A world that never was von Flordelis (Eine Welt, die nie war ~ Fortsetzung von Savior) ================================================================================ Kapitel 10: In Healin --------------------- Cloud und Mediam wurden von den Turks, die ihr Kartenspiel mit Rufus beendet hatten, mit großer Begeisterung empfangen. „He, Lieferjunge, auch mal wieder da? Gemeinsam mit Schneewittchen?“ Das Mädchen nickte nur, kümmerte sich nicht um den Spitznamen. „Wo ist mein Vater?“ „Im Labor“, antwortete Reno. „Nichtmal ein Hallo kriegen wir?“ Sie rollte mit den Augen und begrüßte die Anwesenden knapp, dann ging sie davon, um nach Alex zu suchen. Cloud blieb stehen. Obwohl er eigentlich mit dem Wissenschaftler hatte reden wollen, ließ er dessen Tochter den Vortritt. Vermutlich wollte sie ohnehin nur ihr Heimweh überdecken. Er ahnte ja nicht, worum es in ihrem Gespräch wirklich gehen sollte. „Und Lieferjunge, was hast du zu erzählen?“, fragte Reno. Cloud sah ihn an und hob eine Augenbraue. „Gar nichts. Was soll ich denn erzählen?“ „Lass ihn in Ruhe, Reno“, sagte Samantha. „Es gibt nichts zu erzählen.“ Cloud runzelte seine Stirn. „Möglicherweise doch. Ich habe den Anführer der Feinde getroffen.“ „Was!?“ Sofort waren alle Turks hellwach. Reno schmunzelte. „Und, wie ist er so, wenn man ihn live trifft?“ Der Lieferbote zuckte mit den Schultern. „Nichts besonderes.“ Es war natürlich gelogen, aber warum sollte er den Turks alles auf die Nase binden, was er erlebt hatte. Er war sich sicher, dass keiner von ihnen jemals Nostradon begegnen würde, also mussten sie nicht wissen, was es mit ihm auf sich hatte. Höchstwahrscheinlich würde Reno darüber ohnehin nur seine Witze machen und Cloud Dinge unterstellen. Zumindest an diesem Tag hatte er keine Lust darauf. „Wo ist denn Rufus?“, fragte er stattdessen. „In seinem Büro“, antwortete Tseng. „Die Arbeit erledigt sich nicht von alleine.“ Cloud hatte sich schon immer gewundert, was genau der frühere Präsident inzwischen zu arbeiten hatte. Was machte die Shinra inzwischen eigentlich, außer die WRO finanziell zu unterstützen? Fragen wollte er allerdings auch nicht, so sehr interessierte es ihn nicht und vermutlich würde man ihm auch gar nicht antworten. Warum es also erst versuchen? Als sich das Schweigen wieder im Raum ausbreitete, fiel Cloud die vorherrschende Spannung zwischen den Turks auf. Etwas Unsichtbares hing in der Luft und machte es schwer zu atmen. War es Angst? Lächerlich, dachte er sich. Turks und Angst, das passt nicht zusammen. „Weswegen bist du eigentlich hier?“, fragte Reno weiter. Cloud schreckte aus seinen Gedanken. „Ich wollte mit dem Professor reden. Ich habe einige Fragen über diesen Anführer. Aber Mediam geht vor.“ „Wie höflich du bist“, sagte Samantha schmunzelnd. Cloud winkte ab. „Sitzt ihr den ganzen Tag nur hier herum? Arbeitet ihr nicht?“ „Seit wann bist du so neugierig?“, konterte Reno, aber Tseng antwortete trotzdem auf Clouds Frage: „Wir haben derzeit nicht viel zu tun, außer den Präsidenten zu schützen.“ „Sehr effektiver Schutz, wenn ihr alle hier herumsitzt.“ Die Turks sahen ihn erschrocken an, aber eine Stimme enthob sie einer Antwort: „Das ist schon okay so, nur keine Sorge.