Samurai von moonlight_005 ([NejiTen] Teil 1 der Samurai-Trilogie) ================================================================================ ~ Kapitel 33: Samurai ~ ----------------------- ~ Kapitel 33: Samurai ~ Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir – für immer. [Konfuzius] Die folgenden Tage waren von Aufräumarbeiten, der Behandlung der Kranken und Misstrauen geprägt. Aus Furcht, dass ein Streit zwischen den Rebellen und Konohas Armee ausbrechen könnte, fand Tenten nur wenige Stunden Schlaf. Nachdem ihr Gaara vor den Augen beider Armeen die Treue geschworen hatte, hatte sich wackeliger Frieden zwischen beiden Parteien eingestellt. Doch die Gefahr von Kämpfen und Handgreiflichkeiten war so groß, dass Tenten es sich kaum leisten konnte auch nur ein paar Stunden zu fehlen. Ihre Rolle war die einer Vermittlerin. Die Samurai Konohas waren ausgezogen um sie zu befreien, während die Rebellen sie akzeptierten, weil sie nie die Politik ihres Vaters eingeschlagen hatte und stattdessen immer für den Frieden eingetreten war. In den ersten Stunden nach der Schlacht einigte sie sich mit Gaara darauf, dass es das Beste war, wenn beide Armeen zunächst gebührenden Abstand zueinander hielten. Nachdem die Menschen einander so lange fremd gewesen waren, war eine Annäherung nur langsam und mit größter Vorsicht möglich. Auch die jüngste Schlacht trug nicht zum Frieden bei. Im Gegenteil: die vielen Toten schürten den Hass der Überlebenden. Tenten verbrachte Stunden damit gemeinsam mit Gaara und seinem Bruder Kankuro, Mifune, Sarutobi und Kakashi das weitere Vorgehen zu besprechen. Das Lager von Konohas Armee wurde wieder aufgebaut und ein notdürftiges Lazarett errichtet, in dem alle Heilkundigen – egal welcher Partei sie angehörten – die Verletzten pflegten. Es war ein kleiner Schritt, aber es war etwas, das ihr Hoffnung gab. Dank Narutos Gegengift hatte Temari überlebt. Schwerverletzt, aber doch am Leben. Tenten verbrachte jede Minute, die sie erübrigen konnte im Lazarett, wo Temaris Wunden langsam heilten. Auch Neji war immer noch bewusstlos. Nachdem er zusammen gebrochen war, schienen alle Wunden, die er davon getragen hatte, ihren Tribut zu fordern. Den Heilern zufolge hatte Neji ein paar gebrochene Rippen, tiefe Schnitte, die sich nur langsam schlossen und eine Fleischwunde in der Schulter. Dazu kam sein gebrochener Schwertarm. Naruto teilte ihr ganz im Vertrauen mit, dass es eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit hätte sein sollen, dass Neji mit diesen Verletzungen nach dem Kampf gegen Orochimaru sich noch hatte bewegen können. Tenten hatte nur gelächelt. Neji hatte bereits ganz andere Dinge möglich gemacht. Das Bergen der Toten hingegen war etwas, das sie mit Grauen und unendlicher Trauer erfüllte. Es verging keine Stunde, in der sie sich fragte, ob sie nicht noch einen mehr hätte retten können, wenn Neji und sie Orochimaru schneller zur Strecke gebracht hätten. Die Reihen der Leichen schienen unendlich lang zu sein und Tenten sah nicht selten wie jemand, der einen Freund erkannte, zwischen den Reihen zusammenbrach. So viel Tod… Und wofür? Es war, als wolle Orochimaru sie selbst jetzt noch verhöhnen. Das Schlimmste war es gewesen den Leichnam ihres Vaters zu bergen. Als Tenten Kakashi, Sarutobi-sensei und Gaara den Weg zeigte, wurde ihr erst bewusst, wie endgültig der Tod ihres Vaters war. Es war, als hätte man ihr ihre Stütze genommen. Mit der Zeit war ihr Vater ihr zwar immer fremder geworden, aber er war immer da gewesen. Immer. Und nun war er fort. Tenten hatte auf den leblosen Körper ihres Vaters gestarrt, den bereits eine dünne Schicht Schnee bedeckt hatte, und fühlte sich machtlos. Mao-Chéng sah friedlich aus … Er hatte in seinem Leben viele Fehler gemacht, aber er hatte dem Land Stabilität gegeben. Jetzt war er tot und sie sollte seinen Platz einnehmen. Und Tenten wusste, dass Konoha auseinander brechen würde, wenn sie nicht einen Weg fand den Menschen das Vertrauen zurück zu geben. Doch dafür brauchte sie ein Wunder… ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Tenten schob den Vorhang beiseite, der Nejis Lager von dem übrigen Lazarett abschirmte. Sie war erst einmal hier gewesen. Das war vor zwei Tagen gewesen, aber der Gedanke an Neji hatte sie seitdem nicht los gelassen. Die Angst, dass er doch noch seinen Verletzungen erlag, war allgegenwärtig. Da konnte Naruto noch so gutmütig reden. Tenten kniete sich vor seinen Futon. Er schlief und atmete regelmäßig. Langsam holte sein Körper sich das zurück, was Neji von sich selbst gefordert hatte. Schlaf würde ihm guttun, würde seinen Geist zur Ruhe kommen lassen und die Heilung seiner Wunden beschleunigen. Er würde Neji für kurze Zeit forttragen von diesem Ort und von allem, das er erlebt hatte. Sie strich ihm sanft eine Strähne seines Haares aus dem Gesicht. Sekundenlang zögerte sie, als ihre Hand seine Stirn streifte. Das Brandmal zog automatisch ihre Aufmerksamkeit an. Wie viel hatte er deswegen ertragen müssen? Wie musste es sich anfühlen mit einem Zeichen zu leben, das allen sagte, dass sein Leben unerwünscht war? Wie hatte er trotzdem die Kraft gehabt sie zu retten? „Er wird überleben.“ Tenten erschrak, zog die Hand weg und drehte sich in der gleichen Bewegung um. Hinter ihr stand ein Mann, den sie noch nie gesehen hatte. Sie konnte nicht sagen, ob er zu den Rebellen oder Konohas Armee gehörte, denn er trug schlichte Kleidung auf dem keinerlei Wappen zu finden war. Ohne ihre Reaktion abzuwarten ließ er sich neben sie nieder, wobei ihm sein rotes Haar kurzzeitig in die Augen fiel. „Wieso seid Ihr so sicher?“, brachte Tenten schließlich heraus. Der Mann sah sie nicht an, betrachtete stattdessen Neji, aber es war ein nüchterner Ausdruck, in dem sie keinerlei Emotionen lesen konnte. „Die Gerüchte sind wahr“, sagte er statt einer Antwort, „Neji Hyuga ist seinem Vater sehr ähnlich.“ Überrascht sah Tenten ihn an. „Habt Ihr Hizashi Hyuga etwa gekannt?“ „Ich bin ihm begegnet… vor langer Zeit. Es hat mich nicht gewundert, dass er sich geopfert hat. Er war niemand, der auf lange Sicht einen Krieg ertragen könnte.“ Nachdenklich betrachtete Tenten Nejis Gesicht. Neji hatte sich ebenfalls opfern wollen. Hatte ihr Gesprächspartner das gemeint? „Ich hätte Hizashi Hyuga gern kennen gelernt“, sagte sie statt den Fragen, die ihr auf der Zunge lagen, „mein Vater hat nie über ihn gesprochen bis er gestorben ist.“ Der Mann wandte ihr den Kopf zu. Erstaunlicherweise schien er sehr jung zu sein, obwohl er sich sehr viel erwachsener gab. Hätte sie ihn nicht reden gehört, hätte sie ihn höchstens auf sechzehn Jahre geschätzt. „Ihr seid einem Teil von ihm bereits begegnet. Hier, mitten unter den Rebellen. Sein Geist hat in der Rebellion Gestalt angenommen. Sein Handeln, sein Leid, seine Hoffnung… nichts davon wird jemals vergessen werden. Das Leben ist vergänglich, aber in den Köpfen der Menschen ist Hizashi Hyuga unsterblich geworden. Liegt darin nicht wahre Schönheit?“ Verwirrt sah Tenten ihn an. „Was meint ihr damit?“ Der Fremde schwieg und sah Neji an, der noch immer schlief. Für einen kurzen Moment hatte sie Angst vor ihm. Angst, dass er Neji etwas antun könnte. Sie konnte sich nicht erklären, woher das Gefühl kam. Schließlich hatten sie sich nur unterhalten. „Ein Mensch stirbt nicht, wenn die Erinnerung an ihn lebendig bleibt.“ Er stand auf. Erst da fiel Tenten auf wie geschmeidig seine Bewegungen waren. Vielleicht nicht so kraftvoll wie bei Kakashi oder Gaara, aber flüssiger als bei Neji und Sasuke. Es war eher eine Mischung aus Kraft und Schnelligkeit. Wie bei Orochimaru. Tenten lief ein Schauer den Rücken herunter. Warum erinnerte er sie an Orochimaru? „Ich muss gehen“, riss der Fremde sie aus ihren Gedanken, „ich habe noch andere Patienten zu betreuen.“ „Ihr seid ein Heiler?“, erkundigte sich Tenten. Irgendwie schien er nicht der Typ dafür. Dann fiel ihr Blick auf die einzige Verzierung seiner Kleidung. Eingeschlossen in einer Raute… Ein Skorpion, ein roter Skorpion, der das Zeichen für Heiler war, die sich auf Gift spezialisiert hatten. „Ich bin jemand, der mit dem Tod lebt und versucht ihm ein wenig Zeit abzupressen.“, korrigierte er sie, „aber in Neji Hyugas Fall wird das nicht nötig sein.“ Er schob bereits den Vorhang zurück, als Tenten sich hastig erhob. „Wartet!“, rief sie, „wer seid Ihr?“ Der Stoff des Vorhangs fiel in seine Ursprungsposition und verdeckte den unerwarteten Besucher. „Ich bin gespannt welche Erinnerung dieses Land an Euch behalten wird, denn Ihr seid bereits jetzt unsterblich, Mao-Tenten.“ Sie hörte wie seine Schritte sich entfernten, ehe er ein letztes Mal inne hielt. „Mein Name ist Sasori Akasuna.