Wenn wir uns wiedersehen... von Owl_of_the_Arcane (HajixSaya) ================================================================================ Kapitel 1: Erwachen ------------------- Erwachen Es waren nun schon drei Jahre vergangen seit Saya ihren langen Schlaf angetreten hatte, der sich über dreißig Jahre hinziehen würde. Kai hatte ihr einen Platz in dem Hügelgrab ihres Adoptivvaters bereitgestellt. Zusammen mit dem stillen Haji, Sayas Chevalier und Beschützer, hatte er Sayas schwarzen Sarg dorthin getragen und auf ein kleines vorbereitetes Podest gestellt. Noch ein letztes Mal hatten die beiden Männer einen Blick auf die schlafende junge Frau geworfen, bevor sie den Deckel des Sarges geschlossen und gesichert hatten, damit sie von niemandem in ihrer langen Ruhezeit gestört wurde. Wenn Saya nach dreißig langen Jahren des Schlafes wieder erwachen würde, wäre Kai schon alt und hätte gut die Hälfte seines Lebens hinter sich gebracht. Haji hingegen würde nicht so stark altern, denn er war dem Zahn der Zeit kaum noch unterworfen, seit er zu Sayas Chevalier geworden war und mit ihr nun die Beinahe-Unsterblichkeit teilte. Kai hatte zeitweilig mit dem Gedanken gespielt seine Adoptivschwester zu bitten, ihn ebenfalls zu einem Chevalier, zu einem Beschützer zu machen. Als solcher würde er schnellere Reflexe, erhöhte Wahrnehmung, schärfere Sinne, sowie gesteigerte Stärke und Schnelligkeit besitzen. Dies waren alles dienliche Eigenschaften für die Aufgabe, die er sich vorgenommen hatte. Er wollte für und mit Saya kämpfen, gegen jene, die die Welt unterjochen und die Menschheit auslöschen wollten. //Diva...// Das war der Name von Sayas leiblicher Schwester, einem unglücklichen Geschöpf, das keine Liebe kennen gelernt hatte und ihrer Schwester ihre „Familie“ und ihr Glück neidete. Beide waren sie von menschlichen Eltern adoptiert worden, die eine wissenschaftliche Neugier an ihnen hegten, denn Saya und Diva waren keine Menschen. Während Saya das vermeintliche Glück gehabt hatte wie ein menschliches Wesen aufwachsen zu können, so war Diva wie ein Tier behandelt worden, das dazu da war wissenschaftlichem Interesse Nahrung zu sein. Der jahrelang angesammelte und aufgestaute Hass gegen jegliches menschliche Wesen hatte Divas Herz erkalten lassen, sodass sie mehr denn je einem gefühlskalten und brutalen Monster wurde, als das Wesen ihre Rasse, der Chiropterans, verschrieen waren. Saya und Diva waren die letzten Angehörigen dieser Rasse, Wesen von menschlichem Erscheinungsbild, doch mit großer Stärke und Agilität versehen, die sie mit ihren Chevaliers teilten. Chevaliers waren vor dem Beginn ihres neuen Lebens einfache Menschen, wie man ihnen tagtäglich auf den Straßen begegnete, doch hatten sie erst einmal etwas von dem Blut einer Chiroptera-Königin empfangen, hörte das Leben als Mensch auf. Schlaf und Nahrung verloren ihre Bedeutung für sie, da sie fortan weder Müdigkeit noch Hunger verspürten, nur den Drang ihre Königin, ihre Erschafferin zu beschützen, wenn es sein musste mit dem eigenen Leben. Haji war schon sehr früh Sayas Chevalier geworden und war glücklich damit für so lange Zeit an ihrer Seite bleiben zu dürfen. Sie war das einzige, was für ihn zählte, für ihn von Bedeutung war und umso mehr schmerzte es ihn, wenn sie ihren langen Schlaf antrat. Dann konnte er ihre Stimme nicht hören, ihre Blicke spüren, dann konnte er ihr nicht so nahe sein, da immer die kühle Schale des Sarges sie von einander trennen würde. Dreißig Jahre musste er warten, um dann zwei vielleicht auch drei Jahre mit ihr verbringen zu dürfen. Das Warten war eine lästige Angelegenheit, doch er konnte es nicht ändern. Sie brauchte diesen Schlaf, um ihre Kräfte wieder regenerieren zu können. Ungeduldig wartete