“ Rufus kam dazu, die Hände in den Hosentaschen. „Ich wusste doch, dass ich Clouds Stimme gehört habe. Bist du hier, um mit dem Professor zu reden?“ Cloud nickte. „Guter Zufall, ich bin gerade auf dem Weg zu ihm.“ „Dann gehe ich gleich mit.“ Rufus sah die Turks an. „Ihr werdet hierbleiben. Wir sind bald wieder da.“ Sie nickten. „Komm, Cloud.“ Gemeinsam gingen sie in Richtung des Labors. Die Turks sahen ihnen hinterher. „Was will der Präsident wohl von Cole?“, fragte Reno sich laut. „Fragen wir ihn nachher“, schlug Samantha vor. „Und jetzt lasst uns endlich was zu essen bestellen. Ich verhungere gleich.“ *** Mediam betrat das Labor. Sie kannte den Raum noch von damals, als Nessy sie hier untersucht hatte. Doch gab es kein Gefühl der Bedrohung, keine abstoßende Aura, wie sie es eigentlich immer erwartet hatte. Stattdessen fühlte es sich an wie jeder andere Raum. „Papa.“ Alex drehte sich um. Er lächelte. „Mediam, was kann ich für dich tun?“ „Ich muss dir etwas erzählen.“ Er deutete auf einen Stuhl. „Setz dich. Ich werde solange weitermachen.“ Sie tat wie ihr aufgetragen. „Was machst du bei Blanche?“ „Nur eine kleine Verbesserung“, antwortete er, während er sich wieder an der Tastatur zu schaffen machte. „Blanche ist solange deaktiviert, während ich ihre Daten neu schreibe. Also, was gibt es? Ich bin ganz Ohr.“ Sie erzählte ihm von den Ereignissen des Tages. Als sie zu der Sache mit dem Sandkasten kam, lachte Alex leise. Empört rümpfte sie die Nase. „Sag mir nicht, dass du das auch toll und süß findest.“ „Nein, das nicht. Aber es ist irgendwie typisch für die drei.“ „So...“ Auch von dieser Offenbarung sah sie nicht gerade begeistert aus. „Mich stört es trotzdem. Ich glaube, sie haben etwas vor. Vorsicht ist besser als Nachsicht.“ Er nickte nur abwesend. „Ganz recht, das ist schon in Ordnung so.“ Offensichtlich hatte er ihr gerade nicht zugehört. Sie schnaubte leise, schwieg aber ebenfalls und beobachtete ihn nur beim Tippen, auch wenn sie immer noch nicht wusste, was genau er da tat. Die Tastatur und der Monitor schienen mit Blanche verbunden zu sein, die reglos auf dem Untersuchungstisch lag. Aber er arbeitete so schnell, dass für Mediam keine Zeit blieb, die Informationen auf dem Monitor zu verarbeiten. Erst als die Tür wieder aufging, sah Alex erneut von seiner Arbeit auf. „Präsident Rufus, Cloud, was führt euch beide hierher?“ Rufus nickte Cloud zu. „Ich überlasse dir den Vortritt.“ „Danke.“ Der Lieferbote stellte sich neben Mediam, während der Präsident sich auf die andere Seite des Raumes begab, um sich hinter den Tisch zu stellen. „Also, was gibt es?“, fragte Alex. Cloud erzählte von seiner Begegnung mit Nostradon und den Visionen, die er dabei gehabt hatte. Der Wissenschaftler nickte verstehend, während er aufmerksam zuhörte. Erneut ärgerte Mediam sich. Nahm eigentlich keiner sie hier in irgendeiner Art und Weise ernst? Als Cloud geendet hatte, räusperte Alex sich. „Wie ich bereits erwähnte, versteht Nostradon es vorzüglich, mit Worten umzugehen. Und Worte... sind machtvoll, wie man an Mediam sieht. Mediam kann ihre Stimme als Waffe einsetzen, Nostradon kann damit noch viel mehr machen.