Pieces of the Past von Riafya (Die Vergangenheit stirbt nicht) ================================================================================ Kapitel 1: Geschwisterliebe --------------------------- Zeichererklärung: "..." = gesprochen //...// = gedacht kursiv = Vergangenheit oder Titel eines Filmes, Buches, etc. ------------------------------------------------------------------------------ Geschwisterliebe Er stand einfach nur da und blickte den Jungen hinterher, die eilig und angsterfüllt davonstürzten. An seiner Faust lief das Blut eines der am Boden liegenden Jungen herab, der sich nie wieder bewegen sollte. Sein Gesicht war tränenüberströmt und in seinen Augen lag der Glanz des Wahnsinns. Er hatte es nicht gewollt. Er hatte ihn nicht töten wollen, aber er bereute es nicht. Sie hatten es verdient. Sie waren die, die zuerst gemordet hatten. Aber das rechtfertigte nicht seine Tat. Er hätte Nate aufhalten müssen, als er sich auf sie stürzte, aber er hatte es nicht getan, sondern hatte ihm auch noch geholfen. Sein Vater würde ausrasten, wenn er davon erfuhr und seine Mutter... Doch das war egal. Sie hatten sich nie groß um ihn geschert und es war ihm ziemlich gleichgültig, was sie von ihm hielten. “Kuon?”, sagte in diesem Moment eine schwache zittrige Stimme. Er wandte sich um und blickte in das erstarrte angsterfüllte Gesicht seiner kleinen Schwester. Sie klammerte sich an einen violetten Regenschirm. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass es regnete. “Kuon”, sagte sie abermals und blickte auf den leblosen Körper zu seinen Füßen. “Ist er tot?” Er nickte. Sie schluckte und sah ihm in die Augen. “Warst du das?”, fragte sie. “Ich weiß es nicht”, antwortete er. Plötzlich fing er an zu zittern und im nächsten Moment gaben seine Beine nach und er fiel auf die Knie. “Mein Gott, was habe ich getan?” Seine Schwester ging langsam auf ihn zu und setzte sich neben ihn. “Wir müssen die Polizei rufen”, erklärte sie ihm, “und wir müssen nach Hause. Andrea hat mich geschickt. Sie macht sich Sorgen und es regnet in Strömen. Du könntest dich erkälten.” “Kaede, ich habe vielleicht einen Menschen getötet.” “Stimmt und dafür werden dich die Leute lieben. Er war ein Mistkerl und ein Mörder. Er hätte sowieso die Todesstrafe bekommen. Die Polizei wird sich auch nicht einmischen. Sie hat sich noch nie in die Bandenkriege eingemischt.” “Wirst du Dad davon erzählen?” “O-nii-chan, ich würde dich nie verpetzten. Das weißt du doch. Wir müssen doch zusammenhalten.” Er nickte. “Danke, Kaede.” Sie erhoben sich. “Komm, Dad kommt heute nach Hause. Er wird sich freuen dich zu sehen.” Zusammen machten sie sich auf den Weg, doch sie wussten nicht, dass es das letzte Mal sein sollte. “Ren! Wo bist du?” Yashiro streifte verzweifelt durch das Hauptgebäude von LME. Er war auf der Suche nach seinem Schützling, der sich wieder einmal von der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte um seinen Text für die neueste Folge von Dark Moon zu lernen, die in weniger als vierundzwanzig Stunden gedreht werden sollte. Normalerweise war das eigentlich kein Problem, aber ausgerechnet heute hatte er seine Handschuhe vergessen, weshalb es ihm unmöglich war den Schauspieler zu erreichen. //Verdammt noch mal, Ren. Warum kannst du deinen Text nicht an einen Ort lernen, an dem man dich finden kann? Es ist aber auch zu blöd. Warum muss ich meine Handschuhe gerade heute vergessen?