Beichte von Jadis (Confession) ================================================================================ Kapitel 5: Wiedersehen? ----------------------- Kapitel 5 ~Wiedersehen?~ Ein Blitz durchzuckte den nächtlichen Himmel und tauchte das Zimmer unmittelbar in blendendes weiß. Den Bruchteil einer Sekunde später folgte ein ohrenbetäubender Knall. Alexandra saß sofort kerzengerade im Bett und war hellwach. Alarmiert drehte sie sich in Richtung Fenster. “Oh nein.” flüsterte sie. Bills Oberkörper tauchte neben ihr auf. “Hm?” maulte er verschlafen. Der Wind drückte stark gegen das geöffnete Fenster und ließ die Gardinen lebendig werden. Ein anfangs leises Tröpfeln wurde stetig lauter und entwickelte sich zu einem monsunartigen Unwetter. Regen wurde nach einigen Sekunden durch den Spalt des angekippten Fensters ins Innere des Zimmers geweht. Eine weitere Sekunde später war Bill auf den Beinen und spurtete zum Fenster um es zu schließen. Gerade als er dies tat, zuckte ein erneuter Blitz direkt über das Hotel hinweg, gefolgt von einem noch fürchterlicherem Grollen als zufuhr. Alexandra ließ einen erschrockenen Aufschrei hören und versteckte sich unter der Bettdecke. Bill kletterte verwundert zurück ins Bett. “Alles in Ordnung?” fragte er und wischte seine Hand an seiner Bettdecke ab, der Regen hatte sie nicht unberührt gelassen. “Nein.” war Alexandras gedämpfte Stimme von unter ihrer Bettdecke zu hören. Bill lächelte über ihr Verhalten. “Du hast doch nicht etwa-” Mit einem Mal zog sich die Decke zurück und ihr ganz zerzauster Schopf tauchte auf, ihre wässrigen Augen suchten die Seinen. “Doch!” bestätigte sie “Ich hab schreckliche Angst vor Gewittern.” Wie um ihre Worte zu unterstreichen, brach über ihnen erneut die Hölle los. Alexandras Augen weiteten sich vor Schreck. Sie wusste sich in diesem Moment nicht anders zu helfen als, einen weiteren Aufschrei nicht ganz unterdrücken könnend, über Bill hinweg auf die andere Seite des Bettes zu klettern und sich an seinen linken Oberarm zu klammern. Der Lautstärke nach zu urteilen, hätte Alexandra schwören können, dass der Blitz soeben in das Hotel eingeschlagen hatte. Eigentlich war sie kein ängstlicher Mensch, doch Gewitter waren einfach nicht nach ihrem Geschmack. Und außerdem: jeder brauchte doch eine Phobie, oder? Sie zuckte nach jedem weiteren Blitz ängstlich zusammen und versuchte sich noch näher an Bill zu drücken. Dieser war mit der Situation wohl etwas überfordert und tat eine Zeit lang nichts anderes als ihren Kopf zu tätscheln, während sie die Augen fest geschlossen hielt und versuchte noch weiter in seine Schulter zu kriechen und nicht all zu stark zu zittern. Jedes Zeitgefühl ging verloren. Nach Stunden wie es ihr schien, ließ das Donnern und Blitzen nach, doch der Regen blieb. Sie erwartete, gleich einen blöden Spruch aufgrund ihrer, vielleicht übertriebenen, Angst zu Ohren zu bekommen, doch Bill sagte nichts außer: “Gehts wieder?” Sie nickte peinlich berührt und ließ erst jetzt wieder seinen Arm los. Innerlich war sie froh, die Nacht nicht allein im Auto zu verbringen. “Bloß gut, dass du nicht allein bei dir im Auto bist, was?” sprach er ihre Gedanken aus, als sie sich wieder vorsichtig nach hinten sinken ließ. Alexandra zitterte noch leicht, hatte die Bettdecke bis zum Kinn zu sich gezogen und lauschte dem Regen. “Weißt du wie viel Menschen jährlich vom Blitz getroffen werden?” fragte sie, ihre Stimme nicht ganz so sicher wie sie es sich gewünscht hätte. Bill legte sich ebenfalls zurück. Seinen Kopf auf seine Hand gestützt, sah er sie an. “Wie viel denn?” Alexandra blinzelte. “Naja, keine Ahnung, aber es sind bestimmt einige.” Bill lachte leise