Nemesis von Chi_desu (ItaSasu) ================================================================================ XIX. All I ever really wanted was to be like you ------------------------------------------------ Als ich zu mir komme, kann ich im ersten Moment nicht verstehen, wo ich bin. Ich liege im Bett und erwache mit dem seltsamen Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Nein, dass überhaupt nichts mehr stimmt. Das Licht brennt in meinen Augen, als ich sie öffne und ich begreife, dass ich nicht in meinem Zimmer bin. Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl von déjà-vu. Wie bin ich…? Mit der Kraft eines Vorschlaghammers trifft mich die Erkenntnis, dass ich Naruto getötet habe. Es ist alles wieder da, das, was auf der Brücke passiert ist und ich kriege im ersten Moment kaum noch Luft, weil ich fast in Panik gerate. Ruckartig setze ich mich auf, krümme mich und ringe nach Atem. Damals war es genauso. Nachdem Itachi meine Familie getötet hatte, wachte ich wochen- und monatelang auf diese Weise auf. Man vergisst, wenn man schläft. Und wenn man erwacht, denkt man ein paar wunderbare Sekunden lang, alles wäre immer noch so wie früher. Bevor einen die Wahrheit einholt und man jeden Morgen aufs Neue begreift, dass nichts mehr so sein wird, wie es mal war. Das Aufwachen war immer das Schlimmste am ganzen Tag, nachdem meine Eltern gestorben sind. Und jetzt ist wieder ein Mensch gestorben, der mir wichtig war. Es war dumm von mir, Naruto und Sakura in mein Haus zu lassen. Es war dumm, sie meine Freunde zu nennen. Meine Freundschaft bringt nur Unglück. Weil Itachi eifersüchtig über mich wacht und am Ende jeden tötet, der mir wichtig ist. Ich weiß, derjenige, der Naruto umgebracht hat, war ich. Aber ich weiß auch, dass Itachi wollte, dass es so kommt. Ich kann und will nicht glauben, dass er das, was passiert ist, von Anfang bis Ende so geplant hat. Das ist einfach nicht möglich, es waren zu viele zufällige Ereignisse. Er konnte nicht wissen, dass ausgerechnet Naruto auftauchen würde. Und noch viel weniger konnte er wissen, dass ich Naruto umbringen würde. Aber er wusste, ich würde dazwischen gehen. Als Naruto ihn angegriffen hat, da wusste er, ich würde ihn beschützen. Damals habe ich es ja auch so gemacht, als Deidara ausgerastet ist. Es war der ultimative Test, sein Beweis, dass ich ihn Naruto vorgezogen habe. Aber er konnte nicht wissen, wie weit ich gehen würde. Ich verstehe es ja selbst nicht. Das Juin bewirkt, dass hinderliche Dinge wie Rücksicht, Mitleid oder Gewissen in den Hintergrund treten, dafür nährt es Wut, Hass, Eifersucht und macht einen so stärker und vor allem rücksichtsloser. Aber es kann doch nichts hervorrufen, was nicht da ist. Ich hatte nie, niemals den Wunsch, Naruto umzubringen. Itachi war bereit, deinetwegen die Familie zu töten. Damit er dich besitzen kann. Bist du nicht genau wie er? Hast du Naruto umgebracht, damit er nicht mehr im Weg steht? Damit Itachi dich für sich haben kann? Meine Hände krallen sich in mein Haar. Es ist einfach nicht wahr. Ich quäle mich nur selbst. Ich wollte nie seinen Tod, weder bewusst noch unbewusst. Ich versuche nur, mir selbst wehzutun. Aber damit kann ich es auch nicht wieder gut machen. Ich bin nicht wie Itachi. Es war ein Unfall. Es war ein perfides