Rote Augen von abgemeldet (Die Fortsetzung von Familienbande) ================================================================================ Kapitel 5: Erinnern ------------------- Glenn schlug am späten Abend die Augen auf. Ich war zu dem Zeitpunkt als einzige bei ihm und er sah mich groß an. „Glenn, wie geht es dir?“, fragte ich leise und das Wort Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Wer bist du?“ Ich lächelte freundlich. Wahrscheinlich erinnerte sich nicht an mich. „Mein Name ist Faye, erinnerst du dich? Wir sind uns vor einigen Jahren begegnet. Ich gehöre zu Jaspers Familie.“ Er wirkte noch immer nicht, als wüsste er, wer ich war. Er wollte etwas sagen, aber aus seiner Kehle drang nur ein hungriges Knurren. Erst jetzt bemerkte ich seine schwarzen Augen. „Warte einen Moment hier, Glenn. Ich hole Carlisle.“ Er rappelte sich auf und schaute mich fragend an. „Glenn… bin ich das?“ Meine Augen weiteten sich vor Schreck und in meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. „Warte hier“, sagte ich schnell und lief runter zu Carlisle. „Er ist wach, aber er scheint sich an nichts zu erinnern“, sagte ich ihm schnell und im nächsten Moment waren wir schon wieder in meinem Zimmer, wo wir Glenn untergebracht hatten. Carlisle setzte sich zu ihm und Glenn wirkte ziemlich verpeilt. „Was ist los? Wer bist du? Wer ist sie? Wer bin ich?“ Carlisle sah mich fragend an. „Ich kann nichts entdecken… seine Gedanken sind verwirrt und er scheint wirklich nichts zu wissen“, meinte ich, nachdem ich seinen Gedanken gelauscht hatte. „Bist du dir da sicher?“ „Hundertprozentig! Habe ich mich schon einmal geirrt?“ Carlisle warf Glenn einen Blick zu. „Nein, das hast du nie… in all den fast achtzig Jahren nicht…“ „Kann mir endlich mal einer erklären, was hier abgeht?!“ Ich ging langsam auf ihn zu. „Was weißt du?“, fragte Carlisle ruhig. „Das mein Kopf sich anfühlt, als nutze man ihn als Bowlingkugel“, grummelte Glenn. Carlisle und ich tauschten fragende Blicke. Was wohl mit Glenn passiert war? „Sonst noch etwas?“, wollte Carlisle wissen. „Ich…“ Glenns Augen flackerten zur Tür und dann zum Fenster, als suche er nach einem Fluchtweg. „…ich glaube… ich bin Vampir.“ Er betrachtete seine weißen Hände. „Ja, ich bin ein Vampir…“ Sein Blick erfasste erst Carlisle und dann mich. Wir sahen uns lange in die Augen. Er in meine topasfarbenen, ich in seine fast schwarzen. „Ihr seid… auch Vampire… aber… eure Augen… warum sind sie… golden?“ „Wir ernähren uns von Tierblut“, erklärte ich mit freundlicher Stimme und sein Blick, vorher fasziniert, wurde ungläubig. Trotzdem konnte ich nicht aufhören, ihn anzusehen. „Tierblut?“ „Ja, deshalb können wir unter Menschen leben.“ Carlisle stand auf. „Ich sage erstmal den anderen Bescheid. Kann ich euch allein lassen?“ Ich nickte. Carlisle ging raus und ich hörte, dass er auf dem Flur einen Moment zögerte, bevor er ging. Glenn richtete sich auf und schien erst jetzt zu bemerken, dass er halb nackt war. Er trug nur eine von Edwards Jogginghosen, da die beiden etwa die gleiche Größe hatten. Es schien ihn reichlich wenig zu stören – im Gegensatz zu mir. Die Decke rutschte ihm vom Oberkörper und ich sah, dass er perfekt war. Perfekter als perfekt sogar. Mein Gedankenstrom riss ab und ich war froh, dass weder ich rot noch mein Herzschlag schneller werden konnte. „Glenn, hast du eine Ahnung, ob du besondere Fähigkeiten hast?“, fragte ich, um meine Gedanken von dem Thema abzubringen. Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht mal, wie ich heiße…“ „Glenn.“ Er rollte mit den Augen, was mich zum kichern brachte. Er lächelte auch. Seine Augen funkelten mich an. „Ich fürchte, du wirst bald jagen müssen…“, murmelte ich, als unser Blick sich wieder traf. „Ja, denke ich auch… ist das nicht seltsam?“ „Was?“ „Ich denke, ich erinnere mich an alles, was Vampire wissen müssen, aber bei Fragen nach meiner Vergangenheit und so muss ich passen.“ Es klopfte und Jasper kam herein. Er wirkte nicht ganz so wütend wie zuvor, als Glenn aufgetaucht war. Sein Blick war nur noch kalt. „Hallo, Glenn.