er auf den Tag, an dem sie wieder erwachen würde. Jeden Tag kam er mit einer cremefarbenen Rose in das Hügelgrab und stellte sie den zu anderen in die Vase, die in einer kleinen Nische rechts vom Sarg gestellt worden war. Die verblühten Rosen nahm er heraus und würde sie entsorgen, wenn er wieder ginge. Vorsichtig ließ er den schweren, schwarzen Cellokoffer, den er fast immer mit sich herum trug von seiner Schulter neben sich auf den steinernen Boden gleiten. Gerade wollte er die Verschlüsse an dem Deckel aufschnappen lassen, als er lauschend inne hielt. Ihm war, als hätte er ein eigenartiges Geräusch in der friedlichen Stille des steinernen Grabes vernommen. Er schüttelte den Kopf, nachdem er eine Weile in die Stille gehorcht hatte und holte das Cello aus seinem weichem Samtbett heraus. Ein wehmütiges Lächeln stahl sich auf sein sonst so ausdrucksloses und beherrschtes Gesicht, als er auf die samtene Einbettung des Cellos starrte und gedankenverloren darüber strich. Auch Sayas Sarg war mit Samt ausgekleidet, mit rotem Samt. //Saya...// Da war wieder dieses Geräusch gewesen, das er schon vorhin vernommen hatte, doch auch dieses Mal vermochte er nicht zu sagen, was es verursachte und woher es kam. Kurz darauf ertönte es nochmals, doch um einiges lauter. Es klang wie das Reißen von Stoff oder ähnlichem Material. Kaum, dass dieser seltsame Laut verklungen war, beschlich ihn ein eigenartiges, aber vertrauter Gefühl, dass er im ersten Moment nicht zuzuordnen vermochte, bis ihm plötzlich ein Licht aufging. //Saya...// Rasch wandte er sich dem schwarzen Sarg zu, in dem Saya während ihres Schlafzykluses ruhte. //Aber das ist unmöglich...es ist noch nicht an der Zeit...!// dachte der schwarzhaarige Mann völlig verwirrt und innerlich aufgewühlt. Er spürte, wie das vertraute Gefühl ihrer Präsenz immer stärker wurde. Wie sehr hatte er diesen Moment herbeigesehnt, aber es war einfach noch zu früh. Er musste sich Gewissheit verschaffen, ob die Anzeichen wirklich das bedeuteten, was er glaubte in ihnen zu lesen. Vorsichtig machte er sich an den Verschlüssen des Sargdeckels zu schaffen, was ein wenig länger dauerte als sonst, da seine sonst so ruhigen Hände nun vor Aufregung zitterten. Das feine weiße Gespinst des harten Kokons, mit dem sie sich während ihres langen Schlafes zum Schutz umgab, war weich geworden und mittig der Länge nach aufgerissen, um den Blick auf ein schwarzhaariges Mädchen von ungefähr achtzehn Jahren freizugeben, das allmählich schlaftrunken die Augen öffnete. Haji konnte kaum glauben, dass sie jetzt schon erwacht war und sich ihre dunklen Saphire in seine Obsidiane bohrten. //Mein Gott, sie ist wirklich erwacht...! Aber warum jetzt schon...?// dachte er immer noch gefangen von dem unschuldigen Anblick seiner Königin, die noch die japanische Schulmädchenuniform trug, die sie während der vergangenen drei Jahre getragen hatte und mit der sie zum Schlaf gebettet worden war. „Haji...“ Es war fast nur ein Windhauch, der durch die stickige Luft des Hügelgrabes an sein Ohr drang, doch er konnte ihre Worte dank seiner geschärften Sinne wahrnehmen. Freude und Erleichterung schwangen darin mit, aber auch Traurigkeit und Bedauern. Bedauern, wegen dem, was gleich folgen würde. Sachte legte er ihr einen Arm um die Schultern, während der andere vorsichtig unter ihre Beine griff, um sie dann behutsam und galant aus dem Sarg zu heben. Sie war jetzt hungrig, so wie immer, wenn sie frisch aus ihrem Schlafzyklus erwachte. Er legte seinen Kopf leicht zur Seite und drückte sie etwas mehr an sich, sodass es für sie leichter war an seinen Hals zu kommen, um von ihm zu trinken. „Es tut...mir Leid...