kleines Spiel, das Itachi inszeniert hat, um mich in eine unmögliche Lage zu bringen. Ich wollte es nicht. Eine Tür wird geöffnet und ich mache mir nicht die Mühe, denjenigen anzusehen, der mein Zimmer betritt. Ich weiß, dass er es ist. "Du bist wach", stellt er fest. Ich höre, wie er irgendwas auf den kleinen Tisch neben meinem Bett stellt. "Du solltest etwas essen. Du warst sehr lange nicht bei Sinnen." "Wie lange?", frage ich tonlos und immer noch mit starr auf die Bettdecke gerichtetem Blick. "Fast vier Tage." Vier Tage. So fühlt es sich nicht an. Es fühlt sich an, als wäre ich vor ein paar Minuten noch auf der Brücke gewesen. Seine Hand liegt auf einmal auf meiner Stirn und drückt meinen Kopf ein Stück hoch. "Du hast fast kein Fieber mehr." "Fieber?" "Die Mangekyou Sharingan, erinnerst du dich?" Er lässt mich wieder los. "Bei mir dauerte es damals nicht ganz so lange." Ich erinnere mich. Es stand in der Schriftrolle im Nakano Schrein, zusammen mit der Anweisung, den besten Freund zu töten. Nebenwirkungen, hieß es. Fieber, Alpträume, Blut, manchmal sogar Tod. Wer wäre verrückt genug, so etwas für ein bisschen mehr Macht auf sich zu nehmen? Ich schaue ihn an. Er war damals auch krank. Das erste und einzige Mal in seinem Leben. Ja, ich erinnere mich. Eine Nacht lang hatte er Fieber und meine Eltern sorgten sich entsetzlich um den Clanerben. Ich war noch zu klein, mir sagte nie jemand was. Ich bekam nur mit, dass Mutter sich um ihn kümmerte und als ich in sein Zimmer lugte, sah ich, dass er in seinem Bett lag mit einem nassen Tuch auf der Stirn. Vater muss ein Idiot gewesen sein. Oder er wollte die Wahrheit einfach nicht sehen. Shisui verschwand in der Nacht, als Itachi hohes Fieber bekam. Vater muss die Schriftrolle gekannt haben. Wie konnte er nicht wissen, was Itachi getan hatte? Er muss es gewusst haben und er hat sich entschlossen, seinen Sohn zu schützen, und es niemandem zu sagen. Vater war ein dummer, dummer Mensch. Eine Eigenschaft, die ich wohl von ihm geerbt haben muss. "Wo sind wir?", frage ich. "Erkennst du es nicht?" Verwundert sehe ich mich um. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, mir das Zimmer genauer anzusehen. Ich nahm an, er hätte wieder einmal Menschen getötet und sich deren Besitz einfach genommen. Aber jetzt, wo er es sagt, kommt mir dieser Raum wirklich bekannt vor. Spärlich eingerichtet, Bett, Nachttisch, Kommode und ein Fenster, durch das man von hier aus nur den Himmel sehen kann. Wenn man aus der Tür rausgeht, kommt man auf einen Flur. Das Zimmer nebenan bewohnt Itachi. Eine Tür weiter ist das Bad. Geht man den Flur entlang weiter, kommt man zur Treppe nach unten, wo sich die Küche befinden, das Wohnzimmer und die Haustür. Ich frage mich, ob da heute noch ein Loch klafft, wo ich sie vor so langer Zeit einfach gesprengt habe, die Haustür. "Wir sind da, wo es angefangen hat", sage ich. Es ist das erste Haus, in das er mich brachte. Hier kam ich zu mir, nachdem ich am See versucht habe, mich umzubringen. Warum sind wir eigentlich nicht hierher zurückgekehrt? Ach ja, wegen Orochimaru. Itachi brachte mich zu Deidara, für den Fall, dass der Sannin sich sehen lässt, um seinen Lieblingsuntergebenen zu rächen. Die Gefahr besteht nicht mehr und sehr viele Akatsuki sind auch nicht mehr