Bittere Süße von abgemeldet (Ryuichi x Shuichi) ================================================================================ Kapitel 1: One Shot ------------------- Schwere Wolken hatten den Himmel behangen und ließen dicke Regentropfen auf die Erde fallen, die gegen die Fensterscheiben trommelten und somit ihr monotones Lied sangen. Monoton und trostlos, was das sonst so strahlende Tokio an diesem Aprilmorgen einfach nur schrecklich grau erschienen ließ, genauso wie Shuichis Gemütszustand es war. Müde blickten die amethystfarbenen Augen des jungen Sängers aus einem der riesigen Panoramafenster der NG Productions, er lümmelte sich träge in einem der bequemen Ledersessel der Firma und war unfähig auch nur einen klaren Gedanken zustande zu bringen, einmal von dem Gedanken abgesehen, dass er Yuki Eiri, seinen geliebten Romanautoren einfach schrecklich vermisste. Er seufzte und stützte seinen schweren Kopf auf seine angewinkelten Arme, schloss die Augenlider mit den langen, schwarzen Wimpern und wurde von den Geräuschen, die der Regen machte, langsam aber sicher eingelullt und gemächlich in einen süßen Schlaf gezogen, der ihn wohl für eine kurze Zeit von seinem Liebeskummer erlösen würde… „KYAAAAAAAAAAAAAAH!“ Shuichi erschrak sich fürchterlich, als er diesen durch Mark und Bein gehenden Schrei vernahm. Er hatte nicht lange geschlafen, wie ihn sein Blick auf die Uhr verriet und er entschloss sich, sofort aufzuspringen und der Sache auf den Grund zu gehen. So rannte er rasch in den Flur, bog irgendwann nach links ab, als er ein leises Wimmern vernahm und sah sein langjähriges Idol, den wohl begnadetsten Sänger Japans, heulend auf dem Fußboden vor einem Kaffeeautomaten sitzen. Sakuma Ryuichi hatte seinen rosafarbenen Plüschhasen Kumagoro fest an seine Brust gedrückt und schluchzte leise in das plüschige Fell des Karnickels, wobei die zierlichen Schultern des eigentlich schon lange erwachsenen Mannes, wie bei einem kleinen Kind auf und ab wippten. „Sakuma-san!“, schrie der Pinkhaarige entsetzt und kniete sich neben das Häufchen Elend. „Was ist denn nur los?“ Weinerlich sah Ryuichi seinen pinkhaarigen Freund an und zog den Schnodder in seiner Nase hoch. „Der Kaffeeautomat hat Kumagoros Kaffeebecher gefressen und der ganze Kaffee ist in den Ausguss geflossen…“, jaulte er und drückte sein nass geweintes Gesicht gegen Shuichis Schulter. „Nicht so schlimm…“, meinte der Pinkhaarige mit einem Schweißtropfen an der Schläfe und strich dem Älteren über das grünhaarige Köpfchen. Er spürte, wie seine orangefarbene Jacke sich langsam mit den Tränen seines Gottes durchtränkte und packte den Grünhaarigen vorsichtig an den Schultern, um ihm in die Augen blicken zu können. „Nicht mehr weinen. Wir versuchen es einfach noch einmal…“, meinte der Junge und half Ryuichi auf, holte ein paar Yen aus seiner Hosentasche und steckte sie in den Automaten, drückte die Taste für schwarzen Kaffee, weil er wusste, dass sein Idol ihn so am liebsten mochte und nahm den immer noch heulenden Mann an die Hand. Zwei ineinander steckende Becher flogen aus der Öffnung des Automaten, blieben in der Halterung stecken und kochend heißer, wohl duftender schwarzer Kaffee ergoss sich in die braune Plastikform. Ryuichi quiekte entzückt auf, dann nahm er den Becher und sah Shuichi mit großen Augen an. „Danke, Shu-chan!“, fiepte er mit hoher Stimme und suchte schnell etwas Schokolade aus seiner Hosentasche, stopfte sie Shuichi in den Mund und grinste ihn an. Shuichi war zunächst verwirrt, doch dann schloss er einfach die Augen, ließ die Schokolade im Mund zergehen und genoss diese süße Versuchung in vollsten Zügen. „Hmm, lecker…“, schnurrte er und leckte sich über die vollen kirschroten Lippen. Ryuichi lächelte, versuchte sich noch einmal am Automaten und zog eine heiße Schokolade für Shuichi. Der Kleine hatte in letzter Zeit einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck auf ihn gemacht und Schokolade machte glücklich, also konnte der Junge im Moment wohl eine Überdosis davon gebrauchen. „Hier, für dich.