Big City Life von Maya ================================================================================ [Hiroto] Schwänzen ------------------ So – wie versprochen das nächste Kapitel ^^ Einmal monatlich werd ichs wohl irgendwie wieder auf die Reihe kriegen ^.~ Wird zwar etwas schwer zu arrangieren von der Zeit her (Arbeit, Fitnessstudio, Bass-Unterricht), aaaaber ich werde schauen, dass ich mich schön an meinen Zeitplan halte, dann habe ich immer so einige Stunden in der Woche frei, um zu schreiben ^-^ Titel: Big City Life Teil: 16/? Dank: an alle Leser und Favo-Nehmer! Warning: mein Schreibstil, OoC und Shounen-Ai (ab Kapitel 8) Disclaimer: Keiner der JRocker gehört mir und ich verdiene auch kein Geld hiermit. Lediglich einige Personen sind meiner Fantasie entsprungen, wie zum Beispiel Rukis Eltern und sein Bruder. Ebenso wie mögliche andere Verwandte, Lehrer etc. ... Viel Spaß beim Lesen! Maya Kapitel 16 – [Hiroto] Schwänzen Was zuletzt geschah… Die Gedanken spielten verrückt, kreisten nur um Reita, alles andere war unwichtig und wurde ausgeblendet. Es war ihm unmöglich zu sagen, welches Körperteil noch zu ihm gehörte, als sie regelrecht miteinander zu verschmelzen schienen. Ihr Kuss war tief und voller Gefühl, aber trotz allem sehr zärtlich und beinahe vorsichtig. Sie erforschten den Mund des anderen von Neuem, diesmal ohne Alkohol und wummernde Bässe in den Ohren, und gingen dabei zaghaft, aber auch verlangend vor. Ruki seufzte in den Kuss, als er merkte wie Reitas Atem schwerer wurde und ihn die Wärme langsam einhüllte… … und schreckte hoch, als es plötzlich an der Tür klopfte. ~*~*~ Ruki rutschte fast das Herz in die Hose, vor Schreck. Reitas Blick flog Richtung Tür. „Jetzt nicht!“, rief er und die Stimme seines Bruders drang gedämpft zu ihnen herein. „Ich soll dich nur fragen, ob du noch was essen möchtest“ ertönte es ein wenig beleidigt. Eilig kletterte Ruki von dem Älteren herunter und antwortete an dessen Stelle. „Ich hol ihm sofort was!“ Als sich die Schritte wieder von der Tür entfernten, rang Ruki verzweifelt nach Worten. Wie sollte er seinen wirren Gedanken Ausdruck verleihen? Konnte Reita ihn überhaupt verstehen? Er wusste nicht wie lange, aber einige Zeit saßen sie einfach nur schweigend da und Ruki hatte das Gefühl, irgendwas sagen zu müssen. Doch als er gerade den Mund aufmachen wollte, kam ihm Reita zuvor. „Ist schon ok“, meinte er, „Es ist nur… neu… ich meine…“, erschüttelte den Kopf um seine Gedanken zu klären, „Lass uns jetzt nicht darüber reden.“ Ruki nickte versöhnlich und stand von dem Bett auf, um dem Kranken die versprochene Suppe zu holen. Den Rest des Abends verbrachten die zwei damit, sich mit ein bisschen Suppe und Knabbersachen auf sein Bett zu pflanzen und zu reden. Ruki stellte fest, dass Reita ein sehr angenehmer und redseliger Gesprächspartner war, wenn er erst einmal ein Thema gefunden hatte, was ihn wirklich interessierte. In Reitas Fall war es die Musik. Nachdem sie über Familie, Freunde und nebensächliche Belanglosigkeiten geplaudert hatten, kamen sie auf Lieblingsbands. Anders als andere äußerte sich Reita nicht einfach mit den Worten >die sind cool< oder >die rocken voll<, sondern sagte solch überraschend tiefgründige Dinge wie >die Texte stimmen mich immer ein wenig traurig< oder >wenn ich das Lied hör, fühl ich mich wie in einer anderen Welt<. Es war eine regelrechte Freude ihm dabei zuzuhören, wie er Textstellen zitierte. Wenn er von der Musik sprach begannen seine Augen zu leuchten und man sah ihm an, dass ihn das Thema bewegte und er sich darüber austauschen und philosophieren wollte. Zu seinen Lieblingen zählte die Visual-Kei-Band GUiLTY, deren Texte er