Nemesis von Chi_desu (ItaSasu) ================================================================================ X. And all you need are several ways to watch me bleed ------------------------------------------------------ Mit den ersten Sonnenstrahlen wache ich auf, oder besser, komme ich zu mir. Ich habe so gut wie gar nicht geschlafen. Die halbe Nacht hielt Itachi mich wach und anschließend lag ich hellwach im Bett und versuchte, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Es ist nichts Brauchbares dabei rausgekommen. Eine halbe Ewigkeit lang habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, was jetzt werden soll. Ich habe mich gefragt, ob ich das Ende irgendwie verhindern oder wenigstens rauszögern kann. Aber mir ist nichts eingefallen. Nichts, was wirklich machbar wäre. Mir kam der Gedanke, es nochmal zu tun. Ich meine, nochmal einen Kunai zu nehmen und einfach zu schneiden, zu beobachten, wie das Blut rausquillt und darauf zu warten, dass er mich rettet. Aber das wäre einfach nur dumm, in jeder Hinsicht. Itachi durchschaut mich, immer. Er wüsste sofort, dass es nur darum geht, ihn zu halten. Eines ist sicher, Itachi lässt sich nicht erpressen. Würde er es durchschauen, würde er mich vielleicht sogar zum Sterben zurücklassen. Sein Stolz ist ihm garantiert wichtiger als ich. Nein, es wäre eine dämliche Idee und wirklich in Betracht gezogen habe ich sie nie. Ich setze mich im Bett auf und mich empfängt ein für die letzten Tage äußerst ungewohnter Anblick. Itachi ist komplett angezogen, sogar sein Haar hat er wieder zusammengebunden. Es ist wohl soweit. Ich sehe ihn an und frage: "Wann brechen wir auf?" "In einer halben Stunde. Pack deine Sachen und zieh dich an." "Sagst du mir jetzt, was weiter passieren wird? Wo gehen wir hin?" "Wir gehen nirgends hin." Er sieht mich an und sein Blick ist hart und kalt. "Ich bringe dich zurück nach Hause." Die Worte überraschen mich nicht, ich wusste schließlich seit Stunden, eigentlich sogar irgendwie seit Tagen, dass es so kommen würde. Aber was mich tief trifft ist die Kälte in seinem Blick und seinen Worten. "Ich will nicht gehen." Die Worte sollten eigentlich entschlossen klingen, aber sie kommen eher wie ein Flehen rüber. "Wie gesagt, was du willst, interessiert mich nicht." Hastig stehe ich vom Bett auf. Er kann nach den letzten drei Tagen doch nicht plötzlich so tun, als wäre ich ihm egal. Glaubt er, dass ich ihm das nach allem, was passiert ist, noch abkaufe? Ich stolpere zu ihm. "Itachi", flehe ich. "Bitte! Hör damit auf." Er macht einen Schritt zurück, von mir weg. "Lass es einfach, Sasuke." Mir wird klar, dass ich es nicht ändern kann. Was auch immer in ihm vorgeht, was auch immer er gerade empfindet, ich werde es nicht erfahren. Er wird mich von hier wegbringen, mich zu Hause absetzen und dann alleine zurücklassen. Egal was ich tue, es ändert nichts. Wenn ich mich weigere, diesen Ort zu verlassen, wird er einfach gehen. So oder so, eine Wahl habe ich nicht. Ich bin ihm und seinen Launen hilflos ausgeliefert. Mit gesenktem Kopf frage ich: "Was soll ich anziehen? Draußen ist es kalt und ich habe nichts Warmes." Meine Sachen hat er längst zerrissen oder zerschnitten, ich habe wirklich nichts mehr. Er hebt etwas auf und wirft es mir wortlos entgegen. Eine