A world that never was von Flordelis (Eine Welt, die nie war ~ Fortsetzung von Savior) ================================================================================ Kapitel 11: Mobilisierung ------------------------- Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte Cloud einmal wieder ausschlafen. Er hatte beschlossen, für die Dauer der Sache mit Nostradon keine Aufträge mehr anzunehmen, was dazu führte, dass er morgens nicht mehr so früh aufstehen musste. Es war jedoch so ungewohnt für ihn, dass er dennoch nur eine halbe Stunde länger als sonst schlief und dann in der Bar unten an einem Tisch saß. Ein Glas Wasser und ein Sandwich, das Tifa im Kühlschrank für die Gäste lagerte, standen vor ihm auf dem Tisch und warteten darauf, getrunken und gegessen zu werden. Nachdenklich sah er hinaus. Menschen liefen an dem Gebäude vorbei, manche mit schnellen Schritten, weil sie ein Ziel vor Augen hatten, manche schlenderten, weil sie ohnehin nichts zu tun oder noch viel Zeit bis dahin hatten. Kinder rannten auf dem Weg zum Spielplatz herum. Sie sind ziemlich früh wach... Als die Tür ging, sagte Cloud automatisch die Worte, die sonst immer Tifa vor dem Abend sagte: „Wir haben noch geschlossen.“ „Oh, das ist schon okay“, erklang eine fröhliche Stimme. „Ich bin nicht zum Trinken hier.“ Cloud wandte den Kopf von der Tür ab und sah die Person an, die hereingekommen war. Er lächelte. „Yuffie! Was führt dich denn hierher?“ Sie grinste breit. „Ich dachte, ich schau mal nach, wie es aussieht. Man hört ja so selten von euch.“ Die Kunoichi setzte sich ihm gegenüber und schnappte sich sofort das Sandwich, das er bislang noch nicht angerührt hatte. „Schlafen noch alle?“ Er nickte. „Es wundert mich, dass du schon wach bist.“ „Hee! Nur weil ich die Jüngste bin, heißt das nicht, dass ich ein Langschläfer bin. Ein Ninja muss immer wach und immer bereit sein!“ „Und reisekrank“, fügte er grinsend hinzu. „Werd nicht frech“, drohte sie spöttisch. „Warum bist du eigentlich noch da? Musst du nicht arbeiten? Sonst bist du auch nie zu Hause.“ Er seufzte. „Übertreib doch nicht. Aktuell habe ich mir freigenommen, weil...“ Für einen Moment zögerte er. Sollte er ihr wirklich davon erzählen? Andererseits würde sie es früher oder später ohnehin erfahren – also warum nicht sofort? In kurzen Worten erklärte er ihr die momentane Situation. Sie lauschte interessiert, nur um sich am Ende über den Tisch zu beugen und ihm eine Kopfnuss zu verpassen. „Du Idiot! Warum hast du uns nicht Bescheid gesagt? Wir können dir wieder helfen.“ „Ich dachte nicht, dass das nötig sein wird.“ „Das Denken solltest du lieber jemand anderem überlassen.“ Yuffie holte ihr Handy heraus und wählte eine Nummer. „Was hast du vor?“, fragte Cloud. Sie schnaubte. „Na was wohl? Ich werde die anderen anrufen.“ Er wollte sie davon abhalten, ließ es dann aber bleiben. Wenn Yuffie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann kriegte man sie nicht mehr so schnell davon los, das wusste er aus Erfahrung. Aber die Aussicht, dass die gesamte Gruppe bald wieder zusammen sein würde, löste ein zwiespältiges Gefühl in Cloud aus. Einerseits freute er sich auf die Leute, die seine Freunde waren, aber andererseits wusste er bereits, dass er in einigen Tagen wieder genervt sein würde. Aber zumindest Barret wollte ohnehin in den nächsten Tagen wieder Marlene besuchen kommen. Vielleicht wurde es gar nicht so schlimm? Tifa kam die Treppe herunter. Sie lächelte sofort, als sie Yuffie sah. „Guten Morgen!