übrig. Mich wundert es dennoch, dass Itachi diesen Ort ausgesucht hat. Es war doch bloß ein Haus, ein Versteck. "Wieso dieser Ort?", frage ich. "Es ist mein zu Hause." "Du hast ein zu Hause?" "Was dachtest du, wo ich die letzten zwei Jahre verbracht habe?" In einer Höhle von der Decke hängend? Ich spreche lieber nicht aus, was ich mir denke. Naja, ich hab's grade nötig. Ich trete würdig in seine Fußstapfen. "Verstehe", sage ich stattdessen. Jetzt wird mir auch klar, woher dieses Gefühl von schon-einmal-passiert kommt. Wir beide, in diesem Haus. So hat es angefangen. Und auch dieses Mal bin ich wütend auf ihn. Der Unterschied ist nur, dass ich nicht zum Schweigen verdammt bin. "Und? Bist du jetzt zufrieden? Naruto ist tot, du hast mich ganz für dich. Ich hoffe, das ist es, was du wolltest." "Vielleicht ist es das, was du auch wolltest." "Ich wollte nicht, dass er stirbt." "Du hast ihn angegriffen, nicht ich." Ich starre wieder auf die Bettdecke und meine Hände ballen sich zu Fäusten. "Du hast mich dazu gebracht. Er hatte Recht. Wenn du da bist, dann verändere ich mich. Und ich hasse die Person, zu der ich werde. Ich wollte nie so werden, wie du." Das ist gelogen. Ich wollte immer so sein wie er. Bis ich erkannt habe, wer er wirklich ist. Er ist gar nicht stark und bewundernswert. Er ist genauso feige und unsicher wie ich. Wäre es nicht so, hätte er keine solchen Probleme mit Naruto gehabt. Er ist schwach und er ist kaputt. Er kann seine Liebe nur mit Gewalt ausdrücken. Und dem tragischen Menschen, der er ist, bin ich verdammt ähnlich, ob ich es nun will oder nicht. "Es steht dir frei, zu gehen." "Wohin sollte ich gehen? Ich habe kein zu Hause mehr!" Seine Stimme ist kalt und finster, als er antwortet: "Das ist nicht mein Problem. Wenn du nur hier bist, weil du keine andere Wahl mehr hast, dann kannst du gleich wieder verschwinden." Er verlässt den Raum und wirft die Tür ins Schloss. Ich ziehe die Knie an und versuche, mit all dem irgendwie fertigzuwerden. Es ist wirklich wie damals. Als ich das letzte Mal hier war, fühlte ich mich genauso elend wie jetzt. Mein Zorn richtet sich gegen Itachi und gegen mich selbst, und mein Bruder scheint sich entschlossen zu haben, mich zu ignorieren, bis ich mich beruhigt habe. Aber wie kann ich mich beruhigen, wie kann das jemals wieder gut werden? Er scheint sich die meiste Zeit über in seinem Zimmer aufzuhalten. Wenn wir uns im Haus begegnen, würdigt er mich keines Blickes und wechselt kein Wort mit mir. Dabei bräuchte ich jetzt mehr denn je seinen Trost und seine Wärme. Ich wünschte, er würde es mir leichter machen. Mir sagen, dass es ein Unfall war und dass es nicht meine Schuld ist. Dass ich bei ihm bleiben darf und dass es irgendwie wieder gut wird. Aber ich muss alleine damit klarkommen. Es belastet mich. Das ist der Unterschied zwischen Itachi und mir. Ich habe es fertiggebracht, Naruto zu töten, aber ich habe noch ein Gewissen. Es tut mir weh, es quält mich. Jede Nacht träume ich von seinem entsetzten Blick und dem vielen Blut. Ich kann nicht mehr essen. Ich habe einfach keinen Hunger und würge deshalb bloß einmal am Tag ein paar Bissen runter. Es ist mein Wunsch, mich selbst für alles, was ich getan habe, zu bestrafen, das weiß ich, aber ändern kann ich es durch dieses Wissen