schwarze Hose und ein dunkelgrauer Pullover. Zivilistenklamotten. Unterwäsche wäre toll gewesen, aber ich halte wohlweislich meinen Mund und ziehe die Sachen an. Ich sehe mich im Zimmer um. Aber es gibt keine Habseligkeiten, die ich packen könnte. Das einzige, was es überhaupt gibt, ist der Kimono, den ich getragen habe, aber der gehörte ja auch nicht mir. Ich brauche ihn nicht. Zum Schluss drückt Itachi mir seinen Mantel in die Hand. Ich nehme ihn, ebenso stumm wie er, ziehe ihn an und gehe dann rüber zum Fenster. In einer halben Stunde ist es vorbei. Nein, eigentlich ist es das jetzt schon. Drei Tage hat er mir gegönnt, mehr nicht. Zweiundsiebzig Stunden. Alte Bitterkeit macht sich in mir breit, als ich wort- und reglos nach draußen starre. Wir stehen im Garten und der Blick ins Tal ist derselbe wie vor ein paar Tagen. Es sieht so schön aus. Mein Atem verdampft sofort vor meinem Gesicht. Es ist ein kristallklarer Tag, ich friere jetzt schon. Ich drehe mich ein letztes Mal um zu diesem Ort, an dem ich mich so verändert habe. Im Gegensatz zu mir blickt Itachi nicht zurück. Mit schnellen Schritten entfernt er sich und ich sage diesem ruhigen Ort stumm Lebwohl. Anschließend drehe ich mich um und laufe wie in Trance hinter Itachi her. Ich bin ernüchtert. Von der Euphorie der letzten drei Tage ist nichts mehr übrig. Mit jedem Schritt fällt das warme, angenehme Gefühl der Zufriedenheit, von dem ich in den letzten Tagen so viel getankt habe, von mir ab und ich kehre im wahrsten Sinne des Wortes in die kalte Realität zurück. Ich habe gewusst, dass es nicht ewig währen kann. Ich wusste, ich würde verletzt werden. Aber womit ich nicht gerechnet habe, ist die Kälte, mit der er mich jetzt behandelt. Als wären die letzten Tage tatsächlich nur ein Traum gewesen. Und jetzt beginnt mein Alptraum von neuem. Zwei Tage hatte ich Zeit, mich darauf vorzubereiten, aber jetzt, wo das Hokage Monument hoch über dem Dorf aufragt, ist mein Kopf wie leergefegt. Wir stehen wenige hundert Meter vor dem Dorfeingang. Ich schätze, es ist gegen fünf Uhr früh, es ist schon hell am Himmel und bald wird die Sonne aufgehen. Gutes Timing, um die Zeit ist hier draußen sicher niemand unterwegs. Wir stehen nebeneinander, sehen beide hoch zum Hokage Monument. Ob seine alte Heimat wohl wehmütige Erinnerungen in Itachi weckt? Ein bisschen zu lange verharrt er so, einsam und still, länger als angebracht, so als wollte er genau wie ich den Moment des Abschieds hinauszögern. Ich verziehe das Gesicht ob dieses Gedankens. Selbst jetzt glaube ich noch an ihn. Schließlich wendet er den Blick ab von den in Stein gemeißelten Köpfen und sieht rüber zum Dorfeingang. Er sieht mich nicht mal an, als er zu mir sagt: "Verabschiede dich, Sasuke." Was erwartet er von mir? Soll ich ihm jetzt auf wiedersehen sagen und dann einfach gehen? Ich schweige, verbissen, verbittert, und warte auf das, was er als nächstes tun wird. Ich weiß gar nichts mehr, nur, dass ich ohne ihn nicht sein kann. In dieses Dorf will ich nicht zurück. So sehr ich meine Freunde liebe, in diesem Moment sind ihre Gesichter in meiner Erinnerung verblasst und unbedeutend. Nichts ist mehr wichtig außer ihm. Ich muss an den Moment vor drei Jahren denken, als ich das Dorf verlassen wollte und Sakura mich