und sie war sich sicher, dass er sie jetzt für eine oberängstliche Pute hielt. “Du brauchst dich deswegen nicht zu schämen. Jeder hat vor irgendetwas Angst.” Schon wieder falsch gedacht. “Ich hab was geträumt.” sagte sie schnell, wenn auch nur um das Thema zu wechseln. “Erzähl.” Seine Bettdecke raschelte leise, kaum über den immer noch dröhnenden Regen zu hören, als er sich in eine bequemere Position brachte. “Es war auf einem eurer Konzerte.” Bill ließ ein leises, verstehendes “Hm.” hören. “Du hattest deinen Text vergessen, deshalb mussten die anderen drei alle Lieder singen. Es... war schrecklich.” endete sie die kurze Zusammenfassung ihres Traumes. Alexandra kicherte leise bei dem Gedanken daran, Bill tat es ihr gleich. “Hoffen wir, dass es niemals dazu kommt.” Aus einem Verlangen heraus, platzierte sie ihren Kopf auf seiner Brust und lauschte für ein paar Minuten schweigend dem gleichmäßigem Klopfen seines Herzens, der leiser werdende Regen schien im Rhythmus dazu gegen die Scheiben zu tropfen. Es hatte etwas friedliches an sich wie sie da so lagen, schweigend, einfach nur die Nähe des anderen genießend. Alexandras Bauch gab ein unschönes Knurren von sich, kurz nachdem sie zufrieden die Augen geschlossen hatte. Bills Brustkorb hob und senkte sich schnell mehrmals hintereinander, als er deswegen leise auflachte. “Hunger?” “Ein bisschen.” bestätigte sie und hob gegen ihren Willen den Kopf um sich nach ihrer Tasche umzusehen. “Etwas zu spät für den Zimmerservice, fürchte ich.” meinte Bill und beobachtete wie sie, sich auf der Bettkante abstützend, nach ihrer Tasche griff. “Das wird wohl auch nicht nötig sein.” Interessiert beobachtete er, wie sie zwei Schokoriegel zum Vorschein brachte und sie entpackte, einen an ihn weiter reichend. Aus irgendeinem Grund, dachte sie daran wie ungesund es war mitten in der Nacht etwas Süßes zu essen und dann nicht mehr Zähne zu putzen. Bill schien ähnliche Gedanken gehabt zu haben, denn als er den Schokoriegel entgegennahm, meinte er nur: “Wir sind ja so rebellisch.” “Na dann”, sagte Alexandra und hob den Riegel als würde sie ihm zuprosten “auf...” Ja, auf was eigentlich? Sie konnte sein Gesicht nicht deutlich sehen, nahm aber an, dass er eine Augenbraue fragend in die Höhe gezogen hatte, abwartend was sie sagen würde. “Auf... Zimmer 369.” war das erste was ihr einfiel. Sie konnte Bill lächeln hören. “Auf Zimmer 369.” sagte er überzeugt und sie genehmigten sich die süße Sünde. Es vergingen ein paar Minuten des Schweigens in denen der Regen draußen weiter nachließ und schließlich ganz aufhörte. Als sie sich zum wiederholten Male in die Kissen fallen ließen, fragte Bill wie ihr Alltag denn so aussah. Sie erzählte ihm gelangweilt von ihrer Ausbildung und dass sie eigentlich Schauspielerin werden wollte. Doch wahrscheinlich würde dieser Traum genau dieser bleiben: ein Traum. Etwas was sie sehr an Bill schätzte, war seine Gabe zuhören zu können, ohne einem das Gefühl zu geben er würde sich langweilen oder das Gesprächsthema für nicht erwähnenswert halten, oder sogar lachhaft. Vielmehr schien ihn alles zu interessieren und er ermutigte sie sogar ihren Traum nicht aus den Augen zu verlieren. Was konnte man den schon verlieren? “Wer nichts wagt, der nichts gewinnt.” Alexandra fühlte sich erleichtert. Endlich mal jemand der ihren Berufswunsch nicht als Hirngespinst abtat. Sie gähnte, nachdem sie ihm ihre halbe Lebensgeschichte erzählt hatte und fühlte sich plötzlich unwohl bei dem Gedanken, Bill vom seinem wohlverdienten Schlaf abgehalten zu haben. “Ach, kein Thema. Morgen ist Off-Day”, sagte er und Alexandra glaubte, dass er eigentlich “heute” meinte “Kein Konzert, keine