Was es ist von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Was es ist --------------------- Seltsam. Das auf jeden Fall. Es ist seltsam, hier zu liegen und es gleichzeitig nicht zu tun. Neben mit höre ich Harry leise atmen, gleichmäßig, ein steter Rhythmus, vielleicht das Einzige, das mir bewusst werden lässt, wo ich bin. Seine Hand liegt irgendwo unter meiner, aber es fühlt sich nicht mehr gut an. Es ist mit zu vielen Erwartungen verbunden. 'Halt mich', schreit die Geste. 'Lass mich nicht allein!' Aber ich kann es nicht. Ich kann ihn nicht hierhalten. Die Zeit, in der ich es geschafft habe, für uns beide zu Leben, ist vorbei. Natürlich hat er alles wieder auf die Beine gestellt. Er hat mich geheiratet, er hat ein Haus gebaut, er hat Kinder bekommen und ist glücklich geworden. Zumindest glaubt er das. Und doch- es sollte andersherum sein. Er sollte mir zeigen, wer ich bin. Er sollte mir Halt geben und mich in den Arm nehmen, wenn ich Albträume hatte, mir Sicherheit bieten. Denn entgegen seiner Vermutung bin ich alles andere als stark. Ich will nur... frei sein. Und das kann ich nicht. Nicht wenn er hier ist. Neben mir liegt. Sich an mir festklammert. „Alles ist gut“, hat er geflüstert, gestern auf dem Bahnhof. Aber nichts ist es. Er denkt es nur. Dort unten im Erdgeschoss schläft Lily. Ich wünschte, ich könnte sie jetzt atmen hören statt ihn.. Langsam und vorsichtig löse ich meine Hand aus seiner Umklammerung. Er murmelt unruhig, schläft aber weiter. Ich hoffe, es wird ihm nicht auffallen, dass ich jetzt einfach gehe. Und ich weiß nicht, wohin. Doch irgendwie ist es endgültig. Mir fällt dieser See ein, an dem wir letztes Wochenende waren. Es war wie ein kleiner Abschied vom Familienleben, denn immerhin werden wir James und Albus nun für zwei Monate nicht mehr sehen. Die Umgebung selbst ist wunderschön. Am Tag. Und noch viel schöner ist sie bei Nacht, im Licht des fast vollen Mondes. Die Wasseroberfläche glitzert, als würden Sterne auf dem Grund des Sees scheinen. Das Gras ist kühl und feucht, der Sand, der das Ufer umsäumt, fühlt sich unglaublich gut an unter meinen nackten Zehen. Irgendwo dort hinten stehen meine Schuhe, und es ist mir egal. Ich werde sie schon wiederfinden. Ich möchte rennen. Dann kann ich vielleicht alles vergessen. Meine Schritte beschleunigen sich, ich laufe, schneller, schneller und irgendwann fühlt es sich an, als würde ich fliegen. Tatsächlich, alles ist unwichtig geworden. Es ist, als wäre es dort zurückgeblieben, wo ich losgelaufen bin. Irgendwann wird es mich wieder einholen, doch dann kann ich ihm entgegen blicken und lächeln. So ist es und so ist es gut. Irgendwann bleibe ich stehen, keuchend, nach Luft ringend. Genug, ich habe keine Kraft mehr. Noch immer schwer atmend falle ich ins Gras, blicke aufs Wasser, bewundere die Stille. Ich würde gerne wirklich fliegen können. Es ist schon... verwunderlich, hier zu sitzen, einfach allein zu sein. Ich bin es sowieso viel zu selten. Frei. Ich habe es durchgesetzt, das Freisein. Das ist es. Was ich suche. Immer gesucht habe. Früher dachte ich, dass Harry Freiheit für mich bedeuten würde. Dass das Verstehen zwischen uns reichte und dass seine Wünsche nach einer Familie mich nicht zu sehr einschränken würden. Ich lag falsch. Es ist nicht das, was ich wollte, obwohl ich unter so vielen Menschen aufgewachsen bin. Das ist es, was ich will. Ich weiß, dass ich übereilt handle, nichts überlege, nichts plane und vollkommen ins Blaue laufe, doch ich werde gehen. Ihn verlassen. Es wird immer etwas besonderes sein zwischen uns, aber...nicht das Richtige. Das Richtige... das ist... „Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen...“ Diese Stimme würde ich unter hunderten wiedererkennen. „Luna? Was...“ Verträumt, nebelig, geheimnisvoll, mir vertraut... „Das sollte ich dich fragen, nicht wahr? Schließlich wohne ich hier...“ Ich kann sie lächeln hören und sie setzt sich neben mich. Wir haben uns aus den Augen verloren in den letzten Jahren, immer weniger miteinander gesprochen. Ich lese ihre Zeitschrift, aber... Ich hätte wissen sollen, wo sie lebt. Zumindest das. „Entschuldige..“ „Wo ist das Problem?“ Unkompliziert. Sie ist einfach da. So war es immer. Sie war einfach da. Ob im Hogwarts-Express in meinem ersten Jahr, als Harry auf die Suche nach den Horkruxen ging, als wir heirateten...überall war sie einfach da und hat mir Mut gemacht. Sie war wie eine Stütze für mich. Gab mir halt. „Ich weiß nicht...“ Sie lächelt, ich bin mir sicher. „Bist du auch hier, um die Feen zu sehen?“ „Feen?“, frage ich erstaunt. Es fällt mir nicht schwer, ihr zu glauben. Dieser Platz ist perfekt für sie. „Ja...sie kommen immer hier her ... Immer kurz vor Vollmond... Immer kurz vor dem Morgengrauen...“ Wie spät ist es? Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. „...also jetzt...“ Plötzlich sehe ich in der Mitte des Sees etwas schimmern. Violett. Bald kommt ein zweiter kleiner Kreis dazu. Blau. Es werden schnell mehr, in allen Farben schweben sie auf dem Wasser, es sieht aus, als würden sie tanzen. Lebendig. Auf und ab. Hin und her. Schön. Sie können fliegen, geht mir auf. Sie können frei sein. Tun was sie wollen. Spielen, wenn ihnen danach ist. Tanzen, wenn es ihnen passt. Uns verzaubern und uns nicht mehr loslassen. Es ist eine wahre Erleuchtung. Wir beobachten schweigend. Irgendwann verschwinden die Lichter, eines nach dem anderen. Luna nimmt meine Hand. Warum sie es tut? Ich weiß es nicht. Das Letzte verschwindet, als ihre Finger sich um meine schlingen. Es fühlt sich gut an. Als würde sie mich sanft festhalten wollen, mich nicht in Gedanken versinken lassen. „Willst du nach Hause gehen?“ Nein, ich will nicht. Noch nicht. Später, wenn der Tag erwacht ist. Wenn ich mir sicher bin, was ich will. Nein, das weiß ich jetzt schon. Ich will weiter. Wegfliegen. Doch ich werde erst zu Harry gehen, wenn ich weiß, wohin ich will. Hand in Hand laufen wir davon. Luna zieht mich mit sich, als wäre ich ein Drachen an einer Schnur, sie dirigiert mich in eine Richtung, während ich mir um nichts Sorgen machen muss. Hinter uns breitet sich ein heller Streifen am Horizont aus. Ich weiß nicht, was es ist, das ich fühle, als Luna jetzt noch einmal meine Hand drückt. Sie kann unmöglich wissen, was ich will oder warum ich hier bin. Kann nicht wissen, wie warm mir ist, wenn sie in meiner Nähe ist. Das, das ich schon lange gesucht habe. „Bleib' bei mir“, schlägt sie vor. Was es ist? Das Richtige. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)