abgefangen hat. Sie hat geweint und gebettelt und mich angefleht, nicht zu gehen. Und jetzt bin ich auf der anderen Seite. Jetzt bin ich derjenige, der verlassen wird. Aber ich kann nicht schreien und betteln. Es würde auch nichts ändern. Ich habe doch schon gesehen, dass ich, egal wieviel ich weine und bitte, sein Herz nicht erweichen kann. Nicht einmal die Tränen eines Kindes konnten ihn rühren. Wie soll ich es denn dann schaffen? Er hat wohl begriffen, dass ich mich nicht verabschieden werde. Ich kann es an nichts festmachen, denn er sagt nichts, tut nichts und dennoch hat sich seine Haltung verändert. Es ist wie ein Countdown bis zum endgültigen Untergang, bis zu dem Moment, wo ich hier alleine stehen werde und nichts mehr so sein wird wie es mal war. "Ich wünschte, du hättest mich nicht mitgenommen", sage ich laut. Solange ich rede, wird er vielleicht nicht gehen. Vielleicht hört er mir ja zu. "Lieber wäre ich bei Orochimaru geblieben. Lieber wäre ich für immer einsam gewesen, als in deine Falle tappen zu müssen. Hast du von Anfang an gewusst, dass es so kommen würde?" Von ihm kommt keine Antwort. Meine Finger umfassen den Ring an der Kette um meinen Hals. "Ich habe jetzt verstanden, dass du mich nicht hasst. Du siehst mich einfach gerne leiden." "Sei doch nicht so dumm, Otouto." "Sag mir, ob ich dich wiedersehen werde." "Willst du das denn?" Was für eine dämliche Frage. Um nichts in der Welt könnte ich sie beantworten, denn keine Antwort wäre richtig. Ich hasse und ich liebe ihn. Ich will bei ihm sein und ich will ihn nie im Leben wiedersehen. Er atmet hörbar aus und sagt, ohne meine Antwort abzuwarten: "Vielleicht sehen wir uns wieder." Ich hasse mein törichtes Herz dafür, dass es immer noch an ihn glaubt. Ich glaube, selbst in diesem Moment, wo er fortgeht, mich nicht einmal ansieht, dass er mich auf die Probe stellt und dass ich nur stark sein muss. Ich höre "vielleicht" und mein Herz hofft, dass es ein Versprechen ist. Er kommt zurück, es ist noch nicht vorbei. Denn wenn es nicht so ist, wenn er wirklich nur mit mir gespielt hat und mich jetzt fallenlässt, dann werde ich daran zugrunde gehen. Weil wir ohne einander nicht sein können. Weil ich … nicht anders kann. Keine Ahnung, warum es mir jetzt in den Sinn kommt, was er gesagt hat. Ich bin mir sicher, dass es keine Lüge war. Itachi hat Lügen nicht notwendig. Er hat sehr viele Dinge gesagt, die nicht zu der Kälte passen wollen, mit der er mich jetzt behandelt. Vielleicht ist das hier wirklich nur ein beschissener Test, schon wieder eine seiner unmöglichen Aufgaben, an denen ich immer nur scheitern kann. Wie soll ich einen Test bestehen, dessen Regeln ich nicht kenne? Will er, dass ich bettle? Oder dass ich Stärke zeige? Was erwartet er von mir? Und wieso zum Teufel interessiert es mich noch? Ich hab es so satt. Ich bin die Spielchen einfach leid. "Was auch immer du für Gründe hast, mir so wehzutun… ich werde dir nicht verzeihen, wenn du mich schon wieder alleine lässt." Es ist eine Lüge, noch jedenfalls. Noch würde ich ihm alles verzeihen, wenn er mich bloß mitnähme. Aber das wird er nicht und mit der Zeit werde ich es schon lernen, unnachgiebig mit ihm zu sein. "Ich hatte dich gewarnt." Solange du bei mir bist, werde ich dir immer wieder wehtun, Sasuke. So