“ Die Kunoichi erwiderte ihr Lächeln. „Guten Morgen, Tifa. He, Shera, kann ich mit Cid sprechen? Was soll das heißen, er schläft noch? Weck ihn doch einfach auf.“ Cloud und Tifa lachten. Das war typisch Yuffie. „Okay, ich verstehe“, sagte sie schließlich gedehnt. „Aber sag ihm, dass er mich gefälligst anrufen soll, wenn er wach ist. Danke~“ Sie legte wieder auf. „Reeve muss ich nicht anrufen, der ist ja schon in der Stadt.“ „Er ist in letzter Zeit wieder ziemlich oft in Edge unterwegs“, bemerkte Tifa. Cloud nickte. „Anscheinend hat er eine Freundin oder so.“ „Ob wir die auch mal zu Gesicht bekommen werden?“, fragte Yuffie sich laut. „Wer weiß, wer weiß? Vielleicht sogar früher als wir denken“, antwortete Tifa. „Ich werde mal Frühstück machen. Yuffie, willst du auch mitessen?“ „Aber klar doch~ Ich helfe dir auch!“ Cloud schmunzelte, als die beiden in der Küche verschwanden. Seit wann ist Yuffie so begeistert von Küchenarbeit? *** Nachdenklich klickte Verron sich durch die einzelnen Punkte der Festplatte. Tatsächlich schien sie noch vollständig intakt, obwohl sie nass geworden war. Nostradon saß neben ihm und sah ihm dabei zu, verstand aber kein bisschen von dem, was der Jüngere da gerade tat – was nicht nur an dem enormen Tempo lag, mit dem er Informationen in seinem Kopf zu verarbeiten schien. „Wie siehts aus?“, fragte Nostradon. Verron schmunzelte. „Der Professor benutzt eine interessante Art, um seine Daten zu codieren. Aber das ist nichts, was ich nicht irgendwie hinkriegen würde. Vor mir ist nichts sicher.“ „Deine positive Einstellung will ich haben“, murmelte Nostradon. „Hey, hey, wer will hier eine Welt erschaffen, die es nie gab? Und ich frage mich immer noch, wie das hinkriegen willst.“ Der Ältere schmunzelte. „Keine Angst, das werde ich schon hinkriegen. Ich habe einen Plan und die nötigen Mittel.“ „Aber wenn das anscheinend so... einfach und erstrebenswert ist – warum hat das dann vorher noch niemand gemacht?“ Ruki betrat den Raum. „Das kann ich dir beantworten.“ Nostradon nickte zu ihr hinüber. „Hör auf sie, sie weiß es bestimmt.“ Sie lächelte verlegen. „Die Menschen – und der Planet – streben nach Veränderung, Entwicklung und Verbesserung. Doch die Welt, die Nostradon will, ist eine Welt des Stillstands.“ „Stillstand, hm?“ „Bist du jetzt draußen?“, fragte Nostradon. Der Vertrag sah vor, dass Verron und die Mädchen jederzeit aussteigen könnten, wenn sie feststellten, dass es zu schwer oder nicht mit ihrer Moral vereinbar war. Schmunzelnd schüttelte der Jüngere seinen Kopf. „Veränderung und Verbesserung haben aus mir und den Mädchen das gemacht, was wir jetzt sind. Ich habe nichts dagegen, wenn wir das abschaffen. Ruki?“ Ihre Körperhaltung drückte Anspannung aus. „Na ja... ich... der Planet will die Veränderung und eigentlich will ich das, was der Planet will. Aber Elodia... sie musste darunter leiden und das will ich auch nicht.“ Zufrieden lächelnd lehnte Nostradon sich zurück. „Ich bin froh, euch gefunden zu haben. Ohne euch würde das alles wohl nicht funktionieren.