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Die Dunkelheit war allumfassend. Eine schwarze Finsternis, die ihm die Sinne vernebelte. Er versuchte zu blinzeln, aber selbst diese winzige Bewegung strengte ihn zu sehr an, sodass er die Bemühung schnell wieder aufgab. Was war nur geschehen? Er erinnerte sich, dass Kimimaro Tenten angegriffen hatte. Er erinnerte sich, dass er nicht stark genug gewesen war um ihn aufzuhalten. Aber was war dann gewesen? Allein darüber nachzudenken, bereitete ihm Kopfschmerzen. Erst da bemerkte er, wie groß seine Schmerzen waren. Es war, als würde sein Körper brennen. Und mit dem Schmerz kam die Erinnerung an alles andere zurück. Orochimaru, dem er nichts entgegen zu setzen hatte… und doch war er am Ende siegreich gewesen. Mao-Chéngs letzte Worte… Tenten, deren Gesicht vor seinen Augen verschwamm… Immer wieder ihr Gesicht… Die Wirklichkeit zerrte an ihm. Langsam nahm er Geräusche wahr, Gerüche und Bewegungen. Neji blinzelte noch mal und diesmal drang Licht in seine Augen. Die Schemen um ihn herum nahmen Formen an. „Endlich wach?“ Endlich schaffte es Neji die Augen zu öffnen. Die Stimme war von rechts gekommen. Mühsam hob er den Kopf und sah direkt seinen Meister an, der gelassen an seinem Krankenlager saß und in ein paar Notizen las ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. „Was ist passiert?“ Neji erschrak selbst darüber, wie gebrochen seine Stimme klang. „Du bist ein Held, das ist passiert.“, erwiderte Kakashi. „Was?“ „Und verrückt dazu.“, fuhr Kakashi fort und sah von seinen Notizen auf. Neji blinzelte ihn verwirrt an. Kakashi seufzte. „Schau dich doch mal an, Neji.“ Neji folgte der Aufforderung und erschrak bei dem Anblick. Jemand hatte seinen Oberkörper behandelt und anschließend bandagiert. Sein rechter Arm steckte in einer Schlinge und seine linke Schulter war straff verbunden, sodass der Schmerz nur noch halb so stark durch seinen Körper pochte. „Orochimaru hat dich ganz schön zugerichtet.“, kommentierte Kakashi, der seine Reaktion beobachtet hatte. Neji setzte sich mit einiger Anstrengung auf. „Er hätte mich umgebracht, wenn sie nicht aufgetaucht wäre…“ „Tenten-hime?“ Neji nickte. „Ich habe noch nie jemanden so kämpfen sehen wie sie. Ohne sie wäre ich tot.“ Neji hielt inne. „Tenten… wo ist sie? Ich … erinnere mich nicht. Auf einmal ist alles weg.“ „Keine Sorge“, unterbrach ihn Kakashi, „sie lebt.“ Erleichtert sank Neji, der sich schon halb von seinem Lager erhoben hatte, zurück auf die Matte. „Alle haben sie unterschätzt“, fuhr sein Meister fort, „es wäre in einem Massaker geendet, wenn sie sich nicht zwischen die Armeen gestellt hätte und einen vorübergehenden Waffenstillstand erwirkt hätte. Gaara hat ihr vor allen die Treue geschworen.“ „Tatsächlich?“, fragte Neji ungläubig. Er hatte Gaara eher als jemand erlebt, der seine eigenen Ziele verfolgte und nicht einem anderen sein Leben zu Füßen legte. Aber Tenten war auch nicht irgendjemand… Sein Meister nickte, während er die nächste Seite umblätterte. „Das hat alles verändert. Er ist der Anführer der Rebellen, aber mit diesem Schwur gleichzeitig Samurai Konohas. Das Machtverhältnis in diesem Land hat sich verschoben, Neji. Nur deshalb ist es Tenten-hime gelungen das zu erreichen, was fast zwei Jahrzehnte niemand mehr für möglich gehalten hat.“ Sein Blick war in die Ferne gerichtet, als würde er sich an etwas erinnern. „Alles wird sich verändern.“, sagte Kakashi irgendwann, „sie wird jede Unterstützung brauchen, die sie bekommen kann. Deswegen werde ich mit ihr in die Hauptstadt zurückkehren. Du musst entscheiden, was du tun wirst.“ Damit verließ er das Zelt und ließ Neji mit seinen Gedanken allein. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Ino kämmte ihr sanft durch das Haar. Es lag Vertrautheit in dieser Geste, aber trotzdem war da eine gewisse Distanz zwischen ihnen. Seit dem Tenten ihre Dienerin aus deren Zelle geholt hatte, war diese ihr nicht von der Seite gewichen. Das Schlachtfeld hatte sie zwar ebenso erschüttert wie Tenten, aber sie hatte sich unter Kontrolle gehabt. Tenten wusste, dass sie ihr mehr hätte erklären müssen, aber sie war im ersten Moment des Wiedersehens einfach nur froh gewesen, dass ihrer Freundin nichts passiert war. Inos Reaktion hingegen war eine andere gewesen. Eine, die sie nicht erwartet hatte. Ino, die im Begriff war den Ersten zusammen zu schlagen, der durch ihre Tür kam, hatte mitten in der Bewegung inne gehalten und sie angesehen. Zuerst überrascht, dann vorwurfsvoll und schließlich war ein sanfter, trauriger Ausdruck über ihre Züge gehuscht. Tenten bekam ihre Frage nicht aus dem Kopf… „Was ist mit Eurem Gesicht passiert?“ Ino begann geschickt damit ihr Haar aufzustecken. Heute würde sie ihr Haar nicht wie sonst immer zu zwei Knoten seitlich an ihrem Kopf frisieren. Tenten blieb still sitzen und ließ ihre Dienerin ihre Arbeit tun. Sie hätte sich bei Ino dafür entschuldigen müssen, dass sie sie zurück gelassen hatte, als sie mit Temari das Labyrinth der Rebellen verlassen hatten. Ino mochte es ihr übel nehmen, immerhin war sie mit ihr ins Ungewisse gegangen. Sie hatte sie noch nie im Stich gelassen. Als kleines Mädchen hatte Tenten sich immer jemanden in ihrem Alter gewünscht, da sie in ihrer frühesten Kindheit nur von Dienern umgeben gewesen war. Sie waren gute Menschen und sorgten sich liebevoll um sie, aber immer gingen sie auf Distanz, wenn Tenten sie zu mögen begann. Ino war anders. Ino hatte ihr Herz für sie geöffnet. Zuerst wollte sie ihr nur die beste Dienerin sein, die sie sich wünschen konnte. Dann hatte sie festgestellt, dass Tenten ganz anders als ihre Vorstellung einer Prinzessin war. Von da an war ihr Verhältnis lockerer und ungezwungener geworden. Freundschaftlicher. Ino war immer da gewesen. Sie war ihre Freundin und deshalb war es besser, wenn sie all das, was Tenten gesehen hatte, nicht erlebt hatte. Sie würde sich nicht für etwas entschuldigen, das sie nicht als falsch ansah. Tenten schloss die Augen und spürte die Berührung von Inos Fingerspitzen an ihrem Haaransatz. Seit Stunden war es das erste Mal, dass sie die Bilder nicht vor ihren Augen sah. Für einen Moment vergaß sie, wie ihr Vater in ihrem Armen gestorben war, sie vergaß Nejis bewusstloses Gesicht und den Anblick, den die beiden Armeen geboten hatten, als sie zwischen ihnen gestanden und nur Worte hatte, um das Unvermeidbare abzuwenden. Und sie musste es vergessen, um den einzigen Weg in die Zukunft einzuschlagen, den es gab… „Tenten-hime?“, fragte Ino und riss sie damit aus den Gedanken. „Ja?“ Ino zögerte und steckte eine weitere Strähne auf, um Zeit zu schinden. „Was ist?“, wollte Tenten wissen, als ihre Dienerin noch immer nichts sagte, „du kannst mir alles sagen.“ Tenten spürte wie Inos Finger innehielten. Auf einmal war es ungewöhnlich still im Raum. „Es ist nur“, begann Ino von neuem, „all das hier. Dieser… Wahnsinn… Ich habe das Gefühl Euch im Stich gelassen zu haben. Es ist meine Pflicht Euch bei allem beizustehen… Nein, es ist nicht meine Pflicht“, verbesserte sie sich, „ich will Euch helfen und ich konnte es nicht.“ „Es war meine eigene Entscheidung, Ino“, unterbrach sie Tenten, „du hast dich in keiner Weise schuldig gemacht.“ Ino kämmte einmal mehr ihr Haar und Tenten spürte, dass ihre Hand dabei leicht zitterte. „Es ist meine Aufgabe für Euer Wohl und für Euer Erscheinungsbild zu sorgen.“ „Und das hast du immer zu meiner allergrößten Zufriedenheit-“ „Habt Ihr einen Schnitt im Gesicht, der eine Narbe hinterlassen wird, oder nicht?“ Tenten verstummte. „Ich weiß, dass ihr nicht jemand seid, der viel Wert auf ein äußerliches Erscheinungsbild legt, aber andere tun es. Ihr werdet in Situationen kommen, in denen man versuchen wird Eure Macht zu untergraben. Für eine andere Frau macht eine kleine Narbe keinen großen Unterschied, aber Ihr seid nicht irgendeine Frau. Versteht mich nicht falsch… ich mache mir Sorgen um Euch.“ Sie hielt kurz inne. „Dort unten … in diesem Raum… es war das Schrecklichste, das ich je erlebt habe… zu warten und nicht zu wissen, ob es Euch gut geht. Ich wollte Euch helfen, aber ich konnte nichts tun! Ich bin keine Kämpferin wie Lee oder Naruto, ich stamme aus keiner mächtigen Familie wie Hinata, ich bin nicht mal besonders intelligent. Ich habe nur meine Fähigkeiten, die ich Euch anbieten kann und die können nicht reichen um Euch zu beschützen.“ „Es macht nicht mal einen großen Unterschied“, flüsterte Ino. Tenten ergriff ihre Hand und hielt sie fest. Aber sie drehte sich nicht um. Sie konnte Ino nicht in die Augen sehen, als die Schuldgefühle sie schließlich doch übermannten. Ino versuchte alles in ihrer Macht stehende, um ihr zu helfen und sie… Wie hatte sie Inos Treue verdient, wenn sie so selbstsüchtig war? „Für mich macht es einen Unterschied, dass du da bist, Ino.