Samurai von moonlight_005 ([NejiTen] Teil 1 der Samurai-Trilogie) ================================================================================ ~ Kapitel 22: Decision ~ ------------------------ ~ Kapitel 22: Decision ~ Nur ein Schritt vorwärts - und alles ist möglich. Nur ein Schritt zurück - und alles ist verloren. Der zehnte Monat kam und ging. Das Laub färbte sich blutrot, fiel zu Boden und machte dem Winter Platz, der unaufhaltsam näher kam. Die Zeit selbst schien still zu stehen und sie kam sich vor wie ein Geist. War sie stark, dass sie sich nicht selbst aufgab oder war sie schwach, weil sie es sich so sehr wünschte, endlich aufgeben zu können? Ihr Leben war nichts weiter als eine endlose Aneinanderreihung von Pflichten geworden. Sie lebte nur noch vor sich hin und ihr Herz hatte sie weit in den Tiefen ihrer Seele vergraben, sodass es niemand jemals wieder zu berühren vermochte. Denn niemals würde jemand kommen, der so war wie er… Seit dem Zeitpunkt, da sie erfahren hatte, dass Neji tot war, waren mehrere Wochen vergangen und seitdem war es, als hätte sie ihre Seele der ewigen unerfüllten Sehnsucht verkauft. Tenten wusste, dass etwas in ihr gestorben war und dass man es vielleicht niemals wieder zurückholen könnte. Und dann begannen die Gerüchte. Man sagte, dass sie von einem Geist besessen war, der sie heimgesucht hatte, weil sie dem allertiefsten Sehnen erlegen war und nur noch auf ihren Tod warte. Einige widersprachen dem, meinten, sie selbst wünsche ihren Tod und den Untergang des gesamten Fürstentums. Andere sagten, sie wäre dem Tod geweiht, weil sie gesündigt hatte. Nur was für eine Sünde das war, das konnte niemand sagen. Tenten hasste sie. Nicht, weil sie ihr Ansehen beschmutzten, oder niemals erraten könnten, was wirklich mit ihr geschah. Sie hasste sie, weil sie wünschte, all dies wäre wahr, denn dann müsste sie sich nicht mit der Wahrheit auseinandersetzen und Tag für Tag mehr von ihrer Kraft verlieren, während die unerträgliche Sehnsucht immer stärker wurde. Tenten streckte die Hand aus und tastete nach dem kleinen Schmuckstück, das auf ihrem Nachtisch lag. Ihre Handbewegung war fließend und so spiegelte sich der Kerzenschein so sanft darin, dass das perlweiße Metall fast golden schimmerte. Ihre Haut spannte sich straff um die Knochen ihres Handgelenks, war beinahe durchsichtig. In den letzten Wochen war sie merklich abgemagert, auch wenn Ino alles in ihrer Macht stehende getan hatte, um sie zum Essen zu bewegen. Was würde er wohl sagen, wenn er sie so sehen würde? Sie, die sich selbst aufgab, um in den Erinnerungen an ihn zu schwelgen und dabei vergaß zu leben? Würde er sie wohl verachten? Tenten wusste es nicht und sollte es auch niemals erfahren, denn der Einzige, dem sie bedingungslos vertraut hatte, war tot. Er hatte sie allein gelassen, wie vor acht Jahren, als sie sich nichts mehr gewünscht hatte als einen Spielkameraden, dem es egal war, wer sie war. Niemals zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so sehr etwas gewünscht, das sie nicht haben konnte. Wenn er doch von den Toten zurückkehren könnte! Wenn er sie doch nur in den Arm nehmen und ihr sagen würde, dass alles gut werden würde! Wieder spürte sie, wie ihr die Tränen kamen. In letzter Zeit hatte sie oft geweint, teils, weil sie seit jenem Tag ihre Hemmschwelle überschritten hatte und teils, weil es für sie keinen anderen Weg gab, ihre Verzweiflung auszudrücken. Was waren schon Worte im Vergleich zu dem Schmerz, der tief in ihr loderte? Tenten schluckte, schniefte dann und versuchte die Tränen zurück zu drängen. Hoffnungslos. Er war fort. Neji war tot! Sie durfte sich nicht selbst zerstören, denn dann wäre alles umsonst gewesen. Doch all diese Gedanken hatten die gegenteilige Wirkung: Je mehr sie versuchte, sich Mut zu machen, musste sie daran denken, dass es immer nur Neji gewesen war, der ihr die Kraft gegeben hatte. Sie war nicht stark… Heiße Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen. Tenten wischte sie nicht weg. Sich zu verstecken wäre ein noch größeres Zeichen von Schwäche. Und so weinte sie sich wie die etlichen Nächte zuvor in den Schlaf, bis ihr Atem schließlich langsam und gleichmäßig ging. Bis wieder alles so war wie es sein sollte, denn die Erbin Konohas durfte sich nicht dem Schmerz hingeben, den der Tod eines einzigen Mannes in ihr ausgelöst hatte. . . . Im Gang vor ihrer Tür sank eine Gestalt zusammen. Nach dem letzten Schluchzen war es still geworden. Viel stiller, als es sonst in der Nacht war, aber vielleicht war es auch nur das Mitleid, das langsam in ihr aufwallte, wenn sie hörte, wie die Prinzessin weinte, wenn sie glaubte, dass niemand es bemerken würde. Sie fühlte sich hilflos und wünschte sich, dass sie etwas tun konnte. Irgendetwas. So ging es nun schon wochenlang. Tenten tat nur das Nötigste, aß und trank nicht viel und schloss sich danach in ihrem Zimmer ein. Oder sie war völlig unauffindbar. Sie hatte nie herausgefunden, wohin sie verschwand, aber sie ahnte, dass Tenten ohne Ziel herumirrte in der Hoffnung, irgendwie ihre Trauer betäuben zu können. Ino seufzte, als sie wieder aufstand und in Richtung der Dienstbotenzimmer verschwand. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Am nächsten Morgen ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Tenten stand mit den ersten Strahlen der Morgensonne auf, ließ sich von Ino und Hinata beim Ankleiden helfen, nahm ein zugegebener Maßen zu geringes Frühstück ein und machte sich dann auf den Weg zu ihrem Lehrer Sarutobi, der sie heute in gesellschaftlicher Konversation unterrichtete. „Es kommt darauf an, etwas zu sagen und damit mehr auszudrücken, als man eigentlich will“, erklärte er ihr gerade, „oder viel zu sagen und damit nur wenig preiszugeben. Dabei ist es natürlich wichtig, immer höflich zu bleiben. In Eurer Lage“, er sah sie jetzt sehr aufmerksam an, „kann ein falsches Wort einen Krieg auslösen.“ Tenten antwortete nichts und notierte sich wortlos den Rat auf einem Zettel. Sarutobi bat gedanklich um Beistand bei den Göttern. So ging das jetzt schon eine ganze Weile. Die Tochter des Fürsten kam, um bei ihm zu lernen, aber eigentlich war sie gar nicht wirklich anwesend. Langsam begann er sich ernsthaft Sorgen zu machen. Ihre ganze Haltung schien demütig, schwach und gebrochen, ganz zu schweigen von den geröteten Augen, die sie heute wieder hatte. Der alte Mann hatte vieles in seinem Leben gesehen, er hatte Krieg und Leid mit angeschaut und die Liebe, als er jung gewesen war. Wahrscheinlich hatte er sein ganzes Leben lang gelernt, um irgendwann genau dort anzukommen, wo er jetzt war, aber eine solche Verzweiflung hatte er niemals zuvor in den Augen eines Menschen gesehen. Tenten hatte er als fröhliches Mädchen kennen gelernt. Lebensfroh und unternehmungslustig und mit einem stärkeren Gerechtigkeitssinn, als ihn andere je haben würden. Immer hatte sie gekämpft und war für die Belange anderer eingetreten. Immer hatte sie sich selbst zurückgestellt, damit es anderen gut ging und damit sie helfen konnte. Jemanden wie dieses Mädchen, nein wie die Erbin Konohas, gab es nur ein einziges Mal und er konnte nichts weiter tun, als sie zu bedauern. Das Kratzen ihres Pinsels auf dem Papier riss den Alten wieder aus seinen Gedanken. Noch einmal malte Tenten eine kleine Notiz zu dem bereits Geschriebenen hinzu. Schließlich legte sie ihr Werkzeug beiseite und sah ihn erwartungsvoll an. „Um jemandem als positiver Gesprächspartner aufzufallen, muss man sich sowohl mit dem Thema, als auch mit dem Menschen auskennen. Außerdem schadet es nie, ihm charmant entgegen zu kommen. Kleine Anekdoten aus dem eigenen Leben sind auch nicht von Nachteil.