Don´t love too soon von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Zwei einsame Seelen ------------------------------ ------------------------------------------------------------------------------- Zwei einsame Seelen Sie aßen ausgiebig zu Abend, dann schickte Nero Hapin ins Bett. »Na, willst du wieder reden?«, fragte sie, doch diesmal war ihr Lächeln aufgesetzt. Nero sah sie wieder einmal mit seinem nachdenklichen Blick an. »Es tut mir Leid, wenn ich gestern zu hart zu dir war, es lag an dem Thema, nicht an dir.« Carina spürte, dass seine Entschuldigung aufrichtig war. »Es ist in Ordnung«, meinte sie. »Willst du dir nicht die Schriftrolle ansehen?«, fragte Nero. Carina schauderte. »Nein. Noch nicht. Ich befürchte, dass es sehr wehtun wird, egal was darin steht. Wenn sie der Grund für den Tod meiner Mutter war, dann könnten Worte nie den Verlust rechtfertigen…«, murmelte Carina leise, doch Nero schien alles zu verstehen. Er nickte sanft. Sie streifte die Zeltplane zum Heck beiseite und schaute hinaus auf den Fluss, die spärlichen Lichter des Dorfes warfen von der Bugseite her bizarre Schatten auf das Wasser. Plötzlich stellten sich die Haare an ihren Armen auf, sie spürte, dass Nero dicht hinter ihr stand. »Was ist denn?«, flüsterte sie. Wusste er nicht, was für eine Wirkung seine Nähe auf sie hatte? Ihr Magen schien sich zusammen zu ziehen, als seine Hände sich um ihre Taille schoben. »Ich habe auch schon Trauer gefühlt. Aber es hilft nicht, wenn du es in dich reinfrisst, es zerstört dich nur. Du musst leben, das hilft. Versprich mir zu leben.« Etwas verunsicherte sie, doch es waren nicht seine Worte, es waren seine Hände - sie zitterten. Er ließ sie los und Carina drehte sich um, blickte in seine dunklen Augen. Wie immer konnte sie seine Gefühle darin ablesen: Er war traurig, aufgewühlt und gleichzeitig so ernst. Carinas Atem löste sich, halb ein Lachen, halb ein Seufzen, aus ihrem Mund. »Ja… ich verspreche es.« Auf einmal fuhr Nero herum, lief nach drinnen. »Ich kann nicht einschlafen, Nero!«, murmelte Hapin von seinem Bett aus. Nero setzte sich zu ihm, Carina ebenfalls. »Erzählst du mir eine Geschichte, Carina?«, fragte Hapin, doch sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß etwas besseres…« Carina begann leise ein Schlaflied zu summen, als sie die Melodie wieder gefunden hatte, begann sie zu singen. Wie oft hatte sie in ihrem Leben schon gesungen? Als ihre Mutter nächtelang geweint hatte, nach dem Tod ihres Vaters. Als sie mit ihren Eltern spazieren gegangen war. Bei der Arbeit. Immer. Es half tatsächlich, bei der fünften Strophe döste Hapin in einen tiefen Schlaf und Nero sah sie anerkennend an. »Respekt, es ist gar nicht leicht ihn ins Bett zu bekommen. Er ist so… lebhaft. Vielleicht genau das, was du brauchst.« Carina bemerkte erneut die Trauer, die ihr Bild in seine Züge zeichnete. »Vielleicht«, antwortete sie lächelnd, doch sie dachte: Ich will dir nicht für meinen Bedarf an Leben deine Medizin wegnehmen, Nero. Am nächsten Morgen legten sie ab und hielten ein Stück flussabwärts erneut. Wieder angelten sie den ganzen Tag und Carina entschied sich dafür, Hapin eine Piratengeschichte zu erzählen, voller Seeschlachten und Kanonendonner. Bis zum Abend fing Hapin fünf Fische, Nero ganze elf. Die ganze Zeit über waren Carinas Gedanken immer wieder zu ihm geschwebt. Sie hätte nur aufstehen und für einen Moment zum Heck gehen müssen, dennoch war er ihr unerreichbar vorgekommen und tat es auch jetzt noch. Er war kein bisschen abweisend zu ihr, dennoch hielt er immer eine gewisse Distanz aufrecht. Sie dachte an seine Hände, wie sehr sie gezittert hatten - weshalb? In der Abenddämmerung fuhren sie weiter und ankerten diesmal an einem schmalen Streifen Sandstrand. Nero schickte Carina und Hapin aus um trockenes Schilf und Holz zu suchen. Als sie zurückkehrten, hatte er bereits die vier Fische, die er am Tag zuvor nicht verkauft hatte, auf Spieße