“ „Mich würde nur noch eines interessieren“, meinte Verron. „Ich bin ganz Ohr.“ „Was hast du eigentlich mit Cloud zu schaffen?“ Nostradons Gesicht verfinsterte sich. Ruki kicherte leise. „Dabei ist es doch so offensichtlich.“ „Ruki, tu mir einen Gefallen, ja?“, bat der Mann plötzlich. Als sie ihn fragend ansah, legte er einen Finger an seinen Mund, um ihr zu bedeuten, dass sie still sein sollte. Sie nickte lächelnd, was Verron mit einem Seufzen zur Kenntnis nahm. „Immer diese Verschwörungen.“ „Kümmer dich lieber um deine Arbeit“, erwiderte Nostradon und tippte dabei auf die hervorstehende Festplatte. „Ich bin dabei, Chef~“ Lachend verließ Ruki den Raum wieder, während Verron sich seiner Arbeit widmete und Nostradon ihm erneut dabei zusah. *** Reeve betrat das Gebäude, in dem er sich in der letzten Zeit sehr oft aufgehalten hatte. Eigentlich hätte er den Gegenstand, wegen dem er so oft herkam, auch im WHO-Gebäude aufbewahren können, aber es war ihm doch um einiges lieber, wenn er das nicht tat. Wie schnell würde es sonst zu Gerüchten kommen? Oder was sollte er tun, wenn es erneut zu einem Angriff darauf kommen würde? So viel Glück hätte sie mit Sicherheit nicht noch einmal. Die Frau am Empfang winkte ihn wie üblich durch. Sie lächelte bereits wissend, als sie ihn sah. Er kam wohl wirklich zu oft vorbei, aber er konnte einfach nicht anders. Der Raum, den er betrat, war dunkel, wie üblich. Reeve legte einen Schalter um, worauf ein Licht aufflammte und eine Lagerhalle offenbarte. Kiste an Kiste drängte sich in hohen Regalen. Das meiste gehörte zum Fundus des WHO oder waren Überreste der Shinra Inc., dafür hatte man extra eine externe Lagerhalle errichten lassen. Er ging um eines der Regale herum und blieb vor dem gläsernen Sarg stehen. Die daran angeschlossenen lebenserhaltenden Gerätschaften waren schon lange nicht mehr in Betrieb, aber der Körper, der darin eingeschlossen war, war dennoch völlig intakt. Als ob sie noch leben würde, fuhr es ihm durch den Kopf. Vielleicht tat sie das sogar, aber bislang sagten alle Ärzte, dass sie nicht mehr lebte, man sich ihr Aussehen aber nicht erklären könne. Er sah auf sie hinunter. Sie schien nach wie vor tief und fest zu schlafen, nichts hatte sich an ihrem Zustand geändert, ihr Gesicht wirkte noch genauso angespannt wie zuvor. Reeve seufzte leise. „Also ist sie wirklich hier.“ Die Stimme ließ ihn herumfahren. Shelke stand da und sah neutral auf den gläsernen Sarg. Sie musste ihm gefolgt sein. Er war so früh unterwegs gewesen, dass er nicht geglaubt hatte, dass einer aus der Gruppe ihm gefolgt war. Er nickte. „Ja. Ich habe sie herbringen lassen. Ich wollte dir eigentlich früher davon erzählen, aber...“ Sie schüttelte nur den Kopf und ging näher. „Sie ist immer noch nicht aufgewacht – und sie wird auch nicht mehr aufwachen. Warum kommst du immer noch hierher?“ Reeve verschränkte die Arme vor der Brust, bevor er ihr antworte: „Vielleicht aus der Hoffnung, dass sie irgendwann doch wieder aufwacht. Sie kann doch nicht auf ewig schlafen.“ Eine eigentlich logische Aussage, wie er fand, aber sie schien das anders zu sehen. „Vielleicht doch“, erwiderte Shelke. „Auch wenn ich mir nicht erklären kann, warum sie so lebendig aussieht. Aber ich bin sicher, dass sie nie mehr aufwachen wird.