“ Wieder kratzte der Pinsel über das Papier und der Alte wandte unangenehm berührt die Augen von der jungen Frau vor ihm ab. Und wieder fragte sich Sarutobi, wie es dazu gekommen war, dass Tenten, Tochter Mao-Chéngs, nun so verletzlich, ja fast gebrochen wirkte. „Du solltest niemals reden, wenn ein anderer spricht und-“, hier versagte ihm die Stimme, als Tenten abermals ihren Stift aufgesetzt hatte und darauf zu warten schien, dass er weiter redete. Seufzend lehnte der alte Mann sich zurück, sah kurz aus dem Fenster und dann wieder zu Tenten, die heute nicht mehr als eine knappe Begrüßung mit ihm gewechselt hatte. „So hat das keinen Sinn, Tenten-hime. Ich weiß, dass Ihr Euer Bestes gebt, aber eigentlich konzentriert Ihr Euch gar nicht auf den Unterricht, nicht wahr?“ Bei seinen Worten hatte Tenten sich aufrecht hingesetzt und sah ihn nun an, als könnte sie nicht glauben, was er gerade gesagt hatte, oder als wollte sie es nicht hören. „Aber ich-“, begann sie und sah mit einem Mal seltsam ertappt aus. „Ihr könnt es im Moment nicht“, schnitt ihr der alte Lehrer das Wort ab. Tenten schwieg, als er fortfuhr: „Manchmal ist das Leben grausam. Manchmal denken wir, dass wir lieber sterben würden, als uns mit den Problemen auseinanderzusetzten. Ich weiß nicht, was Euch passiert ist, aber ich möchte, dass Ihr wisst, dass Ihr in keiner Sekunde allein seid. Das Leben eines Menschen auf Erden ist knapp bemessen, manchmal zu knapp, aber dennoch kann durch ihn Veränderung geschehen.“ Tenten sah ihn an und zum ersten Mal seit Tagen kehrte der Glanz in ihre Augen zurück. Der alte Mann wusste nicht, was sie fühlte. Niemand wusste es, aber auf irgendeine merkwürdige Weise schien Trost aus den einfachen Worten des Alten zu kommen, der unbeholfen versuchte eine junge Frau zu trösten. Ihr Lehrer lächelte, als er sah, wie sie ihn endlich richtig ansah. Sarutobi-sensei knetete seine schon abgearbeiteten Hände, sie wusste, was jetzt kam, denn so hatte er bisher immer versucht sie aufzuheitern. „Als Konoha seine Anfänge nahm, standen die Menschen vor dem Nichts. Die Menschen lebten ohne ein System zusammen, sie hatten nichts, was ihnen das Leben vielleicht verschönert hätte. Es war ein trostloses Dasein und in den wenigsten Familien gab es so etwas wie Freude oder Harmonie. Die damaligen Kriege hatten sie alle zermürbt, aber dann kamen Eure Vorfahren, Tenten-hime.“ Er blickte sie warm an, als würde er ihr selbst ein Kompliment machen. Der Alte räusperte sich. „Sie waren anders als die Menschen hier: Sie hatten Hoffnung. Und dann bauten sie die Städte wieder auf und für die Bewohner Konohas wurden sie zu Helden, die plötzlich aufgetaucht waren und sie zurück ins Leben zerrten. So … war es nicht ungewöhnlich, dass irgendwann einer von ihnen der Herrscher über dieses Land wurde und ihm endlich Frieden brachte. Natürlich gab es Leid, aber jetzt waren die Menschen bereit zu kämpfen. Dieses Land“, sagte Sarutobi langsam, „ist ein Land, das unzählige Narben davon getragen hat, es ist ein Land, das sich immer nach Frieden gesehnt hat und um ihn gekämpft hat. Es gab Freude und Leid, aber die Menschen gaben nicht mehr einfach auf. Sie vertrauten einander und irgendwann waren sie alle Teil eines großen Ganzen. Es herrschte Harmonie…“ „Jetzt nicht mehr“, sagte Tenten leise, „jetzt nicht.“ - „Doch“, sagte der alte Mann, „in ihren Herzen kämpfen sie noch, sie sehnen sich nach Frieden, sie vertrauen auf eine bessere Welt und sie warten auf den einen, der sie dahin führen kann. Sie warten auf Euch, Tenten-hime.“ Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich wieder wachgerüttelt. Die Worte Sarutobi-senseis berührten etwas in ihr. „Sie warten auf Euch“, sagte er noch mal, „weil sie Euch vertrauen. Wie ich Euch vertraue. Ihr dürft Euch nicht vollends aufgeben, die Menschen brauchen Euch.“ Tenten sah ihn an und ihr Blick wechselte von ausdruckslos zu verzweifelt. „Ich kann das nicht schaffen“, rief sie auf einmal, „ich kann das nicht, nicht ohne…“ Sie verstummte, als sie merkte, dass sie schon wieder an ihn gedacht hatte. Tagsüber hatte sie seinen Namen verdrängt, weil von ihr erwartet wurde, dass sie ihre Rolle spielte. „Wer, wenn nicht Ihr, wäre in der Lage dazu?“, stellte er die Gegenfrage. Tenten schwieg und ihr war so, als wäre jeder weitere Einwand ihrerseits überflüssig, da ihr Lehrer bereits sein Urteil gefällt hatte. „Ich trauere der Vergangenheit nicht nach, Tenten-hime“, sagte er dann und faltete seine alten Hände im Schoß zusammen, „ich vermisse die Zeiten, in denen ich noch töricht war und unerfahren, ja. Aber ich bin niemand, der seinen Blick immer wieder zurückwirft, denn vor uns liegt vielleicht eine Zukunft, die vielleicht mehr bieten kann als die Vergangenheit. Eine Zukunft, in der sich die Menschen verstehen und in der es keine Kriege mehr gibt. Wenn ich eines gelernt habe zu hassen, dann war es der Krieg…“ „Es gibt kein Ende für den Krieg“, sagte Tenten bitter, „es gibt kein Ende des Leides, denn solange etwas Gutes in der Welt war, war auch immer Hass da. Trauer. Leid. Ist das gerecht?“ Der alte Mann sah sie nun durchdringend an, prüfend beinahe, dann richtete er den Blick auf ihre Notizen. „Ich habe versucht Euch viel beizubringen, Tenten-hime, aber das meiste davon war wohl nichts als Unsinn.“ Er lächelte sanft. „Dennoch stellt Ihr mir eine Frage, die die Menschen seit Äonen von Jahren beschäftigt und wie all die Menschen vor mir, stoße ich hier an meine Grenze. Ich kann Euch Ratschläge erteilen, aber nichts von dem würde an die Wahrheit herankommen. Es gibt nur eine einzige Sache, die ich Euch bitte, Euch zu merken.“ Mit einem Mal war seine Stimme fest und durchdringend geworden, sodass Tenten erahnen konnte, mit welcher Leidenschaft er früher für seine Ideale eingetreten war. Er sah ihr tief in die Augen und zum ersten Mal nahm die Erbin Konohas das leidenschaftliche Funkeln in den saphirblauen Augen wahr, die sie klar und direkt ansahen. Ihre Lippe bebte. „Was ist es?“, fragte sie langsam. Stille herrschte nun im Raum, geladen von einer Spannung, die Tenten in keiner einzigen ihrer Stunden bei Sarutobi-sensei erlebt hatte. Er hatte ihr so viel beigebracht, aber sie spürte, dass er ihr jetzt das Wichtigste sagen würde. „Hoffnung“, sagte er schlicht. „Ihr wart die Einzige, die den Menschen Hoffnung gab. Ihr veranlasstet die Versorgung Dörfer, die eigentlich dem Hungertod geweiht waren. Ihr habt Euch dafür eingesetzt, dass die Verletzten versorgt wurden, obwohl man sie eigentlich zurückgelassen hätte. Ihr habt das Bündnis mit den Naras möglich gemacht mit einer Bestimmtheit, die niemand sonst gehabt hätte.“ - „Ich-“, fing Tenten an, doch sie wurde durch ein deutliches Klopfen an der Tür daran gehindert weiter zu sprechen. Beide fuhren herum. Tentens Lehrer war der Erste, der sich wieder fasste. „Herein.“ Die Tür glitt zur Seite auf und ein Diener verbeugte sich tief vor Tenten und dem Alten. „Tenten-hime“, murmelte er, „Euer Vater hat mir befohlen, Euch zu ihm zu bringen. Er möchte Euch etwas Wichtiges mitteilen.“ Tenten nickte. In letzter Zeit war es häufiger als sonst vorgekommen, dass ihr Vater mit ihr sprechen wollte. Nachdem sie in jener Nacht erst nach Mitternacht zurückgekehrt war, hatte Mao-Chéng begonnen, sie sorgsamer zu beobachten als sonst. Da half nicht mal Kakashis Erklärung, dass er Tenten mit Fieber gefunden hatte, nachdem sie sich verlaufen hatte. Krankheit war eine gute Ausrede und so hatte sie eine Woche das Bett gehütet und war mehr als froh, dass sie niemanden sehen musste. Doch trotzdem war ihr Vater misstrauisch geworden und Tenten wusste, dass er etwas ahnte. „Hat er erwähnt, worum es sich handelt?“ Der Mann verbeugte sich noch tiefer. „Nein, Tenten-hime, nur, dass es sehr wichtig sei.