// Vor einigen Minuten hatte Rory Takarada, der Präsident von LME ihm mitgeteilt, dass Ren so schnell wie möglich zu ihm kommen sollte, da er ein sehr wichtiges Angebot für ihn hatte. Rory hatte es mit einem strahlenden Lächeln gesagt, was schon nichts Gutes bedeuten konnte, aber wenn Ren nicht rechtzeitig erscheinen würde, würde dieses Lächeln sich zu etwas sehr viel Schlimmeren umwandeln. Yashiro lief es kalt den Rücken herunter, als er daran dachte, in was es sich alles verwandeln könnte. //Hoffentlich finde ich dich bald, sonst könnte ich es bereuen.// Er bog in den nächsten Gang ein und sah gerade noch wie eine Gestalt mit kurzen schwarzen Haaren in einem Overall im nächsten Zimmer verschwand. “Kyoko-chan!”, rief der Manager und rannte auf den Raum zu. “Kyoko-chan, ich brauche deine Hilfe.” Erschrocken kam ein sechzehnjähriges Mädchen wieder heraus und sah den atemlosen Yashiro verwirrt an. “Yashiro-san. Alles in Ordnung?” “Ja, jetzt schon”, erwiderte er und strahlte die Schwarzhaarige an. “Kyoko-chan, hast du dein Handy dabei?” “Äh... Ja.”, antwortete sie zögernd. “Kannst du mir einen Gefallen tun? Du bist meine einzige Hoffnung.” Kyoko schluckte. Die einzige Hoffnung, das hörte sich nicht gut an. “Na... natürlich. Was soll ich tun?” “Könntest du Ren anrufen und ihm sagen, dass er so schnell wie möglich im Büro des Präsidenten erscheinen soll?” Er sah sie erwartungsvoll an. “Warum tun Sie das nicht selbst?”, fragte sie. “Na ja, ich habe meine Handschuhe vergessen und du weißt ja, was dann passiert.” “...” “Also, wirst du mir diesen Gefallen tun?” “Ja, das werde ich.” Yashiro atmete erleichtert aus. //Was für ein Glück, ich bin gerettet.// Im selben Augenblick saß der begehrteste Mann Japans im verlassenen Treppenhaus von LME und ging seinen Gedanken nach. Auf seinem Schoß lag ein offenes Drehbuch, das er bereits in und auswendig konnte. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, während er an eine gewisse Love-Me-Praktikantin dachte. Doch seine seligen Erinnerungen an sein letztes Gespräch mit seiner Kohei wurde unsanft von dem nervigen Klingelton seines Handys unterbrochen, den er schon seit einem Monat ändern wollte, es aber immer wieder vergessen hatte. Schnell holte er es aus seiner Hosentasche hervor und starrte auf das Display. Als er sah, wer ihn da gerade anrief, breitete sich sein heiliges Lächeln auf seinem Gesicht aus. “Hallo? Mogami-san?” “Tsuruga-san, woher wussten Sie, dass ich es bin?”, kam ihm die Stimme von besagter Love-Me-Praktikantin entgegen. “Nun, du vergisst immer deine Nummer zu unterdrücken”, antwortete er amüsiert. //Sie hat sich wohl immer noch nicht an ihr Handy gewöhnt.// “Oh, das erklärt einiges...” Sie verstummte. Ren Tsuruga wartete genau eine halbe Minute, bis er beschloss, dass das Schweigen zu lange dauerte. “Also, gibt es einen Grund für deinen Anruf?”, fragte er leicht besorgt. Normalerweise rief sie ihn nur an, wenn sie irgendein Problem hatte. “Was? Ach ja, der Grund. Yashiro-san hat mich darum gebeten Ihnen auszurichten, dass Sie so schnell wie möglich zu Takarada-san kommen sollen”, antwortete sie schnell. “Und warum sagt er mir das nicht selber?”, fragte Ren. “Er hat seine Handschuhe vergessen. Tsuruga-san, es muss wirklich wichtig sein, er sah ziemlich verzweifelt aus.” Ren seufzte. “Tja, dann sollte ich mich wohl auf den Weg machen.” Ein kurzes Schweigen trat ein. “Also, wir sehen uns morgen.” “Oh, ja. Bis Morgen, Tsuruga-san.” Damit legten sie auf. Ren starrte noch einige Augenblicke auf sein Handy, dann stand er seufzend auf und machte sich auf den Weg zum Präsidenten. Kyoko sah auf ihr Handy und fragte sich, warum Ren das Gespräch so schnell beendet hatte. War er wieder wegen irgendetwas wütend? //Nein, er wollte sicher nur schnell zu Takarada-san.