nicht. Seit wir hier sind, habe ich nicht mehr in den Spiegel gesehen. Ich hasse mich, seit ich denken kann, weil ich immer unzulänglich war, aber es wird mit jedem Mal, wo ich Itachi begegne, schlimmer. Den Anblick meines Spiegelbildes ertrage ich nicht mehr. Ich beginne, mich zu fragen, wo das hinführen soll. Ich bin seit ein paar Tagen hier, und obwohl es das ist, was ich mir gewünscht habe, obwohl ich jetzt bei Itachi bin, ist es doch nicht so, wie es sein sollte. An jenem Ort in den Bergen waren wir uns so nah und jetzt ist das alles vergessen, es ist nichts mehr davon übrig. Will ich so leben? Will er das? Keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht. Reicht es ihm schon, mich zu besitzen? Ist es ihm egal, dass wir nicht miteinander sprechen, solange ich nur da bin? Vielleicht reicht es wirklich aus, dass ich mit niemand anderem glücklich bin, um Itachi zufriedenzustellen. Er lässt mich mit meinem Schmerz alleine, anstatt die Gelegenheit zu nutzen, sich mir zu nähern. Ich verstehe ihn einfach nicht. Ich merke nur, dass sich die Rollen irgendwie vertauscht haben. Er ist jetzt derjenige, der schweigt. In den letzten Tagen hatte ich wieder einmal sehr viel Zeit zum Nachdenken. Und mir ist wieder eingefallen, was ich gesehen habe, als ich die Mangekyou Sharingan benutzt habe. Ich habe sie unabsichtlich gegen ihn eingesetzt, was wohl der Grund dafür ist, dass ich über das, was ich sah, kaum Kontrolle hatte. Aber ich zweifle inzwischen nicht mehr daran, dass er genauso wenig kontrollieren konnte, was ich sah. Die Erinnerung, die ich gefunden habe, war echt. Aus seinem Kopf und dabei so klar und deutlich, dass ich mich fragen muss, warum er sie sich bewahrt hat. Es kam öfter vor, dass ich mich über seine Rückkehr so gefreut habe. Ich war jung und dumm. Ich fand es toll, wenn er wieder nach Hause kam. Ich wollte, dass er mir von seinen Missionen erzählt, dass er mit mir trainiert, Zeit mit mir verbringt. Er war doch mein großer Bruder, mein Idol, mein Held. Er sagte, von jenem Moment an wäre er mir verfallen gewesen. Ich weiß nicht recht, wie ich das interpretieren soll. Es war doch umgekehrt. Ich war ihm verfallen, ich glaubte, Itachi wäre allmächtig und der beste und liebste Mensch der ganzen Welt. Wieso war es diese eine Erinnerung, die in seinem Kopf so präsent war, dass ich sie fand? Wieso ist sie ihm so wichtig? Hat er mich damals geliebt? Wieder gibt es Fragen, auf die ich wohl nie eine Antwort erhalten werde. Ich werde geweckt durch meine eigenen Schreie. Die Alpträume, die mich quälen, werden immer schlimmer. Es war ein Durcheinander aus Blut und Schreien. Ich sah Shisui, der leblos über das Geländer der Brücke fiel und in den Fluss stürzte. Und ich sah Naruto und seine großen, blauen Augen, die mich entsetzt anstarrten. Ich sah sein Begräbnis, wo alle Dorfbewohner in schwarz gekleidet um ihn trauerten. Ich sah den Neunschwänzigen, der das Dorf verwüstete und Sakura tötete. In meinem Traum stand ich daneben und sah dies alles, sah zu bei der Vernichtung. Und ich lachte sie alle aus, die Fliehenden, die Verzweifelten, die Sterbenden. An das Fuchsungeheuer hatte ich bisher noch gar nicht gedacht. Wenn Naruto tot ist, was passiert dann mit dem Neunschwänzigen? Wenn er dadurch freigelassen wurde, dann wäre das eine Katastrophe für das Dorf. Noch mehr Leute wären dann meinetwegen gestorben und ich wüsste es noch nicht einmal. Im Traum habe ich ihre Schreie genossen. Könnte ich so grausam sein? Es fühlte sich an, als wäre ich nicht ich selbst. Ich bin ein Mörder, aber ich bin nicht jemand, der es genießt, andere leiden zu sehen. Ich stehe auf und taste mich vor bis zur Tür. Dort mache ich das Licht an und versuche, mich zu beruhigen. Der Schreck sitzt mir noch immer in den Knochen. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das einen Alptraum hatte. Wäre ich noch ein kleiner Junge, würde ich jetzt mein Zimmer verlassen und den Flur entlang zu Itachis Zimmer tapsen. Das war schön, damals. Wenn er zu Hause war, dann ließ er mich manchmal bei sich schlafen, wenn ich einen Alptraum hatte. Ich habe es geliebt. Weil ich mich bei ihm so sicher und geborgen gefühlt habe. Ich bin jetzt erwachsen. Es gibt niemanden mehr, von dem ich mich trösten lassen könnte. Und für das, was mich quält, gibt es keinen Trost. Meine Familie ist tot, mein bester Freund ist tot. Und mein Bruder hat sich von mir distanziert. Ohne darüber nachzudenken, öffne ich die Tür und gehe raus auf den Gang. Das Licht aus meinem Zimmer leuchtet mir den kurzen Weg bis vor seine Tür, wo ich wie versteinert stehen bleibe. Was will ich hier? Ich bin kein Kind mehr. Er ist nicht mehr der große Bruder, der mich tröstet. Einen Großteil meines Kummers hat er verursacht. Was tu ich hier? Ich liebe ihn. Die Erkenntnis ist unumstößlich, ganz egal, was er getan hat. Ich bin hier, weil ich sein Schweigen nicht mehr ertrage. So leise wie möglich öffne ich die Tür. Wieder etwas, das so schon einmal dagewesen ist. Damals versuchte ich, ihn mit einem Kunai zu erstechen. Ich versuche, im Dunkeln zu erkennen, ob er schläft. "Du hast geschrieen", kommt es vom Bett aus. Natürlich schläft er nicht. "Ich habe schlecht geträumt." "Warum bist du hier?" Ich schließe die Tür von innen, nähere mich dem Bett und hoffe, dass nichts am Boden liegt, über das ich stolpern könnte. "Weil ich nicht anders kann", antworte ich. Mein Herz pocht. In die Dunkelheit hinein sage ich: "Ich bin nicht hier, weil ich keine andere Wahl habe." Ich stoße mit den Knien gegen das Bett und eine Hand tastet nach mir und zieht mich auf das Bett. Er sitzt aufrecht und ich setze mich daneben, ziehe mir ein Stück der Decke um die Schultern und suche automatisch seine Nähe. Wieder wird mir klar, wie furchtbar er mir gefehlt hat. "Du kommst in mein Bett, weil du schlecht geträumt hast?", fragt er mich und in seiner Stimme schwingt ein Hauch von Belustigung mit. "Ja", antworte ich. Ich bin jetzt erwachsen, aber er wird immer mein großer Bruder sein. Und so viel mehr. "Ich dachte, du wärst wütend auf mich." Er klingt nicht unsicher, als er das sagt. Ich denke, er kennt die Antwort schon. "Ich weiß, dass du schlecht für mich bist. Aber ich kann es nicht ändern, ich will bei dir sein." "Ich wollte, dass du ihn tötest", sagt er nach einer kurzen Pause. "Ich weiß. Aber ich bin derjenige, der es getan hat." Vielleicht hilft die Dunkelheit uns, miteinander zu sprechen. Wenn wir einander dabei nicht ansehen müssen, geht es leichter, die Wahrheit zu sagen. "Warum hasst du alle, die mich gern haben? Wieso darf ich keine Freunde