“, flüsterte sie schwach und legte ihre Lippen sanft an seinen Hals, um dann vorsichtig ihre langen Eckzähne durch seine Haut zu stechen, damit sie von seinem Blut trinken konnte. Sie war dieses Mal so sanft, dass er kaum spürte, wie sie von seinem Blut nahm. Er wusste, dass sie dies nicht gerne tat, fürchtete sie sich doch ihm wehzutun, ihn gar auszunutzen, doch dem war nicht so. Er ertrug es gerne und tat es freiwillig, damit es ihr an nichts fehlte. Der Chevalier drückte ihren zierlichen Körper, den er sanft und fürsorglich in seinen Armen hielt, noch etwas mehr an sich. //Ich werde immer an deiner Seite sein...// Kapitel 2: Überraschendes Wiedersehen ------------------------------------- Haji wartete geduldig, während sie von ihm trank und war etwas verwundert, dass sie bereits nach wenigen Schlucken wieder von ihm abließ, woraufhin sich sie Wunde an seinem Hals, die ihre spitzen Eckzähne geschlagen hatten, rasch wieder schloss. Die Fähigkeit zur beschleunigten Regeneration von Wunden war ebenfalls eine nützliche Eigenschaft, die die Chevaliers besaßen. Solange sie über einen genügend großen Vorrat an Blut verfügten, konnten sie sich rasch von fast allen Verletzungen erholen. „Wie fühlst du dich ?“ fragte er nach und stellte sie vorsichtig wieder auf ihre eigenen Beine jederzeit bereit ihr Halt zu geben, sollte sie noch zu schwach sein sich aus eigener Kraft auf den Beinen zu halten, immerhin hatte sie nur ein Zehntel der üblichen Zeit geschlafen und so bei weitem noch nicht wieder all ihre Kräfte erneuert. „Ich fühle mich noch etwas müde...., aber sonst gut...“, gab sie ihm mit leiser Stimme zur Antwort und lehnte sich dabei leicht an ihn, da sie ihren eigenen Beinen noch nicht zutraute ihr ganzes Körpergewicht tragen zu können. „Du solltest mehr Blut trinken, um dich zu stärken...“, meinte Haji und machte Anstalten sich zu ihr hinabzubeugen, damit sie nochmals von ihm trinken konnte, doch sie schüttelte entschieden den Kopf und entzog sich ein Stück aus seiner vorsichtigen, haltgebenden Umarmung. Saya wollte ihm nicht noch mehr Blut stehlen, sie hatte ihm schon die Zeit gestohlen, als sie ihn unwissentlich zu einem Chevalier gemacht hatte. Damals war Haji beim Blumenpflücken von einer steilen Klippe gestürzt. Als Saya ihn schwer verletzt und dem Tode nahe gefunden hatte, war sie völlig verstört und in Panik gewesen. Sie hatte nicht gewusst, was sie hatte tun sollen und hatte einfach instinktiv gehandelt. Sie hatte ihm etwas von ihrem Blut eingeflößt und ihn so zu einem Chevalier gemacht, einem Wesen fernab der menschlichen Unzulänglichkeiten. Durch die Gabe ihres Blutes transformierte Haji selber allmählich zu einem Chiroptera, doch verbarg er jegliche Anzeichen dieses Seins hinter seiner menschlichen Fassade, nur seine rechte Hand musste er unter einem Verband verstecken, da diese nicht ihr argloseres Äußeres annehmen wollte, aus welchem Grund auch immer. Haji seufzte innerlich. Er konnte sie nicht gegen ihren Willen zwingen sein Blut zu trinken, vielleicht war sie eher gewillt auf die Blutkonserven zurückzugreifen, die Red Shield seit langer Zeit wohlweislich angelegt hatte. Red Shield war eine mehr oder minder geheime Organisation, die im 18ten Jahrhundert von Joel Goldschmidt, dem ersten Adoptivvater Sayas, gegründet worden war. Die Leitung dieser wichtigen Organisation war nach dem Tod Joels an zuverlässige und vertrauenswürdige Personen weitergegeben worden. Ihre Aufgabe bestand darin Saya in ihrem Kampf gegen ihre wahnsinnige Schwester zu unterstützen und alle niederen Chiropterans, die Diva „geformt“ hatte, zu vernichten. „Lass uns nach Hause gehen...dort kannst du dich noch etwas ausruhen...