“ Ein Gegner, der seine Stimme als Instrument für den Kampf gebrauchen konnte. Langsam wurde es wirklich verrückt. Warum hatten die Wissenschaftler von Shinra so jemanden erschaffen? Wogegen hatten sie damit vorgehen wollen? Gegen Rebellen? Gegen Sephiroth? Immerhin hatte Shinra den Planeten „beherrscht“, sie mussten damals nicht extra Waffen erschaffen, um das erst hinzukriegen. Was war es, was sie so sehr gefürchtet hatten, dass sie menschliche Waffen erschufen? „Wie auch immer.“ Alex' Stimme riss ihn wieder aus seinen Gedanken. „Du brauchst eine gute Strategie, um gegen diesen Feind anzutreten, meinst du nicht?“ Cloud nickte zustimmend. „Aber es gibt etwas, das mich vorher noch interessiert. Dieser Mann kam mir bekannt vor. Wie kann das sein?“ Alex wollte gerade antworten, als Rufus sich räusperte. „Ich habe noch etwas zu tun, ich werde euch also allein lassen. Bis später.“ Er öffnete die Tür und zuckte zurück. Cloud drehte sich um – und hob ebenfalls eine Augenbraue. Rufus, der immer noch die Hände in den Hosentaschen hatte, stand einem anderen Rufus mit einer Kaffeetasse in der Hand gegenüber. „Was ist hier los?“, fragte der Rufus mit der Tasse. Geistesgegenwärtig griff Alex an die Rückseite des Computers. Er wurde augenblicklich blass. „Blanches Festplatte ist weg!“ Rufus fackelte nicht lange, stieß den mit der Tasse beiseite und rannte los. Cloud zögerte nicht mehr und folgte ihm. Rufus seufzte und sah auf sein Jackett hinunter, das nun Kaffeeflecken zierte. Er schüttelte den Kopf und sah Alex an. „Was ist hier los?“, wiederholte er. „Nun, anscheinend hat Nostradon beschlossen, sich zu verkleiden und hier etwas zu stehlen.“ Als er Rufus' fragenden Blick bemerkte, fuhr er fort: „Auf der Festplatte sind die Daten von Blanche, die sie zu dieser perfekten Waffe machen.“ „Und ohne sie kann sie nicht mehr kämpfen?“, hakte Rufus nach. Alex nickte. „Korrekt. Ich habe zwar ein Backup, aber es dauert, dieses einzuspielen. Hoffentlich kann Cloud die Festplatte zurückholen.“ *** Cloud verfolgte währenddessen den Dieb durch die Gänge des Gebäudes. Rufus schlitterte immer wieder um Ecken in Gänge hinein, die Cloud beim Rennen nie gesehen hätte. Offensichtlich hatte dieser Mann sich hier schon öfter heimlich umgesehen und den besten Fluchtweg ausgekundschaftet. Die Verfolgungsjagd führte beide schließlich auf eine große Aussichtsplattform. Der Boden war glitschig, da einer der Wasserfälle direkt daneben in die Tiefe rauschte. Der Wind zerrte an den beiden Männern als ob er sie hochheben und wegtragen wolle. Am Geländer blieb der Hochstapler wieder stehen. Das Rennen schien ihn nicht im Geringsten angestrengt zu haben, lächelnd sah er zu Cloud hinüber, der in einiger Entfernung stehengeblieben war. „Nicht schlecht“, sagte Rufus. Cloud erkannte die Stimme sofort wieder. „Du bist Nostradon.“ „Richtig erkannt. Ich nehme an, du willst das hier.“ Er griff in seine Tasche und zog ein kleines rechteckiges Gerät hervor. Es musste die Festplatte sein, von der Alex geredet hatte. Cloud nickte, aber Nostradon schnitt nur eine Grimasse. „Tja, tut mir Leid, aber das wird nicht möglich sein.“ Er holte aus und warf die Festplatte über die Brüstung. „NEIN!“ Ungeachtet des rutschigen Untergrundes rannte Cloud zum Geländer hinüber. Aber die Festplatte war bereits aus seinem Blick verschwunden. Nostradon entfernte sich rückwärts einige Schritte von Cloud, hielt sich dabei aber weiterhin am Geländer fest. „Das wars dann wohl. Bis das Backup eingespielt ist, werde ich mein Ziel erreicht haben.