“, wisperte Tenten mit einem Kloß im Hals und drückte leicht ihre Hand. Ino erwiderte den Händedruck, doch dann entzog sie sich ihr und begann damit Tentens Frisur zu vollenden. Die nächsten Minuten schwiegen sie beide tief in Gedanken versunken. „Ich habe Angst“, sagte Ino irgendwann, „Angst, was die Zukunft bringt, Angst um Euch. Ein einziger Fehler kann tödlich sein.“ Sie nahm eine Haarnadel und steckte eine Haarsträhne zurück. „Ich habe nur das, was ich Euch zu Eurem Schutz mitgeben kann. Euer Auftreten sollte eine Waffe sein, kein Grund Euch zu unterschätzen.“ „Das ist so... falsch.“, stellte Tenten fest. „Oh ja“, gab Ino ihr recht, „aber so funktioniert unsere Gesellschaft.“ Wieder herrschte Stille zwischen ihnen und Ino verflocht die letzten Strähnen geschickt in Tentens Hochsteckfrisur. Als sie schließlich inne hielt, sah Tenten sie nicht an. Ihr Blick war auf ein fein säuberlich zusammengefaltetes weißes Gewand gefallen, das Ino über einen der Hocker gelegt hatte, die um den Beratungstisch herum standen. „Die Totenwache beginnt bald“, sagte Ino, die ihre Gedanken durchschaute, „wir müssen uns beeilen.“ „Ich weiß“, erwiderte Tenten, während Ino um sie herum ging und dazu ansetzte ihr Gesicht zu schminken. „Nein, lass.“, wehrte Tenten sie ab, „ich will die Verletzung nicht verstecken.“ – „Aber-“ „Du hast recht mit dem, was du sagst, aber ich bin nicht makellos.“ Gedankenverloren fuhr Tenten über den feinen Schnitt auf ihrer Wange. Er würde eine Narbe hinterlassen… „So zu tun, als wäre ich es, wäre reine Heuchelei.“ Tenten erhob sich und hob das Gewand auf. Der Stoff fiel fließend zu Boden. Er war wie ein Kimono geschnitten, allerdings waren die Ärmel weiter und im Gegensatz zu anderen Kleidern, die sie besaß, ohne jeden Schmuck. Schlichte Eleganz. Gedankenverloren sah Tenten von dem Kleidungsstück, das sie bei der Zeremonie tragen würde, zu Ino. „Es ist eine andere Art Schönheit, die ich anstrebe, Ino. Ich muss ich selbst sein oder das Volk wird mich nie anerkennen …“ Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem leichten Lächeln, das Ino zögerlich erwiderte. „Dann lasst mich Euch helfen.“ Ino nahm Tenten das Gewand ab und Tenten ging zu dem Wandbehang, der in ihrem Zelt stand, um sich zu entkleiden. Zuvor hatte sie in einer der unterirdischen Quellen der Rebellen gebadet und ihren Körper mit den zeremoniellen Ölen gereinigt. Als sie schließlich in ihrem Unterkleid hinter der behelfsmäßigen Garderobe hervortrat, hatte Ino ihr Gewand bereits entfaltet. Wortlos trat Tenten auf sie zu und ließ sich von ihrer Dienerin helfen den weißen Kimono anzulegen. Tenten wusste nicht, ob sie bereit für das war, das folgen würde, wenn sie aus ihrem Zelt trat. Vielleicht würde sie auch nie bereit sein. Ino schlang den Obi um ihre Taille und begann damit ihn kompliziert zu verknoten. Auch er war vollkommen weiß. Sie schloss die Augen, atmete langsam ein und aus während Ino geschickt den letzten Knoten festband. „Fertig.“, sagte Ino und zu ihrer Überraschung merkte Tenten,wie Inos Hand zitterte, als sie den letzten Handgriff tat. Sonst war sie bei ihrer Arbeit immer die Ruhe selbst, doch auch sie musste nervös sein. Alle waren es. Unsicher trat Tenten vor den großen Spiegel, den man ihr gebracht hatte. Der weiße Stoff schmiegte sich an ihren Körper und seine Schlichtheit unterstrich ihre Erscheinung, anstatt davon abzulenken. Einzelne Strähnen fielen ihr sanft ins Gesicht. Ihr übriges Haar war mit einem Dutzend Nadeln in ihrem Nacken befestigt. Selbst ihre Haltung war gerader. Dann fiel ihr Blick auf ihr Gesicht. Tiefe Augen, die zu viel gesehen hatten, blickten ihr entgegen. Ein Mund, der erst wieder lernen musste zu lächeln und ein schmaler kaum wahrnehmbarer Schnitt, der dennoch ihre Aufmerksamkeit anzog. Trotz allem war sie schön. Schön genug für die Beerdigung ihres Vaters. „Ich danke dir, Ino.“, flüsterte Tenten. Ino lächelte traurig. „Ich wünschte, ich könnte mit Euch kommen…“ Tenten trat auf den Eingang ihres Zeltes zu und stellte fest, dass auch sie unruhig war. „Verzeih mir, aber das ist etwas, das ich allein tun muss.“ Sie holte tief Luft und schlug den Zeltstoff beiseite. Der Anblick, der sich ihr bot war majestätisch. Vor ihrem Zelt hatte sich eine Gasse gebildet, an dessen Seiten Rebellen wie Fürstentreue Seite an Seite standen und mit Fackeln die Dunkelheit erhellten. Wie es Tradition war, würde die Totenwache mit den ersten Sonnenstrahlen beginnen. Hoch erhobenen Hauptes schritt Tenten bedächtig durch die Menschenmenge, die sich im Lager versammelt hatte. Hunderte, Tausende hatten sich zwischen den Zelten versammelt und schienen auf sie gewartet zu haben. Gaara und Mifune, die bis zu ihrer Ankunft vor ihrem Zelt gekniet hatten, schlossen sich ihr in zwei Metern Entfernung an. Beide würden als Repräsentanten der noch vor wenigen Tagen verfeindeten Armeen an ihrer Seite wachen. Während sie vorüber ging, erhaschte Tenten ein paar Blicke auf einzelne Gesichter in der Menge. Kotetsu, der seit dem Tod seines Freundes Izumo verschlossen geworden war, betrachtete nachdenklich das Geschehen. Die kleine Matsuri hielt ihre Fackel umklammert. Karui stand neben Omoi, beide noch immer unter Schock nachdem sie herausgefunden hatten, dass Samui gefallen war. Sasuke Uchiha und Suigetsu wirkten völlig ungerührt. Jeder von ihnen hatte während der Schlacht eine beträchtliche Anzahl Soldaten umgebracht und so war es nicht verwunderlich, dass die Nahestehenden gebührenden Abstand hielten. Auf vielen Gesichtern stand Erwartung. Manchen konnte Tenten ansehen, dass sie die traditionelle Zeremonie für ihren Vater nicht guthießen. Andere, größtenteils treue Anhänger ihres Vaters, hatten Tränen in den Augen, noch bevor sie überhaupt seine Leiche zu Gesicht bekommen hatten. Doch alle sahen sie an, niemand wandte den Blick ab oder zettelte einen Aufruhr an. Die friedliche Beerdigung ihres Vaters unter Teilnahme beider Parteien wäre vor wenigen Tagen noch undenkbar gewesen. Alles hatte sich verändert. Im Hintergrund setzten leise Trommeln ein, die rhythmisch die Prozession begleiteten, der sich nun immer mehr Menschen anschlossen. Tenten richtete ihren Blick auf den See. Am Ufer lagen dutzende Boote, die zur Abfahrt bereit gemacht wurden. Ein paar Stunden zuvor hatte man die Leiche ihres Vaters bereits auf die kleine Insel gebracht, auf der sich der Eingang zum Labyrinth der Rebellen befand. Sie war der einzige dunkle Fleck in der Umgebung. Das Licht der Signalfeuer, die sich auf den Inseln ein paar hundert Meter weiter befanden, erreichte ihre einzige Lücke nicht. Nur die Oberfläche des Sees, die mittlerweile an vielen Stellen eingebrochen war, spiegelte den matten Glanz des Feuers. Je näher sie dem Ufer kam, desto lauter wurden die Trommeln und auch die Morgendämmerung verriet, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Sonne aufging und damit die fünftägige Totenwache offiziell einläutete. Tenten hob den Blick und erkannte überrascht, dass Hinata mit Lee und Naruto am Ufer wartete. Auch sie war für kurze Zeit im Lazarett gewesen, da sie immer noch bewusstlos gewesen war, nachdem Naruto sie außer Gefecht gesetzt hatte. Da sie jedoch bald aufgewacht war und der Schlag keine bleibenden Schäden hinterlassen hatte, war sie bald wieder entlassen worden. Das erste, das sie laut Ino unternommen hatte, war Naruto zur Rede zu stellen, der daraufhin offenbar ein furchtbar schlechtes Gewissen gehabt, sich allerdings trotzdem nicht für seine Tat bei ihr entschuldigt hatte. In gewisser Weise hatte Naruto das getan, was auch sie in Bezug auf Ino getan hatte. Als Hinata jedoch merkte, dass sie sie beobachtete, lächelte sie mitleidig. Sie war die Erste, die ihrem Blick nicht auswich und die Einzige, die in sie hinein sah. Tenten spürte, dass Hinata die Ereignisse zwar genauso belasteten wie alle anderen auch, aber im Gegensatz zu ihnen hatte sie begriffen, dass sie nicht nur ihren Herrscher verloren hatten, sondern auch Tentens Vater. Vielleicht erinnerte Tentens Leid sie auch an ihr eigenes. Schließlich war ihr Vater Hiashi auch sehr früh gestorben und hatte sie und Neji als Waisen zurückgelassen. Die Trommeln schlugen lauter, als sie das Wasser erreichte. Der Klang dröhnte durch die Stille und ließ ihr Blut pulsieren. Rund um das Ufer waren die Toten aufgereiht. Blasse Gesichter, entstellte Körper, verlorene Hoffnungen. Tenten schwor innerlich, dass jeder einzelne Tote den Frieden wert sein und die Beerdigung erfahren würde, die er verdient hatte. Tenten ging weiter. Vor ihr waren Boote am Ufer vertäut. Eins davon zogen zwei Männer an Land und knieten abwartend vor ihr nieder. Tenten begriff. Langsam schritt sie darauf zu und hob ihr Gewand um besser einsteigen zu können. Wortlos half Mifune ihr ins Boot und ließ sich ebenfalls darin nieder. Gaara folgte seinem Beispiel. Als alle darin saßen, erhoben sich die beiden Männer, bemühten sich das Boot vom Ufer abzustoßen und anschließend selbst einzusteigen, um sie zu der kleinen Insel zu rudern, auf dem der Leichnam ihres Vaters aufgebahrt lag. Ein Seitenblick zurück auf die Menge hinter ihr zeigte ihr, dass nun auch viele der anderen Boote losgemacht und zu Wasser gelassen wurden. Die Trommeln wurden leiser. Sie verschmolzen mit den Geräuschen der Umgebung wie dem leisen Plätschern des Wassers, wenn das Boot durch eine leichte Welle brach und dem Knacken des Eises, das unter dem Gewicht des Bootes nachgab und langsam einen Weg freigab. Gaara reichte ihr eine Laterne, in der er bereits die Kerze entzündet hatte. Mit einem Nicken nahm Tenten das Licht an und stellte es an den Bug des Bootes. Die Insel kam in Sicht und auch der Himmel klarte immer mehr auf. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne aufging. Eine plötzliche Bewegung riss Tenten aus den Gedanken und sie musste sich bemühen das Gleichgewicht zu halten, als die beiden Diener das Boot wieder unter Kontrolle brachten. Ihr Blick glitt über den See. Sie waren kaum zehn Meter vom geheimen Eingang der Rebellen entfernt. Kaum zehn Meter von ihrem Vater. Sie waren so nah, dass sie bereits die regungslose Gestalt Mao-Chéngs auf dem Sockel, der den Eingang verdeckte, liegen sehen konnte. Man hatte ihn auf trockenes in Öl getränktes Holz aufgebahrt, nachdem er gesalbt und für seine letzte Reise gekleidet worden war. In der Hauptstadt hätte er eine andere Beerdigung erhalten, er wäre an einem anderen Ort beigesetzt worden und von anderen Menschen betrauert worden. Aber hier inmitten der Wildnis gab es nicht viele Möglichkeiten und Tenten war sich sicher, dass ihrem Vater die Lösung, die sie gefunden hatte, gefallen hätte. Das Boot stieß an den harten Fels und die Diener vertäuten es. Tenten erhob sich und betrat die Insel. Einen kurzen Moment hielt sie inne, schloss die Augen. Die Trommeln verstummten und es herrschte mit einem Schlag Totenstille. Gaara und Mifune waren indes ebenfalls ausgestiegen. Als Tenten sich zu ihnen umwandte, streifte ihr Blick den See. Überall waren Menschen ihnen in Dutzenden von Booten gefolgt, sodass die Anzahl fast wie eine kleine Armada wirkte. So viele Menschen, die um Freunde, Verwandte und Mitstreiter trauerten. So viele Augenpaare, die sie erwartungsvoll beobachteten. In diesem Moment ging die Sonne auf. Das Licht tastete sich am Horizont entlang, erreichte den Wald, ließ die vereisten Äste der Bäume funkeln und berührte schließlich den See. Schatten fielen auf das Antlitz Mao-Chéngs, als die Sonne ihn in Licht badete. Tenten sah ihren Vater an und trat zögerlich näher. Von der tödlichen Wunde, die ihm Orochimaru zugefügt hatte, war nichts mehr zu sehen. Stattdessen verdeckte ein prachtvolles Gewand seinen Körper. Mao-Chéngs Augen waren geschlossen und seine Hände auf seiner Brust um sein Schwert geschlossen. Um ihn herum brannten Räucherstäbchen, die seine letzte Ruhestätte mit einem aromatischen Duft umgaben. Es war ein Anblick eines Herrschers würdig. Vom Ufer ertönte ein durchdringender, erschütternder Gong, den sie mit dem ganzen Körper spürte und der bis in die tiefsten Tiefen ihrer Seele nachklang. Er war so laut, dass einige Vögel aus den nahegelegenen Wipfeln der Bäume aufflogen. Doch seine Bedeutung war so uralt wie das Land selbst. Tenten sank vor der Leiche ihres Vaters auf die Knie. Die Totenwache hatte begonnen. . . . Fünf Tage sprach Tenten kein einziges Wort. Stundenlang kniete sie vor der Leiche ihres Vaters. Tief in sich gekehrt im Gebet, in Erinnerung und in ihrer Trauer. Sie gönnte sich nur wenige Stunden, in denen sie schlief und etwas aß. Kaum, dass sie erwachte, brachte man sie zurück zu der Grabstätte ihres Vaters. Gaara und Mifune, die in gebührenden Abstand hinter ihr knieten, bemerkte sie kaum, denn die Totenwache vermittelte ihr ein Gefühl vollkommender Zeitlosigkeit. Sie war weder Wachen noch Schlafen. Weder Licht noch Dunkelheit. Weder Macht noch Machtlosigkeit. Jeden Tag im Morgengrauen wurde der durchdringende Gong erneut geschlagen und mit jedem Tag nahm auch die Zahl der Schläge zu. Sarutobi-sensei hatte sie einst gelehrt, dass jeder der fünf Tage der Totenwache die Ehrerbietung, den Respekt und die Anerkennung eines der fünf Clans für den verstorbenen Herrscher symbolisierte. Doch auch die Clans hatten sich verändert. Die Hyuga waren bis auf Neji und Hinata ihres Wissens nach völlig ausgelöscht, ebenso die Uchiha, von dessen Tragödie noch heute gesprochen wurde. Die Sabakuno waren durch ihre Sympathien für Hizashi Hyuga und schließlich auch durch die aktive Beteiligung an der Rebellion ins Exil getrieben worden. Einzig die Nara und die Aburame wahrten noch den einstigen Glanz ihrer Geschichte. Hunderte Jahre lang hatten die Clans in ihrer Allianz den Herrscher Konohas unterstützt und beraten. Jeder von ihnen hatte seine eigenen Traditionen, Fähigkeiten und seine Geschichte. Orochimarus Intrige hatte all das auseinander gerissen. Die Stunden flossen dahin. Mit ihnen kamen und gingen Erinnerungen. Erinnerungen an ihre Kindheit, als sie noch das kleine Mädchen gewesen war, das die Welt erkunden wollte und ihr Vater jedes Mal eine Suchaktion starten musste, um sie wieder zu finden – bis sie erneut ausriss. Sie dachte daran wie ihr Vater ihr das Schachspielen beigebracht und zu wichtigen Sitzungen mitgekommen hatte, damit sie die Politik kennen lernte. Einmal hatte sie ihren Vater am Grab ihrer Mutter stehen sehen. Es war der Todestag ihrer Mutter gewesen und das einzige Mal, dass Tenten ihren Vater hatte weinen sehen. Nie verlor ihr Vater ein Wort über sie. Tenten wusste nicht mal, wie ihre Mutter gewesen war. War sie eine elegante Dame, oder eine sture, aufbrausende Frau, die sich von niemandem etwas sagen ließ, gewesen? Bis kurz vor seinem Ende hatte er nicht von Keiko gesprochen. ‚Du siehst genauso aus wie deine Mutter.‘ Hatte er deswegen nicht mit ihr über sie sprechen können? Weil ihr Anblick ihn zu sehr an seinen Schmerz erinnert hatte? Mao-Chéng hatte sie unter Hiruzen Sarutobi studieren lassen und immer selbst die Resultate überprüft. Er war mit ihr unzählige Male in den Palastgarten gegangen und hatte sie in allen Dingen auf ihre spätere Rolle vorbereitet. Die Bilder verblassten langsam. Während der letzten Tage hatte sie in Erinnerung gelächelt und stumm geweint, das Schicksal verflucht und die Götter angefleht die Seele ihres Vaters ihren Frieden finden zu lassen. Jetzt spürte sie die Wärme der ersten Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Langsam öffnete sie die Augen. Es war der fünfte Tag der Totenwache und die Sonne berührte zum fünften Mal Mao-Chéngs Gesicht. Doch der triste Winterhimmel ließ kaum ein Gefühl von Tagesanbruch durchsickern. Das durchdringende Geräusch des ersten Gongschlags riss sie vollends in die Realität zurück. Hinter ihr regten sich Gaara und Mifune. Der Ton war kaum verhallt, als der zweite an den ersten anschloss. Ein Teil von ihr wurde nervös und innerlich zählte sie mit. Drei. Ohne ein Anzeichen, dass sie stundenlang in derselben Position verharrt hatte, erhob sie sich elegant. Vier. Sie spürte die Blicke Gaaras und Mifunes im Rücken. Fünf. Der Gong verhallte. Einen Moment rührte sie sich nicht, dann drehte sie sich um. Gaara und Mifune knieten noch immer. Tenten wandte sich dem See zu. So weit das Auge reichte schaukelten Boote auf dem Wasser. So viele, dass sie sie nicht zählen konnte. Alle hatten mit ihr gewacht. Für ihren gefallenen Herrscher und für die Opfer der Schlacht. Ein Meer von Gesichtern, die sie ansahen. „Erhebt euch.“, befahl sie mit einem Seitenblick auf Mifune und Gaara. Dann richtete sie den Blick wieder auf die Boote. „Gebt mir das Feuer.“ Gaara ging zum Rand der Insel, an dem in diesem Moment ein Boot festmachte. Darin saßen die beiden Männer, die Tenten jeden Tag zur Insel gefahren hatten. „Gib‘ mir die Fackel, Yuura.“, forderte Gaara den Mann auf, der ihm am nächsten war. Der mittelgroße Rebell, dessen dunkles Haar sein rechtes Auge verdeckte, hatte bis zu diesem Moment in seiner Position verharrt, doch jetzt rührte er sich. Tenten hatte Yuura noch kein Wort sprechen hören, daher überraschte es sie welche Ehrerbietung in seiner Stimme lag, als er Gaara antwortete. „Wie Ihr befehlt, Herr.“ Er reichte Gaara eine Fackel aus dem Boot, die dieser sogleich entzündete und an sie weiter reichte. Tenten betrachtete das Feuer, das in der trüben Düsternis wie die Sonne strahlte. Sie nahm die Fackel, kniete sich kurz vor den Sockel, auf dem ihr Vater lag, und trat dann auf seine Leiche zu. Tenten konnte beinahe spüren, wie die Menge die Luft anhielt. „Ein Leben gelebt!