“, schlug Haji bestimmt vor, da es ihm keineswegs entgangen war, in welchem geschwächten Zustand sie sich noch befand, außerdem konnte er dann auch Red Shield kontaktieren, um mehr über Sayas unerwartet frühes Erwachen zu erfahren. Noch bevor das schwarzhaarige Mädchen vermeintlichen Widerspruch einlegen konnte, hatte er sie auch schon wieder auf seine Arme genommen. Den schwarzen Cellokoffer samt Inhalt würde er später holen kommen, das wichtigste war erstmal sich um Saya zu kümmern. Es war inzwischen schon Abend und dunkel geworden als Haji mit Saya auf dem Arm zu dem Haus aufbrach, in dem sie zusammen mit Kai, Rikku und George Miyagusuku, ihrem zweiten Adoptivvater, gelebt hatte. Jetzt wurde es nur noch von Kai und Lewis, beide Mitglieder von Red Shield, bewohnt. Kai hatte mit Lewis Hilfe versucht die kleine Bar und Imbissbude im vorderen Erdgeschoss wieder in Betrieb zu nehmen, doch bisher kamen nur wenige Gäste. Zur Vorsicht nahm Haji trotzdem den ruhigeren und unauffälligeren Hintereingang, zu dem er von Kai einen Schlüssel bekommen hatte. Der braunhaarige Junge hatte dem Chevalier gesagt es stünde jederzeit ein Bett und eine Schüssel mit Nudelsuppe für ihn bereit, womit er wohl zum Ausdruck bringen wollte, dass Sayas Beschützer jederzeit in diesem Haus willkommen war, schließlich kannte Haji keinen Hunger und keine Müdigkeit mehr. Leise drehte sich der anvertraute Schüssel mit einem knackenden Laut im Schloss, woraufhin die Hintertür ein Stück aufsprang und dann nach innen aufschwang als Haji einen Fuß gegen sie drückte. Er ging auf direktem Weg den kleinen Flur mit den blass gelben Wänden entlang, die leicht knarrenden, dunklen Treppenstufen an der rechten Seite hinauf und trat dann in das letzte Zimmer ein, auf dessen ordentlich gemachtem Bett er Saya behutsam niederlegte. Sie war bereits auf dem Weg hierher wieder in seinem Armen eingeschlafen und ihre entspannten Gesichtszüge ließen sie sorglos und friedlich erscheinen. //Ob sie jetzt ihren Schlafzyklus fortsetzt...?// fragte sich der schwarzhaarige Chevalier bange und spürte bei diesem bedrückenden Gedanken einen unangenehmen Stich in der Brust, dort wo sein Herz schlug. //Bitte bleib wach...bleib bei mir...// bat er stumm und strich seine Königin eine störrige, dunkle Strähne aus der Stirn. Leise richtete er sich wieder auf und verließ das Schlafzimmer, dessen Tür er im Hinausgehen hinter sich schloss, um dann nach unten zu gehen. Er musste jetzt unbedingt jemanden anrufen, jemanden, der ihm die bohrenden Fragen, die ihn seit ihrem Erwachen beschäftigen, beantworten konnte, am besten Julia Silverstein. Im Erdgeschoss traf Haji auf Kai, der gerade eine schwere Getränkekiste Richtung Hausküche hievte. „Ah, du bist schon wieder da? Bist diesmal aber nicht lange geblieben...“, bemerkte dieser freundlich, aber doch mit einem leichten Stirnrunzeln und stellte die schwere Getränkekiste auf dem großen Küchentisch ab. Lewis, ein braun gebrannter und etwas stabiler gebauter Amerikaner, der früher für die CIA gearbeitet hatte, machte sich gerade über den Abwasch her, als die beiden die Küche betraten. „Ich muss telefonieren...“, sagte Haji, nachdem er Lewis mit einem knappen Nicken begrüßte hatte. Beide Mitglieder von Red Shield sahen sich verwundert an, schließlich telefonierte Haji nie, mit wem denn auch? Kai deutete mit dem Zeigefinger auf das weiße Telefon, das fast neben der Küchentür an der Wand hängend angebracht war und sogar über eine Freisprechanlage verfügte. „Was ist denn los...?