haben?" "So einfach ist es nicht, Sasuke." Ich spüre seine Finger, erst an meinem Nacken, dann gleiten sie hoch in mein Haar, wo sie sich festhalten. "Du kannst nicht beides haben. Wenn du bei mir sein willst, musst du auf dein zu Hause und deine Freunde verzichten." "Aber er hätte nicht sterben müssen." "Er war dir zu nahe", antwortet er. "Es gefiel mir nicht." Es erstaunt mich, wie ehrlich er ist. "Auch wenn du jetzt erwachsen bist… du gehörst immer noch mir. Ich teile nicht." Einen Moment lang denke ich über seine Antwort nach. Wenn er das so sagt, klingt er fast wie ein Kind, das über sein Spielzeug spricht. Wahrscheinlich ist es auch irgendwie so. Ich frage leise: "Wenn ich gehen würde, was würdest du dann tun?" "Dich suchen." Er krallt sich in meinem Haar fest bis zu dem Punkt, wo es fast schmerzhaft wird. "Und wenn ich irgendwo neue Freunde fände, würdest du irgendwann auftauchen und sie mir wegnehmen, nicht wahr?" "Deine Freundschaften interessieren mich nicht. Aber Naruto ist anders und ich habe es gehasst, wie nah er dir war. Und immer noch ist." Es ist schon richtig, Naruto war mehr als ein Freund für mich. "Es geht darum, wen ich liebe, oder?", frage ich. "Ihn habe ich wie einen Bruder geliebt und das hast du so gehasst." Er antwortet nicht. Vielleicht ist da noch etwas, von dem ich nichts weiß. Aber dann wird er es mir auch nicht sagen. Im Grunde beantwortet er mir meine Fragen fast nie. Er wartet darauf, dass ich die Antworten selbst finde und wenn es soweit ist, ist er bereit, die Wahrheit zuzugeben. Jedenfalls wird mir etwas klar, was ich eigentlich die ganze Zeit über schon wusste. Ich werde nie wirklich frei sein. Selbst wenn ich mich entschließen würde, ihn zu verlassen, er würde immer eifersüchtig über mich wachen und alle zerstören, die ich in mein Herz lasse. Meine Liebe ist wirklich ein Fluch. Er wird niemals zulassen, dass ich ohne ihn glücklich werde. Es ist nicht so, dass mich diese Erkenntnis sonderlich mitnimmt. Ich habe nicht den Wunsch, mich von ihm zu befreien. Aber ich erkenne erst jetzt, wie zerstörerisch seine Liebe ist. Ich hätte nicht gedacht, dass er soweit gehen würde. Ich erinnere mich an den Traum, den ich öfter hatte, wo er Sakura und Naruto vor meinen Augen umbringt und ich schätze, dass ein Teil von mir es schon lange begriffen hatte. "Ich werde bei dir bleiben", sage ich tonlos. Ich habe ja auch wirklich keine andere Wahl. "Was wird jetzt weiter passieren? Wirst du mich irgendwann wieder alleine lassen?" "Ich verspreche dir gar nichts", antwortet er düster. "Wenn du bei mir sein willst, wirst du damit leben müssen." Inzwischen bin ich soweit, dass ich das akzeptieren kann. Vielleicht ist es irgendwann wieder soweit und er rennt vor all dem hier davon, so wie schon einmal. Oder aber ich laufe wieder weg. Unsere Probleme kann man nicht auf einen Schlag beseitigen. Ich werde damit leben müssen und er auch. "Ist schon okay", sage ich. Lange Zeit schweigen wir uns an, bis ich irgendwann frage: "Darf ich heute bei dir schlafen?" Er lacht und wir legen uns hin. Vielleicht wird seine Anwesenheit mich vor weiteren Alpträumen bewahren. Ich würde so gerne einfach alles vergessen und nur genießen, dass er jetzt, in diesem Augenblick, bei mir ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)