Termine, einfach nur Frei. Irgendwann müssen wir den Flieger nach Frankfurt noch kriegen” er gähnte ebenfalls “aber da sind wir flexibel.” Alexandra nickte verstehend und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die Augen geschlossen. Diesmal war es Bill der die Distanz zwischen ihnen überbrückte und ihr aus heiterem Himmel einen Kuss auf die Stirn hauchte. Alexandra war erneut zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen wie herzlich man zu jemandem sein konnte, den man erst ein paar Stunden kannte. “Nachti.” murmelte sie zufrieden, als er nach ihrer Hand griff und sie leicht drückte. Wenn es nach ihr gehen würde, würde sie ewig in diesem Bett liegen bleiben. Das Geräusch war aufdringlich, nervtötend und sollte auf der Stelle aufhören! Alexandra blinzelte schlaftrunken, ein Sonnenstrahl fiel durch eine Lücke in den Gardinen auf ihr Gesicht. Sie brauchte ein paar Sekunden um sich zu sammeln, bevor sie das lästige, penetrante Klopfen an der Zimmertür wieder hörte. Es war also kein Traum gewesen. Sie sah nach rechts in das schlafende Gesicht von Bill, der noch immer ihre Hand hielt. Das Klopfen wurde Fordernder. “Bill, jetzt wach endlich auf!” hörte man eine gedämpfte Stimme vom Flur rufen, die Alexandra gerade nicht zuordnen konnte. Bill rührte sich nicht, doch das Klopfen und Rufen hielt an. Vorsichtig zog sie ihre Hand unter der seinen hervor und schwang ihre Beine aus dem Bett. Auf dem Weg zum Hotelflur stolperte sie über Bills Schuhe und fiel von innen gegen die Tür. Sie fluchte leise vor sich hin und rieb sich die Große Zehe. Das Klopfen hatte aufgehört. “Alles klar mit dir?” hörte sie erneut die Stimme und nach einer kurzen Pause: “Bill, jetzt mach endlich die Tür-“ Mit einem Ruck öffnete Alexandra die Tür und hätte beinahe Toms Faust ins Gesicht bekommen, da er soeben wieder klopfen wollte. “-auf.” beendete er seinen Satz und sah ungläubig an ihr herab, bevor er einen Schritt zur Seite tat und versuchte einen Blick ins Innere des Zimmers zu werfen. Alexandra verwehrte ihn diesen, indem sie ebenfalls einen Schritt zur Seite tat und die Tür etwas weiter schloss. “Irgendetwas stimmt an dem Bild nicht...” meinte der grinsende Tom und begutachtete erneut ihr Äußeres. Ihr wurde bewusst, dass sie Bills T-Shirt trug. “Würdest du mich bitte nicht so ansehen, ich bin nicht aus Nougat.” “Nein?” Tom sah sie überrascht an “Schade eigentlich.” Alexandra rollte mit den Augen. “Ist Bill auch da?” fragte er und versuchte erneut einen Blick nach Innen zu erhaschen. “Ssssch”, zischte Alexandra “Nicht so laut, er schläft noch.” “Soso”, meinte Tom, immer noch ein leichtes Grinsen im Gesicht. “Gibt es irgendetwas wichtiges?” fragte Alexandra. “Ach, das hat sich gerade erledigt.” Sie hob skeptisch eine Augenbraue. Gerade war er noch dabei gewesen die Tür halb einzuschlagen, und jetzt hatte es sich plötzlich erledigt? “Viel Spaß noch.” Mit einem letzten kurzen Zwinkern wandte er sich nach rechts und verschwand im Zimmer nebenan. Alexandra sah noch eine Weile in die Richtung in welche er verschwunden war. “Viel Spaß noch.” äffte sie ihn nach und schloss dann leise die Tür. Ebenso leise schlich sie zurück zum Bett und umrundete dieses um zum Fenster zu gelangen. Blenden blauer Himmel stach ihr in die noch müden Augen, als sie die Gardine zur Seite zog um das Fenster wieder zu öffnen. Schnell wandte sie ihren Blick ab und taumelte zurück zum Bett. Ein Blick zur Uhr verriet ihr, dass es kurz nach neun war. Auf allen Vieren krabbelte sie zurück in die weichen und warmen Federn. Sie legte ihren Kopf gegen Bills Schulter, als er tief Luft holte und sich reckte. “Was wollte er denn?” fragte er