lange, bis in deinem Herzen für keinen anderen außer mir mehr Platz ist. Das hat er doch längst geschafft. Und dafür sollte ich ihn wirklich hassen. Aber ich… "Ich liebe dich", sage ich ruhig. Ich sage es nicht, um ihn zu halten, sondern weil es eine Tatsache ist, die ich nicht leugnen kann. Ich wünschte, ich könnte ihn damit verletzen, so wie er mich immer verletzt, aber der einzige, dem ich damit wehtue, bin ich selbst. Wie dämlich, diesem kaltherzigen Bastard jetzt und hier meine Liebe zu gestehen. Warum gebe ich ihm nicht gleich ein Schwert und bitte ihn, es mir ins Herz zu stoßen? Jetzt, endlich, sieht er mich an. Seine Augen sind nicht so kalt wie gerade eben noch. Eine warme, vertraute Emotion spiegelt sich darin, als er mich zärtlich ansieht. "Sei stark, Sasuke." Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Ich sehe bloß in seine Augen und erinnere mich daran, dass mein Schmerz ihn immer zärtlich werden lässt. Der Moment ist gekommen und ich werde nicht mehr schwach sein. Ich reiße mich los von seinem Blick und mit schweren aber steten Schritten bewege ich mich auf den Dorfeingang zu. Ich werde nicht zurückblicken. Meine Augen brennen, vielleicht wegen dem kühlen Wind, der mir entgegenpfeift. Etwas Vertrautes verschwindet, eine angenehme, schützende Präsenz ist nicht mehr da und ich weiß, dass er fort ist, ohne mich umsehen zu müssen. Ich blinzle, bis mein Blick wieder klar wird. Ich werde seinetwegen nicht mehr weinen. Ich fühle mich wie ein Ausstellungsstück. Itachis Mantel immer noch eng um meinen Körper gezogen stehe ich in Tsunades Büro und drei Frauen beglotzen mich ungläubig. Die Wachen am Dorfeingang haben mich auf der Stelle hierher gebracht und Tsunade geweckt. Mit ihr kam Shizune und offenbar haben sie Sakura auch gleich dazugerufen, sie kam vor ein paar Minuten ins Büro gestürzt, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Und seitdem hat sie nicht mehr aufgehört, mich anzustarren. Auf einmal fühle ich mich irgendwie entblößt unter ihren Blicken. Ich möchte nicht, dass eine von ihnen weiß, was mir geschehen ist. Dennoch ist mein ganzer Körper ein Verräter, alles an mir ist ein stummer Zeuge dessen, was ich erlebt habe. Die drei sind Medic-Nin, ihnen entgeht sicher kein Detail. Meine rechte Hand, die steif ist und sich schwer bewegen lässt. Meine blasse, ausgemergelte Erscheinung. Die blauen Flecken an meinen Handgelenken, die bezeugen, dass Itachi mich so grob festgehalten hat. Ich trage Kleidung, die mir nicht passt. Die Hose ist zu groß, der Pullover zu eng. Und den Akatsukimantel haben sie zweifellos alle drei erkannt. Auf keinen Fall erzähle ich ihnen, was passiert ist. Alles, was ich sagte, war, dass ich ins Dorf zurückkehren möchte. Mehr werden sie nicht erfahren. Ich werde sie nicht sehen lassen, wie schlecht es mir geht. Es kostet mich viel Kraft, aber es gelingt mir, meinen ewig gleichgültigen Gesichtsausdruck beizubehalten. Nachdem sie es wohl doch irgendwann satt haben, mich anzustarren, beraten sie sich. Ich höre kaum zu, mich interessiert bloß der Ausgang. Die Worte schweben an mir vorbei, ich konzentriere mich nur darauf, ruhig stehen zu bleiben und zu warten. Unter dem Mantel tasten meine Finger nach dem Ring. Meine Gedanken sind weit, weit weg. "Sasuke? Sasuke, hast