Samurai von moonlight_005 ([NejiTen] Teil 1 der Samurai-Trilogie) ================================================================================ ~ Kapitel 21: Sorrow ~ ---------------------- ~ Kapitel 21: Sorrow ~ Tränen reinigen das Herz. [Fjodor Michailowitsch Dostojewski] - ~ [ ♥ ] ~ - Es waren drei Tage vergangen, seit die Einheit unter der Führung Hayate Gekkos Konoha-Gakure verlassen hatte. Drei Tage, in denen Tenten immer und immer nervöser wurde. Sie war ungeschickt bei ihren Kalligraphiestunden, sodass Sarutobi-Sensei sie mehr als einmal ermahnen musste und wenn sie sich konzentrieren und zuhören sollte, schweiften ihre Gedanken ab. Ihr Blick war weit in die Ferne gerichtet, nichts wollte ihr wirklich gelingen, so sehr sie sich auch anstrengte… Eine ungute Vorahnung hatte von ihr Besitz ergriffen. Immer und immer wieder tauchte das Bild von einer Staubwolke in ihrem Geist auf, die eine Gruppe Reiter hinterließ. Auf irgendeine Art und Weise lag etwas in der Luft, das in ihre Gedanken trat, sobald sie an den schweigsamen Samurai dachte. Sie schien auf irgendetwas zu warten, obwohl sie nicht wusste, was das genau sein könnte. Es tat jedes Mal weh, ihn gehen zu lassen. Warum sollte es also jetzt anders sein? Lange hatte sie versucht es auszuhalten und sich nicht anmerken zu lassen, was in ihr vorging. Aber sie konnte sich auch nicht ewig verleugnen. Tenten war stark gewesen, so wie man es von ihr erwartet hatte, doch ihre Gefühle waren dieselben geblieben. Ganz langsam, ohne Eile zerstörte es sie… Die Tochter des Fürsten sah aus dem Fenster. Es war eigenartig ruhig in Konoha-Gakure. Der Himmel war grau und die meisten Menschen waren bereits in ihren Häusern. Tenten stand auf und der seidene graue Kimono fiel wie ein Wasserfall an ihr hinab. Hinata hatte ihn genäht und der schlichte Stoff mit den wenigen Mustern war ihr wirklich gut gelungen. Ino hatte sich sehr über ihre Fortschritte gefreut und auch Tenten liebte das Gefühl der Seide auf ihrer Haut. Doch jetzt war da keine Freude mehr. Sie fühlte nichts außer dem bohrenden Gefühl der Angst, das mit den Tagen immer schlimmer wurde. Sie ging auf nackten Füßen zur Tür, schob sie auf und verließ langsam den Raum. Es war Zeit mit ihrem Vater zu essen und er schätzte es gar nicht, wenn sie ihn warten ließ. Sie spürte das Holz unter sich, seine glatte, kalte Oberfläche und die kühle Luft, die ihr schon jetzt entgegen kam. Tenten ließ ihren Blick über die Stadt draußen gleiten. Es ging ein eisiger Wind, der um die Häuser strich. Drinnen mussten die Menschen beim Abendmahl sitzen und gemeinsam essen. Manche würden genug haben, andere vielleicht ihr letztes Brot aufteilen. Es war einer dieser Tage, die geräuschlos und traurig an einem vorbei zogen, kurz ins Leben traten und dann wieder verschwanden. Bald würde es wohl zu regnen anfangen. Tenten fröstelte. Sie war am Ende des Ganges angekommen und streifte sich geschickt ihre Holzsandalen über, die schon für sie bereit lagen. Es war selten, dass sie ohne Diener nach draußen ging, aber heute war es ihr gerade recht. Ein bisschen erinnerte es sie an ihre Kindheit, in der sie fast täglich versucht hatte, den Dienern ihres Vaters zu entkommen, um zu spielen wie andere Kinder. Die strengen Regeln des Adels hatten sie mürbe werden lassen, sie hatte sich nach etwas ganz anderem gesehnt. Auf einmal hörte sie im Innenhof des Palastes zwei Soldaten miteinander reden und sah sie aufgeregt gestikulieren. Sie blieb stehen und beobachtete die beiden. Tenten hörte Wortfetzen heraus, die augenblicklich ihr Herz höher schlagen ließen. „Sie sind zurück.