eigentlich alle auswendig kannte. Schnell merkte Ruki, dass >Dornenkleid< sein Lieblingslied von ihnen war, denn egal über welches andere er gerade sprach, er kam immer wieder darauf zurück. Im Laufe der Stunden versuchte Ruki, das Bild des angeregt redenden Reitas in sein Hirn zu brennen, um es sich immer wieder vor Augen rufen zu können. Und so war es auch. Als Ruki am nächsten Tag am Schultor auf Kanon wartete, erschien das Bild wieder vor ihm und er begann unmerklich zu träumen. Wie gerne hätte er Reita jetzt an seiner Seite gehabt. Aber kaum hatte er das gedacht, verfinsterten sich seine Gedanken wieder. Was würde nun aus Saga werden? Mittlerweile war der Wunsch in unglaubliche Ferne gerückt. Die einzige Sorge, die ihn jetzt quälte, war die Tatsache, dass Kanon vielleicht bald zu ihnen gehören würde – und könnten sie dann noch immer Freunde sein? Irgendwie war diese Schwarzseherei Unsinn, aber er hatte noch zu deutlich Jui und Sakito vor Augen... Die Sache mit Nao hatte sich ja nun, Gott sei Dank, geklärt. Dieser war abends noch bei Kanon vorbeigeschneit – ungefähr zur gleichen Zeit, wo er bei Reita gewesen war – und hatte ihm alles erklärt. Eine Tatsache, die ihn momentan mehr erleichterte, als er vorher angenommen hatte. Er schreckte hoch, als er angerempelt wurde. „Shou!“, meinte er überrascht und sah in das freundliche Gesicht des größeren Jungen. Aber es war, als würde ein Schatten über ihm liegen, denn sein sonst so strahlendes Lächeln war verschwunden. Die Mundwinkel suchten sich zwar ihren Weg nach oben, aber es wirkte beinahe gequält und erreichte die großen Augen nicht, die leer wirkten. Und da sickerte die Erkenntnis ein, dass es das erste Mal war, dass er ihn sah, seit dieser sich mit Saga gestritten hatte. „Ach“, meinte er und schien ebenfalls aus seinen Tagträumen zu schrecken, „Ruki! Hey... schön dich zu sehen.“ Es sollte wohl fröhlich klingen, aber es misslang ihm deutlich. Hatte ihn der Streit so fertig gemacht? Aber, ok, Ruki kannte keine Details, wusste also nicht, was für Worte vielleicht gefallen waren. Von Ryoga wussten sie nur, dass Sakitos und Ni~yas Beziehung der Auslöser gewesen waren, aber war das der einzige Grund? Shou machte auf ihn jedenfalls einen tief verletzten Eindruck. „Hast du Saga gesehen?“, fragte er ihn und ohne es verhindern zu können, kam in Ruki der Wunsch hoch, ihn sofort in die Arme zu schließen. Dieser getretene-Hund-Blick stand ihm überhaupt nicht! Er sollte wieder lachen! So schüttelte Ruki nur den Kopf und versuchte munter auszusehen. „Nein, aber wieso fragst du? Ach, apropos! Was ist eigentlich da hinten am See?“ Eigentlich interessierte ihn das nicht wirklich, aber als Ablenkung mussten halt >immer< so 08/15-Fragen herhalten... „Am See?“, fragte Shou so gleich und der leidige Ausdruck wich ein wenig, „Was hast du mit dem See zu schaffen?“ Ruki zuckte orientierungslos mit den Achseln und machte einige andere unkoordinierte Handbewegungen, ehe er zu einer Erklärung ansetzte. „Ich – ich hab den nur mal so gesehen – aus der Ferne, weißt du? – und – und da – na ja, ich würde halt gern wissen, ob da was Besonderes ist! ... du verstehst?“ Shou deutete ein kleines aber ehrliches Lächeln an. „Achso. Na ja, >besonders< kann man nicht wirklich sagen. Eigentlich gibt’s da nix, aber es ist dort recht abgeschieden und wir haben – also... wir haben früher häufig dort gezeltet.“ Ruki spürte wie ihm der gute Einfall ans Bein pinkelte und sein Plan von Ablenkung entglitt. Dennoch hakte er interessiert nach. „Wir?“ Shou lächelte diesmal ein wenig mehr, senkte aber zugleich seinen Blick zu Boden, „Ach, auch egal, vergiss es einfach!