“ erkundigte sich nun Lewis und strich sich dabei sein grell buntes Hawaii-Hemd glatt. „Saya ist aufgewacht“, kam es als Antwort, wobei Hajis Finger bereits über die Tasten des Telefons huschten, um die gewünschte Nummer zu wählen. Plötzliche Stille herrschte in dem Raum, dass man sogar das Tuten des Telefons hören konnte, als dieses eine Verbindung zum angewählten Gesprächspartner herzustellen begann. Hajis Bemerkung war wie eine Bombe eingeschlagen, kam diese bemerkenswerte Enthüllung doch ziemlich überraschend. Wer hätte schon mit so etwas gerechnet? „Sie ist in ihrem Zimmer und schläft“, beantwortete er Kais unausgesprochene Frage, die der Chevalier dem Jungen offensichtlich vom Gesicht abgelesen hatte, da dieser sie wegen des angenehmen Schocks nicht hatte über die Lippen bringen können. //Was hat das zu bedeuten...?// fragte sich Kai immer noch völlig überwältigt von dem Gefühl der Überraschung, das allmählich von Freude abgelöst wurde. Er konnte sie wiedersehen, wieder etwas mit ihr unternehmen, so wie vor drei Jahren. Würde sie sich jetzt nicht ausruhen, wäre er sofort zu ihr ins Zimmer gestürmt, hätte sie umarmt, sich vergewissert, dass sie wirklich da war und nicht nur eine herbeigesehnte Illusion war. Haji wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Telefon zu, da gerade jemand am anderen Ende abgenommen hatte. Es war Julia, wie er erleichtert feststellte. Sie war Wissenschaftlerin beim Red Shield und beschäftigte sich schon lange mit der Physiologie und den Eigenheiten der Chiroptera, sodass sie ihm gewiss Antwort geben konnte. Gebannt und mit einem flauen Gefühl im Magen wartete er ab, was die Wissenschaftlerin sagen würde, nachdem er ihr die sensationelle Nachricht geschildert hatte. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens erklärte die blonde Frau, dass das beobachtete Phänomen sehr ungewöhnlich sei und sie sich auf den Weg zu ihnen machen würde, vor Ort wäre sie eher in der Lage qualifizierte Aussagen zu machen. Danach legte sie auf und ließ einen besorgten Haji zurück. Wenn selbst Julia keine Antwort wusste, war meist nichts gutes im Busch. „Und, wie schaut es aus...?“ fragte Lewis neugierig nach und trocknete dabei eine der vielen Suppenschüsseln ab. Während des Telefonats hatte er erkannt, dass Haji sich mit Julia Silverstein in Verbindung gesetzte hatte, was auch nicht verwunderlich war, wenn man bedachte, welchem Forschungsgebiet sich diese Frau gewidmet hatte. „Julia wird vorbeikommen, um nach Saya zu sehen...“, erklärte der Chevalier und hängte den Hörer wieder ein, um dann die Küche zu verlassen und an Sayas Seite zurückzukehren, sodass er über ihren Schlaf wachen konnte. An dem Treppenaufgang in den ersten Stock hielt er jedoch noch einmal inne und erinnerte sich, dass er ja noch das Cello samt Instrumentenkoffer holen musste, welche er in dem Hügelgrab zurückgelassen hatte. Durch die Hintertür verschwand er hinaus in die Dunkelheit der Nacht, die nur von wenigen Straßenlaternen erhellt wurde, da der Mond am Firmament von schweren, düsteren Regenwolken bedeckt war. Auf dem Weg zum Hügelgrab, den er Dank seiner gegebenen Agilität als Chiroptera in kurzer Zeit bewältigte, öffnete der Himmel seine Schleusen, sodass ein starker Platzregen auf die Erde und den Asphalt prasselte und Haji dabei schnell bis auf die Haut durchnässte. Dieser störte sich nicht sonderlich daran, sondern sprang die vielen steinernen Treppenstufen hinauf, die zu seinem Ziel führten. Rasch legte er im trockenen Inneren angekommen das Cello zurück in seine samtene Einbettung des Koffers, den er sich wie immer über die rechte Schulter hängte. Als er sich wieder nach draußen wandte und unter dem Bogen des Grabeinganges stand, zuckte ein grellweißer, gegabelter Blitz vom Himmel, dem fast augenblicklich grollender Donner folgte, der so laut war, dass selbst Haji unwillkürlich zusammenzuckte. Der Nachhall des Donners verflüchtigte sich und ließ den schwarzhaarigen Beschützer mit einem vagen Gefühl sich anbahnender Gefahr im prasselnden Regen stehend zurück. Kapitel 3: Nächtlicher Angriff ------------------------------ Nächtlicher Angriff Die Nacht erschien ruhig und friedlich, als sich der schwarzhaarige Chevalier auf den Rückweg machte, nur zuckten die Blitze häufiger vom Himmel und ließen ihr bedrohliches Grollen vernehmen. Unruhe ergriff ihn, die sich wie eine stählerne Kette immer enger um sein Herz schloss. Haji konnte sich keinen Reim darauf machen, doch er war schlau genug diese intuitive Warnung nicht zu ignorieren. Irgendetwas schien ganz und gar nicht in Ordnung zu sein. Dieses Gefühl brannte sich mit glühendem Eifer immer mehr in ihn ein, als er das Haus erreichte, in dessen westlicher Wand auf der Höhe von Sayas Zimmer ein gewaltiges Loch wie eine frisch geschlagene Wunden klaffte. //Saya...!// Ihr und ihrem Wohlbefinden galt sein erster und einziger Gedanke, nicht, dass die anderem ihm egal waren, doch Sayas Leben war für ihn von existenzieller Bedeutung. Er hatte nur noch sie, sie allein vermochte für alle Zeit an seiner Seite zu sein und mit ihm durch die Zeit zu wandeln, so wie er immer an ihrer Seite sein würde. Er ging in die Knie und stauchte seinen Körper zusammen, um sich dann mit einem gewaltigen Satz vom Asphalt der Straße abzufedern, sodass er in dem völlig verwüsteten Zimmer Sayas wieder landete. Dort hatte ein gewaltiger Kampf getobt, der letztendlich das wüste Chaos in dem Schlafzimmer herbeigeführt hatte. Der kleine Holztisch, auf dem normalerweise eine Vase mit frischen Blumen stand, war in der Mitte von einem langen, scharfen Gegenstand in zwei fast gleiche Hälften gespalten worden. Die Schnittkante war fast sauber, so scharf war der Gegenstand und so groß war die Kraft gewesen, die auf das Möbelstück eingewirkt hatte. Auch das Bett hatte eine solche Krafteinwirkung erfahren, wie das zerfetzte Laken bewies. Der einfache Kleiderschrank am gegenüberliegenden Raumende war nur noch ein einziger Splitterhaufen, als habe ihn eine gewaltige Kraft in viele kleine Stücke zerbersten lassen. Das einzigst positive, was der schwarzhaarige Chevalier feststellen konnte, war, dass er nirgends Blut entdecken konnte, sodass er davon ausging, dass Saya unverletzt war. Aus dem Erdgeschoss drangen laute Schüsse ins obere Geschoss und metallische Laute, als wenn Schwerter heftig aufeinander prallen würden. Nichts hielt Sayas Beschützer noch einen Moment länger in dem zerstörten Schlafzimmer. Wie ein dunkler Schemen flog er die Treppe ins Erdgeschoss herab und sah gerade, wie Saya nach einem geblockten Angriff zurücktaumelte, um ihr Gleichgewicht kämpfend, während das schwere Breitschwert des Angreifers zum Zustechen bereit heranschnellte. Es war als würde sich die Zeit bis ins Unendliche dehnen. Alle Bewegungen schienen für das Auge kaum sichtbar, unendlich langsam abzulaufen in jenem einem Augenblick, den das Gehirn in erhöhter Alarmbereitschaft wahrnahm, damit ja keine wichtige Einzelheit übersehen wurde. Haji musste umgehend handeln, wollte er verhindern, dass Saya von der heran eilenden, scharfen Klinge schwer verletzt wurde. Mit der ihm gegebenen übernatürlichen Schnelligkeit sprintete er den beiden Kämpfenden entgegen, riss in der selben, fließenden Bewegung den Cellokoffer von seiner Schulter und benutzte ihn als Schild, um die tödliche Klinge von ihrer verheerenden Bahn abzulenken. „Haji !