“, rief sie, „einen Sinn gefunden. Den Tod ertragen, auf dass die Götter ihm Eintritt in die nächste Welt gewähren! Feuer, das den Weg ihm weist!“ Ihre Stimme hallte weit über das Wasser. „Ihr Götter! Nehmt die Seele dieses Mannes auf und lasst ihr eure Gnade zu teil werden, auf das, dass der Kreis von Neuem beginnt!“ Das Holz fing sofort Feuer, als sie es entzündete. Die knisternde Hitze fraß sich durch die Holzscheite, griff dann langsam auf Mao-Chéng über und hüllte ihn in roten Feuerschein. Tenten wusste nicht, wie lange es dauerte, bis er brannte. Es waren die letzten Augenblicke, da sie in das Gesicht ihres Vaters blickte. Nach der Feuerbestattung würde ein Schrein auf eben jenem Fels errichtet werden, auf dem sie stand. Seine Asche würde an der einzigen Schwachstelle der Signalfeuer aufbewahrt werden. Der geheime Eingang würde verschlossen werden, denn von nun an hatten die Rebellen keinen Grund mehr sich zu verbergen. Mao-Chéngs letzte Ruhestätte würde die Wunde schließen, die Orochimaru dem Land beigebracht hatte. Wortlos ging sie auf das Boot zu. Vorbei an Gaara und Mifune, die sie abwartend musterten. „Herrin“, murmelte Yuura und schlug die Augen nieder. „Sieh mich an“, befahl Tenten. Als Yuura den Blick hob, reichte Tenten ihm die Fackel. „Gib‘ das Feuer weiter, Yuura. Lass die Toten ihren Weg im Licht finden!“ Überwältigt davon, dass sie ihm eine solche Aufgabe übertragen hatte, verbeugte er sich ehrfurchtsvoll vor ihr und setzte sich dann unverzüglich mit seinem Gefährten in Bewegung. Sie ruderten bis zum nächsten Boot und entzündeten auch deren Fackel. Tenten beobachtete das Schauspiel. Nach und nach breitete sich das Licht um sie herum aus. Unzählige Lichtpunkte erleuchteten den See und spiegelten sich auf seiner Oberfläche. Wer das Feuer erhalten hatte, gab es weiter und Tentens Herz ging bei diesem Anblick auf. Für diesen Augenblick existierten der Hass und das Misstrauen zwischen beiden Parteien nicht mehr. Sie waren nicht mehr die Rebellen oder die Samurai Konohas. Sie waren Menschen, die trauerten und den gleichen Schmerz teilten. Schließlich brannte in jedem Boot eine Fackel und das Feuer hatte das Ufer erreicht. Hunderte Meter entfernt beobachtete Tenten, wie nun auch am Ufer die Feuerbestattungen der Gefallen begannen. Flammen um Flammen züngelten empor und hüllten die toten Körper ein. Diejenigen, die nicht in die Boote gepasst hatten, standen um die Feuer herum und betrachteten mit unterschiedlicher Miene die Bestattung der Toten. Manche weinten, andere blickten störrisch durch die Toten hindurch, als könnten sie den Anblick nicht ertragen. „Lasst uns gehen, Tenten-sama.“, murmelte Mifune neben ihr, „Ihr habt Eure Pflicht erfüllt.“ Tenten sah den Samurai überrascht an. Mifune hielt ihrem Blick stand, doch Tenten spürte, wie sehr es ihn verunsicherte, dass sie ihm nicht antwortete. Auch, wenn er recht hatte. Sie hatte ihre Pflicht gegenüber ihrem Vater erfüllt, doch nicht gegenüber ihrem Land. Für einen Moment brachte ihre Angst vor dem, was kommen würde, ihren Plan ins Wanken. Doch dann erinnerte sie sich wieder, was ihr Vater ihr mit seinen letzten Atemzügen gesagt hatte. Sie trat an den Rand der Insel. Ihre Stimme war lauter, als sie erwartet hatte. Schmerz. Trauer. Hoffnung. Angst. Alles war zu gleichen Teilen darin enthalten. „Als mein Vater starb“, begann sie, „hat er bereut.“ Sie holte tief Luft und musste sich zwingen weiter zu reden. „Er bereute, dass er so viele Fehler gemacht hat. Er bereute, dass er Hizashi Hyuga nicht mehr vertraut hat und sich stattdessen von Orochimaru in seiner Trauer um meine Mutter blenden ließ. Er bezeichnete Hizashi Hyuga noch immer als seinen besten Freund.“ Tenten hielt inne und musste bei ihren Worten an Neji denken, der bei diesen Worten des Fürsten so… traurig ausgesehen hatte. „Mein Vater hat für Konoha gelebt… auch, wenn viele seiner Taten falsch gewesen sind.“ Wispern hob an und ließ Tenten inne halten. Sie konnte verstehen, dass sie ihr nicht glaubten. Für viele musste es so ausgesehen haben, als hätte Mao-Chéng nur für seine eigene Gerechtigkeit gelebt und für die Belange seines Volkes kein offenes Ohr gehabt. Doch er war nicht der kalte Herrscher gewesen, für den ihn alle gehalten hatten. Orochimaru hatte aus seinem Leben eine Tragödie gemacht. Von da an hatten Schmerz und Traurigkeit seine Entscheidungen vernebelt. „Er wollte Frieden und hat stattdessen Krieg erreicht.“ Sie konnte es nicht verhindern, dass ihre Stimme bei diesen Worten bebte. „Und dennoch…“ Tenten sah in die Gesichter der Menschen auf dem Wasser, die ihr zuhörten. Sie wollte gerade fortfahren, als sie Neji entdeckte. Er saß zusammen mit Kakashi in einem Boot und sah sie unverwandt an. Zwar trug er seinen Arm in einer Schlinge und auch seine anderen Verletzungen mussten ihn beeinträchtigen, doch er war da. Er gab ihr die Kraft zurück. „Mit seinen letzten Worten wünschte er sich eine Zukunft, in der Frieden herrscht.“ Sie hielt inne, zögerte einen Moment und sprach dann doch die Worte aus, die die letzten des Herrschers sein sollten. Tenten holte tief Luft. „Er sagte, dass er diese Aufgabe mir überlässt.“ Es wurde totenstill. Gaara und Mifune starrten sie an und hatten doch keine Ahnung, wie sie reagieren sollten. Tenten wusste, dass sie sie auf dem kalten Fuß erwischte, denn sie hatte mit niemanden über ihr Vorhaben gesprochen. „Ich bin seine einzige Tochter; in mir fließt das Blut deren Familie dieses Land gegründet hat. Mao-Chéng hat keine unehelichen Kinder gezeugt… er hat meine Mutter selbst nach ihrem Tod geliebt.“ Einen Augenblick schwieg Tenten, denn es war diese unendliche Liebe gewesen, die ihrem Vater dazu gebracht hatte für die Wahrheit blind zu sein. „Er gab mir den Siegelring des Herrschers als Zeichen seines Erbes.“ Tenten hob die Hand. Der weite Ärmel ihres Gewandes rutschte herunter, sodass der Ring an ihrem Finger im Feuerschein aufblitzte. Diejenigen, die am nächsten waren, schnappten nach Luft, als sie das Schmuckstück funkeln sahen. „Mein ganzes Leben wurde ich darauf vorbereitet das Erbe meines Vaters anzutreten.“ Sie schloss sekundenlang die Augen. „Dabei wollte ich niemals Herrscherin werden.“ Mifune starrte sie an, als könne er seinen Ohren nicht trauen. Und er war nicht der einzige. Neji, dem sie nie von diesen Gedanken erzählt hatte, sah sie überrascht an. Kakashi neben ihm verzog keine Miene. „Aber mein Leben gehört nicht nur mir allein.“, fuhr Tenten fort, „Ich bin geboren worden, um diesem Land zu dienen und ich wünsche mir nichts sehnlicher als Frieden. Konoha wird diesen Krieg niemals vergessen und auch nicht das Leid, das er uns allen gebracht hat. Aber einen neuen Anfang kann es nur dann geben, wenn wir lernen zu verzeihen.“ Tenten machte eine Pause und sah vielen in die Augen. Ihr fiel auf, dass viele den gleichen sehnsuchtsvollen Blick hatten wie in dem Moment, als sie es geschafft hatte zwischen den Armeen zu verhandeln. Tenten holte tief Luft und wappnete sich innerlich um stark genug für die nächsten Worte zu sein. „Mit dem Tod meines Vaters ist die Zeit des leeren Throns angebrochen. Ein Jahr, in dem sich der Nachfolger das Vertrauen und den Respekt des Volkes verdienen musste.“ Etliche wirkten verwirrt, hatten sie doch nie genug über Konohas Geschichte gelernt, als dass sie die alten Traditionen kannten. Gaara und Mifune hatten sich mittlerweile von ihrer Überraschung erholt und warteten ab. Beide mussten genug wissen, um zu ahnen was folgen würde. „Viele Jahre reichte es aus vom gleichen Blut zu sein, doch diese Zeiten sind vorbei. Ich erhebe Anspruch auf den Thron und ich stelle mich den fünf Prüfungen der Clans!“ Der Tumult, der nun ausbrach, erschütterte die Stille. Einige wirkten erstarrt, andere begannen wild mit ihren Freunden zu diskutieren. Vereinzelt hörte sie Empörung heraus, dass die Tochter des Mannes, der sie jahrelang unterdrückt hatte, nun sein Erbe antreten wollte. Wieder andere waren ihr in Treue so ergeben, dass sie in Tränen ausbrachen. Tenten wusste, dass es die größte und radikalste Veränderung sein würde, die das Land je gesehen hatte. Niemals zuvor hatte eine Frau Konoha regiert und die Angst, dass sich nichts verändern würde, war vielen noch immer ins Gesicht geschrieben. Aber Tenten hatte immer gewusst, dass dies ihr Schicksal war. Sie hob die Hand und die Menge verstummte. „Vielleicht bin ich nicht die, die ihr erwartet habt. Ich bin jung und unerfahren. Ich muss erst lernen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Allein werde ich nichts erreichen, doch gemeinsam können wir eine Zukunft schaffen, in der die Menschen einander verstehen und in der endlich Frieden herrscht.