“ Sie bekam mit, wie Sarutobi-sensei skeptisch eine Augenbraue hob, doch Tenten seufzte nur, raffte dann ihren Kimono und machte Anstalten, den Raum zu verlassen. „Sarutobi-sensei… ich-“ Doch ihr Lehrer lächelte nur. „Wir fahren ein andermal mit dem Unterricht fort, Tenten-hime. Nun geht.“ Tenten trat durch die Tür, doch als sie sich noch einmal umdrehte, kam ihr das Lächeln des alten Mannes auf einmal eiskalt vor. Als wüsste er etwas, das ihr entgangen war. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Hinata hatte sich zurückgezogen. Nejis Tod war wie eine böse Vorahnung gewesen, die plötzlich wahr geworden war. Der Alptraum hatte sich in Realität verwandelt und sie hatte den einzigen Menschen verloren, der sich je wirklich um sie gekümmert hatte. Sie hatte ihr neues Leben akzeptiert, weil er so unbestreitbar an dessen Richtigkeit festgehalten hatte. Hinata hatte ihm geglaubt und erst jetzt, da er nicht mehr da war, merkte sie, wie sehr er ihr fehlte. Neji war der Bruder gewesen, den sie nie gehabt hatte. Und plötzlich war da Leere, der Platz in ihrem Herzen, der ihm galt, war ein schwarzes Loch. Die Wohnung unter dem Dach kam ihr kälter, einsamer vor. Etwas fehlte und Hinata kam nicht darum herum zuzugeben, dass es seine stille Art war, die in völligen Kontrast zu Lee und Naruto stand. Doch auch sie hatten sich verändert. Lee trainierte noch härter als zuvor, wie um sich durch nichts ablenken zu lassen… oder um zu vergessen. Hinata wusste, dass Lee Freundschaft alles bedeutete und vielleicht war das seine Art, mit der Situation umzugehen. Sie konnte nur mutmaßen, dass es für ihn beinahe so schlimm war wie für sie und plötzliche Zuneigung für diesen ihr so unähnlichen Menschen keimte in ihr auf. Im Gegenteil zu Lee verhielt sich Naruto… seltsam. Immer öfter schien er abwesend, seine sonst so direkten Sprüche wurden rar und er schien häufig in Gedanken zu sein. Er wich ihnen aus und es tat ihr mehr weh als die Ignoranz, die andere, die Neji gekannt hatten, seinem Tod entgegenbrachten. Die Nadel, auf halbem Wege den Brokatstoff zu durchstechen, blieb in der Luft stehen und Hinata legte das Nähzeug beiseite. Alles hatte sich verändert und es war schlimmer geworden, als sie es sich je hatte vorstellen können. Es war seltsam still in der kleinen Wohnung unter dem Dach und Hinata wurde sich nun noch mehr der Einsamkeit bewusst, die täglich ein wenig stärker wurde. Das Mädchen stand auf und ging zum Fenster. Als sie es öffnete, strömte ihr ein Schwall kalter Luft entgegen. Bald würde es Winter werden, in den Nächten fror es schon und sie wusste, dass sie Nejis Abwesenheit noch deutlicher spüren würde. In der Vergangenheit hatten sie und Neji oft im Winter an einer offenen Feuerstelle in ihrem kleinen Haus am Waldrand gesessen. Er hatte nicht viel gesagt, aber für Hinata war es genug gewesen. Der Gedanke, das niemals mehr tun zu können war… unerträglich? Hinata hatte ihre Familie früh verloren. Ihre Mutter war, als sie zweieinhalb Jahre war, den Folgen einer Fehlgeburt erlegen und ihr Vater Hiashi war gestorben, als sie sechs und Neji sieben war. Seitdem hatten sie allein gelebt, gelegentlich finanziert von Diebstählen, doch noch immer hoffnungsvoll auf ein besseres Leben. „Was machst du hier, Hinata?“, sagte auf einmal jemand hinter ihr, „müsstest du nicht schon längst bei Ino sein?“ Hinata drehte sich um, das blauschwarze Haar fiel ihr über die Schulter und augenblicklich trat ein verlegener Ausdruck auf ihr Gesicht, als sie Naruto erspähte, der lässig an der Wand lehnte. „Na…Naruto-kun?“ - „Ich wollte nur schnell was holen“, winkte er ab und verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. „Oh! Oh, natürlich“, brachte sie heraus. Stille. Hinata wusste nicht, was sie noch sagen könnte und Naruto wandte verlegen den Kopf ab, als er bemerkte, dass sie seinem Blick auswich. Langsam kam er auf sie zu. „Hinata?“ Das Mädchen wich einen Schritt vor ihm zurück, stieß mit dem Rücken gegen den Tisch, auf dem ihr Nähzeug lag. Der Stoff segelte zu Boden, die Nadel kam mit einem fast unhörbaren metallischen Geräusch auf dem Boden auf. „Hinata…“, sagte Naruto wieder, kam auf sie zu und als ihn das Mädchen für einen Moment ansah, erkannte sie, dass Narutos Züge seltsam gequält waren. Als wenn er einen inneren Kampf ausfechten mochte. „Neji mochte den Winter, weißt du?“, flüsterte Hinata unhörbar, „ich habe nie wirklich verstanden warum, weil er unser Leben nur noch schwerer machte.“ Naruto sah sie an und ihr kam es vor, als würde der Moment ewig andauern. „Neji ist tot“, sagte Naruto dann, „er würde nicht wollen, dass du dein ganzes Leben damit verschwendest, um um ihn zu trauern.“ Das Mädchen stolperte über den Stoff und stieß mit dem Rücken gegen das Fenster. Naruto kam näher, einen ernsten Ausdruck auf dem Gesicht, den sie noch nie bei ihm gesehen hatte. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Tränen über ihre Wangen liefen. Ihr Cousin… Neji würde nicht wieder zurück kommen. Naruto hatte Recht. Sie schämte sich wegen ihrer Schwäche und gleichzeitig konnte sie es doch nicht verhindern. „Sieh nach draußen“, sagte Naruto sanft, stellte sich neben sie und Hinata schaute. Draußen war lautes Geschrei zu hören. Kinder liefen über die Straßen, spielend, sorglos. Jemand pries auf dem Markt seine Erzeugnisse an, sie konnte hören, wie ein Mann einem Dienstmädchen hinterher pfiff. „Das da draußen ist die Welt“, sagte Naruto, „die Menschen leben und sterben in ihr und alles dazwischen.“ Er grinste schief. „Wir alle haben ein Schicksal, etwas, für das wir im Leben sind. Vielleicht war Neji dazu bestimmt, etwas zu erreichen, das wir nicht wissen können, vielleicht sollte er sterben. Aber wir können uns nicht ewig in uns selbst verstecken. Die Welt ist da draußen, nicht in unseren Herzen, denn sie sind nur ein Teil von ihr.“ „Na…Naruto-kun… du kannst das nicht verstehen. Er war wie ein Bruder für mich, er hat mich unzählige Male gerettet, mich immer beschützt. Es ist nicht fair! Warum er?“ - „Neji war in letzter Zeit nicht er selbst, das müsste dir aufgefallen sein. Irgendwann musste es dazu kommen, er hatte sich selbst lange vor dieser Mission verloren. … Aber… vorher war er glücklich. Vielleicht das einzige Mal in seinem Leben.“ Hinata sah nach draußen. Sie konnte ihn nicht ansehen, denn er hatte Recht. Neji hatte sich selbst verloren, er war nur noch seiner Pflicht gefolgt und es hatte ihn nicht gekümmert, ob er sie, Lee, Naruto oder Tenten damit verletzte. Irgendwo bellte ein Hund und Hinata konnte nichts weiter tun, als starr auf die Dächer zu blicken, die in dem sanften Licht golden glänzten. „Denk darüber nach, ja?“, sagte Naruto und sie hörte, wie er aus dem Raum trat. Doch bevor er die Tür erreichte, drehte er sich noch einmal um. „Eins noch“, er schien heftiger zu atmen, als handelte er gegen besseres Wissen, „denk nicht, ich weiß nicht, wie du dich fühlst…“ Hinata drehte sich zu ihm um, die Tränen hatten salzige Spuren auf ihren Wangen hinterlassen. Sie sah, wie Naruto die Hände zu Fäusten ballte, wie der Wind, der durch das offene Fenster hereinwehte, seine blonden Haare zerzauste. Er zitterte und eine Emotion, geboren aus tiefster Verzweiflung, trat auf sein Gesicht. Erschrocken wich Hinata zurück. Sie hatte ihn als einen lustigen, immer gut gelaunten, positiven Menschen kennen gelernt. Nie hatte sie gedacht, dass sie ihn einmal so sehen würde. „Denk nicht, dass ich dieses Gefühl nicht kenne“, wiederholte er, „meine Familie ist tot, ich habe sie nie kennen gelernt.