“ Er setzte sich und faltete die Hände ineinander. „Mein Name ist Jasper. Ich erwarte nicht, dass du dich erinnerst, aber wir kennen uns schon recht lange. Etwa zweihundert Jahre. Etwas mehr. Wir waren beide Teil einer Familie, bis ich es nicht mehr mit euch aushielt. Menschenblut zu trinken, machte mich depressiv und ich verließ die Familie. Du fandest es scheinbar schade, dass ich ging, unternahmst aber auch nichts, um mich aufzuhalten. Wir waren gute Freunde. Keiner von uns hatte zum damaligen Zeitpunkt eine Gefährtin. Du warst deshalb oft niedergeschlagen, du hattest das Gefühl, dass etwas in deinem Leben fehlt. Du sagtest, da wäre eine Leere in dir, die niemand füllen könnte. Deine besondere Fähigkeit besteht darin, dass du in einen Schlafähnlichenzustand verfallen kannst und dann träumst. Manchmal, wenn du abschalten wolltest, hast du das getan. Deine Träume waren jedoch nicht immer gut. Du hattest häufig Albträume, deshalb hast du es immer seltener getan. Kein einziges Mal hast du das mit den Albträumen zugegeben, aber du hast immer im Schlaf gesprochen. Ich konnte dir zuhören, wenn du träumtest, weil ich der einzige war, den du dabei haben wolltest. Ich war selbstverständlich nicht immer dabei, aber wenn du aufwachtest und ich war da, warst du mir nie böse. Die anderen schriest du immer an, aber mich nicht. Ich glaube nicht, dass dir jemals bewusst war, dass du dabei vor dich hinredest.“ Jasper stand auf und ging zur Tür. „Warum hast du mir das erzählt?“, fragte Glenn und hielt ihn so auf. Jasper drehte sich nicht einmal um, als er die Tür öffnete. „Carlisle hat mich gebeten, dir etwas von dir zu erzählen. Und das habe ich jetzt getan.“ Er ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen und ließ mich und Glenn allein. „Sei ihm nicht böse“, sagte ich in die Stille hinein. „Er ist ein wenig aufgewühlt, denke ich. All die Jahre, die ich ihn schon kenne, hatte ich das Gefühl, dass er irgendwie vor seiner Vergangenheit fliehen will und jetzt, da du aufgetaucht bist, sieht es so aus, als hätte ihn sie ihn doch noch eingeholt.“ „Das tut mir Leid, ich bin mir sicher, dass ich das nicht wollte…“ Wir schwiegen einen Moment und sahen uns wieder einfach nur an. Wir hörten, wie unten etwas zerbrach. „Ich geh mal lieber schnell gucken, was Jasper kaputt gemacht hat“, seufzte ich und verschwand schnell nach unten. Esmes Lieblingsvase war zu Bruch gegangen und Jasper schaute sie schuldbewusst an. Rosalie hob die Scherben auf, als Esme zu Jasper ging und ihn in den Arm nahm. „Es ist doch nicht deine Schuld“, sagte sie. Ich ging zu Edward rüber, dem die Anspannung im Gesicht stand. Würde Jasper noch einmal ausrasten, würden er und Emmett sofort bereitstehen, um ihn zu beruhigen. Emmett sah genauso aufmerksam aus, auch wenn er Rosalie beim Einsammeln der Scherben half. „Was ist passiert?“, fragte ich Edward leise. „Jasper ist stocksauer runtergekommen und hatte scheinbar den Drang etwas zu zerstören. Keine Sekunde später lag die Vase zerschmettert auf dem Boden. Was ist da oben vorgefallen?“ „Glenn hat keine Erinnerungen mehr und Carlisle meinte, es könne nicht schaden, wenn Jasper ihm etwas erzählt. War wohl ein Schuss in den Ofen – für Jasper zumindest.“ „Ich rede mal mit Glenn.“ Die Gänsefüßchen, die Edward in die Luft malten, signalisierten mir klar und deutlich, was er vorhatte. Er wollte herausfinden, was Glenn dachte. Er ging die Treppe hoch und Sekunden später hörte ich ihn oben klopfen. Ich drehte mich wieder zu Jasper um, der mittlerweile mit Alice auf dem Sofa saß. Sie hielt seine Hand und beruhigte ihn, als hätte sie die Gabe, die Stimmung eines Wesens zu ändern und nicht er. Rosalie brachte gerade die Scherben weg und Esme murmelte etwas von wegen, das könne sie mit Leichtigkeit reparieren. Carlisle ging auch hoch zu Glenn. Er musste sich nun überlegen, was aus Glenn werden würde – so ganz ohne Erinnerungen. Ich ging zu Bella, die ein wenig verloren wirkte. Wir setzten uns schweigend auf die Fensterbank und Bella musterte mich aufmerksam. Plötzlich packte Bella mich am Handgelenk und zog mich raus hinaus in den Wald. „Was ist mit dir los?“, fragte ich, als wir ruckartig stehen blieben. „Gegenfrage: Was ist eigentlich mit dir los?“ Fragend sah ich sie an. „Du leidest an Gefühlsschwankungen, die bei dir ziemlich neu sind“, erklärte sie. Ich zog die Augenbrauen hoch. Wovon sprach sie? „Mann, ich meine, mal bist du total aufgekratzt, dann niedergeschlagen, dann glücklich und danach wieder total traurig. Dann bist du plötzlich wütend und dann wiederum wirkst du wie ein schnurrender Kater. Was ist los mit dir?“ „Bist du sicher, dass ich das allein bin?“, fragte ich besorgt. Es war mir selbst nicht wirklich aufgefallen, was ich fühlte. Bella verschränkte die Arme. „Natürlich bin ich mir sicher, dass du das bist. Momentan ist es übrigens gleichzeitig Überraschung, Scham und totale Verwirrung, was von dir ausgeht.“ Sprachlos starrte ich sie an. „Wenn du mich fragst, bringt Glenn dich ziemlich durcheinander.“ „Das ist doch Unsinn“, lachte ich und es klang hoch und falsch. Bella sah mich misstrauisch an. „Ich wollte dir nur meine Meinung mitteilen. Ob du ihr zustimmst oder nicht, ist deine Sache, aber ich denke schon, dass Glenn für dich nicht einfach irgendwer ist.“ Mit diesen Worten ließ sie mich im Wald stehen und kehrte zum Haus zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)