“ Tenten blickte über das Wasser hinweg zu den Feuer, die hell brannten und den Körper der Toten ganz langsam zu Asche werden ließ. „Ich kann euch nicht das Paradies auf Erden geben!“, rief sie, „ich kann euch nicht die Sünden der Vergangenheit vergessen machen, aber ich werde mit all meiner Kraft dafür kämpfen, dass ihr ein besseres Leben haben werdet!“ Es war als würde der Moment in der Luft hängen. Tausend Blicke waren auf sie gerichtet. Unglauben darin. Unsicherheit, die sich langsam zu Hoffnung wandelte. Verbitterte Gesichter, die das Lächeln neu lernten. Seelen, die bei ihren Worten gesundeten, und Menschen, die nach Jahren der Dunkelheit wieder Licht sahen. Zuerst rührte sich niemand, dann sanken Mifune und Gaara gleichzeitig vor ihr auf die Knie. „Meine Treue gehört Euch, bis Ihr dieses Ziel erreicht habt, Tenten, Tochter Mao-Chéngs.“, schwor Gaara. „Ihr seid die Hoffnung“, sagte Mifune, „ich werde Euch dienen, bis der Tod mich nimmt.“ Jubel brach aus. Die Angst war von den Gesichtern der Menschen verschwunden. Sie riefen ihren Namen. Immer und immer wieder, bis er wie das Donnern aus einem einzigen Munde klang. Überall schworen ihr die Menschen die Treue. Sie schwenkten die Fackeln und verbeugten sich so tief vor ihr, wie es in den Booten möglich war. Tenten lächelte und spürte, wie das Feuer hinter ihr sie wärmte und in einer letzten behaglichen Umarmung umschloss. Sie drehte sich nicht um. Noch einmal würde sie nicht zurück blicken. Ihr Vater war gestorben und sie hatte seinen Tod genug betrauert. Sie wusste nicht, was die Zukunft bringen würde, aber sie hatte den Anfang gemacht. Es ist getan, dachte sie. Leb wohl, Vater. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Der Schatten verschluckte ihn vollständig, während er den See beobachtete. Die Prinzessin hatte sich aus ihrer Starre erhoben und obwohl er sehen konnte, dass Trauer und Angst sie innerlich zerrissen, fand sie die Worte die Herzen der Menschen zu berühren. Der Leib des Fürsten und die aller Gefallenen wurden in Brand gesteckt. Der See leuchtete von dem Licht, das sich auf der Wasseroberfläche spiegelte. Er verfolgte das Geschehen und fühlte nichts. „Ich wusste, dass du kommen würdest.“, riss ihn plötzlich eine Stimme hinter ihm aus den Gedanken. Er sah sich nicht einmal um. „Du solltest nicht hier, Deidara.“ „Sei kein Spielverderber! Ich habe dich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Außerdem wird meine kleine Scharade so schnell nicht auffliegen.“ „Orochimaru war sich da ähnlich sicher“, sagte er ausdruckslos. Deidara trat neben ihn. „Wir wissen doch beide, dass Orochimaru ein Schwächling war.“ Zum ersten Mal trat eine Regung auf das Gesicht des Fremden. Doch das kalte Lächeln erreichte seine Augen nicht. Wieder blickte er zum See und beobachtete den Jubel, der ausgebrochen war. Deidara folgte seinem Blick und runzelte die Stirn. „Was hältst du von ihr?“, fragte Deidara. Als der andere Mann den Kopf umwandte, fielen ihm die schwarzen Haare in die Augen. „Was ich von … ihr halte?“ Nachdenklich betrachtete er die junge Frau in dem weißen Gewand, die in diesem Moment in einem Boot zum Ufer zurück gebracht wurde. Vor ihr ruderten die anderen ihre Boote zur Seite, damit sie passieren konnte. Plötzlich drehte sie ruckartig den Kopf. Und der Fremde sah, wie Neji Hyuga ebenfalls ihre Augen suchte. „Sie ist so stark wie sie zerbrechlich ist.“ Deidara sah ihn zweifelnd an und der Fremde wusste, dass er den Sinn seiner Worte nicht begriffen hatte. Die Frage war dem Blonden ins Gesicht geschrieben, aber dann zuckte er mit den Schultern. Sein Verbündeter hatte schon immer mehr Wert auf klare Aussagen gelegt. „Deine Anwesenheit bedeutet, dass es begonnen hat?“, hakte Deidara dann nach und weckte damit seine Aufmerksamkeit. Er nickte. „Er hat mich geschickt, um euch den Befehl zu überbringen. Sobald ihr bereit seid wird, werden wir angreifen.“ Seine Finger fanden den Griff seines Schwertes. Othrim. Orions dunkler Zwilling, der eine Verhöhnung der Götter selbst war. „Wenn wir bereit sind?“ Deidara griff in unter seine Kleidung und zog einen kleinen Beutel hervor. Den Inhalt schüttete er sich auf die Hand und hielt sie dem Fremden hin. Deidara grinste, als er dessen überraschte Miene sah. „Wie lange brauchst du?“ Der Blonde betrachtete liebevoll das schwarze Pulver, das in diesem Moment der Wind erfasste. Dann sah er den Fremden an. „Du wirst wissen, wann es Zeit ist, Itachi.“ Itachi Uchiha drehte sich um und ließ den See hinter sich. „Du weißt, was passiert, wenn du versagst, Deidara…“ „Nur ihre Worte sind gefährlich“, erwiderte Deidara, „wenn sie den Frieden will, muss sie zuerst den Krieg gewinnen.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Eine Woche verstrich, bis alle Toten verbrannt und beerdigt waren. In dieser Zeit konnten einige Verletzte gerettet werden und bei anderen versagten die Heiler. Wie es sich herausstellte, war Sasori Akasuna brillant. Er rettete viele Leben und war seitdem für seine Taten bei beiden Armeen gleichermaßen beliebt. Gaara teilte ihr im Vertrauen mit, dass er jemand war, ohne den die Rebellen niemals überlebt hätten und sie auch in Zukunft auf ihn angewiesen waren. Temari gesundete aufgrund Narutos schnellen Eingreifens und der anschließenden Pflege Sasori Akasunas erstaunlich schnell. Als Tenten sie nach der Totenwache das zweite Mal besuchte, war sie bereits ansprechbar, konnte aufrecht sitzen und hatte langsam wieder Appetit. Tenten musste ihr förmlich verbieten aufzustehen und zu helfen, da Temari nicht einsah sich noch länger zu schonen. Neji hingegen, dessen gröbste Wunden langsam heilten, musste sich daran gewöhnen seine andere Hand zu benutzen, was ihm ab und an noch recht schwer fiel. Sasuke Uchiha hatte für diese Bemühungen nicht mal ein müdes Lächeln übrig und Tenten spürte, dass er diese Situation in vollen Zügen auskostete. Naruto und Lee waren relativ unverletzt aus der Schlacht hervor gegangen. Gaara hatte ihr berichtet, dass die beiden Sakon von den Hayai zur Strecke gebracht hatten, ehe Kimimaro ihnen entkommen war. Den Rebellenanführer selbst hatte es viel schlimmer getroffen. Das fehlende Auge machte ihm zu schaffen, störte seinen Gleichgewichtssinn und sein räumliches Sehen. Der Preis für den Sieg über Orochimaru war hoch, aber es war immer noch besser als in seiner Zukunft zu leben. Orochimarus Leichnam war wie der seiner Gefolgsleute mit Steinen beschwert im See versenkt worden. Für ihn, der das Land beinahe in den Untergang geführt hatte, gab es keine ehrenvolle Bestattung. Ironischer Weise setzte sich unter den jungen Kriegern hartnäckig das Gerücht durch, dass sein Geist nicht eher ruhen würde, bis er all jene zu sich in die Fluten gezogen hatte, die seinen Tod verschuldet oder seinen Plänen im Weg gestanden hatten. Tenten, Gaara, Mifune und Kakashi versuchten auf unterschiedlichste Weise dieses Gerücht zu entkräften, aber der Aberglaube der Leute, oder besser ihre Angst, war so groß, dass es sich hartnäckig hielt. Viel Zeit darüber nachzudenken blieb allerdings nicht, da alle damit beschäftigt waren das Lager abzureißen. Tenten hatte bereits Boten in die Hauptstadt geschickt, um die Ereignisse möglichst schnell zu verbreiten. Auch zu den Clans waren Nachrichten unterwegs, um die Neuigkeiten zu verkünden und sie zu unterrichten, dass Tenten sich den Prüfungen der Clans stellen würde. Jahrzehntelang hatte sie sich kein Thronanwärter diesen Prüfungen gestellt und wenn Tenten ehrlich war, hatte sie Angst zu versagen und den Clans einen Grund zu liefern ihr den Anspruch auf den Thron zu verweigern. Sollte sie sie aber bestehen, so wusste sie, würde sie sich für immer ihren Respekt und ihre Treue gesichert haben. Etwas, das sie dringend nötig hatte, wenn sie das Land davon überzeugen wollte, dass auch eine Frau sie regieren konnte. Um endlich ihre düsteren Gedanken loszuwerden, rieb Tenten sich einmal die Augen und blinzelte. Nicht weit von ihr beaufsichtigte Kakashi den Abbau eines großen Zeltes. Seit dem Morgen war schon fast das ganze Lagers abgebaut und die Zelte, sowie andere Habseligkeiten verstaut worden. Pferde, die während der Schlacht ausgerissen waren, wurden wieder eingefangen. Viele gab es allerdings nicht. Durch den hastigen Aufbruch aus der Hauptstadt, hatten die Samurai ihres Vaters keine große Anzahl auftreiben können. Ein paar hatte die Kälte dahingerafft und andere waren in der Schlacht verendet. Sie würden wohl oder übel laufen müssen. „Verzeihung, Tenten-sama“, sagte plötzlich neben ihr. Tenten fuhr herum und sah einen Mann vor sich knien, der den Blick gesenkt hatte, es aber trotzdem schaffte ihr das Gefühl zu geben, dass er sich ihr nicht unterwarf, wie es viele andere taten. Sie war positiv überrascht und betrachtete ihn genauer. Er hatte bemerkenswert dunkle Haut, die sich deswegen umso stärker von seinem hellen Haar abgrenzte, und trug sein Schwert auf dem Rücken, sodass er jederzeit dessen Griff über seiner Schulter greifen konnte. „Sprich und nenn mir deinen Namen“, sagte Tenten. Der Samurai hob den Blick. „Mein Name ist Darui, ich habe unter Eurem Vater gedient. Meister Kakashi lässt durch mich ausrichten, dass wir in zwei Stunden aufbrechen können, wenn Ihr dies wünscht.