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Die gewaltigen Holztüren zum Sitzungssaal Mao-Chéngs schwangen auf und kratzten über den Boden. Der Diener verbeugte sich noch einmal ehrerbietig, bevor er die Türen hinter ihr schloss. Der Raum war hoch und geräumig, in seiner Mitte stand eine lange Tafel, dessen Plätze leer waren und an den Wänden hingen prachtvolle Banner mit fünf Symbolen, die Tenten nicht kannte. Es war derselbe Raum, zu dem ihr Vater Kakashi, Neji und sie bestellt hatte, als sie von den Naras zurückgekehrt waren. Mao-Chéng stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und blickte nach draußen. „Vater? Ihr habt mich rufen lassen?“, begann Tenten vorsichtig. Der Mann drehte sich um, seine Augen hatten einen ernsten Ausdruck und seine Hände glätteten fahrig eine Falte in seinem dunkelblauen Kimono. „So ist es, Tenten.“ Er trat näher zu ihr. „Ich muss mit dir über die politische Situation Konohas sprechen.“ Das war merkwürdig, ihr Vater sprach kaum mit ihr über Politik, er verließ sich darauf, dass Sarutobi-sensei ihr alles Notwendige beibringen würde, bevor sie seiner Meinung nach alt genug war, Verantwortung zu übernehmen. Tenten senkte respektvoll ihren Kopf. Ihr ganzes Leben lang hatte man ihr beigebracht, wie wichtig das richtige Verhalten gegenüber anderen war. Ihr Vater… ihr Vater war da keine Ausnahme gewesen. Tenten konnte sich kaum an Situationen erinnern, in denen er nicht der Fürst Konohas und sie nicht seine Nachfolgerin gewesen war, sondern einfach nur Vater und Tochter. Mao-Chéng war nicht wie normale Väter gewesen, seine Pflicht kam immer noch vor seinen eigenen Interessen. Es beunruhigte sie, dass er allein mit ihr reden wollte. Über Politik. Das war noch nie vorgekommen. Irgendetwas war falsch. „Setz dich, Tenten“, sagte Mao-Chéng und bot seiner Tochter einen Stuhl an. Nervös setzte sich Tenten ihrem Vater gegenüber. Tenten faltete ihre Hände im Schoß und es vergingen mehrere lange Momente, bevor sie sich dazu durchringen konnte ihn anzusprechen. „Vater? Worüber wollt Ihr mit mir reden?“ Mao-Chéngs Blick wanderte zum Fenster und zum unendlichen Himmel. „Konoha steht kurz vor dem Ausbruch eines Krieges, Tenten. Die Rebellen haben fast alle Truppen ausgelöscht, die ich zum Schutz der Bevölkerung ausgesandt habe. Die Naras waren uns eine große Hilfe… wir haben jetzt mehr Informationen und wir werden ihre Truppen bekommen, wenn wir sie brauchen.“ Tentens Herz schlug schneller. In all ihrer Trauer hatte sie nicht bemerkt, was um sie herum geschah. Sie war selbstsüchtig gewesen und hatte die Situation um Konoha fast vollständig verdrängt. Es jetzt so von ihrem Vater gesagt zu bekommen, war wie ein Schlag ins Gesicht und sie schämte sich für ihre Gleichgültigkeit. „Aber das ist nicht alles“, fuhr ihr Vater fort, „sie suchen nach Schwächen und sie wissen, dass ich nicht mehr die Kraft habe, gegen sie anzugehen. Konohas Streitkraft ist gespalten, wir verlieren täglich Männer, die zu den Rebellen überlaufen.“ Er sah ihr direkt in die Augen und Tenten spürte seine Hilflosigkeit, da er nicht das aufhalten konnte, was unvermeidlich kommen würde. Chaos. Konoha würde im Krieg untergehen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Aber was hat das mit mir zu tun?“, fragte sie dann. Tentens Vater sah sie mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck an und auf einmal wirkte er merkwürdig alt, so als hätte er zu viele schlechte Erinnerungen hinter sich und ein Leben, an das er sich nicht mehr erinnern wollte. Als hätte er bereits zu viel Leid erlebt und bereitete sich darauf vor, noch eine weitere Schuld auf sich zu lasten. „Wir brauchen eine vertrauensvolle Führung, ein Zeichen, dass wir nicht aufgeben werden und Konoha nicht freiwillig der Grausamkeit der Rebellen überlassen werden.“ Er holte tief Luft. „Du wirst heiraten, Tenten. Nur so erhalten wir dauerhaften Frieden in Konoha.“ Ihr ganzer Körper versteifte sich. Heiraten? Das bedeutete eine arrangierte Ehe, ein Leben, das sie nicht wollte. Das bedeutete einen Käfig, der ihr ihre Freiheit nahm. Es war das Eine, das sie niemals gewollt hatte und ihr Vater wusste das. Tenten war ihr Leben lang auf die Machtposition, in der sie sich befinden würde, vorbereitet worden, aber ein Mann würde eine Frau niemals als Herrscherin neben sich akzeptieren. In ihren Gedanken tauchte ein Bild ihrer Selbst auf. Zurückgedrängt, ihres Erbes beraubt und … allein. Neji… Sie wollte keinen anderen als ihn. Mao-Chéng merkte, wie sie sich verkrampfte, aber er hatte gewusst, dass sie so reagieren würde. Tenten sah es an dem Blick, den er ihr zuwarf. „Was?“ Unglauben sprach aus diesem Wort und Verzweiflung, die sie zu verdrängen suchte. „Du kennst meinen Heerführer Orochimaru?“ Sie nickte mechanisch. „Er hat mir so oft geholfen, Tenten. Ohne ihn wäre Konoha längst dem Untergang geweiht. Ich vertraue ihm mehr als jedem meiner anderen Krieger. Ich wüsste keinen besseren als deinen Ehemann.“ Tenten fühlte sich, als würde sie zu Stein erstarren. Dieser Mann war mehr als doppelt so alt wie sie. Er war … seltsam. Etwas haftete ihm an, das sie nicht deuten konnte. Manchmal kam es ihr so vor, als würde er auf etwas lauern, wie eine Schlage, die kurz davor war, ihre Giftzähne in ihre Beute zu rammen. Sie hatte Orochimaru seit ihrer Geburt gekannt, er war immer bei den Ratssitzungen gewesen, hatte immer an der rechten Seite ihres Vaters gesessen. Er war der oberste Berater ihres Vaters und wahrscheinlich der mächtigste Mann in Konoha nach ihrem Mao-Chéng. Tenten hatte immer gewusst, dass sie ihr Leben dem Wohl Konohas Wohl verschrieben hatte, hatte immer gewusst, dass ihr Pflicht vor allem anderen kommen würde, aber jetzt… Jetzt keimte ein winziger Funken Egoismus in ihr auf. Orochimaru war nicht Neji… „Nein.“ Das Wort war beinahe ein Flüstern, unhörbar, wenn man nicht darauf achtete. Es war ein winziger Trotz und das erste Mal, dass sie wirklich das sagte, was sie wollte. Mao-Chéng sah sie an, als hätte sie ihm einen Mord gestanden. Fassungslosigkeit war mit Unglauben und Entsetzen vermischt. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich ihrem Vater widersetzt. Alles hatte sie für ihn getan; Tenten hatte immer ihr Bestes gegeben um eine gute Nachfolgerin für ihn zu werden, sie hatte gelitten und es hingenommen. Wie man es von ihr erwartet hatte, hatte sie sich immer an die Etikette gehalten, war nie ausfallend geworden. Sie war perfekt gewesen für ihren Vater, den sie stolz machen wollte. „Nein?“ Ein harscher Unterton schwang in seiner Stimme mit. Tenten schluckte, holte tief Luft. „Ich will ihn nicht heiraten.“ Mao-Chéngs Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. „Du hast keine andere Wahl, Tenten. Wir mögen vielleicht mächtig sein, aber auch wir sind den Gesetzen unterworfen. Es ist unsere Aufgabe, für die Sicherheit Konohas zu bürgen. Niemand fragt, was du willst!“ Die junge Frau setzte sich kerzengerade hin, ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte, zitterten. „Es ist das Einzige, das ich mir wünsche, Vater. Bitte… Ihr wisst, dass ich das nicht durchhalten könnte.“ - „Wir sind dazu geboren durchzuhalten!“, brauste Mao-Chéng auf, „ich bin dein Vater und solange du nicht mündig bist, entscheide ich, was das Beste ist. Ich lasse mich auf keine weitere Diskussion ein. Du wirst ihn heiraten!“ Wie ihn Trance schüttelte sie den Kopf. Nein… Nein! Nein… Das konnte er ihr nicht antun, alles nur nicht das! Tenten spürte wie Tränen hinter ihren Augen brannten, aber sie drängte sie mit aller Kraft zurück. Sie würde nicht vor ihrem Vater weinen und ihm die Genugtuung geben, dass sie doch nichts weiter war als eine Frau, die ihre Gefühle nicht im Griff hatte. „Vater… Bitte…“ Mao-Chéng stierte auf den Tisch aus dunklem Holz, dann richtete er seinen Blick wieder auf sie. „Ich will nur das Beste für dich, Tenten. Diese arrangierte Ehe wird dich vor dem Einfluss anderer schützen.