“ „Was?“ „Hast du es noch nicht gehört? Sie sind am Tor…“ Tenten wartete nicht, ohne zu überlegen lief sie auf die Zwei zu, die sich sofort bis auf den Boden vor ihr verneigten. „Worüber habt ihr gesprochen?“, fragte sie, ohne auf ihre Reaktion zu achten. Der größere von beiden, der sich augenblicklich tief vor ihr verneigt hatte, erhob sich auf ihren Wink hin. Er hatte zwar noch immer den Blick gesenkt, doch Tenten beachtete es nicht. „Ihr habt über die Einheit Hayate Gekkos gesprochen, nicht wahr?“ „Tenten-Hime“, murmelte der eine. „Sieh mich an“, sagte sie ungeduldig. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Es war gut. Er war wieder da, ihm war nichts passiert. Der Soldat sah ihr in die Augen und antwortete: „Es ist richtig. Hayate Gekko ist zurückgekehrt. Sie haben zwar Verluste erlitten, aber die meisten, die ausgeschickt wurden, sind zurückgekehrt.“ Noch nie in ihrem Leben hatte sie eine größere Dankbarkeit verspürt. Er war am Leben, er war zu ihr zurückgekommen… „Wie heißt du?“, fragte sie den Mann. „Kenji, Tenten-Hime und das“, er deutete auf den anderen Mann, „ist mein Bruder Isamu.“ Tenten ließ sich seinen Namen durch den Kopf gehen. „Bring mich zu Hayate Gekko, Kenji, und du sagst meinem Vater Bescheid, dass ich mich verspäten werde, Isamu“, wandte sie sich an Kenjis Bruder. Die beiden Männer warfen sich einen Blick zu, aber sie gehorchten sofort. Während Isamu sich auf den Weg zu ihrem Vater machte, bedeutete Kenji ihr ihm zu folgen. Wie Tenten feststellte, war Kenji zwar ein eher ruhiger Mann, aber er schien auch zuverlässig. Sobald sie das Anwesen verlassen hatte, führte er sie zielsicher über die kürzesten Wege zum nördlichen Stadttor, durch das Neji auch Konoha-Gakure verlassen hatte. Die schweren Stadttore wirkten riesig und waren etwa zur Hälfte geöffnet. Ohne, dass sie es bemerkte, beschleunigte sich ihr Schritt, sodass Kenji Mühe hatte mit ihr mitzuhalten. Sie würde nicht mit Neji sprechen, aber sie wusste auch, dass es sie schon beruhigen würde, wenn sie ihn sah. Als sie näher gekommen war, sah Tenten eine Menschenmasse. Die Menschen schienen aufgewühlt und redeten laut miteinander. Die meisten Anwesenden waren Schaulustige, aber Tenten sah auch einige Soldaten und Samurai, die die Ankömmlinge begrüßten. Sie erkannte auch Naruto, Hinata und Lee, die etwas abseits standen und das Geschehen beobachten. Kenji bahnte ihnen einen Weg durch das Getümmel, er rief ihren Namen und sofort machten die Leute Platz. Tenten hörte, wie sie leise miteinander flüsterten. Es war ungewöhnlich, dass sie sich in die Öffentlichkeit begab, ohne eine Dienerin oder mindestens zwei Leibwächtern. Es war überhaupt ungewöhnlich sie außerhalb des Anwesens anzutreffen. Tenten trat vor die Tore Konoha-Gakures, wo die Männer nieder knieten. Viele waren verletzt oder hatten Brandwunden und… es waren erheblich weniger als aufgebrochen waren. Sie hielt nach Neji Ausschau, ließ den Blick über die Gestalten gleiten. Die Tochter des Fürsten spürte, wie sie erstarrte. Noch einmal huschte ihr Blick schnell über die Soldaten, hielt bei jedem Gesicht inne und suchte nach dem einen, das sie sehen wollte. Er war nicht da… Neji war nicht da! Was bedeutete das? Hatten sie ihn zurückgelassen? War er verletzt und hatte die anderen vorausgeschickt? Auf einmal löste sich eine hochgewachsene Gestalt von den Soldaten. Er war recht groß und hatte schulterlanges Haar. Tenten erkannte ihn sofort: Es war Hayate Gekko, ein Samurai, der unter ihrem Vater diente. „Tenten-Hime“, sagte er und senkte den Blick. Tenten fühlte sich, als ob das Blut in ihren Adern gefror. Sie zitterte ununterbrochen und wagte es nicht den Samurai anzusehen. Ihre Stimme war brüchig, als sie leise fragte: „Was ist passiert?