plötzlich. “Keine Ahnung.” antwortete Alexandra, ihre Verwunderung nicht zeigend. “Hm, das macht er manchmal. Aber dann tu ich so, als würde ich schlafen. Du weiß ja, schlafen hilft immer.” Alexandra nickte so gut es ging. “Schlafen hilft immer.” wiederholte sie. “Du hast doch gut geschlafen?” “Sehr gut sogar, wenn auch etwas kurz.” Sie sah zu Bill der an die Decke des Zimmers starrte und im Unterbewusstsein mit seinem Zungenpiercing spielte. “Keine Alpträume mehr gehabt?” Alexandra lachte, als sie an ihren Traum von letzter Nacht dachte. “Nein, keine Alpträume mehr.” Ein Geräusch aus Alexandras Tasche ließ sie aufhorchen. “Mein Handy.” sagte sie und fischte zum wiederholten Male nach ihrer Tasche. Bill griff nach dieser und reichte sie ihr. Während Alexandra ihre empfangene Kurzmitteilung las, ließ Bill ein bisschen Sonnenlicht ins Zimmer indem er aufstand und die Gardinen nun vollständig zur Seite zog. “Von Heidi.” informierte Alexandra, verriet aber nichts über den genauen Inhalt. “Du kommst doch mit frühstücken, oder?” fragte Bill plötzlich, als Alexandra gerade begonnen hatte eine Antwort zu tippen. “Frühstück?” Sie hob ihren Blick und sah, wie er in seinen Koffern nach frischen Sachen kramte. “Ich hab dir ja eines versprochen.” Hatte er? Ach richtig, das Frühstück in geselliger Runde. Sie erinnerte sich. “Ich kann auch unterwegs in einem Drive In was frühstücken. Ich will nicht stören.” “Stören?” er sah auf und blickte leicht erstaunt in ihre Richtung “Du störst doch nicht.” Alexandra fühlte sich plötzlich leicht unwohl, weshalb konnte sie selber nicht sagen. Es verging etwa eine Stunde bis Bill aus dem Bad wieder auftauchte, nachdem er darin verschwunden war. Und da war er wieder: der “Ich trage Haarspray, Makeup und Nagellack”-Bill. Alexandras Badbesuch fiel weitaus kürzer aus. Ihre Sachen waren schnell angezogen, Makeup suchte man bei ihr vergeblich. Als sie in das Zimmer zurückkehrte um Bill sein T-Shirt wiederzugeben, war sie überrascht wie schnell er all seine Sachen zusammengepackt hatte und startklar war das Hotel zu verlassen. Doch noch ließ er all die Koffer stehen, ging zur Tür und hielt Alexandra, gentlemanlike, diese auf. Auf dem Flur war niemand zu sehen, auch Stimmen waren nicht zu vernehmen. Ihr Weg führte sie zum Aufzug mit dem sie ins Erdgeschoss fuhren. Bill übernahm die Führung, nachdem die Tür zur Seite glitt. In der Lobby wuselten Menschen umher von denen Alexandra glaubte sie wären wichtig, immerhin sahen sie mit Anzug und ständig einem Telefon am Ohr sehr danach aus. Bill grüßte viele von ihnen mit einem “Morgen!”. Alexandra war sich nicht sicher, aber als sie den Eingangsbereich durchquerten, bildete sie sich ein das ein oder andere Mädchen mit Kamera und Transparent vor dem Hotel gesehen zu haben. Sie sah zu Bill. Er schien davon nichts mitbekommen zu haben und setzte seinen Weg in den Speiseraum fort. Nicht viele Menschen saßen an den runden Tischen und frühstückten. In einer Ecke, ganz am Ende des Raumes, konnte man Toms typische Erscheinung ausmachen. Georg leistete ihm Gesellschaft, beide schienen schon fertig mit ihrem Frühstück zu sein. Als Bill und Alexandra zu ihnen stießen und sich mit einem “Guten Morgen!” setzten, schienen weder Tom noch Georg überrascht zu sein. Alexandra beobachte die beiden, als sie sich zögerlich ein Brötchen nahm. Okay...wahrscheinlich hatte Tom Georg erzählt was passiert war. Sie schellte sich selber für ihre Gedanken. Was war denn passiert? Doch dem Grinsen nach zu urteilen, welches Tom ihr über den Tisch zuwarf, war sie sich sicher, dass er Georg irgendeine Geschichte über sie aufgetischt hatte, die ganz und gar nicht der Wahrheit entsprach. Doch