du gehört?" Nein, hab ich nicht. Tsunade reißt mich aus meinen Gedanken und ich blicke sie finster an. "Was?" "Du bleibst im Dorf. Vorerst kommst du ins Krankenhaus, damit du versorgt wirst und weil wir noch nicht wissen, wo wir dich unterbringen sollen." Sie könnten mich auch einfach zurück ins Uchiha Viertel schicken. Warum auch immer sie sich dagegen entschieden haben, ich bin dafür dankbar. Das ist der letzte Ort, wo ich jetzt sein will. "Sakura wird sich in den nächsten Tagen nach einer geeigneten Unterkunft für dich umsehen. Wir werden schon was finden." Ich deute mit einem Kopfnicken eine Verbeugung an. "Denk nicht, dass die Sache damit schon gegessen ist. Wir werden uns demnächst mal unterhalten, aber erst, wenn es dir besser geht." Tsunade mustert mich von oben bis unten und ich kann ihrem anschließenden Blick in meine Augen nicht standhalten. "Wenn du auch nur noch einen Fuß aus dem Dorf setzt, erkläre ich dich zum Nuke-Nin und du kannst dich von den Anbu zur Landesgrenze jagen lassen. Verstanden?" Demütig nicke ich. "Ja." "Dann geh jetzt." Sakura stellt sich neben mich und führt mich aus dem Raum. Sie hat bisher noch nicht mit mir gesprochen, aber als wir draußen auf dem Gang sind, bleibt sie stehen. "Du… du bist es doch wirklich, oder?" "Ja." "Und du wirst hierbleiben?" Die Antwort fällt mir sehr schwer. "Ja." "Ich bin so froh, dass du wieder da bist!" Sie drückt ihr Gesicht an meinen Arm und ihre Schultern zucken. Ich glaube, sie weint. Es dauert ein paar Minuten, die ich bewegungslos abwarte, bis sie mich loslässt und sich rasch über das Gesicht wischt. "Gehen wir", sagt sie und lächelt mich an. Wir alle beide tun so, als hätte ihr kurzer Gefühlsausbruch nie stattgefunden. Wir verlassen gerade das Gebäude, da kommt plötzlich etwas Orangefarbenes wie gehetzt um die Ecke geflitzt. Er stolpert fast über seine eigenen Füße, als er einen Haken schlägt, und dann steht er auch schon vor mir, keuchend und verschwitzt und so außer Atem, dass er erstmal in die Knie geht und nach Luft ringt. "Sa… hff… Sa… Sasuke…", keucht er atemlos. Ich lege den Kopf schief. "Naruto." Es ist schwer, nicht wieder in alte Muster zu verfallen und ihn Dummkopf zu nennen. Er erholt sich recht schnell wieder und ich bin mir nicht sicher, was ich jetzt zu erwarten habe. Vielleicht haut er mir erstmal eine rein, verdenken könnte ich es ihm nicht. Aber er sieht erstmal an mir vorbei, seine blauen Augen blicken Sakura fragend an und sie sagt: "Er bleibt. Er ist hier und er wird nicht wieder gehen." Jetzt sieht er mich an. Seine Mimik wechselt fast im Sekundentakt und man kann ihm ansehen, wie er nach einer angemessenen Reaktion auf meine Rückkehr sucht. Schließlich schiebt er die Unterlippe vor, starrt mich finster an und sagt: "Du!" "Ich." "Du arroganter, sturer Arsch! Eins sag ich dir. Wenn du Sakura und mich nochmal alleine lässt, prügle ich dich windelweich, hast du verstanden?" Wenn mich nicht alles täuscht, dann heißt das übersetzt soviel wie Willkommen zurück. Ich nicke und antworte friedlich: "Verstanden." Meine Antwort bringt ihn augenscheinlich ziemlich aus dem Konzept. Er blinzelt, kratzt sich verlegen am Kopf und schiebt dann die Hände in die Hosentaschen. "Okay", mault er und stellt sich neben mich. "Wohin gehen wir?" "Wir