“ - „Das Beste, das mich unglücklich macht?“ Ihre Stimme zitterte und sie hasste sich dafür. „Du wirst es später verstehen. Irgendwann wirst du mir diese Entscheidung danken.“ Tenten spürte, wie das letzte bisschen Kraft in Trotz, in Wut floss. „Nein, das werde ich nicht!“, schrie sie, sprang auf und schmiss dabei ihren Stuhl um, der mit lautem Krachen auf dem Boden aufkam. Mao-Chéngs Augen blitzen und auch in seinem Ausdruck war ohne jeden Zweifel Zorn zu lesen. Doch er beherrschte sich und dann trat eine Stille ein, die schlimmer war, als alle Wörter, die sie sich an den Kopf werfen konnten. „Es ist wegen des Samurais, nicht wahr?“ Seine Stimme war so kalt wie Eis und Tenten erstarrte. Er konnte es nicht wissen, er durfte es nicht wissen! „Glaubst du, ich habe es nicht bemerkt?“ Mao-Chéng war nun ebenfalls aufgestanden, ungebändigte Wut in seinem Blick. Tenten wusste nicht, was sie darauf sagen konnte. Sie wollte nicht über Neji nachdenken, sie wollte allein sein und an ihn denken und nur an ihn. Sie wollte allein sein und dabei sich selbst verlieren, bis sie bei ihm war. „Glaubst du, ich habe es nicht gewusst?!“ Seine Stimme war lauter, als sie es je bei ihm gehört hatte. Ohne auf ihre Fassungslosigkeit einzugehen fuhr er fort. „Er ist der Grund, warum du dich so entwürdigend verhältst!“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch und Tenten zuckte zusammen, wich zwei Schritte zurück. „Was weißt du schon von Neji?“, flüsterte Tenten. „Willst du dein ganzes Leben lang einem Toten nachtrauern?!“, spuckte er aus, „er war nur ein Dieb, der das Glück hatte, ein Krieger zu werden. Dein Schicksal ist vorherbestimmt, du wirst die mächtigste Frau, die Konoha je gesehen hat. Was auch immer er dir bedeutet, es ist aussichtslos.“ Tenten war den Tränen nahe. „Dann werde ich eben mein ganzes Leben einem Toten nachtrauern, denn er ist es wert!“ „Er war weniger als alle, die ebenfalls Samurai geworden sind.“ - „Du hast ihn doch selbst anerkannt!“, schrie Tenten, „er ist für Konoha gestorben und für dich!“ Der Fürst Konohas machte einen Schritt auf sie zu. Seine Augen funkelten. „Ich habe ihn anerkannt, weil du es gewollt hast. Seit diesem Moment wusste ich, dass er anders war als alle anderen. Talentiert, ja. Aber ich sehe ja, dass Talent uns immer nur Unglück gebracht hat. Wenn ich mir auch nur vorstelle, was aus Uchiha geworden ist! Ein Verräter, nichts weiter!“, blaffte er. „Neji ist nicht Sasuke!“, argumentierte sie, „Ihr werdet nie herausfinden, ob er loyal gewesen wäre, denn er ist tot“, sagte sie bitter. ‚Gestorben für einen sinnlosen Krieg’, fügte sie in Gedanken hinzu. Mao-Chéng atmete schwer und ließ sich dann wieder auf seinen Stuhl fallen. „Er ist tot. Das ist der Punkt. Ich werde nicht zulassen, dass du ihm dein Leben lang nachweinst. Liebe hat nicht die Macht das Schicksal zu ändern“, sagte er dann, „du wirst Orochimaru heiraten und den Frieden nach Konoha zurückbringen.“ In diesem Moment wusste Tenten, dass sie verloren hatte. Ihre ganze Haltung fiel in sich zusammen, sie war kurz davor in Tränen auszubrechen und wusste doch, dass es sinnlos war. Ganz langsam bewegte sie sich Richtung Tür, das Herz so schwer wie nie zuvor. ‚Verzeih mir, Neji…’, dachte sie. Dann erreichte sie die Tür, sah sich ein letztes Mal nach ihrem Vater um, der jetzt zusammengesunken allein am Tisch saß. Und der Schmerz in ihr brach zum ersten Mal vor ihrem Vater hervor. „Du wirst nicht sehen, wie ich sterbe“, sagte Tenten und legte ihre Hand auf die Brust an die Stelle, wo ihr Herz schlug, „hier drinnen bin ich bereits tot.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Das Gefühl von Seide auf ihrer Haut. Leichter Wind, der an ihren Haaren zerrte und ihre nackten Füße versanken in feinem Sand. Langsam, fast zögernd öffnete sie die Augen und sah sich eingeschüchtert um. Um sie herum war nichts als weißer Sand, ab und zu mal durchbrochen von kleinen Grasbüscheln, die sich ihren Platz erkämpft hatten. Der Himmel war dunkelgrau, mit Wolken verhangen, doch am Horizont ging eine blutrote Sonne unter, die den ganzen Himmel in ein Farbenmeer tauchte. Einen solchen Anblick hatte Tenten noch nie gesehen. Das nächste, das sie bemerkte, war der salzige Geruch, der ihr in der Nase brannte. Sie kannte es nicht. All dies war ihr unbekannt. Der Wind, der Geruch, der Himmel, ja selbst das Gefühl, hier zu sein. Tenten sah verunsichert an sich herunter. Sie trug ein leichtes, luftiges Gewand aus bordeauxroter Seide, die im Wind um ihren Körper flatterte. Es war nicht wie die strengen Kleider und Kimonos, die sie sonst immer trug. Es war ein angenehmes Gefühl, das ihr irgendwie befreiend vorkam. Darunter trug sie nichts… Aber es war egal. Wo auch immer sie war, sie war allein hier und sie wollte nichts lieber als an diesem Ort allein zu sein. Hier konnte sie vergessen… Und dann fiel ihr Blick auf die träge unendliche Masse an Wasser, die sich bis zum Ende der Welt ausstreckte. Ein dunkelblaues Tuch mit weißen Tupfern darauf, die die Gischt der Wellen waren. Es war die pure Unendlichkeit. Das Wasser kam und ging, es rollte an den weißen Strand und zog sich zurück, machte nie einen Schritt zu viel. Es war da und gleichzeitig nicht, es eroberte und wich zurück und die Ewigkeit schien ihr näher als je zuvor. Tenten verstand nicht, warum sie hier war. Warum etwas sie hierher geführt hatte, aber jetzt konnte sie nur einen Gedanken fassen. Das war das Meer. Der Anblick, den sie sich immer gewünscht hatte. Sie ging durch den Sand und blieb kurz vor dem dunklen feuchten Sand stehen, der die Grenze bildete zwischen dem, was war und dem, was sie wollte. Das Mädchen streckte eine Hand aus, berührte das Wasser und kostete kurz seinen Geschmack. Es war salzig, genau wie der Geruch der Luft. Wie viele Menschen hatten dieses Wunder gesehen? Wie viele hatten verstanden, was die Ewigkeit bedeutete und wie viele waren hier gewesen, einfach weil sie traurig waren? Eine lang vergessene Erinnerung keimte in ihr auf. 'Irgendwann zeige ich dir das Meer…'Aber es würde nicht dazu kommen, sie würde Orochimaru heiraten und dann würde Konoha wieder erblühen, wenngleich sie dabei unterging. Doch es war egal… es war ihre Pflicht und ihr Erbe, das sie dazu drängten, alles andere als das Wohl des Fürstentums auszublenden. Sie konnte lediglich da sein und die Stille genießen und davon träumen, wie es gewesen wäre… Der Wind zerrte an der Seide und Tenten fröstelte leicht, der Sand wurde aufgewirbelt und langsam zu den Dünen getragen. Es war als beobachte sie jemand, das Gefühl allein zu sein, war verschwunden. Eine fast unwirkliche Stille trat ein und Tenten hob langsam ihren Blick. Er stand mit dem Rücken zu ihr, sein Blick auf das Wasser gerichtet und dennoch schien er sich ihrer vollkommen bewusst. Er sah ihr nicht in die Augen, aber sie hätte alles darauf verwettet, dass er sie eben noch angesehen hatte. Das dunkle Haar fiel ihm ins Gesicht, seine Bewegungen waren geschmeidiger als sonst, fast als wäre er endlich zur Ruhe gekommen, doch der Blick aus seinen mondhellen Augen war immer noch derselbe. Aber es konnte keine Wahrheit sein, denn er war gestorben. Sie verharrte einen Moment, starrte ihn nur an, unfähig irgendetwas zu tun. Dann machte Tenten einen Schritt auf ihn zu, dann noch einen und schließlich rannte sie. Neji drehte sich nicht zu ihr, nicht mal als sie direkt hinter ihm stand. Sein Blick galt dem Meer. Tenten spürte, wie ihr Atem schneller ging, noch immer erschöpft vom Rennen atmete sie unregelmäßig. Schließlich war es wieder still und dann wandte er sich ganz langsam zu ihr um. Sie konnte nicht sagen, was sie in diesem Moment empfand. Es war alles, was sie sich gewünscht hatte. Ihn noch einmal sehen, ihn nie gehen zu lassen und dann… ja was dann? Ihre Stimme brach, noch bevor sie die Worte richtig geformt hatte. Nejis Augen trafen ihre. „Tenten“, sagte er. Sie wollte es glauben, sie wollte glauben, dass er zu ihr zurück gekehrt war, aber das Gefühl war falsch. „Du bist tot“, flüsterte sie und merkte wie ihr die Tränen in die Augen traten. Neji sagte nichts, er wandte den Kopf ab, als wenn er es nicht über sich bringen könnte, sie in ihrem Wissen zu bestätigen. „Alles versingt im Chaos“, brachte sie nach einer Ewigkeit wie es ihr schien heraus, „Konoha steht kurz vor einem Krieg.