wenn Georg dies zu interessieren schien, dann zeigte er es nicht. Er trank schweigend seinen Kaffee und studierte die Tageszeitung. “Gut geschlafen?” fragte Tom an Bill gewandt. Dieser murmelte eine Bestätigung und biss in sein Brötchen. “Dacht ich mir.” ließ sein Bruder verlauten und sah zu Alexandra. Sie hielt seinem Blick eine Weile stand, bevor sie ihren senkte und begann ihr Brötchen zu belegen. Sollte er doch denken, was er wollte. Es war ihr egal. Stille legte sich über sie. Georg schlürfte seinen Kaffee, Bill und Alexandra aßen ihre Brötchen und Tom sah zwischen den beiden hin und her. Es war Gustav, der die Stille brach, als er als letzter zu der Truppe stieß und sich auf den einzigen freien Platz neben Alexandra fallen ließ. Er sah müde aus, doch sie konnte sich dem Gefühl nicht erwehren, dass er sich freute sie zu sehen, weshalb auch immer. Die Minuten vergingen in denen Gustav immer unruhiger wurde. Nachdem er sein Frühstück beendet hatte, lehnte er sich etwas mehr zu Alexandra und fragte: “Kann ich mal mit dir reden?” Sie war etwas überrascht, nickte jedoch. “Ja klar.” Er stand auf und steuerte die Lobby an, Alexandra folgte ihm und sie setzten sich in zwei Sessel, nicht weit von der Rezeption entfernt. Gustav räusperte sich und sie war gespannt was jetzt wohl passieren würde. “Es geht um Heidi.” war das erste was er sagte, als er ihr direkt ins Gesicht sah “Ich-“ “Du magst sie?” schlussfolgerte Alexandra und nahm ihm die Aufgabe ab es auszusprechen. “Ja”, bestätigte er und erzählte ihr, dass sie gestern Nacht noch in einem Kaffee versackt sind “nur leider...hab ich weder ihre Telefonnummer noch irgend etwas anderes um wieder mit ihr in Kontakt treten zu können.” Alexandra musste sich zusammenreißen um nicht laut los zu lachen. “Du hast sie nicht nach ihrer Telefonnummer gefragt?” fragte sie ungläubig. Er schüttelte bedauernd den Kopf. “Leider nein.” “Aber...warum?” “Ich habs einfach vergessen.” Alexandra nickte. Ja, das war eine Erklärung, simpel und logisch zugleich: Er hatte es vergessen. Aus ihrer Tasche holte sie einen Notizblock und ihr Handy. Sie tippte auf ein paar Tasten ihres pinken Mobiltelefons herum und begann dann zu schreiben. Als sie fertig war, riss sie den Zettel, auf den sie geschrieben hatte, ab und reichte ihn Gustav. “Hier, da stehen ihre Adresse, ihre Festnetznummer, Handynummer und ihre E-Mail-Adresse. Brauchst du sonst noch was?” Gustav strahlte sie an. “Ich wusste, dass du kannst mir weiterhelfen kannst. Danke.” “Kein Problem.” sagte Alexandra. Zwei einsamen Seelen verhalf sie doch gerne zum Glück. Sie kehrten gemeinsam zurück zu den anderen die gerade eine Unterhaltung führten. “-nicht mehr so gut.” hörte sie gerade noch Tom erklären “Er hat etwas von einer Veränderung geredet, etwas womit niemand rechnen würde, oder so ähnlich.” Tom sah zu Bill. “Und damit meint er nicht, dass ich mir eine Glatze rasieren lasse.” fügte er schnell hinzu, nachdem Bill seinen Mund geöffnet hatte um etwas zu sagen. “Hast du ihn schon mal konkret danach gefragt? Vielleicht meint er ja doch genau das.” scherzte Georg und goss sich eine neue Tasse Kaffee ein. “Jungs, ich geh dann mal”, warf Alexandra in die Runde “Es war wirklich, wirklich, wirklich nett euch kennen gelernt zu haben.” Ob in ihrem Satz wohl das ein oder andere “wirklich” zu viel gewesen war? Tom und Bill sprangen gleichzeitig auf um sich zu verabschieden. “Wir sind nächstes Wochenende in Leipzig, vielleicht sehen wir uns ja dort.” meinte Tom mit einem Seitenblick zu seinem Zwilling. Alexandra stutzte, als er sie in den Arm nahm. “Äh, ja vielleicht.” murmelte sie an seine Schulter. Über diese hinweg sah sie Gustav, der zur Verabschiedung die Hand hob. “Danke nochmal.” Sie lächelte und nickte. Georgs Verabschiedung fiel ähnlich aus: ein kurzes Nicken, Winken und Lächeln. Als sie sich umdrehte, sah sie sich Bill gegenüber. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen. Gleichzeitig taten beide einen Schritt vorwärts und lagen sich eine Sekunde später in den Armen. Alexandra überlegte was sie jetzt sagen sollte, doch egal was es gewesen wäre, nichts hätte so viel sagen können wie diese Umarmung. Kurze Zeit später war Alexandra allein auf den Weg in die Lobby. Sie warf einen kurzen Blick zurück, winkte noch mal kurz und verschwand aus dem Blickfeld der Jungs. “Und?” fragte Tom kaum dass sie sich wieder zueinander gewandt hatten “Wann?” “Wann was?” fragte Bill ebenfalls und setzte sich wieder. “Wann seht ihr euch wieder?” “Wieso sollten wir?” Tom lachte. “Ach komm schon. Das sieht doch n Blinder mit nem Krückstock, dass-“ “Da ist nichts.” fiel Bill seinem Bruder ins Wort. Tom sah zu den anderen. Beide zuckten mit den Schultern. “Aber du rufst sie an?” drängelte er weiter. “Ich hab ihre Nummer nicht.” antwortete Bill, langsam genervt. “Das kommt mir irgendwie bekannt vor.” meinte Gustav, wurde jedoch ignoriert. Tom schien es die Sprache verschlagen zu haben. Augenscheinlich musste er sich stark zusammenreißen um nicht einen Impuls nachzugeben und ihr schreiend hinterher zu laufen, sie nach ihrer Telefonnummer fragend. Statt dessen atmete er einmal tief durch und stand auf. “Naja, das ist nicht mein Bier. Aber schade ist es trotzdem.” Er schlenderte in Richtung Lobby davon um seine Sachen zu holen. Es dauerte nicht lange bis Georg sich ebenfalls erhob um das Gleiche zu tun. Gustav, die ganze Zeit wie gebannt auf einen Zettel starrend, hob seinen Blick und sah Bill mitleidig an. “Ich hab da ne Idee.” meinte er nur geheimnisvoll und begann zu grinsen. Alexandra hatte sich nicht geirrt. Hier waren sie: Tokio Hotel Fans, vor dem Hotel. Darauf wartend einen Blick auf ihre Idole erhaschen zu können. Sie fragte sich woher sie überhaupt von ihren Aufenthaltsort wussten. Sie nahmen keinerlei Notiz von ihr. Sie hatte das Hotel wie in Trance verlassen, war an ihnen vorbei gelaufen und versuchte sich zu orientieren. Wo hatte sie noch mal ihr Auto geparkt? Die Arena in der das Konzert statt gefunden hatte, war glücklicherweise ausgeschildert, daher fiel es ihr nicht sonderlich schwer die Richtung zu bestimmen. Sie lief, ohne ihrer Umgebung große Beachtung zu schenken, auf schnellstem Weg zu ihrem Fahrzeug, hin und wieder einer Pfütze ausweichend, die der Regen der letzten Nacht hinterlassen hatte. Nach einem mittelgroßen Fußmarsch fand sie sich schon bald, hinter dem Steuer sitzend, in ihrem Pkw wieder. Sie erinnerte sich an letzte Nacht, als Bill an ihr Fenster geklopft hatte. Dies schien bereits eine Ewigkeit her zu sein. Der Tag auf den sie so lange hin gefiebert hatte war vorbei und es gab keine Chance, dass ihr so etwas noch einmal passieren würde. Routinemäßig starrtete sie den Motor. Es war irgendwie seltsam jetzt Bills sanfte Stimme aus dem Lautsprecher zu hören, nachdem sie ihn persönlich kennen gelernt hatte. Und wie sie ihn kennen gelernt hatte. Mit einem lauten Heulen des Motors setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Sie hatte etwas zu viel Gas gegeben. Alexandra fühlte sich irgendwie ichloss... um es mit den Worten von “Ich Bin Nich’ Ich” zu sagen. Sie seufzte theatralisch und nahm die CD aus dem Player. Sie hörte jetzt lieber Radio. Sie setzte ihren Heimweg fort. Bald würde sie der langweilige Alltag wieder haben. ~ Ende des 5. Kapitels ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)