“ Weiter die Straße runter entdeckte er Kanon und schon aus dieser Entfernung konnte er das zögerliche, aber zugleich glückliche Strahlen erkennen, das auf seinen Zügen lag. Bei den beiden anderen angekommen, warf er die Arme um Ruki und seufzte schwer. „Ich hab gestern tatsächlich noch bei ihm angerufen!“, erzählte er und klang dabei, als könne er es selbst noch nicht wirklich glauben, „Er hat uns für nächstes Wochenende zu seinem Geburtstag eingeladen! Uns! Ist das zu fassen?!“ Ruki wusste in dem Moment nicht, ob er Luftsprünge machen sollte, oder doch lieber in Tränen ausbrechen. Shou guckte den dunkelhaarigen Jungen verdutzt an. „Saga?“ Erst jetzt schien Kanon den älteren Jungen überhaupt wahrzunehmen und sah fast ein wenig erschrocken aus, als er ihn erkannte. „Äh - ja! Kommst du auch?“ Shous Miene änderte sich schlagartig von >interessiert und ungläubig< zu >Amboss auf den Kopf gekriegt<. Mit geweiteten Augen starrte er Kanon für zwei Sekunden an, ehe er sich ohne ein weiteres Wort von ihnen abwandte und steif in Richtung Eingang stakste. Ruki warf Kanon einen >hast-du-toll-gemacht-Blick< zu und verdrehte dann die Augen. „Was hat Ryoga uns erzählt?“ Kanon biss sich auf die Unterlippe und die Reue sprang einem regelrecht entgegen. „Es tut mir Leid!“, wimmerte er aufrichtig, „Ich hab einfach nicht dran gedacht!“ Ruki war nicht wirklich böse auf Kanon, konnte er doch verstehen, dass der andere einfach zu aufgeregt war. So lächelte er verständnisvoll und seufzte. „Schon ok“, meinte er und legte einen Arm um Kanon, während sie sich nun auch auf dem Weg zum Eingang machten, „Dann erzähl mal, bevor du mir noch platzt!“ Und Kanon schien wirklich keine Sekunde mehr warten zu können. Die Worte sprudelten ihm nur so aus dem Mund und Ruki lächelte vor sich hin. Kanon hatte es tatsächlich geschafft – nach langem Hin und Her – sich zu überwinden und Saga anzurufen. Der war scheinbar sehr erfreut über seinen Anruf gewesen und hatte ihn ohne lange Diskussionen zusammen mit Ruki und Takeru zu seinem Geburtstag eingeladen. Viel hatte der Schwarzhaarige noch nicht in Erfahrung bringen können, aber es würden wohl auch einige alte Bekannte auf der Party sein. Diese Erwähnung ließ Ruki grübeln. Waren damit Dai und seine Leute gemeint? In Rukis Kopf begann es zu arbeiten. Fakt war nun mal, dass sich Dai und Saga – trotz ihrer scheinbaren Rivalität – ständig über den Weg zu laufen schienen und auch in einigen Situationen zusammen arbeiteten. Das war schon mal ein Zeichen dafür, dass die beiden sich nicht unbedingt hassten. Aber er kannte ihre Hintergrundgeschichte nicht. Es war schwierig sich über so was ein Bild zu machen und Pläne zu schmieden, wenn man nicht wusste, was zwischen denjenigen geschehen war. Er packte einen Entschluss. Er würde es schaffen müssen, dass beide Banden an Sagas Geburtstag beisammen waren – inklusive ihm, Kanon, Takeru und Nao! – und dann würden sich einige Leute zusammenreißen und aussprechen müssen. Nur wenn sich die Banden miteinander vertrugen, bestand eine Chance, sowohl mit Reita zusammen zu kommen, als auch mit Kanon, Saga und Nao befreundet zu bleiben! Der Entschluss stand… jetzt fehlte nur noch ein Plan… Es war kurz vor Beginn der dritten Stunde, als Ruki Jemand ins Auge fiel, den er vorher noch nicht gesehen hatte. Da er ihn in den ersten beiden Stunden nicht bemerkt hatte vermutete er, dass er gerade in der Pause gekommen war. Der Junge war nicht sonderlich groß, vielleicht so groß wie Kanon, und hatte braunes und blondes Haar, welches frech in alle Richtungen abstand. Große Augen, Schmollmund und einen Pseudo-Bösen-Blick zeichneten sein Gesicht aus und die Schuluniform saß mehr schlecht als recht an dem schmalen knabenhaften Körper. Er unterhielt sich mit Miku und Ruki wollte gerade Nao anstupsen um ihn zu fragen, wer das war, als der Lehrer durch die Tür trat und alle Schüler sich auf ihre Plätze begaben. Wie immer folgte die Klassenliste, bei der der Lehrer eintrug, wer da war und wer nicht und schließlich erfuhr Ruki, wer der Junge war. „Ogata Hiroto?