“ - „Ich weiß“, sagte Neji, „ich habe es vorausgesehen, aber ich konnte es dir nicht sagen.“ Schweigen. Zögernd trat Tenten einen Schritt näher. Sand zwischen ihren nackten Zehen, die dunkelrote Seide umspielte ihre schlanke Gestalt. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, Neji“, gestand Tenten und konnte nicht verhindern, dass sie sich dabei noch hilfloser fühlte. Auf einmal stand er direkt vor ihr, sie hätte ihn berühren können, wenn sie nur gewollt hätte. Er war so nah und doch unerreichbar und es erinnerte sie an alles, das sie verloren hatte. „Ich kann nicht mehr weiter, Neji“, flüsterte Tenten. Lange sagte er nichts. „Es geht immer irgendwie weiter, Tenten. Ob es nun gut ist… oder schlecht.“ Sie sah ihn an und er sah zurück mit diesen hellen Augen, die niemand anderes besaß. „Ich habe nicht mehr dir Kraft, das Schlechte auszuhalten“, sagte sie und spürte, wie eine einzelne Träne ihre Wange herunterrollte. Im nächsten Moment fühlte sie, wie zwei Arme ihren Rücken umschlossen und dann war da nur noch Nejis Geruch wie in der Nacht im Boot und Tenten weinte nur noch mehr, weil es niemals zur Wahrheit werden konnte. Sie spürte Nejis Atem an ihrem Hals und für einen winzigen Moment waren seine Lippen an ihrer Haut. „Ich weiß, dass du es kannst“, flüsterte er, „es ist nicht zu spät… noch nicht.“ Sie wollte nichts mehr, als für immer bei ihm zu sein, aber sie löste sich von ihm. „Der Weg verschwimmt vor mir“, gab Tenten zurück. Neji sah wieder aufs Meer. „Wir werden mit einem Schicksal geboren, unserem ureigenen Weg, aber wir kennen ihn nicht. Erst im Moment unseres Todes verstehen wir, was wir sind. Doch bis dahin…“ Er sprach nicht zu Ende und Tenten fragte sich plötzlich, ob er sein Schicksal bereits kannte. „Du weißt, was du tun musst“, sagte er dann und Tenten konnte nicht widerstehen, ein letztes Mal ihre Arme um ihn zu schlingen. So standen sie da, bis die Sonne im Meer versank, der Himmel schwarz wurde und nichts mehr durch die Dunkelheit drang. „Glaubst du, dass ich es schaffen kann?“, fragte sie irgendwann und lehnte sich kurz von ihm weg. Seine Hand fuhr über ihre Schulter und die dunkelrote Seide stand mit einem Mal im totalen Kontrast mit seiner weißen Haut. Dann wurde es ganz hell, die Umgebung schwand, verzerrte sich und Nejis Gesicht löste sich in dem Licht auf. Unter ihren Händen war nichts mehr. Er war wieder fort. Wieder hatte sie ihn verloren. Das Licht wurde greller und Tenten hörte ein letztes Mal seine Stimme. „Ich bin bei dir…“ . . . Tenten schrak aus dem Schlaf. Ihr Herz hämmerte wie wild und erst nach einer Weile registrierte sie, wo sie war. Sie war nicht mehr an dem fremden Strand, am Meer mit Neji und mit aller Frustration in ihr erkannte sie, dass es nur ein Traum gewesen war. Neji war tot. Aber da war noch etwas anderes. Ob es nun ein Traum gewesen war oder nicht. Ob es nun Wahrheit oder Lüge war, da war irgendetwas. Die Erbin Konohas setzte sich auf, verließ dann ihr Bett und stand plötzlich vor der Wand, an der Stelle, in die das Geheimfach eingelassen war. Tenten öffnete es und starrte auf ihre Trainingskleidung, das Sonnenschwert Amaterasu und die zwei Teile des Yin und Yang. Lange stand sie so da, doch schließlich griff sie herein, zog die graue Hose und das Kleid darüber an, hängte sich beide Ketten um und verstaute sie anschließend unter der Kleidung. Das Schwert schien ihr wie eine Verheißung, sie würde die Dinge nicht einfach so geschehen lassen. Sie konnte etwas tun und sie würde etwas tun. Hoffnung… endlich wusste sie, was das bedeutete. Ihre Hand umschloss das Schwert. Auf einmal wusste sie, was sie tun musste. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Hinata erwachte davon, dass sie unten ein Geräusch hörte. Normalerweise wäre das nichts Ungewöhnliches gewesen, immerhin lebten sie über einem Stall nahe der Hauptstraße, nicht weit vom Palast, aber diesmal war es anders. Nicht so offensichtlich wie das Wiehern eines Pferdes oder die Geräusche der Nacht. Es war … heimlicher, verbotener… Das Mädchen fröstelte und Hinata spürte, wie Angst in ihr aufkeimte. Was, wenn das ein Einbrecher war? Oder noch schlimmer: ein Rebell, der in die Hauptstadt eingedrungen war? Aber warum machte sie sich überhaupt so viele Gedanken? Es konnte genauso gut Naruto sein, der noch mal nach den Tieren sah. Manchmal, so erinnerte sich Hinata, musste er zu den unmöglichsten Uhrzeiten aufstehen und etwas erledigen. Oder Lee war auf die Idee gekommen, nachts zu trainieren. Aber, was wenn… Der Gedanke ließ ihr keine Ruhe, unruhig wälzte sie sich auf die andere Seite und versuchte es sich auf dem harten Bett so bequem wie möglich zu machen. Zwecklos. Bereits nach zwei Minuten war Hinata hellwach und immer noch in Gedanken an das Geräusch, das sie gehört hatte, versunken. Es half nichts, sie musste sich Gewissheit verschaffen. Leise setzte sie sich auf dem Bett auf, hob ihr Nachtgewand an und schlich dann lautlos zu Narutos und Lees Zimmer, die nur zwei Räume weiter lagen. Vorsichtig öffnete Hinata Lees Tür. Gleichmäßiges Atmen. Nichts. Beruhigt schloss Hinata wieder die Tür. Plötzlich hörte Hinata ein weiteres Geräusch, es klang, als ob jemand eine der Stalltüren öffnete. Hinata erstarrte. Sie hatte sich nicht verhört. Zitternd schlich sie zu der Dachluke, stellte sich so hin, dass man sie von unten nicht sehen konnte und sah ängstlich herunter in den Stall. In der Dunkelheit erkannte Hinata eine Silhouette, zu klein und zierlich für einen Mann. Ausgeschlossen, dass es Naruto war. Die Frau hob gerade einen Sattel auf den Rücken des Pferdes, das sie aus seinem Stall geholt hatte. Das Tier schien völlig ruhig zu sein, was merkwürdig war, da die Tiere sofort panisch werden würden, wenn sich ihnen ein Fremder mitten in der Nacht näherte. Die Fremde saß auf und öffnete dann die Stalltür. Licht fiel auf die Gestalt und Hinata starrte sie an, als hätte sie sie noch nie gesehen. Warum holte die Erbin Konohas mitten in der Nacht ihr Pferd aus dem Stall? „Tenten-hime?“ Keine Antwort. Tenten war längst durch die Tür verschwunden. So schnell sie konnte, stieg Hinata die Stufen herunter, rannte zum Ausgang und sah nur noch, wie die Nacht die Tochter des Fürsten verschluckte. „Tenten-hime!“, rief sie ihr nach, aber Tenten war längst außer Reichweite. Das Mädchen stolperte auf die Straße. Es war still und es war eiskalt. Der Winter stand kurz bevor. Warum hatte Tenten ihr Pferd geholt? Wollte sie Konoha im Stich lassen? Dachte sie, dass es aussichtslos geworden war? Ehe sie es sich versah, rannte Hinata dem Pferd hinterher. Sie musste Tenten aufhalten. Schon nach wenigen Metern war sie völlig außer Atem – und nur zwei Straßen weiter. Tenten war längst außer Sicht. Hinata keuchte, schlug sich innerlich dafür, sich nicht noch etwas übergezogen zu haben und bemerkte so nicht, wie sie in jemanden hineinrannte. Hinata stieß einen spitzen Schrei aus, der blitzschnell von einer Hand gedämpft wurde, die ihr Gegenüber ihr auf den Mund presste. „Bist du wahnsinnig!