“ rief Saya überrascht, aber auch erleichtert aus, als dieser endlich in Erscheinung trat und in den tobenden Kampf eingriff. Ihm war klar, dass Saya in ihrem geschwächten Zustand unmöglich gegen den Krieger gewinnen konnte, denn sie war ungewöhnlich früh aus ihrem langen Schlafzyklus erwacht und hatte nicht einmal die übliche Menge an Blut von Haji entgegengenommen. Der Krieger, der auf Grund der neuen Kräfteverhältnisse kurz zurückwich, war eines jener gezüchteten, menschlich anmutenden Wesen der Cinq Fleches Organisation, die die Stärke und Schnelligkeit der Chevaliers besaßen und gehorsam wie Marionetten waren. Dass Saya sich überhaupt für eine kurze Zeit gegen den Krieger hatte behaupten können, war ein Wunder gewesen, dessen Größe Haji am eigenen Leib erkannte, als er nun selber versuchte gegen den gefährlichen Kontrahenten zu bestehen und er dessen unglaubliche Schnelligkeit und Stärke am eigenen Leib erfahren musste. Das gewaltige, mannshohe Breitschwert schlug erneut zu, sodass der Chevalier kaum mit dem Blocken hinterherkam, geschweige denn selbst die Initiative zu einem Angriff ergreifen konnte. Ihm blieb fast das Herz stehen, als er hinter sich einen markerschütternden Kampfschrei hörte, mit dem Saya hinter ihm hervorsprang, unter dem ankommenden Angriff, den Haji im Begriff war zu blocken, abtauchte und die mit ihrem Blut getränkte Schwertklinge in den Körper der Marionette versenkte. Der daraufhin einsetzende Prozess der Versteinerung und der Auflösung zu feinem, roten Staub beruhte auf der giftigen Wirkung von Sayas Blut, das sobald es sich mit anderem „abnormalen“ Blut mischte eben jenes Phänomen hervorrief. Das schwarzhaarige Mädchen sank erschöpft auf die Knie herab und klammerte sich an ihr katanaähnliches Schwert, in dessen Heft ein rubinroter Stein eingelassen war, der sie stets an ihre Aufgabe erinnerte alle Chiroptera vom Angesicht der Erde zu tilgen. „Saya !“ Sofort war Haji an ihrer Seite und mustere sie mit besorgtem Ausdruck, doch vermochte er mit seinen scharfen Augen, denen kaum etwas entging, nur eine kleine Schnittwunde an ihrem rechten Arm feststellen. „Grundgütiger, was für eine Sauerei...“, kam es von Lewis, der noch immer seine geladene Schrotflinte im Anschlag hielt und wachsam die Umgebung durch die Küchenfenster im Auge behielt. Kai kam aus seiner Deckung hinter dem Tresen hervor und spähte umher, doch die Gefahr gebannt, vorerst zumindest. „Alles in Ordnung bei euch?“ erkundigte er sich und erhielt von allen ein bestätigendes Nicken, wobei Haji Saya wieder auf seine Arme nahm, da ihre zitterndern und noch kraftlosen Beine nach dem absackenden Adrenalinspiegel sie nicht länger würden tragen können. Mit wenigen Schritten war er mit ihr schon im noch intakten Wohnzimmer, wo er das schwarzhaarige Mädchen behutsam auf das Sofa bettete, um dann den Erste-Hilfe-Koffer zu holen, der in einem Haushalt wie diesem auf keinen Fall fehlen durfte. Hieraus entnahm er einen Tupfer, mit dem er das aus der tiefen Schnittwunde austretende Blut abzutupfen und ließ ein großes Pflaster folgen, das er auf die Wunde klebte und mit einem strammen Verband fixierte, wusste er doch, dass ihre erstaunlichen Selbstheilungskräfte im geschwächten Zustand nur geringfügig aktiv waren. Kritisch betrachtete er die Versorgung der Wunde und war zufrieden mit seinem Werk. „Wie fühlst du dich?“ fragte er sie, wobei er immer noch vor dem Sofa, auf dem das Mädchen lag, knieend verharrte. „Müde und etwas hungrig...“, gestand sie mit leiser Stimme ein, doch war dies auch nicht verwunderlich, wenn man ihre ungünstigen Umstände bedachte. Haji nickte verstehend und zückte einen seiner kleinen Dolche, die er immer bei sich trug, um sich am rechten Handgelenk eine tiefe Schnittwunde zuzufügen, sodass dunkelrotes Blut hervorquoll. „Hier...