“, der Junge brummte und mit hochgezogener Augenbraue sah der Lehrer auf, „Ah, Ogata-kun! Was verschafft uns die Ehre Ihres Besuchs?“ Der Junge zuckte desinteressiert mit den Achseln und machte einen genervten Eindruck. Während der Lehrer noch kurz weiter lamentierte und dann mit der Liste fortfuhr, beobachtete Ruki den anderen interessiert. Das war also Hiroto. Der chronische Schwänzer, wie Nao ihn an seinem ersten Tag hier genannt hatte. Er lehnte lässig in seinem Stuhl, eine Hand in der Hosentasche, mit der anderen hielt er seinen Stift, den er gelangweilt über eine Seite seines Collegeblocks kritzeln ließ. Man sah regelrecht wie jedes Wort des Lehrer in ein Ohr hinein- und aus dem anderen wieder herauswanderte. Zum einen fand Ruki es respektlos, aber zum anderen auch bewundernswert. So ein Verhalten würde Ruki niemals so zur Schau stellen, geschweige denn den Unterricht schwänzen – dafür hatte er nicht genügend Mumm. In der nächsten Pause standen alle Schüler pünktlich zum Schellen von ihren Plätzen auf und verließen den Klassenraum. Auch Ruki, Nao und Kanon wollten sich der treibenden Masse anschließen, als Miku ihm winkte. Zögernd sah er zu Kanon und Nao, die ihn beide skeptisch ansahen und von denen er sich schließlich mit einem „Geht schon mal vor“ verabschiedete, um zu Miku zu gehen. Hiroto stand bei ihm und tippte – immer noch scheinbar gelangweilt – auf seinem Handy herum. „Was gibt’s?“, fragte Ruki, als er in Hörweite war und Miku grinste. „Bock mit uns in die Stadt zu gehen?“ Ruki blinzelte zweimal. „Wie? >JetztHi< hätte es vollkommen getan.“ Takuya warf ihm einen giftigen Blick zu und schlug ihn, mehr spielerisch, auf den Arm. „Ach du…“, knurrte er und ignorierte ihn dann einfach, „Lasst uns lieber endlich rein, bevor die nächsten Schulstunden um sind und die ersten unser lieben Klassenkameraden hier auftauchen.“ „Scheiß drauf“, murmelten Hiroto und Nao zugleich, doch sie alle trotteten los und betraten die Passage. Miku und Takuya hatten sich auch gleich beieinander eingeharkt und begannen eine ausführliche Diskussion über diverse Modeartikel, Räumungsverkäufe und aktuelle Angebote ihrer Lieblingslabels. Und während Nao sich bemühte eine Unterhaltung mit Ruki zustande zu bringen, schlenderte Hiroto scheinbar teilnahmslos nebenher. Er schien nicht wirklich gesprächig. Obwohl Ruki ein wenig den Verdacht hatte, dass das nur eine Tour von ihm war – er schien sehr viel Wert darauf zu legen, cool und unnahbar zu wirken. Irgendwann nickte Ruki vage in seine Richtung, als der andere gerade ein Stückchen vor ihnen lief und unterbrach Nao in seiner Erzählung. „Ist Hiroto immer so?“ Nao stutzte kurz, rollte dann aber ein wenig amüsiert mit seinen Augen und schnippte den Rest seiner Kippe weg. „Es geht“, meinte er schließlich, „Mal mehr, mal weniger. Wenn er mit uns alleine ist, verhält er sich eigentlich sehr >normal<. Schlimm wird es, wenn er seiner Flamme begegnet“, er lachte ein wenig und Ruki musste auch lächeln, versuchte es sich aber zu verkneifen, als Hiroto mit düsterem Blick hinter sich sah. „Was lästert ihr zwei denn da?“ Nao tat unwissend. „Lästern? Ach, Pon, ich läster doch nicht über dich, Schnuppi!“ Hiroto sah kurz aus, als wolle er Nao mit seinem Blick umbringen, wandte sich dann wieder nach vorne und vergrub mürrisch seine Hände in den Hosentaschen. „Ah!