bringen Sasuke erstmal ins Krankenhaus", antwortet Sakura für mich. Offenbar hat Naruto beschlossen, mitzukommen. Trotz der Finsternis in meinem Herzen dringt ein Gefühl bis zu mir vor, und zwar eine große Dankbarkeit dafür, dass die beiden immer noch für mich da sind. Wir gehen los, zu dritt, fast wie in alten Zeiten. Naruto mustert mich kurz und mein Zustand scheint ihm erst jetzt aufzufallen. Er verzieht das Gesicht, wahrscheinlich wegen dem Akatsukimantel, an dem ich mich immer noch festklammere, als ginge es um mein Leben. "Dein Modegeschmack ließ schon immer zu wünschen übrig." Meine Hand blutet. Ich sitze auf meinem Bett, die Knie angezogen, und beobachte, wie das Blut stetig auf mein rechtes Knie tropft. Ich habe den Spiegel, der an der Wand hing, kaputtgemacht. Mein Spiegelbild konnte ich einfach nicht länger ertragen. Ich hasse mich selbst so sehr, dass es fast körperlich wehtut. Ich kann nicht aus meiner Haut, dabei verabscheue ich Sasuke Uchiha so sehr, dass ich am liebsten ein Messer nehmen und dieses makellose, ausdruckslose Gesicht zerschneiden würde, das mich aus dem Spiegel heraus so leblos angesehen hat. Ich habe den Spiegel mit der Faust zerschlagen. Das Ergebnis waren Splitter, die in meiner Hand steckten, Blut und meine erbärmliche Fratze, die sich in den übrig gebliebenen Scherben tausendfach spiegelte. Es tut so weh. Ich dachte, ich wäre auf den Abschied von Itachi und auf das Loslassen aller Hoffnung vorbereitet gewesen. War ich nicht. Innerhalb weniger Tage habe ich mich fast vollständig von ihm und seinen Launen abhängig gemacht. Ich war wieder wie das Kind, das ihm blind hinterher hechelte und dem nichts auf der Welt wichtiger war als seine Aufmerksamkeit. Selbst jetzt noch… selbst jetzt, wo es so weh tut… wo ich mir wünschte, ich hätte mich beherrschen können, wäre vor ihm davongelaufen, als ich die Gelegenheit hatte… selbst jetzt noch würde ich, stünde er plötzlich vor mir und würde mich wiederhaben wollen, einfach mit ihm mitgehen. Ich bin wirklich erbärmlich. Die letzten Tage stand ich bloß am Fenster des kleinen Hotelzimmers, das man mir zeitweilig zur Verfügung gestellt hat. Ich stand am Fenster, starrte nach draußen und wartete darauf, dass er zurückkommt. Inzwischen habe ich eingesehen, dass er nicht wiederkommen wird und die Erkenntnis bringt mich fast um den Verstand. Es klopft an der Tür. Frustriert vergrabe ich das Gesicht in den Händen. Ich will jetzt niemanden sehen. Sie sollen mich alle in Ruhe lassen mit meinem Schmerz. Ich brauche ein neues Ziel, jetzt wo ich keines mehr habe. Ich brauche Sinn und Inhalt in meinem Leben, denn sonst wäre es wirklich umsonst, so weiterzumachen. Ich will Itachi nicht so viel Macht über mich geben, es soll ihm nicht möglich sein, mich zu zerstören. Aber in diesem Moment ist alles so hoffnungslos, dass ich wirklich nicht weiß, wozu ich noch weiterleben soll. Jemand öffnet die Tür. Ich mache mir nicht die Mühe, den ungebetenen Gast anzusehen. Ich will allein sein. Eine warme Hand nimmt meine und ein weiblicher Duft strömt mir entgegen. Seufzend lasse ich zu, dass sie meine Hand nimmt und das Blut wegwischt. Ich lasse die Stirn gegen meine Knie sinken. Sakura setzt sich zu mir auf das Bett. Sie löst eine der Bandagen um ihren Oberschenkel