“, sagte er und hielt ihr sein Hadngelenk vor den Mund, während er seinen linken Arm hinter ihren Rücken schob, um sie beim Trinken zu stützen. Der schwarzhaarige Chevalier war erleichtert, dass sie sein dargebotenes Blut annahm, wo sie dies sonst nur zögerlich und ungern tat. Sanft streichelte er ihr den Rücken, während sie von ihm trank und versuchte es ihr so angenehm zu machen. Langsam verspürte er einen leichten Druck an den Schläfen, der sich mit jedem Schluck Blut, den sie von ihm trank, verstärkte, doch Haji ignorierte dies, wollte er doch, dass Saya „satt“ wurde und somit wieder zu Kräften kommen würde. Inzwischen hatte sich ein leichtes, aber sich beständig verstärkendes Schwindelgefühl eingestellt, das ihm ein weiteres körperliches Warnzeichen war, dass er zuviel Blut verlor. Würde Saya nicht bald von ihm ablassen, liefe er Gefahr vollständig von ihr ausgesaugt zu werden. „Saya...?“ erklang seine Stimme alamiert, aber nicht mehr ganz so fest und sicher, wie sie es noch bis vor kurzem getan hatte. Ihre roten Lippen ließen augenblicklich von seinem Handgelenk ab, dessen Wunde sich ganz langsam wieder schloss. „Bitte verzeih...ich wollte nicht...“, murmelte sie erschrocken darüber, wie viel Blut sie ihm in ihrem Blutrausch abgenommen hatte. Kaum, dass er ihr das rote Lebenselexier dargeboten hatte, hatte sie sich nicht mehr halten können und hatte ihrem inneren Trieb nachgegeben. Voller Hunger und Wolllust hatte sie ihm sein kostbares Blut aus den Adern gesaugt, Blut, das für sie so gut schmeckte und sie mit neuer Kraft erfüllte. „Es tut mir...Leid....Haji..“ Diese Worte meinte sie aufrichtig und ernst und genauso, wie sie sie sagte. Es tat ihr Leid, dass sie die Kontrolle über sich verloren hatte und ihm dadurch Schmerz und Unannehmlichkeiten bereitet hatte. Die dunklen Saphire des Mädchens baten ihren Beschützer um Vergebung, die sie auch erhielt. Er würde ihr deswegen nicht böse sein, wusste er doch um sie und ihre Last. „Es ist in Ordnung...hauptsache du kommst so schnell wie möglich wieder zu Kräften“, hauchte er, als er sich zu ihr hinabbeugte und ihr einen kurzen, doch sanften Kuss auf die Stirn tupfte. Seine weichen Lippen berührten nur für kurze Zeit ihre Stirn, doch Saya glaubte, dass diese noch immer dort verweilten. Es war fast so ein Kuss wie damals in dem New Yorker Opernhaus, wo sie Diva zum finalen Kampf gestellt hatten. Am Ende hatte sich aber gezeigt, dass Saya nur gegen eine genetische Kopie ihrer Schwester gekämpfte hatte. An jenem Abend hatte Haji zum ersten Mal seit langem seine kühle Distanz zu ihr überwunden und die dahinter verborgenen Gefühle zu ihr zum Ausdruck gebracht, indem er sie erst auf die Stirn und dann auf ihren Mund geküsst hatte. Sie erinnerte sich noch gut an seine weichen Lippen, die auf ihren gelegen hatten, während seine Zunge noch vorsichtig und doch begehrend durch diese geschlüpft war, um ihre Zunge anzustubsen und zu umgarnen. Seine Arme hatten zärtlich und beschützend um ihren Körper gelegen, wobei er sie leicht an sich gedrückt hatte. Ihr wurde ganz warm bei dieser Erinnerung und lächelte wohl etwas verträumt, sodass sie ihre Augen überrascht aufriss und der Gegenwart zuwandte, die gerade ein Dejavu erzeugte. Der schwarzhaarige Chevalier hatte den verträumten und glücklichen Gesichtsausdruck seiner Königin verwundert und leicht schmunzelnd bemerkt, glaubte er doch zu wissen, was sie zu diesem Glück veranlasst hatte. Umihr Glücksgefühl andauern zu lassen, legte er seine Lippen, die von ihrer Stirn abgelassen hatten auf ihre rot schimmernden Ebenbilder, während seine Arme, die er sachte um sie geschlungen hatte, sie an sich zogen. Das schwarzhaarige Mädchen fand sich somit in einer liebevollen Umarmung wieder, die ihr Liebe, Schutz und Geborgenheit versprach. //Haji...// dachte sie nur und schloss die Augen, um in seinem Kuss und seiner Umarmung zu versinken, die sie mit einem wohligen Gefühl erfüllte. Dieses Gefühl betätigte sie in dem Willen weiterzuleben und weiterzumachen. Sie hatte ein festes Ziel vor Augen, nämlich glücklich mit Haji und den anderen zusammenzuleben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)