gesteckt, zusammen mit ein paar Orangenstückchen. Er entzündete ein Feuer und sie grillten die Fische. Nach dem Essen brachte Nero Hapin ins Bett und kehrte dann zu dem glimmenden Feuer zurück. Sein weißes Leinenhemd war verführerisch aufgeknöpft, sein Haar gewohnt verwuschelt, nachdenklich blickte er ins Feuer. Wie gern wäre Carina zu ihm gekrochen, hätte sich an ihn geschmiegt und ihn gebeten ihre Trauer zu verbannen - egal wie. Doch es ging nicht. Das Schilf glomm zwischen ihnen und es kam ihr vor, als hätte sich Nero bewusst so hingesetzt, dass es eine Barriere bildete. Er wollte ihr nicht zu nah kommen! Das war es, eine simple Lösung. Er hatte Angst vor ihr… vielleicht Angst vor allen Mädchen, doch warum? Carina versuchte über die rauchende Glut hinweg Neros Blick einzufangen, als er plötzlich aufsah. »Weshalb ist dein Vater tot?«, fragte er sanft. Carina zuckte zusammen, ihr Herz schien sich einen Moment lang zu verkrampfen. »Er wurde nicht ermordet, wenn du das meinst… es war ein Unfall«, flüsterte Carina, dann beschloss sie es ihm zu erzählen. »Ich war noch klein, acht glaube ich. Es sah nach Gewitter aus und unsere Schafe grasten auf einer Koppel am Fluss. Meine Eltern und ich wollten sie rasch in die Scheune bringen, aber ein Lämmchen kam aus und fiel in den Fluss, er war an der Stelle nicht einmal reißend. Mein Vater sprang hinterher, um es zu retten, aber plötzlich begann es heftig zu regnen, mein Vater verlor im Fluss die Orientierung und prallte gegen einen Felsen. Wir konnten nichts tun… er ist ertrunken. Kurz darauf sind meine Mutter und ich in die Hütte an der Klippe gezogen, von wo man den Fluss nur schwer erreichen konnte. Sie hat mir verboten schwimmen zu lernen, um mich nicht auch noch zu verlieren…« Der Wind schlug um, Rauch prallte in Carinas Gesicht, biss in ihre Augen und lockerte ihre Tränen. Sie schluchzte auf, atmete ein und bekam einen Hustenanfall. Nero lief zu ihr und zog sie aus dem Rauch, setzte sich dann ein Stück neben sie. Nicht einmal in so einem Moment konnte er seine Angst überwinden - stumm sah er sie an. »Du Idiot! Warum schaust du mich so an?! Du weißt so viel über mich und ich weiß fast nichts über euch! Du bist so ein Feigling, Nero!«, brach es aus ihr heraus. Mit einem Ruck lag sie unter Nero, er drückte ihre Handgelenke in den Sand. »Halt die Klappe! Du hast keine Ahnung! Wenn ich dir alles erzählen würde, dann würdest du mich hassen! Ja, vielleicht bin ich feige, weil ich das nicht will! Aber ich wurde einfach schon von zu vielen Menschen gehasst!… Bitte, …nicht auch noch du.« Sie blieb reglos liegen. Er sah nicht wütend aus, nur unendlich traurig. Plötzlich schien ihm bewusst zu werden, wie nah er ihr kam und er rollte sich neben sie, wo er schwer atmend liegen blieb. »Es tut…«, begann er, doch Carina richtete sich auf, beugte sich über ihn, stützte sich mit einer Hand im Sand ab und legte ihm den Zeigefinger der anderen auf die Lippen. »Halt doch selbst den Mund! Ich bin dieses ewige Hin und Her leid! Erst bist du so… dominant und stur und dann entschuldigst du dich! Entscheid dich doch endlich! Warum hast du solche Angst vor mir? Warum tust du alles um mir nicht zu nahe zu kommen? Denkst du, ich würde es dir übel nehmen?« Noch einmal stieg Melancholie in seinen Augen auf. »Ich will dich nicht umbringen«, murmelte er, als sie ihren Finger wegzog. »Aber das verstehst du nicht…« Carina wich automatisch ein Stück zurück. »Um- umbringen?!«, keuchte sie panisch. »Hast du etwa -?« Nero richtete sich auf und sah sie herausfordernd an. »Siehst du? Schon willst du gar nicht mehr, dass ich dir nahe komme…« Sein Lächeln bei diesen Worten war so traurig, dass erneut Tränen in Carina aufstiegen. Sie senkte den Kopf. »Doch«, flüsterte sie. Sie spürte seinen verständnislosen Blick auf sich ruhen. »Warum?« Carinas Mundwinkel zuckten unter Tränen. »Ich will Lächeln in deine Augen pflanzen.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)