“ Tenten nickte ihm zu. „Sag ihm, dass ich einverstanden bin und verbreite die Nachricht. Ich danke dir, Darui.“ Darui stand auf und verbeugte sich ein letztes Mal vor ihr, um den Befehl auszuführen, ehe er hoch erhobenen Hauptes zwischen den Zelten verschwand. Tenten schlang ihren gefütterten Mantel enger um sich und suchte in der Menge nach bekannten Gesichtern. Seitdem die Totenwache zu Ende gegangen war, behandelten sie die Menschen mit ehrfurchtsvollem Respekt und Bewunderung, aber sie blieben distanziert, als wäre sie zu einer Unberührbaren geworden. Sie wusste, dass sie das nicht stören sollte, trotzdem wünschte sie sich Lees Fröhlichkeit und Narutos dumme Sprüche zurück. Sie vermisste Hinata, die ihr stets das Gefühl gab, dass es etwas Gutes in der Welt gab. Ino hatte beinahe genauso viel zu tun wie sie, da sie tatkräftig das Verstauen von Tentens Habseligkeiten beaufsichtigte. Und sie vermisste Neji. Sie hatte ihn zwar schon gesehen, aber noch keine Gelegenheit gehabt mit ihm zu sprechen. Tenten hoffte aufrichtig, dass sich das ändern würde, wenn sie alle wieder zurück in Konoha-Gakure waren und sie damit beginnen konnte, ihre Ziele zu verwirklichen. Tatsache war jedoch, dass Lee seine Aufmerksamkeit den Sabakuno-Geschwistern und vielen anderen Rebellen schenkte und sie über ihr Leben ausfragte, während er nebenbei für drei schuftete. Wo Naruto steckte, wusste niemand und Hinata war meist im Lazarett um die Kranken pflegen zu helfen. Tenten seufzte. „So trübe Gedanken?“, fragte jemand hinter ihr und Tenten drehte sich zu ihrem schmunzelnden Lehrmeister um. „Ach es ist nichts“, winkte Tenten ab, „es ist nur, dass ich kaum mit jemanden reden kann, der sich nicht gleich vor mir niederwirft.“ „Daran werdet Ihr Euch gewöhnen müssen“, erwiderte Hiruzen Sarutobi, „Ihr seid bereits die inoffizielle Herrscherin.“ „Nicht bevor die Zeit des leeren Throns vorüber ist und ich die Prüfungen der Clans bestanden habe.“, sagte Tenten. „Ah“, machte Sarutobi, „die Ungeduld der Jugend. Glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass die Zeit noch schnell genug vergehen wird.“ Tenten betrachtete das Treiben um sich und seufzte. „Ich wünschte, sie würde jetzt schon so schnell vergehen.“ Sarutobi runzelte die Stirn. „Wollt Ihr so schnell nach Hause zurückkehren, Tenten-sama?“ Tenten warf ihm einen düsteren Blick für die nun noch ehrfürchtigere Anrede zu, antwortete aber dann: „Es ist nicht so, dass ich Heimweh hätte. Ich bin mir lediglich im Klaren, dass die Männer nicht den ganzen Winter im Freien nächtigen können. Irgendwann sind die Vorräte aufgebraucht und ich kann nicht von Gaara verlangen, dass er die Armee den Winter über bei sich aufnimmt, die versucht hat ihn und alle seine Gefolgsleute umzubringen.“ „Das ist sehr vorausschauend“, warf Sarutobi ein. „Ich wünschte es wäre anders“, erklärte Tenten, „ich hätte gerne mehr Zeit die Leute kennen zu lernen, Geschichten vom Sabakuno-Clan zu hören und die Gegend zu erkunden.“ „Kommen nicht ein paar der Rebellen mit uns nach Konoha-Gakure?“ Tenten nickte bestätigend. „Ihr habt recht, Sensei, aber es ist nicht dasselbe, als wenn ich bliebe oder Gaara mit mir käme. Der Frieden ist sehr dünn. Meine oder Gaaras Abwesenheit könnte ihn ins Wanken bringen.“ Beide schwiegen eine Weile. Schließlich ergriff Hiruzen Sarutobi noch einmal das Wort und lächelte. „Ihr solltet mehr Vertrauen in Euch selbst haben, Tenten-sama. Der Frieden mag auf den ersten Blick brüchig sein, aber der Glaube an ihn, den ihr den Menschen gegeben habt, ist es nicht.“ . . . Wie Darui vorausgesagt hatte, waren sie nach zwei Stunden abmarschbereit. Gaara, Temari, die von ihrem Bruder Kankuro gestützt wurde, und viele andere waren gekommen um sie zu verabschieden. An Tentens Seite standen Kakashi und Sarutobi. Ein paar hundert Meter entfernt hatten sich die Samurai Konohas versammelt. Alle trugen Gepäck und warteten ungeduldig unter Mifunes Aufsicht auf den Aufbruch. Einige scherzten herum, manche überprüften Vorräte und Waffen, andere kümmerten sich um die wenigen Pferde, auf denen Verletzte reiten würden, die nicht laufen konnten. Alle würden jedoch nicht mitkommen. Diejenigen, deren Verletzungen noch heilen mussten, würden zurück bleiben und von den Rebellen gesund gepflegt werden. Schon vor ein paar Stunden hatte sie befohlen Kundschafter auszuschicken um den Weg durch den verschneiten Wald zu finden. Mittlerweile waren sie zurückgekehrt und warteten auf den Befehl das Heer durch die Eiswüste nach Hause zu führen. Es lag eine ausgelassene Stimmung in der Luft. Die Erleichterung, dass es keine Kämpfe mehr mit den Rebellen geben würde, hatte ihnen allen eine riesige Last von den Schultern genommen. Tenten konnte Lee ausmachen, der Naruto etwas zu rief, worauf der eine beleidigte Miene zog und Lee mit Nichtbeachtung strafte. Offensichtlich hatte Naruto darauf bestanden, dass Hinata ein Pferd bekam und auf dem Rückweg nicht laufen musste. Er kümmerte sich so ergeben um sie, dass sogar Tenten verstehen konnte, dass Lee ihn deswegen aufzog. Hinatas Wangen waren gerötet und sie vermied es krampfhaft Naruto direkt anzusehen. Tenten musste lächeln. Naruto hatte keine Ahnung, was er da angerichtet hatte, hatte er doch immer noch entsetzliche Schuldgefühle, dass er sie niedergeschlagen hatte. Zu seinem Glück hatte Neji, der sich gerade mit Kakashi unterhielt, nichts davon mitbekommen. Es war Gaara, der das Wort ergriff und die Gespräche verstummen ließ. Er richtete den Blick seines verbliebenen Auges direkt auf sie. Die Augenhöhle, wo einmal sein Auge gewesen war, das er durch Kimimaro eingebüßt hatte, war durch eine lederne Augenklappe verdeckt. Laut Kakashi hatte der Augapfel entfernt werden müssen, damit sich die Wunde nicht entzündete. Dennoch war der Blick aus seinem verbliebenen türkisblauen Auge unglaublich intensiv. Die Macht und die natürliche Autorität, die ihm inne wohnte, waren noch immer fast körperlich zu spüren. „Ihr seid zu uns gekommen als eine Fremde, die viele von uns wegen ihrer Herkunft gehasst haben, Tenten-sama“, sprach er, „Ihr verlasst uns als eine Freundin, der wir die Treue halten werden.“ „Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft und die Chance endlich Frieden zu schaffen“, erwiderte Tenten, „gemeinsam können wir viel erreichen, Gaara-san.“ „Ich stimme Euch zu“, gab Gaara ihr recht. „Ich werde Euch jede Woche einen Boten schicken.“ „So wie ich“, antwortete Tenten. „Nur nicht so formell, Bruder!“, rief da Temari, die mit Kankuros Hilfe auf sie zukam und sie anlächelte. „Wir werden dich vermissen, Waffenschwester“, sagte Temari, grinste und schloss Tenten zu ihrer Überraschung in eine freundschaftliche Umarmung. Ein Schnauben erklang nicht weit entfernt und Tenten sah gerade noch, wie Sasuke Uchiha zwischen den Bäumen verschwand. „Oder auch nicht“, stellte Temari trocken fest und verdrehte genervt die Augen. „Das ist nur seine Art Lebewohl zu sagen“, warf Kakashi ein und erntete verhaltenes Gelächter, dem sich auch Tenten nicht entziehen konnte. Kakashi hatte recht, Sasuke war nie ein Typ für rührselige Abschiede gewesen und ohnehin würde sie ihn schneller wieder sehen, als ihr lieb war, wenn er ihr die Prüfung der Uchiha stellte. „Wir sollten jetzt gehen“, erinnerte Sarutobi sanft, „wir werden eine gewisse Zeit nach Konoha-Gakure brauchen.“ Widerstrebend musste Tenten sich eingestehen, dass er recht hatte. Der Großteil der Armee hatte sich ohnehin schon in Bewegung gesetzt und auch die Abordnung der Rebellen hatte sich bis auf die Sabakuno mittlerweile schon aufgelöst. Gaara sah Tenten an, zögerte und streckte dann seine Hand aus. Überrascht sah sie auf, doch der Anführer der Rebellen machte keine Anstalten die Geste zurückzunehmen. Tenten ergriff seine Hand, die Gaara kurz drückte und dann wieder frei gab. „Lebt wohl, Tenten-sama. Unsere Wege werden sich erneut kreuzen.“, verabschiedete er sich höflich, drehte sich um und machte sich gemeinsam mit seinen Geschwistern auf den Weg zurück. „Wir sollten gehen“, erinnerte ihr Lehrmeister, „Mifune ist schon zur Spitze der Armee geritten.