// Sie seufzte. Dabei hätte sie doch so gerne noch etwas mit ihm gesprochen, aber sie hatte einfach nicht gewusst über was. “Mogami-san, hier bist du ja”, rief in diesem Moment eine Stimme. Sie drehte sich um und erblickte das Gesicht von Sawara-san, dem Leiter der Talent Sektion von LME. “Du sollst sofort in das Büro des Präsidenten”, verkündete er. “Er hat ein sehr gutes Angebot für dich.” Er strahlte sie an. “Eine Hauptrolle.” Kyoko klappte der Mund auf. “Eine Hauptrolle? Eine echte Hauptrolle? In einem Film?” “Nicht nur in irgendeinen Film, sondern im Film des Jahres. Es ist die Verfilmung des Bestsellers des letzten Jahres, das allein in Japan 4 Millionen Mal verkauft wurde, nicht zu vergessen die anderen Ländern, in denen es veröffentlicht wurde. Es ist ein internationales Projekt und es wird jetzt schon Werbung dafür gemacht und das, obwohl die Dreharbeiten noch nicht einmal begonnen haben.” “Ich soll in so einem Film die Hauptrolle spielen”, sagte sie ungläubig. Sawara-san nickte freudig. “Um was geht es denn?” “Das wird dir der Präsident erklären, also mach dich auf den Weg.” “Ja, natürlich, danke Sawara-san.” Und schon rannte sie davon. Einige Minuten später standen eine atemlose Love-Me-Praktikantin und ein verdutzter Schauspieler vor der Tür des Präsidenten. “Mogami-san, was tust du denn hier?”, fragte Ren seine Kohei, nachdem sie ihn mit einer Verbeugung begrüßt hatte. “Nachdem Sie aufgelegt hatten, kam Sawara-san zu mir und hat mir gesagt, dass ich auch zu Takarada-san kommen soll”, erklärte sie ihm fröhlich. “Er meinte, er hätte ein Angebot für eine Hauptrolle für mich.” “Eine Hauptrolle?”, wiederholte er. //Ich ahne schlimmes.// “Ja, eine Hauptrolle. Meine erste Hauptrolle. Ist das nicht wunderbar, Tsuruga-san? Ich hätte niemals gedacht, dass ich so schnell so ein Angebot bekommen würde.” Ren schenkte ihr sein heiliges Lächeln. “Das ist toll, Mogami-san. Ich gratuliere dir.” “D... danke”, entgegnete Kyoko verlegen. Dieses Lächeln brachte sie immer wieder aus der Fassung. “Dann sollten wir langsam mal reingehen. Wir wollen Takarada-san doch nicht warten lassen.” Er klopfte an und nach einem ungeduldigen “Herein” betraten sie nebeneinander den Raum. Sie hatten alles erwartet, aber das, was sie vorfanden, überraschte sie dennoch. Hinter dem Schreibtisch (dem einzigen Gegenstand, der unverändert geblieben ist) stand ein mittelalterlicher Thron. Die Wände waren mit dunklen reich verzierten Vorhängen verhangen, so dass man den Eindruck bekam, sich in einem Thronsaal und nicht in einem Büro zu befinden. Überall standen Kerzen, Rüstungen und Schwerter herum. Vor dem Schreibtisch stand eine Kirchenbank, auf der bereits Yashiro Platz genommen hatte. Rory Takarada saß auf dem Thron und sah die beiden Neuankömmlinge schmollend an. Er hatte sich passend zur Ausstattung als König verkleidet. “Ihr kommt zu spät”, sagte er tadelnd. “Ich warte jetzt schon über eine halbe Stunde.” Sofort fing Kyoko an sich zu entschuldigen. Sie wollte sich sogar