“, schrie Miku plötzlich auf und vollzog eine scharfe Linkskurve, steuerte ein Schaufenster an, die anderen Passanten beinahe über den Haufen rennend. Takuya im Schlepptau. Hiroto, Nao und Ruki waren kurz verwirrt, folgten den beiden dann aber, um sie nicht zu verlieren. „Die Hose >muss< ich haben!“, kommentierte Miku nur seinen Fund und verschwand nur eine Sekunde später im Innern des Geschäfts. Seine Freunde folgten ihm – mehr oder weniger begeistert. Während die beiden Brüder sich durch das reiche Angebot an Anziehsachen und Accessoires wühlten und dabei andere Kunden im Laden durchaus unterhielten und amüsierten mit ihrem Verhalten, hatte Hiroto wieder sein Handy gezückt und tat besonders genervt. Nao und Ruki standen bei den Sonnenbrillen und Hüten. Nao standen Hüte, wie Ruki feststellte. „Hier, probier den“, meinte er und reichte Nao den nächsten zum Aufprobieren. Nao nahm ihn entgegen. „Und du die“, entgegnete er und drückte Ruki eine Sonnenbrille in die Hand. Ruki zögerte nicht und setzte sie auf. Sie war sehr groß und er hatte das Gefühl, dass sein halbes Gesicht dahinter verschwand, doch Nao nickte zufrieden. „Steht dir gut.“ „Ebenfalls“, gab er das Kompliment zurück und drehte sich noch einmal zum Spiegel. Er zupfte gerade an seiner schwarz-roten Strähne, als er stutzte. Er setzte die Brille ab und starrte genauer in den Spiegel. War das nicht Saga? Er drehte sich um und sah durch das Schaufenster hinaus auf die Fußgängerzone. Nein, das konnte er nicht sein. Der Junge war braunhaarig und hatte das Piercing an der falschen Stelle – aber sein Gesicht erinnerte ihn stark an seinen Mitschüler mit den abgeschnittenen Hosenbeinen. „Was guckst du denn da?“, riss ihn plötzlich eine Stimme aus den Gedanken und Nao sah ebenfalls raus, „Achso“ Er klopfte ohne Vorwarnung an die Scheibe und der Junge entdeckte sie, erwiderte Naos knappen Handgruß. „Wer ist das?“, fragte Ruki verwirrt. „Sagas Halbbruder, Yuki“, er schnitt kurz eine alberne Grimasse, bei der er grinsend kurz seine Zungenspitze zeigte, „Der mit dem Mädchennamen – aber das hab ich nie gesagt!“ Ruki lachte. „Ich werde schweigen wie ein Grab!“ Während Nao sich wieder den Hüten widmete, sah Ruki weiterhin durch das Schaufenster zu Yuki. Neben ihm stand Reitas Bruder und drei weitere Jugendliche, die Ruki noch nie zuvor gesehen hatte – einer war sehr klein und zierlich, einer hatte ein fröhliches Grinsen und beim letzten war er nicht hundertprozentig sicher, ob es sich um Männlein oder Weiblein handelte. Und obwohl man sie sicher alle mit seinen umschwärmten Mitschülern a la Sagas Bande in einen Topf werfen konnte aufgrund ihres guten Aussehens, waren sie doch… erschreckend… normal. Sie setzten sich einfach nicht so in Szene wie die meisten anderen, die er bislang kennen gelernt hatte und das machte sie schon jetzt sehr sympathisch. Er riss sich von ihrem Anblick los und sah zu Miku und Takuya. Die beiden standen an der Kasse und rafften gerade ihre Tüten, Hiroto stand schon an der Tür und Nao setzte sich seinen neuen Hut auf – sie waren alle aufbruchbereit. Ruki entschloss sich nichts zu kaufen und folgte den vieren hinaus zurück auf den Gehweg. Da sah auch Miku Sagas Halbbruder. „Whai!“, quietschte er und hoppelte grinsend auf die Gruppe zu, „Shin-chan!“ Shin-chan? Damit war sicher nicht Sagas Bruder gemeint. Und tatsächlich. Miku warf überschwänglich seine Arme um den kleinsten der fünf Freunde, der sich überrascht an seine Kopfhörer griff, damit diese nicht hinunterfielen. Und da Miku nun schon den Anfang gemacht hatte, gingen auch Hiroto, Nao, Takuya und Ruki auf die anderen zu und grüßten, wobei Nao sich direkt an Yuki wandte. „Hey, Yuki“, meinte er und der andere nickte, „Wie geht’s?