“, meinte Ryuichi und legte den Kopf schief, hielt Shuichi die flüssige Schokolade hin und lächelte ihn aufmunternd an. Shuichi sah auf den Becher, nahm ihn dann mit zitternden Fingern an sich und verneigte sich dankend, lief dann vorsichtig, sodass er nichts verschüttete, in den Aufenthaltsraum zurück, ließ sich wieder in den schwarzen Ledersessel fallen und nahm einen Schluck von seinem Getränk. Ryuichi, der seinen Becher schon längst geleert hatte, war Shuichi gefolgt und kam gerade rechtzeitig, um den verzerrten Gesichtsausdruck des Pinkhaarigen zu sehen. Er schmunzelte. „Was ist denn los? Ist dir wohl zu bitter?“, fragte der Grünhaarige belustigt. Er hockte sich vor den Jungen und zu ihm auf. Sanft legte er Kumagoro auf dem Boden ab, ließ jegliche kindliche Regung aus seinem Gesicht verschwinden und blickte Shuichi nun voller Ernsthaftigkeit an. Shuichi nickte. „Ja, es ist schrecklich bitter.“, meinte er. „Bitter wie Liebeskummer, was?“, fragte Ryuichi und lächelte Shuichi wissend an. Schon beinahe entzückt beobachtete er die Reaktion, die Shuichi auf diese Worte gab: Das Gesicht des jungen Musikers entfärbte sich und sein Mund öffnete und schloss sich immer wieder, als würde er versuchen wollen, etwas zu sagen, was er jedoch nicht schaffte. Ryuichi lachte leise, hob den Arm und strich dem zarten Jungen über die Wange. „Schon gut, Shuichi. Wir wissen doch alle, dass Yuki im Moment nicht da ist.“, sagte er sanft. „Du magst die Liebe genauso wie Schokolade, nicht war?“ Ryuichi lächelte leicht, schob dem Jüngeren noch ein Stückchen Milchschokolade zwischen die süßen Lippen. „Sie ist süß und zart, kann aber auch ziemlich bitter sein…“, meinte er und hob für Shuichi den Kakaobecher, drückte ihn an die Lippen des Jungen und half mit viel Schwung und leichter Gewalt nach, wodurch er noch einen Hieb von diesem bitteren Gesöff zu sich nehmen musste. Shuichi kniff die Augen zusammen, als sich dieser abscheulich bittere Geschmack in seiner Mundhöhle ausbreitete und bemerkte so gar nicht, wie sein älterer Sängerkollege sich ein Stückchen Zucker zwischen die Zähne klemmte und sich dann leicht aufrichtete. Ryuichi umfasste Shuichis Kinn, hob es an und blickte in zwei verwirrt dreinschauende Augen, als er ihm die Lippen aufdrückte, um ihm den Zucker in den Mund zu schieben. Shuichi schloss die Augen, als sich nun unglaubliche Süße in seinem Mund breit machte und leckte sich über die Lippen, als Ryuichi sich löste. „Es ist okay, wenn du mal traurig bist, weil die Liebe bitter ist, Shuichi.“, sagte er. „Aber lass dich davon nicht runterziehen.“ Er griff in seine Jackentasche, holte noch ein paar Stück Zucker raus und ließ sie nacheinander in Shuichis Kakao fallen. „Wenn dir Schokolade zu bitter ist, musst du sie süßen.“, sagte er und wuschelte durch Shuichis Haar. „Und wenn dir die Liebe zu bitter ist, dann musst du das Gleiche tun!“ Er bückte sich und hob Kumagoro auf, ließ das Plüschhäschen winken und hüpfte jodelnd aus dem Raum. Shuichi blickte in seine Schokolade, dann wieder aus dem Fenster. Sanft strich er sich über die Lippen, spürte noch immer Ryuichis Atem auf seiner Haut und die weichen Lippen des Sängers, die ihn erst vor kurzer Zeit berührt hatten. Er lächelte, nahm noch einen Schluck von seiner heißen Schokolade und verzog das Gesicht. Sie war noch immer bitter, aber so langsam, begann er, genau diese Bitterkeit zu mögen. Er grinste, dann erhob er sich, begab sich mit schnellen Schritten zum Flur und sah Ryuichi nun vor einem Automaten mit lauter Knabberzeug stehen. Shuichi hielt Ryuichi den Kakao hin und sah ihn fordernd an. „Sakuma-san, kann ich bitte noch etwas Zucker haben? Es ist mir noch nicht süß genug.“, sagte er und nahm noch einen Schluck. Ryuichi hielt Kumagoro an den Ohren fest. Er sah Shuichi erst verwirrt an, doch als dieser ihn am Ärmel packte, zogen sich seine Mundwinkel zu einem breiten Lächeln auseinander und er griff erneut in seine Jackentasche, um einen Zuckerwürfel zu suchen. „Aber natürlich, Shu-chan.“, sagte er und steckte sich den Zucker in den Mund. „Alles, was du willst!“ Ende April 2007 © Ahiku Boruchi Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)