“ „Dann sollten wir keine Zeit vergeuden“, erwiderte Tenten und hatte kaum ein paar Schritte getan, als sie merkte, dass Neji sich im Gegensatz zu ihr, Kakashi und Sarutobi nicht vom Fleck gerührt hatte. Sie hielt inne. Verwirrt sah Tenten Neji an. „Was ist los?“, fragte sie, „wir müssen aufbrechen, wenn wir bis zur Abenddämmerung in der nächsten Stadt sein wollen. Wir müssen Schlafmöglichkeiten, ein warmes Abendessen-“ „Tenten“, unterbrach er sie sanft, „ich komme nicht mit zurück.“ Es war als hätte er ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Tenten starrte ihn an, doch Neji wich ihrem Blick aus. Er wirkte fast so, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Kakashi und Sarutobi wechselten einen Blick. „Wir warten auf Euch, Tenten-sama“, sagte Kakashi und stapfte gemeinsam mit Sarutobi zu Mifune. Einen Moment lang herrschte verlegenes Schweigen zwischen ihnen. „Es tut mir leid, Tenten“, erklärte Neji schließlich, „ich hätte es dir früher sagen sollen.“ „Aber… warum?“, brachte sie heraus, „ich… ich habe gedacht…“ „Ich weiß“, sagte Neji sanft, „die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, glaub mir.“ Er ließ den Blick über die Landschaft schweifen, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder ihr widmete. „Die Rebellen haben eine seltsame Art einen für sich einzunehmen. Am Anfang habe ich alles an diesem Ort gehasst und mehr noch habe ich die Wahrheit über meinen Vater nicht glauben können.“ Sie schwieg und wartete, dass er fortfuhr. Nervös trat er einen Schritt auf sie zu. „Ich hatte unrecht, Tenten“, sagte er dann, „man kann nicht alles vergessen. Ob es etwas Schlechtes oder…“ Neji zögerte und sah sie mit einem undefinierbaren Blick an. „Oder das ist, das uns am glücklichsten macht. Egal, ob wir es wahr haben wollen oder nicht.“ Tenten spürte ihr Herz schneller schlagen, als sie die Bedeutung seiner Worte verstand. Er hatte gesagt, sie solle vergessen, was zwischen ihnen gestanden hatte und jetzt… Bedeutete das, dass ihre Gegenwart ihn glücklich machte? Unterdessen betrachtete Neji nachdenklich, wie die Rebellen am Waldrand entlang gingen. „Mein ganzes Leben habe ich nach Antworten gesucht. Ich wollte wissen, was mit meiner Familie passiert war und warum mein Onkel nie über sie sprach.“ Im kurzen Moment des Innehaltens suchte Tenten seine Augen, doch Nejis Blick verlor sich in der Ferne. Sie verstand, was er fühlte. Immer hatte sie die Mutter vermisst, die sie nie gehabt hatte. Andere Kinder hatte sie um deren vollständige Familie beneidet. Noch immer wusste sie nicht, was passiert war und warum. Denn weder Hizashi Hyuga, noch Orochimaru hatten ihre Mutter getötet. Doch trotz der Ungewissheit war ihr Schmerz der gleiche geblieben. Neji musste es ähnlich ergangen sein. Er war fast ohne seine Eltern aufgewachsen und hatte früh gelernt sein Herz vor allen zu verschließen, deren Verlust ihn verletzen könnte. „Ich war wie vor den Kopf gestoßen, als man mir vom Schicksal meines Vaters erzählte“, fuhr Neji fort, „aber irgendwie konnte ich ihn auch verstehen. Er hatte Orochimarus Absichten erkannt und sein Leben gegeben, um ihn aufzuhalten.“ Er schwieg und Tenten konnte nur raten, was er dachte. „Ich habe in jener Nacht damit gerechnet zu sterben, Tenten“, sagte er dann, „so wie er.“ Sie spürte wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. „Aber du bist nicht gestorben“, flüsterte sie. „Nein“, antwortete Neji und die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. „Du hast mich gerettet. In jeder Hinsicht.“ Tenten sah verlegen zur Seite, da sein Blick so intensiv war, dass sie fürchtete, er könnte ihre Gedanken lesen. Trotzdem war das, was er gesagt hatte, nur ein Teil der Wahrheit. Neji hatte sie ebenso gerettet wie sie ihn. Allein wären sie beide tot, doch zusammen hatten sie das Unmögliche wahr gemacht. Sie hatten sich gegenseitig gerettet… „Ist es nicht seltsam“, fragte er dann, „wie eine einzige Begegnung alles verändern kann?“ Tenten spürte, wie sie zu zittern begann, als sie begriff, dass er an ihre erste Begegnung als Kinder zurückdachte. „Ich glaube nicht, dass das ein Zufall war“, erklärte sie dann, „alles geschieht aus einem Grund. Vielleicht sollten wir die Chance erhalten, das richtig zu machen, woran unsere Väter gescheitert sind.“ „Du glaubst an das Schicksal?“, hakte Neji nach. Eine Weile dachte sie über die Frage nach. „Ja und nein“, antwortete sie schließlich. „Ich glaube, dass die Existenz jedes Einzelnen einen Sinn hat, aber ich glaube auch daran, dass wir etwas ändern können, wenn wir mit unserer ganzen Kraft dafür kämpfen.“ Zuerst wirkte Neji verwirrt, dann veränderten sich seine Gesichtszüge, bis er schließlich leise lachte. Tenten sah ihn verwirrt an. „Was ist?“ Er drehte ihr den Kopf zu, antwortete aber nicht. „Was ist?!“, rief Tenten erbost, „lachst du mich etwa aus?“ Neji hörte auf zu lachen und fast bereute Tenten ihn unterbrochen zu haben, als ihr aufging, dass sie ihn nie wirklich hatte lachen hören. Es klang so… befreit. Als ob er endlich seiner Gefangenschaft entkommen wäre. „Verzeih mir“, sagte er dann, „es ist nur, dass ich gewusst habe, dass du so etwas sagen würdest.“ Dann wurde er wieder ernst. „Tenten, dein Platz ist bei deinem Volk. Dieses Land hat nie jemand wie dich so dringend gebraucht wie jetzt.“ „Und du?“ „Ich muss das zu Ende bringen, was mein Vater begonnen hat. Die Rebellen brauchen mich. Und ich bin auch nicht allein.“ Er unterbrach sich und Tenten runzelte misstrauisch die Stirn, bis ihr eine Erkenntnis kam. „Lee bleibt auch hier, oder?“ Ertappt sah Neji auf, seufzte dann und nickte schließlich. Und da wurde ihr bewusst, dass Neji wirklich bleiben würde. Sie verstand, dass er es tat um ihr auf die bestmögliche Weise zu helfen und auch aus Verantwortung heraus, aber ihr Herz zog sich krampfhaft bei der Vorstellung zusammen ihn nicht in der Nähe zu wissen. Jetzt wo sie ihn endlich wieder gefunden hatte. Das, was sie geschafft hatte, hätte sie ohne ihn nicht tun können und ohne sie hätte er nicht Orochimaru töten können. Kalt spürte Tenten Yin über ihrem Herzen. Sie waren zwei Seiten einer Medaille. Zwei, die zusammen ein Ganzes ergaben und schon jetzt spürte Tenten, wie die Sehnsucht nach ihm von ihr Besitz ergriff. Ohne sich darum zu kümmern, ob es jemand sah, trat sie auf ihn zu und warf sich ihm in die Arme. Neji, den sie damit überrumpelt hatte, stolperte zwei Schritt zurück, fing sich und legte vorsichtig seinen unverletzten Arm um sie. Tenten vergrub das Gesicht an seiner Halsbeuge und sog seinen Geruch ein. Sie spürte, wie ihr Herz raste, als die Wärme seines Körpers sie ganz umschloss, und dachte an alles, was sie mit ihm verband. So viel hatten sie zusammen erlebt und keinem anderen Menschen vertraute sie so sehr wie ihm. Tenten spürte Nejis warmen Atem auf ihrem Haar. So standen sie umschlungen im Schnee und für diesen Augenblick hörte die Welt um sie herum auf zu existieren. „Ich komme zu dir zurück“, flüsterte Neji, „egal wie lange es dauert. Ich werde dich finden. Immer.“ Er drückte sie ein letztes Mal an sich, bevor er sanft ihre Arme löste. „Ich werde an dich denken“, erwiderte Tenten, „jeden Tag. Jede einzelne Sekunde werde ich dich vermissen. Ich werde auf dich warten, Neji. Immer.“ Nejis Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und er sah sie mit den Augen der Hyuga an, deren helle Iris wie von Sternenlicht leuchtete. Ein lauter Ruf hallte durch den Wald. Unruhe schien sich breit gemacht zu haben. Noch einen Augenblick länger hielt Neji ihren Blick gefangen. Dann trat er einen Schritt zurück und löste sich sanft von ihr, bis sich nur noch ihre Fingerspitzen berührten. „Du solltest jetzt gehen“, sagte Neji und dann war auch der letzte Kontakt vorüber. Er warf ihr einen letzten Blick zu, drehte sich langsam um und sagte: „Wir werden uns wieder sehen, Tenten, Tochter Mao-Chéngs.“ Sie spürte, dass er bei diesen Worten lächelte. Wärme füllte sie aus, als sie sein Lächeln erwiderte. „Auf Wiedersehen, Neji Hyuga.“ Tenten wandte sich ihrerseits um und hörte wie Nejis Schritte sich langsam entfernten. Doch sie sah nicht zurück. Die Vergangenheit lag hinter ihnen und es brachte nichts in ihr zu verweilen. Tenten richtete ihren Blick nach vorn. Die Sonne schien durch die Wipfel der Bäume und die vereisten Äste warfen das Licht in tausend Facetten zurück. Neji würde zu ihr zurückkommen. Diesmal war es nicht die törichte Hoffnung eines kleinen Mädchens. Es war unumstößliche Gewissheit. Er hatte ihr sein Wort gegeben und das würde er unter allen Umständen halten. Egal, wie lange es dauern würde. Er war ein Samurai. Ende des Ersten Teils Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)