auf die Knie fallen lassen, aber Ren hielt sie davon ab und sagte mit seinem Gentleman Smile: “Wenn Sie uns etwas wichtiges mitzuteilen haben, sollten Sie uns das nächste Mal persönlich anrufen.” Niemand wagte es, darauf etwas zu erwidern. “Ist ja auch nicht so schlimm”, sagte Rory schließlich und bedeutete den beiden sich zu Yashiro zu gesellen. “Also, ich habe ein Filmangebot für euch beide. Die männliche und die weibliche Hauptrolle für eine Buchverfilmung. Ich habe bereits in euren Namen zugesagt.” “Wie bitte?”, riefen alle drei gleichzeitig. “Nur die Ruhe, ihr hättet sowieso zugesagt.” Die Schauspieler und der Manager waren zwar noch nicht ganz beschwichtigt, beschlossen aber erst einmal zuzuhören. “Um welches Buch handelt es sich genau?”, fragte Ren. “Mönche auf Abwegen von Midori Takeshi.” “Mönche auf Abwegen”, wiederholte Ren. “Dieser Krimi, der in einem mittelalterlichen Kloster spielt?” “Woher kennst du den Inhalt von Midori Takeshis Bestseller?”, fragte Rory verblüfft. “Sakura hat mir davon erzählt”, antwortete er ausweichend. “Sakura-chan? Ihr versteht euch wieder?” “Ich wüsste nicht, was Sie das anginge.” “Es geht mich etwas an, immerhin möchte ich nicht für eine Schlägerei bei den Dreharbeiten verantwortlich sein, aber da ihr euch ja wieder versteht, muss ich mir keine Sorgen machen.” “Entschuldigung”, mischte sich Yashiro ein, “aber wer ist Sakura?” “Sakura Itsumoto”, sagte Rory fröhlich. “Eine junge Schauspielerin, die seit zwei Jahren bei LME ist. Sie ist sehr talentiert, genauso wie Ren hier und hat die letzten eineinhalb Jahre in Amerika verbracht, wo sie zusammen mit Kuu Hizuri in einer Soap mitgespielt hat. Nächste Woche kommt sie zurück und wird zusammen mit euch beiden in Mönchen auf Abwegen mitspielen. Ich denke, solange werdet ihr euch vertragen können, nicht wahr, Ren?” “Keine Sorge, ich weiß, wie man sich benimmt.” “Moment, woher kennst du diese Sakura Itsumoto, wenn noch nicht einmal ich sie kenne?”, fragte Yashiro verblüfft. “Aus dem einzigen Grund, weil sie meine Schwester ist”, antwortete er genervt. “Sie haben eine Schwester?”, fragte Kyoko überrascht. “Ja, habe ich. Also hätten Sie die Güte, uns über den genauen Inhalt aufzuklären? Und wenn Sie uns dann auch noch mitteilen würden, welche Rollen wir haben, wäre ich Ihnen sehr dankbar.” Rory wusste, dass es besser für seine Gesundheit wäre, nicht weiter auf dem Thema zu beharren und beantwortete schnell seine Fragen. “Es geht kurz zusammengefasst um einen Mord, der in einem Kloster im Mittelalter begangen wird. Ein junger Mönch, ein junges Mädchen aus dem Waisenhaus, das von dem Kloster geführt wird, und eine Hexe versuchen ihn gemeinsam aufzuklären, doch es geschehen immer mehr Morde, so dass alle in Angst und Schrecken versetzt werden. Während der Geschichte freunden die drei sich an und der Mönch verliebt sich langsam in das Mädchen. Den Rest könnt ihr euch selbst durchlesen. Es ist wirklich eine wunderbare Geschichte und ich bin mir sicher, ihr kriegt das hin. Was eure anderen Aufgaben angeht, so werdet ihr sie nebenbei fortführen können, auch wenn Mönche auf Abwegen die höchste Priorität hat. So und jetzt trollt euch, ihr habt sicher noch eine Menge zu tun.” Er überreichte ihnen die Drehbücher und schickte sie weg. Draußen trennten sie sich und machten sich auf den Weg zu ihren jeweiligen Aufgaben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)