“, fauchte eine ihr vertraute Stimme und sie hörte augenblicklich mit den Befreiungsversuchen auf. Die Frau ließ von ihr ab. „Ino?“, keuchte Hinata und lehnte sich an eine Hauswand. Ino nickte und schien dann mit den Augen die Umgebung abzusuchen. „Was ist passiert? Warum ist Tenten-“ Sie brach ab, als sie den traurigen Ausdruck auf Inos Gesicht entdeckte. Die Blonde stemmte die Hände in die Hüften, fast um sich selbst wieder etwas mehr Sicherheit zu geben. Eine Weile schwiegen sie, nur unterbrochen von gelegentlichen Keuchen, das ihrer beider Erschöpfung zeigte. „Sie ist weggelaufen“, murmelte Ino dann, „sie hat… ich habe sie noch nie so gesehen, Hinata, ich bin nicht sicher, was sie vorhat, aber wir müssen sie aufhalten…“ Ino ballte die Hand zur Faust und Hinata sah deutlich, wie unsicher sie sich war, „oder mit ihr gehen…“ - „Was?“, flüsterte Hinata. „Du hast mich schon verstanden“, fuhr Ino sie an, „Tenten-hime ist weg, aber nicht ohne Grund. Weck Naruto und Lee auf, wir treffen uns am östlichen Stadtrand, das ist die Richtung, in die sie geritten ist.“ Hinata nickte schnell, wohl wissend, dass Ino keine Ablehnung dulden würde. So schnell sie konnte, rannte sie zurück zum Stall. Sie musste es schaffen, nicht noch einmal wollte sie spüren, wie jemand, der ihr wichtig war, einfach so verschwand. Neji hatte sie gehen lassen, entgegen besseren Wissens. Tenten würde sie nicht gehen lassen, sie würde mit ihr gehen… . . . Tenten sah auf das schlafende Konoha hinab. Alles war vollkommen friedlich und sie merkte, dass auch etwas in ihr selbst zur Ruhe gekommen war. Die Verzweiflung war zwar immer noch in ihr, aber es fühlte sich nicht mehr so nah an, als wenn irgendetwas es abdämpfte. Ein einziger Gedanke war in ihr, so stark, dass sie an nichts anderes mehr denken konnte. Endlich hatte sie wieder eine Aufgabe, einen Grund da zu sein und diesmal würde sie nicht scheitern. Ihre Trauer war stark, aber dieses Neue überschattete es um ein Vielfaches. Ich bin bei dir. Es war nichts weiter als ein Traum gewesen, aber er war stärker als jeder der Versuche Außenstehender sie wachzurütteln. Wenn er doch nur wahr sein könnte… Innerlich schlug sie sich bei diesem Gedanken. Sie war selbstsüchtig und egoistisch gewesen, hatte nicht begreifen wollen, dass das Leben auch ohne ihn weiter ging und erst im letzten Moment hatte sie begriffen, was wirklich wichtig war. Was sie tun musste. Vielleicht würde sie nicht zurückkommen. Vielleicht war dies das letzte Mal, dass sie ihr Zuhause sah und vielleicht würde sie sterben, genau wie Neji. Aber zum ersten Mal tat sie etwas, das richtig war. Etwas, das schon längst getan hätte werden müssen. Sie hatte sich von niemandem verabschiedet, fiel ihr dann ein. Aber würde sie jemand vermissen, nicht nur, weil sie die Tochter des Fürsten war? Tenten seufzte. Sie wusste es nicht, aber sie hoffte, dass ihr Vater ihr irgendwann verzeihen konnte. Er musste denken, dass sie vor der arrangierten Ehe davonlief und nicht etwas tun wollte, das sie alle retten konnte. Würde er sie für eine Verräterin halten? Tenten konnte nur daran denken, dass es noch nicht vorbei war. Es war nicht zu spät… Würde Ino sie vermissen? Hinata? Beide waren auf eine merkwürdige Weise plötzlich zu ihren Freundinnen geworden und so fühlte sie Reue, als sie daran dachte, sie ohne ein Wort zurückzulassen. Würde Sarutobi-sensei verstehen, warum sie ging? Hoffnung… Tenten verstand, was er gemeint hatte, aber gleichzeitig war in ihr die Angst vor dem, das kommen mochte. Die Chance, dass man sie tötete, wenigstens gefangen nahm, war nahezu höchstwahrscheinlich. Es gibt keine Hoffnung, keinen Mut ohne Angst. Sie hätte nicht sagen können, woher der plötzliche Gedanke gekommen war, aber sie musste sich eingestehen, dass es sie etwas beruhigte. Fühlte sich so ein Krieger, der vor seiner ersten Schlacht stand und nur die Optionen Tod oder töten zur Auswahl hatte? Hatte Neji sich so gefühlt? Tenten umschloss den Griff Amaterasus und schlang den Mantel, den sie über ihrer Trainingskleidung trug, enger um sich. Ein paar Lichter waren noch in der Stadt zu sehen, ihr Pferd scharrte nervös mit den Hufen. Sie hatte Lebensmittel und Kleidung, die für etwa zwei Wochen reichen würden, aber wo sollte sie anfangen zu suchen? Ihre Suche konnte sie durch das ganze Land führen. Für einen Moment war da wieder die Unsicherheit, das flaue Gefühl im Magen und die Angst vor der Ungewissheit. ‚Ja’, entschied Tenten dann, ‚es musste sich genauso anfühlen’. Aber diesmal würde sie den Dingen nicht einfach ihren Lauf lassen. Diesmal war sie es, die die Dinge lenkte, diesmal würde sie kämpfen. „Tenten-hime?“ Erschrocken drehte Tenten sich um. Ino stand hinter ihr, offensichtlich sehr erschöpft. Sie musste den ganzen Weg gerannt sein. Aber wenn sie hier war, dann hieß das, dass man ihre Flucht bereits entdeckt hatte. Die Soldaten ihres Vaters mussten schon nach ihr suchen. „Was tust du hier, Ino?“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme leicht unsicher klang. „Dasselbe könnte ich Euch auch fragen, Tenten-hime“, gab ihre Dienerin zurück, „warum… warum seid Ihr fortgelaufen?“, fügte sie dann hinzu. Tenten sah sie an. Das blonde Haar fiel ihr strähnig ins Gesicht und ihre Augen blickten sie verzweifelt, verständnislos an. Es war wie ein Stich in ihr Herz Ino so zu sehen, noch immer um sie besorgt, selbst, wenn sie allen den Rücken kehrte und sie zurückließ. Tenten bemerkte wie Inos Blick über ihre Kleidung und über das Schwert an ihrer Hüfte huschten und sich ihre Augen in Unverständnis weiteten. „Du kannst mich nicht aufhalten, Ino“, sagte Tenten. Ihre Hand lag auf dem Griff Amaterasus, mit der anderen hielt sie ihr Pferd am Halfter fest. Ino starrte noch immer auf das Schwert, dann wanderte ihr Blick zu Tentens Gesicht. Erst zögerte sie, dann trat sie einen Schritt auf Tenten zu und die Erbin Konohas konnte nicht anders, als ihren Mut und ihre Treue zu bewundern. Zuvor waren sie durch die Tore Konoha-Gakures getrennt gewesen, aber jetzt überschritt Ino die Grenze und kam auf sie zu. Tenten empfand es fast wie das Zurücklassen ihrer ganzen Welt. „Ich werde Euch nicht aufhalten, wenn dies Euer Wunsch ist, Tenten-hime“, sagte Ino und Tenten hörte aus diesen Worten ihre innere Stärke heraus, die ihr noch nie so sehr wie in diesem Moment imponiert hatte. „Ich habe all die Zeit gesehen, wie Ihr gelitten habt“, fuhr sie fort, „so kurz davor aufzugeben… aber jetzt…“ Sie kam zwei Meter vor Tenten zum stehen. „Aber jetzt habt Ihr ein Ziel, ich werde Euch nicht im Stich lassen. Wenn es nötig wäre, würde ich mein Leben für Eures geben. Ich lasse Euch nicht gehen, … nicht allein, Tenten-hime.“ Tenten sah sie an und sah sie mit völlig anderen Augen. Erfolglos versuchte sie zu verbergen, wie gerührt sie war. „Ich habe dir doch gesagt, dass du mich nicht Tenten-hime nennen sollst“, wisperte sie, „ich bin deine Freundin Ino, ich bin Tenten, nichts weiter.“ Ino sah sie an und zaghaft breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und Tenten fragte sich, ob auch sie an die vielen Male dachten, da sie über dieses Thema gesprochen hatten. Tentens Blick wanderte über die wenigen Lichter der Stadt, die in der Finsternis so golden glitzerten wie Inos Haar. Nie hatte es eine Zeit ohne sie gegeben, Ino war immer da gewesen und erst jetzt wurde Tenten klar, wie viel ihr das bedeutet hatte. Aber sie… sie konnte Ino doch nicht wohl wissend dieser Gefahr aussetzen. „Ich-“ Huftrappeln unterbrach sie und dann stürzten drei Pferde durch das Stadttor Konohas. Auf zweien saßen Reiter, der Rücken des dritten war leer. Erschrocken wich Tenten in die Schatten zurück, sodass man ihr Gesicht nicht sofort erkennen konnte. Die Tiere waren nur noch wenige Meter entfernt und dann brachten die Reiter sie sanft zum Stehen. Totenstille lag über der gesamten Szenerie und Tenten konnte ihren eigenen Herzschlag hören. „Ino?