Er mochte Katzen, besonders die zwei im Park. Beide waren grau, vielleicht waren sie ja verwandt, und kamen immer zu ihm, wenn er unter dem Baum verweilte. Er fütterte sie auch öfters, doch niemals hatte er sie mitgenommen, nach Hause. Wieso? Weil es falsch war. Heute war das erste Mal, dass er es überwinden konnte – Dank Rei. Aber was war dieses es? Die Stimme aus der Dunkelheit. Er selbst? „Ich bin fertig! Du solltest jetzt selbst eine heiße…Kai! Du hast dich noch nicht einmal umgezogen! Du erkältest dich doch! Da hilft nur noch ein heißes Bad, ich geh Wasser einlaufen lassen und du, hol dir was zum umziehen, ich hab nämlich die Sachen genommen, die da lagen.“ Von den Schreien und dem Redewasserfall überrumpelt – er hatte Reis Anwesenheit schlicht und einfach vergessen – starrte Kai Rei, welcher die Klamotten des Russen anhatte und noch dazu eine gute Figur darin machte, entgeistert an. Er hatte zwar gesagt, wo die Handtücher liegen, aber an trockene Kleidung hatte er gar nicht gedacht. „Was sitzt du noch rum!?“ „Äh…Ja, sofort“, entgegnete leicht verwirrt der Russe. Mit der Antwort zufrieden kehrte Rei auch schon um und verschwand wieder Richtung Badezimmer um, wie gesagt, Wasser einlaufen zu lassen – heißes Wasser. Die Katze blickte ihm interessiert hinterher und schien, Kai zumindest nach, reichlich amüsiert über das Ganze zu sein. „Na wenigstens jemand“, murmelte der ehemalige Eisklotz und ging, nach dem er das flauschige Wesen gestreichelt hatte, ins Schlafzimmer um, wie von Rei angeordnet, trockene Sachen zu holen. Er verbrachte nicht lange im heißen Wasser. Nach einer halben Stunde hatte es ihm gereicht und er verlies, angekleidet, das Bad. Wobei er zugeben musste, dass es wirklich gut getan hatte. In recht guter Laune begab er sich, nachdem in der Küche nichts außer seiner schon trockenen Jacke vorzufinden war, zum Wohnzimmer und blieb stehen, sich an den Türrahmen anlehnend. Vor ihm saß auf dem Teppich Rei, mit offenen langen Haaren, die noch nass genug waren um im Licht zu glänzen. Er spielte mit der Katze, die drei Kleinen schliefen seelenruhig auf dem Sofakissen. Der Chinese hatte sichtlich Spaß und ein glückliches Lächeln zierte sein Gesicht. Er sollte immer so lächeln… Unwillkürlich musste Kai bei dem Anblick schmunzeln und ein leichtes, kaum merkliches, Lächeln schlich sich auch auf seine Lippen. Ein recht ungewohnter Zustand für ihn… Der Schwarzhaarige drehte sich zum Russe und sein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen – einem glücklichen, soweit es Kai beurteilen konnte. „Kai! Du bist schon fertig? Soll ich dir was kochen?“ Kai hob verwundet eine Augenbraue. „Kochen?“ „Weißt du… Ich hab irgendwie Hunger“, gab der Ältere grinsend zu. Seufzend ergab sich Kai und sie machten sich wieder auf in die Küche. Nach einem köstlichen Abendessen, denn es war schon nach acht und dunkel als sie fertig wahren, ergriff der Jüngere die Initiative und bot Rei an bei ihm zu übernachten. „Es schüttelt immer noch, außerdem sind deine Sachen noch nass. Und es ist schon spät. Im Übrigen ist es von hier auch näher zur Trainingshalle…“, ihm fielen immer mehr Gründe ein, wieso Rei da bleiben sollte und fast hätte er ein „Mich würde es freuen“ angeführt, doch etwas hielt ihn zurück. Etwas?... Er selbst. „Nimm es als Dank für das vorzügliche Essen.“ „Einverstanden“, nickte der Langhaarige schmunzelnd. Er hätte nie gedacht, dass Kai ihn einladen würde und schon gar nicht, dass ihm dafür so viele Gründe einfallen würden… „Hatschii!“, ertönte es plötzlich von Kai. „Ich wusste doch, dass du dich erkälten würdest, du solltest schnell möglichst unter eine warme Decke!“, befahl ihm besorgt der Ältere. Falsch. Er hörte es ganz deutlich. Dieses Wort. Was war es? Er selbst, ganz sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)