“ Behände kletterte er auf die Brüstung. Der Wind zerzauste sein Haar, die ersten Strähnen hingen bereits feucht in seine Stirn. „Wir werden uns bald wiedersehen, Cloud.“ Damit sprang er hinunter. Unfähig zu reagieren, starrte Cloud ihm nur hinterher, bis er aus seiner Sicht verschwunden war. Ob der Mann das überleben würde? Mit Sicherheit würde er das, seine Gegenspieler starben nicht so einfach. Mit gesenktem Kopf trat er schließlich den Rückweg ins Labor an. Rufus hatte inzwischen sein Jackett ausgezogen, so dass Cloud sein schwarzes Hemd zum ersten Mal sehen konnte. Es wirkte ein wenig zerschlissen, ganz anders als der weiße Anzug. „Du hast ihn nicht mehr eingeholt, oder?“, fragte Alex. „Habe ich schon... aber er hat die Festplatte weggeworfen und ist dann selbst gesprungen. Ich konnte ihn nicht mehr aufhalten.“ „Dann wars das wohl mit ihm“, meinte Rufus, aber der Wissenschaftler schüttelte mit dem Kopf. „Er wäre nicht gesprungen, wenn er nicht wüsste, dass er das überleben wird. Lange werden wir also keine Ruhe vor ihm haben.“ „Er sagte, sein Plan wird erfüllt sein, bevor das Backup aufgespielt ist.“ Alex nickte schmunzelnd. „Das dachte ich mir. Da werde ich wohl Sonderschichten einlegen müssen.“ Cloud spürte das Verlangen, sich zu entschuldigen, schob es aber beiseite. Es war nicht seine Schuld, dass Nostradon die Festplatte hatte stehlen können und dann entkommen war, also gab es keinen Grund, sich zu entschuldigen. „Cloud, können wir unser Gespräch auf später verschieben? Ich habe erst einmal einiges zu tun.“ Obwohl die Neugier deutlich überwog, siegte die Vernunft. „Geht in Ordnung. Ich komme dann ein andermal wieder.“ Vielleicht würde er auch noch anders herausfinden, woher er diesen Mann kannte. Irgendwann musste er sich doch erinnern. *** Wieder zurück in seinem Versteck und wieder in seiner richtigen Gestalt legte Nostradon die Festplatte auf den Tisch. „Verron, kannst du etwas damit machen? Sie ist nass geworden, aber sie dürfte noch funktionieren.“ „Ich habe noch Urlaub“, erwiderte der Junge und lehnte sich zurück. „Morgen bin ich wieder ganz für deine Aufträge da.“ Der Mann seufzte. „Ach ja, den Urlaubstag habe ich vergessen. Habt ihr ihn gut verbracht?“ Die beiden waren allein in dem Raum, den sie als Wohnzimmer auserkoren hatten. Die beiden Mädchen befanden sich in ihrem Schlafraum. „Klar doch. Wir waren in Edge – und haben den Kleinen kennen gelernt, den du suchst. Er ist ganz verrückt nach Ruki, das könntest du mal benutzen.“ Nostradon setzte sich und runzelte seine Stirn. „Gar nicht schlecht. War das Absicht?“ Verron schüttelte den Kopf. „Totaler Zufall. Ruki hat manchmal eben doch ziemlich viel Glück.“ Ein grimmiges Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Älteren aus. „Also war es eine gute Entscheidung, euch anzuheuern. Das gefällt mir.“ „Fahren wir mit dem Plan fort, sobald die Festplatte geknackt ist?“ Nostradon nickte. „Wir haben aber nicht viel Zeit.“ Verron lachte leise. „Nur keine Sorge, das kriegen wir hin. Da bin ich sicher.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)