“ Reeve schluckte. Ihre Worte klangen so monoton und kalt, dass er gezweifelt hätte, dass sie Shaluas Schwester war, wenn er es nicht besser gewusst hätte. Wie konnte sie nur so reden? „Es ist hart“, fuhr Shelke fort. „Aber das ist bekanntlich das Leben.“ Er nickte. „Das ist richtig. Aber Hoffnung ist nie verkehrt.“ Manchmal ist Hoffnung immerhin das einzige, was uns am Leben erhält. Den letzten Satz sprach er nicht aus, es reichte, wenn er sich diesen dachte. Sie hätte ihm vermutlich ohnehin widersprochen. Shelke reagierte nicht darauf, was er aber auch erwartet hatte. Stattdessen fuhr sie wieder herum. „Yuffie ruft wegen den neuen Feinden die alte Mannschaft zusammen. Dich wird man bestimmt auch brauchen.“ „Verstanden.“ Damit verließ sie die Lagerhalle wieder. Reeve sah wieder auf Shalua hinunter. „Ein neuer Feind, hm? Was kann schon schlimmer sein als die Deepground-Soldiers? Oder Sephiroth? Nichts, oder?“ Doch wie immer blieb sie ihm jede Antwort schuldig und schwieg stattdessen. *** Red XIII saß gemeinsam mit den anderen Bewohnern und den Besuchern des Cosmo Canyon um die Flamme. Die Stimmung war alles andere als ausgelassen und heiter, betretenes Schweigen beherrschte die Versammlung. Jeder von ihnen wusste, dass etwas nicht stimmte. Es ging nur noch darum, es zur Sprache zu bringen. Bislang hatte sich keiner von ihnen getraut, denn wenn man es erst einmal laut aussprach, wurde das Gewissheit, was vorher nur ein Gedanke war. „Der Planet ist in Aufruhr“, sagte schließlich einer von ihnen. „Er weiß, dass er einen neuen Feind hat und auch, was dieser vorhat.“ Schweigend starrte Red direkt ins Feuer. Es war nun an ihm, eine Entscheidung zu treffen, wie es weitergehen sollte. Dem Planet drohte keine Gefahr, ihm würde nichts geschehen, aber dieser unbekannte Feind würde den Zyklus auf alle Zeiten verändern. Und so wie der Planet reagierte, war es keine gute Veränderung. Er versuchte die Bedrohung abzustoßen, aber es war nicht so einfach. Der Feind schien über Kräfte zu verfügen, die jenseits aller Vorstellungen lagen. Nein, nicht jenseits aller – auch Sephiroth und Weiss hatten über ähnliche Kräfte verfügt. Es war Red unbegreiflich, dass gerade die Gefährdungen sich so hartnäckig halten konnten. Aber vielleicht galt für den Planeten auch das Prinzip der Balance – solange es die Guten gab, musste es auch die Bösen geben. Wenn man überhaupt je von Gut und Böse sprechen konnte. Die Natur kannte diesen Unterschied immerhin nicht, denn er war von Menschen gemacht worden. „Wie soll es weitergehen?“, fragte schließlich wieder jemand. Alle Blicke konzentrierten sich direkt auf ihn. Er, als Anführer, musste nun entscheiden, was zu tun war und ob man eingreifen sollte. Red schloss die Augen. „Ich werde nach Edge gehen, um mich darum zu kümmern.“ Erleichtertes Flüstern wechselte sich mit besorgtem Murmeln ab. Red dagegen spürte ein nervöses Ziehen in seinem Magen. Er kannte den Feind noch nicht, wusste nichts über ihn und seine Stärke. Er wusste auch nicht, ob Cloud sich bereits über diese Bedrohung bewusst war – aber das würde er ja bald herausfinden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)