Bilderbuch von MarrySueCarkless ================================================================================ Damian ging ohne seine Umgebung wahrzunehmen die Straße entlang und träumte vor sich hin. Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Die Sonne schien und erwärmte die Luft, so dass der Wind Damian angenehm umschmeichelte. Er lief mit seinem Skizzenbuch in der Hand über die Straße, ein Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Damian wollte zum Park gehen, um dort, unter seinem Lieblingsbaum sitzend, den Tag zu genießen. Einfach mal entspannen. Den Alltag Alltag sein lassen und an nichts wichtiges denken. Damian liebte den Park und die Natur, die dieser beinhaltete. Er fühlte sich einfach wohl, wenn er die Vögel zwitschern hörte und die Hunde, die mit ihren Besitzern spazieren gingen, bellten. Damian mochte es, das Gras unter seinen Fingern zu spüren und wenn die Blätter des Baumes im leichten Wind raschelten. Das Gefühl der Unbeschwertheit, was der Geruch der Blumen, der im Frühling von der Luft mitgetragen wurde bei ihm auslöste und ihn zu Träumen anregte. Der Park war sein Ort der Ruhe, er gehörte ihm. Nichts und niemand konnte Damian das nehmen. Schon so lange hatte er sich das nicht mehr gegönnt. Er hatte einfach keine Zeit dazu gehabt. Damian stand kurz vor seinen Abiturprüfungen und musste sehr viel lernen, damit er einen guten Schulabschluss bekam und er zuversichtlich in die Zukunft blicken konnte. Es stresste ihn fürchterlich, ständig in seinem Zimmer zu sein, die stickige Luft atmen zu müssen und nicht mehr zu wissen wie ein Baum überhaupt aussah. Es kotzte ihn regelrecht an, dass er keine Zeit mehr hatte, sich seinen Hobbys zu widmen oder einfach mal auszuschlafen. Die Wochenenden zu genießen oder eine Nacht durchzuschlafen, ohne durch Zahlen oder Fremdwörter, die ihm durch den Kopf schossen, aus dem Schlaf gerissen zu werden, nur um dann am nächsten Tag weiter zu lernen. Doch er brauchte diesen Abschluss nun mal und er fühlte sich verpflichtet alles dafür zu geben. Schließlich wollte Damian Künstler werden. Er zeichnete für sein Leben gern. Schon seit er einen Stift halten konnte. Er war gut, wenigstens sagten das alle, egal ob sein Kunstlehrer, seine Mitschüler und auch seine Eltern. Alle sagten ihm er solle Kunst studieren. Damian wusste nicht ob es das war, was er wollte. Das Einzige was er wusste war, das er für sein Leben gern zeichnete. Es war wie ein innerer Zwang für ihn, dass er alles was er sah, auf Papier verewigte. Es war ihm egal, was die Anderen über seine Bilder sagten. Es waren seine Bilder. Sie gehörten ihm und niemand anderem. Er drückte damit seine Gefühle aus. Egal ob er nun traurig oder fröhlich war, alles was in seinem Leben geschah hielt er in seinem Skizzenbuch fest. Es war seine Art sich zu ordnen. Das Erlebte zu verarbeiten und für sich festzuhalten. So konnte er sich alles noch einmal in Ruhe anschauen und nichts geriet in Vergessenheit. Niemand war dazu berechtigt darüber zu urteilen, dieses Recht war einzig und allein ihm vorbehalten. Als Damian am Park ankam machte er sich auf den Weg zu seinem Lieblingsbaum. Es war einiges los. Viele Menschen gingen spazieren oder sonnten sich auf einer der Rasenflächen, die reichlich vorhanden waren. Ein paar Kinder spielten Ball und lachten laut. Damian ging zielstrebig über eine Wiese und setzte sich unter seinen Baum. Er atmete tief ein und genoss den Geruch von den verschieden Blumen und von frisch gemähten Gras, der in der Luft lag. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und seine Augen strahlten nur so. Damian schlug den Block auf und holte seinen Stift hervor. Er rückte sich noch einmal zurecht, so dass er sicher war dass er bequem saß und er nicht nachher noch einen Krampf bekam. Gedankenversunken starrte er in den blauen Himmel. Worüber sollte er ein Bild malen? Was beschäftigte ihn? Was war in den letzten Wochen alles geschehen? Er versuchte seine Gedanken zu ordnen und erinnerte sich dabei an den letzen Schulausflug. Sie waren mit der Klasse im Museum gewesen. Die Fahrt dorthin hatte sehr lange gedauert, fast drei Stunden waren sie mit Bus und Bahn unterwegs gewesen. Damian starrte die gesamte Zeit aus einem der Fenster und betrachtete die Landschaft. Ihm war langweilig, da er seine Malsachen zu Hause lassen musste. Außerdem war er noch müde, da er die Nacht über sehr schlecht schlief. Warum wusste er nicht. Vielleicht war es der Stress durch die bevorstehende Matheklausur, wäre nicht das erste Mal, dass er deswegen nicht zur Ruhe gekommen wäre. Endlich kamen sie am Bahnhof an. Seine Klassenkameraden lachten lautstark und rannten förmlich hinaus, auf den Bahnsteig. Damian runzelte die Stirn und stieg gemächlich aus aus um dann zu seinen Mitschülern aufzuschließen. Er wartete geduldig auf ihren Klassenlehrer, damit sie endlich weiter konnten. Damian mochte diese Ausflüge noch nie. Viel lieber wäre er jetzt zu Hause in seinem Bett und würde noch etwas schlafen, aber das ging ja leider nicht, denn die Teilnahme war Pflicht und es hätte sich sicher negativ auf seine Deutschnote ausgewirkt und das wollte und konnte Damian einfach nicht riskieren. Dann doch lieber an diesem, nach seinem Empfinden idiotischen Ausflug teilnehmen, für was auch immer dieser gut sein sollte. Nach einer weiteren halben Stunde Busfahrt kamen sie am Museum an und durchschritten die kleine Parkanlage, die das Museum umgab. Damian sah sich um. Es war ein sehr altes Gebäude, bestimmt über hundert Jahre alt. Am Eingang fing der Lehrer dann an den Schülern den genauen Ablauf zu erklären. Damian hörte nur mit einem Ohr zu und träumte vor sich hin. Als sie dann endlich entlassen wurden, ging er alleine los, um das Museum zu erkunden. Es war nicht sehr groß und Damian hatte keine Lust sich die Kunstwerke genauer anzuschauen, da er die Menschen die sich im Museum bewegten viel interessanter fand, als ein paar alte, verstaubte Bilder. Nach zwei Stunden, in denen er die verschiedensten Personen beobachtet hatte ging Damian zum vereinbarten Treffpunkt, auch wenn er gerne noch etwas im Museum geblieben wäre, denn über einige der Besucher hätte er gerne noch mehr erfahren. Damian saß mit seinen Klassenkameraden an einem Brunnen, der vor dem Museum thronte. Die ganze Szenerie wirkte irgendwie irreal auf ihn. Die lachenden Schüler, die nostalgische Kulisse und er. Es stimmte ihn traurig, dass er nicht wusste worüber die Anderen dort lachten und er deshalb nicht mitlachen konnte. Er war ja selbst Schuld, es waren nur ein paar Schritte. Doch für ihn war der Weg fast unüberwindbar. Er traute sich einfach nicht. Damian hatte sich einen Platz außerhalb der Menge gesucht und beobachtete seine Mitschüler, wie sie sich gegenseitig irgendwelche Sachen beschrieben, die sie im Museum entdeckt hatten. Wehmütig schaute er zu ihnen. Damian gehörte nicht dazu. Er war nur ein Zuschauer, nie machte er mit. In einem Moment wie diesem wünschte er sich, dass es anders wäre. Dass er jetzt auch dort stehen würde und den Anderen von seinen Endeckungen berichten könnte. Er war selbst Schuld daran, dass er das nicht konnte, schließlich hinderte ihn ja niemand daran sich an den Gesprächen zu beteiligen und doch schaffte er es nicht. Er selber war es der es nicht wollte, er beobachtete lieber aus der Ferne. Da war er sicher, dort konnte ihm nichts geschehen. Es war besser so. Schließlich musste er so nicht auf andere Rücksicht nehmen. Er musste sich nicht verstellen. Auch wenn er manchmal einsam war gefiel es ihm so besser. Er konnte sich ganz seinem Hobby widmen. Er wollte nicht, dass sich daran etwas änderte. Wusste nicht was dann geschehen würde und er hatte Angst davor. Was wenn sie ihn nicht mochten? Was wenn sie ihn auslachen würden. Nein, das wollte er nicht riskieren. Zumindest jetzt noch nicht, vielleicht