“ Der Braunhaarige mit dem fein geschnittenen Gesicht, welches Ruki so sehr an Saga erinnerte, zuckte mit den Achseln. „Wie immer. Nii-san ist momentan ein wenig stressig, aber das wird sich wieder legen, sobald er und Shou sich wieder vertragen haben.“ Ruki horchte auf und setzte einen besorgten Blick auf. „Ich hab Shou vor der Schule gesehen“, sagte er, „Er sah ziemlich niedergeschlagen aus… war der Streit so schlimm?“ Yuki machte kurz einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und kaute auf seiner Unterlippe, sodass sein Piercing in der Kinnfalte ein wenig nach vorne rutschte. „Ich weiß selbst nicht alle Details, Nii-san ist da sehr verschlossen, aber da scheint schon ziemlich was passiert zu sein.“ Ruki wollte am liebsten in Tränen ausbrechen. „Ich hoffe, die beiden vertragen sich wieder“, mischte sich da der Kleine ein, den Miku beinahe umgerannt hatte, „Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was mit Shou passiert, wenn sich das nicht klärt.“ Er war immer verwirrter. Es war klar, dass sie ihn nicht einweihen wollten, aber sie sprachen regelrecht so, als wenn Shou etwas Schreckliches passieren würde, wenn die beiden sich nicht wieder vertrugen. Verdammt. Die Neugier meldete sich wieder. Er musste endlich wissen, was genau vorgefallen war. Der Junge mit dem strahlenden Grinsen schien Rukis Gedanken zu lesen, denn er lenkte rasch in das Gespräch ein, ehe weiter drauf eingegangen werden konnte. „Ach, das wird schon“, sagte er optimistisch, „Die beiden können gar nicht ohne einander. Egal was Shou verbockt haben sollte, Saga wird ihm immer verzeihen“, er bemerkte die skeptischen Blicke der anderen, „Es dauert halt diesmal nur länger!“ Yuki rang sich ein Lächeln ab. „Kai, manchmal bist du ein wenig zu naiv. Aber hoffen wir mal, du hast Recht.“ Damit schien das Thema gegessen und man widmete sich einem neuen. Man plante, wo man jetzt noch hingehen wollte. Yuki hatte sich hier eigentlich nur mit Setsuki und Yuuhi getroffen. Shinpei war noch selbst verabredet und würde sich in wenigen Minuten verabschieden und Kai wollte sich mit Tora, Shinya und Ruka treffen. Und so trennten sich ihre Wege. Yuki, Setsuki und Yuuhi schlenderten davon in Richtung Eiscafe, Shinpei machte sich auf den Weg zur Spielhalle, Kai verließ die Einkaufspassage um zum Checkpoint zu gehen und die Miku-Clique mit Ruki machten sich auf Richtung Marktplatz – der unter der Woche nicht von Ständen voll gestopft war, sondern erholsam leer und zentral gelegen. Dort standen auch der Brunnen und das Cafe, in dem Ruki mit Kanon gesessen hatte. Ebenfalls befand sich dort Mikus und Takuyas Lieblingskonditorei, wo sie sich Schokohörnchen kaufen wollten. Von dort aus würde man weiter entscheiden, wo man hingehen könnte. Die Zeit wurde langsam knapp und sie hatten vor Zuhause oder woanders Unauffälliges zu sein, bevor die letzte Stunde zu Ende war und ihre Mitschüler ebenfalls in die Stadt strömten. Ruki hatte wirklich keine Lust irgendwem blöde Fragen zu beantworten oder gar von jemandem angeschwärzt zu werden. Doch trotz seines schlechten Gewissens genoss er die Zeit mit den vier Freunden und bereute es nur ein ganz kleines bisschen mitgekommen zu sein. Aber nur ein klein wenig. ~*~*~ Das nächste Mal in Big City Life… Der Damm brach und Kanon begann erneut zu weinen. Ruki wusste nur eins: er musste sofort ins Krankenhaus! „Seid ihr in der Notaufnahme? Kanon!“ Der andere Junge versuchte sich wieder zusammenzureißen und stammelte etwas davon, dass sie tatsächlich in der Ambulanz standen. „Bleib wo du bist – ich bin gleich da!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)