und verbindet damit meine Hand. So kenne ich sie gar nicht. Die Sakura, die ich kenne, hätte mich in einem Redeschwall mit Fragen überschüttet. Ich bin ihr dankbar, dass sie einfach den Mund hält. Noch lieber wäre es mir allerdings, sie würde wieder gehen. Und Naruto gleich mit ihr, der steht nämlich neben dem Bett und scheint zu überlegen, was er tun soll. Was tun die beiden hier? Sie haben ein unfassbar schlechtes Gespür für Timing, wie immer. Andererseits hätten sie mich in den letzten Tagen zu jeder Tageszeit in einer derart düsteren Stimmung vorgefunden. Sakura lässt meine Hand los und ich ziehe sie zurück, lege meine Arme jetzt um meine Beine. Naruto umrundet das Bett und setzt sich stumm neben mich. Mir geht es verdammt dreckig. Ich wünschte, sie wären nicht hier. Sie sollen mich so nicht sehen. Ohne Worte legt Naruto eine Hand auf meinen Arm. Ich schließe die Augen. Sie wissen beide nicht, wie sie mir helfen können. Aber ich weiß es ja selbst nicht. "Keine Ahnung, was mit dir passiert ist, Sasuke", flüstert Sakura. "Du musst es uns nicht erzählen. Aber zieh dich nicht immer zurück, wenn du Kummer hast." Sie kann nicht wissen, wie schlecht es mir wirklich geht. Wieviele Dinge mich in Wahrheit quälen und wie grundlegend diese Qualen sind. Ich habe mich Itachi geschenkt, mich Haut und Haaren, und er hat zum Dank auf mich gespuckt. Ich habe nichts mehr, kein Ziel, keine Hoffnungen und keine Träume. Ich fühle mich so leer. Das können sie beide nicht wissen. Sie dürfen es nicht wissen. Ich sehe immer noch nicht auf. Aber zarte Arme legen sich um mich und ihr Duft ist überall, als Sakura mich umarmt. Es sind hilflose Gesten und ich fühle mich leer und verloren. Und trotzdem kommt der Trost meiner Freunde irgendwie bei mir an. Ich weiß, dass sie für mich da sind. Sie sind nicht wie Itachi. Sie sind alles, was ich noch habe. Ich starre ins Nichts, die Stirn immer noch gegen meine Knie gedrückt, und meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich habe nicht geweint, so wie ich es mir vorgenommen hatte. Ich habe seinetwegen nicht geweint, wieso verflucht muss es jetzt passieren? Sie sollen mich so nicht sehen. Frustriert hebe ich den Kopf an, will mir über die Augen wischen. Aber es ist schon zu spät, eine Träne rinnt über meine Wange. Zornig wische ich sie weg und es kommt gleich noch eine nach. Verdammt, verdammt, verdammt. Es hört einfach nicht auf. Sie werfen einander bestürzte Blicke zu, dann zieht Sakura mich an sich. Während meiner Abwesenheit hat sie sowas wie Taktgefühl entwickelt. Würde sie jetzt auch nur ein Wort sagen, würde ich aufspringen und fluchtartig das Zimmer verlassen. Aber sie schweigt, sie sagen beide nichts, und deshalb lasse ich sie bleiben und gestatte mir, in ihren Armen Trost zu suchen. Ich weiß, dass der Alptraum noch nicht überstanden ist. Ich werde leiden, aber jetzt, wo sie hier sind, glaube ich, dass ich es vielleicht schaffen kann, darüber hinwegzukommen. Itachi wird mich nicht zerstören, soweit will ich es nicht kommen lassen. Aber es ist noch nicht vorbei, das weiß ich. Er sagte vielleicht. Was auch immer in seinem Kopf vorgeht, er wird wiederkommen. Und dann wird das Spiel von vorne beginnen. Es ist noch nicht vorbei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)