ja später einmal. Vogelgezwitscher holte Damian zurück in die Realität. Kurz blinzelte er, um die Punkte, die vor seinen Augen waren, wegzubekommen. Nun wusste er was er malen wollte. Er umfasste den Stift fester und fing an zu zeichnen. Sein Stift huschte routiniert über das Papier. Jeder Strich saß. Langsam entstand ein Bild, dass Lebenslust und Sehnsucht wiederspiegelte. Damian saß schon ein paar Stunden dort, als er das Skizzenbuch zur Seite legte. Er lächelte und massierte sich seine Hände. Seine Finger schmerzten und doch war er mit seinem Werk zufrieden. Langsam stand er auf und streckte sich ausgiebig. Als er seinen Blick Richtung Himmel schweifen ließ, sah er dass dunkle Wolken aufgezogen waren. Leise seufzte er, er wollte noch nicht nach Hause. Er wäre viel lieber noch etwas hier geblieben und hätte vor sich hingeträumt. Missmutig schaute er auf die Wolken und machte sich auf den Heimweg. Er würde mindestens eine halbe Stunde brauchen, also musste er sich beeilen, wenn er nicht völlig durchnässt nach Hause kommen wollte. Damian bog gerade in den Magnolienweg ein als es auch schon anfing zu tropfen. Er fluchte leise vor sich hin und fing an schneller zu gehen. Schon nach wenigen Metern fing ein fürchterlicher Sturm an sein Unwesen zu treiben. Der Himmel war schwarz. Dunkle Wolken verwehrten den Blick auf die Sonne. So langsam aber sicher wurde es Damian mulmig zu mute. Das Donnern und Blitzen machte ihm Angst. Auf den Straßen bildeten sich kleine Bäche, die sich ihren Weg zur Kanalisation bahnten. Damian konnte durch den Regen kaum noch etwas erkennen. Er fing an zu rennen. Nur schnell nach Hause war der Gedanke der ihn dabei antrieb. Er rannte ziellos drauf los. Kam öfters ins Straucheln, da seine Schuhe für das Wetter nicht geeignet waren. Damian überquerte Straßen, rannte über die Bürgersteige ohne seine Umgebung wahrzunehmen. Der Regen nahm ihm jegliche Sicht, so rempelte er auch den einen oder anderen Passanten an, der ihm darauf hin das ein oder andere Schimpfwort hinterher rief. Damian wollte nur noch Heim, er zitterte und rannte als wäre der Teufel hinter ihm her. Ein furchtbarer Knall und das Quietschen von Reifen zerschnitten das Tosen des Windes. Er spürte nur noch einen kurzen, dafür umso heftigeren Schmerz, der seinen ganzen Körper ergriff, dann wurde es schwarz um ihn herum. Damian lag auf der Straße. Ein Auto stand nicht weit von ihm entfernt mitten auf der Fahrbahn. Das Auto hatte eine große Beule an der Frontseite. Der Fahrer des Wagens starrte auf einen imaginären Punkt. Etwas Blut klebte an seiner Stirn und seinen Haaren. Still saß er da, zu keiner Regung mehr fähig. Auf dem Bürgersteig eilte ein Passant herbei, der vor der Videothek gestanden hatte, als er den Knall hörte und sofort reagierte. Er telefonierte und schrie durch den Regen kaum verständliche Worte in sein Mobiltelefon. Genau vor Damian blieb er stehen und ließ sich auf die Knie fallen. Er fühlte den Puls des Jungen, doch da war nichts. Völlig aufgelöst versuchte er Damian zu reanimieren. Kein anderer Passant war in der Nähe, nur der Autofahrer, der einfach weiter vor sich hinstarrte und nichts mehr von seiner Umgebung wahrnahm, war noch da. Das Unwetter tobte weiter ohne Rücksicht. Damians Skizzenbuch lag aufgeschlagen auf dem Boden. Der Regen durchnässte es völlig. Keiner kümmerte sich darum. Es war unwichtig. Sirenen waren in der Ferne zu hören. Sie kamen immer näher und irgendwann war ein Krankenwagen zu sehen. Sanitäter stürzten sich auf den am Boden liegenden Jungen. Drängten den völlig verzweifelten Mann zur Seite. Still stand der Mann da, genauso still wie Damian. Sein Blick schweifte und traf dabei auf ein Buch. Es war vom Regen nass und unansehnlich. Der Passant schaute es sich genauer an. Blut und Wasser benetzten die letzte Seite. Sie ergaben ein groteskes Bild. Das letzte Bild. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)