“ Tentens Herz machte einen Satz, das waren keine Soldaten, das waren… „Lee? Hinata?“, fragte Ino zurück und als sie näher kamen, erkannte auch Tenten die beiden. Hinata war bleicher als sonst, schien verunsichert und schob sich immer wieder nervös eine Strähne aus dem Gesicht. „Na endlich!“, rief Lee erleichtert, „ich dachte schon, wir müssen noch länger in dieser Dunkelheit herumirren.“ - „Ich bin sicher, Hinata hat genau gewusst, wo wir uns treffen wollten, nur du warst mal wieder zu blöd gleich auf sie zu hören“, fauchte Ino zurück. „Wir hatten ein paar Schwierigkeiten und nur meinen Einfällen ist es zu verdanken, dass wir überhaupt ungesehen da hindurch kamen.“ -„Natürlich“, fertigte Ino ihn ab, ohne ihn ernst zu nehmen und wandte sich dann Hinata zu: „Wo ist Naruto?“ Mit einem Schlag wich alle Farbe aus Hinatas ohnehin schon fast weißem Gesicht und Tenten erkannte, dass sie zitterte. „Hinata?“, flüsterte Tenten und mit einem Schlag lag die gesamte Aufmerksamkeit wieder bei ihr. Hinata schrak zusammen und Lee starrte sie voller Verblüffung an. Peinlich berührt wandte Tenten die Augen ab, nachdem sie realisiert hatte, dass Hinata und Lee ihre Kleidung, das Gepäck und Amaterasu anstarrten. „Tenten-hime.“ Hinatas Stimme war noch zarter als sonst und in der Dunkelheit war sie fast unhörbar. Auf einmal fiel Tenten auf, dass auch Hinata in Reisekleidung gekleidet war und dass ihr Pferd Taschen trug in denen höchstwahrscheinlich Lebensmittel waren. „Wo ist Naruto?“, zischte Ino schließlich durch die Stille, packte Lee am Kragen und achtete nicht auf Hinata oder Tenten, „Hinata sollte euch doch beide mitbringen.“ - „Das hat sie auch“, erwiderte Lee, „aber es war nicht so leicht wie du glaubst. Irgendwann auf der Hauptstraße haben uns Soldaten verfolgt, sie müssen gewusst haben, dass Tenten abgehauen ist.“ Tenten zuckte unter der Direktheit seiner Worte zusammen und musste ihm im Inneren ihres Herzens Recht geben. Das, was sie tun wollte, musste getan werden. Aber es war nicht der einzige Grund. Das, was sie tat, war im Grunde nichts mehr als eine einfache Flucht. Flucht vor einer arrangierten Ehe, an der sie zugrunde gehen würde. Flucht vor ihren Gefühlen, an denen sie zerbrechen würde, wenn sie noch länger untätig blieb. „Naruto hat gesagt, dass er sie aufhält“, fuhr Lee fort, „Er-“ - „Naruto wird nachkommen.“ Hinatas Stimme zitterte, aber Tenten erkannte trotz allem ihren tiefen Glauben in diesen Gedanken und ihr Vertrauen in Naruto. Oder war das nur ein letzter Faden, an den sie sich klammerte? „Dann habt ihr ihn zurückgelassen?“, fragte Ino und mit einem Mal war da mehr Ernst in ihrer Stimme, vermischt mit einer Abgestumpftheit, die Tenten noch nie bei ihr gehört hatte. Es schnürte ihr die Kehle zu. „Er wird nachkommen“, sagte Hinata abermals. Ino ließ Lee los. „Dann haben wir keine Wahl“, erklärte sie kurz angebunden, „wir müssen sofort aufbrechen, oder sie finden uns.“ Alle Augen lagen wieder bei Tenten. Sie sahen sie erwartungsvoll, hoffnungsvoll an, mit dem Glauben daran, dass sie einen Ausweg gefunden hatten. Tenten schauderte und wünschte sich, dass sie ihnen nicht sagen müsste, dass dieser Weg vermutlich in die Hölle führte. „Ich kann euch nicht mitnehmen.“ Verständnislos sah Ino sie an. „Natürlich, wir lassen Euch nicht im Stich.“ - „Es geht nicht darum, dass ihr mich im Stich lasst, Ino“, erwiderte Tenten, „wenn ihr mit mir kommt, kann es sein, dass ich euch…“, sie schluckte, „gezwungen bin, euch im Stich zu lassen.“ Stille. Ein Pferd wieherte, Hufe scharrten über den Boden und dann war Lee auf einmal direkt vor ihr, drückte Ino das Halfter des zweiten Pferdes in die Hand und sah sie direkt an. Sein Blick war anders. Zu dem gewohnten Enthusiasmus war Ernst hinzugekommen und als er sprach, fühlte es sich an, als würde auch beides in seiner Stimme sein. Verrücktheit und das Wissen, was er tun musste. „Glaubst du wirklich, dass ich mitten in der Nacht aufstehe, durch die halbe Stadt hetze und dann noch gesagt bekomme, dass ich wieder gehen kann? Hältst du mich für so schwach, Tenten, Tochter Mao-Chéngs, dass ich mich nicht selbst verteidigen kann?“ Sie wich seinem Blick aus und wusste doch, dass sie ihn nicht umstimmen konnte. „Tenten-hime“, sagte Hinata, „ich habe Neji verloren, ich lasse nicht zu, dass ich auch noch Euch verliere. Ihr habt mir immer geholfen und jetzt“, ihr Stimme zitterte doch zum ersten Mal ließ sie sich nicht beirren und überwand ihre Schüchternheit, „helfe ich Euch.“ Ino verschränkte die Arme. „Wir lassen Euch nicht allein gehen, Tenten-hime.“ - „Genau“, warf Lee ein, wir folgen Euch überall hin“, er grinste, „selbst, wenn es die Hölle ist. Schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden.“ Tenten sah sie an, ihr Blick wanderte von Inos sturem Gesichtsausdruck zu Hinata, die sie entschlossen ansah und zu Lee, der enthusiastisch die Faust in die Luft gestoßen hatte. Freunde… Tränen traten ihr in die Augen und sie wusste, dass sie immer zu ihr halten würden. Sie würden ihr folgen, egal ob es ihr Tod sein würde oder nicht. Noch nie hatte jemand etwas Vergleichbares für sie getan. Sie spürte, wie ihr Herz direkt unter den beiden Hälften des Yin und Yang pochte, sie hörte Nejis Worte, die er zu ihr im Traum gesprochen hatte. Ich bin bei dir. Ino, Hinata, Lee und auch Naruto ließen sie nicht gehen. Auch sie würden bei ihr bleiben, egal was auch kommen mochte. Und Tenten fragte sich, wann ihre Freundschaft so stark geworden war. Die Sonne ging auf, blendete sie alle und tauchte den Horizont in blassrosafarbenes Licht. Tenten sah sie nach einander an. „Ihr wollt wirklich mit mir kommen?“, fragte sie noch mal und keiner von ihnen zögerte mit einer Antwort. Lee brüllte seine Zustimmung, Hinata nickte ernst und Ino lächelte triumphierend. Die Erbin Konohas drehte sich dem Licht entgegen, eine Hand am Griff Amaterasus. Irgendwo in der Ferne hörte sie, wie die Stadt erwachte. Irgendwo dort waren die Soldaten. Naruto. Ihr Vater. Und Orochimaru. Sie ließ sie alle zurück, denn sie hatte den einzigen Ausweg gefunden. „Ich beabsichtige Konoha zu retten“, sagte Tenten, „ich werde zu den Rebellen gehen.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Ich weiß, dass ich lange nichts mehr hochgeladen habe, obwohl ich gesagt habe, ich versuche für jeden Monat was zu schreiben... - tja hat irgendwie nicht hingehauen *drop* Dafür erreicht dieses Kapitel mal wieder eine Länge, die ich so eigentlich nicht geplant hatte, aber das kennt ihr ja jetzt schon ^^ Ich muss sagen Decision (Entscheidung) ist eins meiner Lieblingskapitel. Es zeigt wie Tenten beinahe an Nejis Tod zerbricht, dann wie sie erstmals anfängt zu ahnen was wichtig ist und was es bedeutet die Erbin Konohas zu sein. Dann der Konflikt mit ihrem Vater (Dachtet ihr es könnte nicht mehr schlimmer kommen? *muhahahaha*) und Mao-Chéng wusste alles... Habt ihr wirklich gedacht, der bemerkt das nicht? Na ja, dann gab es dramatische-Romantik, wenn man es denn so nennen darf und dann natürlich den Freundschaftspart und den Teil, wo ihr jetzt endlich meine nächsten Kapitel erahnen könnt *muhahahaha* Die Rebellen lasse ich doch nicht unter den Tisch fallen, Leute XDD Gebatet hat dieses Mal . Vielen Dank dafür ^^ Ach ja, vielleicht möchtet ihr ja mal in eine neue andere FF von mir hereinschauen: Nachtfalter http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/226716/ Über Kommentare würde ich mich sehr freuen ^^ hel moony Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)