“ „Es war ein Hinterhalt“, sagte Hayate nach einer kleinen Ewigkeit. Tenten sagte nichts, sah ihn nur an. Irritiert, weil sie nichts erwiderte, betrachtete er ihren Gesichtsausdruck. Vielleicht hatte er erwartet, dass sie ihn für die Niederlage verantwortlich machen würde, vielleicht, dass sie ihm ihr Mitleid aussprach. Ihr Schweigen hingegen war so nichts sagend, wie geheimnisvoll. „Sie haben uns abgedrängt“, fuhr der Samurai sichtlich unwohl fort, „die Rebellen hatten unsere Position lokalisiert und unsere Truppe gespalten…“ „Wo ist er?“, flüsterte sie. Hayate Gekko sah sie an und schwieg. Sie hatte ihn immer als loyalen Krieger ihres Vaters erlebt, aber jetzt war er ein einfacher Mann, der zu viel Leid und Krieg erlebt hatte. Seine Züge verhärteten sich und er schaute zur Seite. Er wusste, wen sie meinte… Langsam, ganz langsam sah sie ihm in die Augen und erkannte die Schwäche darin, die sie nicht sehen wollte. Sie nahm nicht wahr, dass es still geworden war um sie herum. Die Menschen sagten nichts mehr, betrachteten nur die Prinzessin Konohas, die vor ihnen so wurde, wie sie sie nie zuvor gesehen hatten. Tenten war schöner denn je und zerbrechlicher, als sie es je in ihrem Leben sein würde. Es war ein Augenblick, der in der Zeit gefangen zu sein schien. Niemand holte Luft, nur der Wind peitschte über das Feld, über die Stadtmauer, über Konoha-Gakure und durch die Menschenmenge. Er wirbelte durch Tentens Haare und enthüllte ihren Gesichtsausdruck, der wie versteinert war. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Hayate Gekko sich wieder bewegte. Er holte etwas aus seinem Beutel hervor, nahm dann Tentens Hand und schloss ihre Finger darum. Tenten wusste was es war, noch bevor sie die Hand öffnete. „Neji hat die Rebellen abgelenkt, er hat die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, damit wir unsere Formation ordnen konnten.“ Hayate hielt inne, holte dann tief Luft und fuhr fort: „Wir haben gekämpft… für Konoha, für unsere Ehre und für die Gerechtigkeit. Wir haben gekämpft um am Leben zu bleiben.“ In ihren Ohren klang es fast wie eine Rechtfertigung. „Als wir die Rebellen zurückgeschlagen haben, habe ich mich auf die Suche nach Neji gemacht. Der Wald stand in Flammen und er selbst lag mitten im Feuer… das Leben war längst aus ihm gewichen, als ich ihn entdeckte.“ Sie sah ihm direkt ins Gesicht und wollte doch nicht sehen, was da in den Augen des Kriegers geschrieben stand. „Er ist tot, Tenten-Hime. Es tut mir leid.“ In diesem Moment zerbrach etwas in ihr. Sie hatte gedacht, dass ihr Herz gebrochen gewesen wäre, als er sie damals abgewiesen hatte, aber sie hatte sich geirrt… Sie liebte ihn so sehr, dass sie selbst das akzeptieren konnte, aber jetzt… jetzt wusste sie, dass ihr Leid von damals nichts war im Vergleich zu der Verzweiflung, die nun durch sie hindurch strömte, durch jede Pore ihres Körper, bis in ihr Herz und in die tiefsten Tiefen ihrer Seele. Tenten öffnete die Hand und starrte auf das perlweiße Yang, das jetzt mit Blut befleckt war. Ihr Herzschlag schien aus dem Rhythmus gekommen zu sein … Sie hörte noch, wie Hayate etwas sagte, das wie eine Erklärung klang, dann drehte sie sich um und rannte. Später würde sie sich noch daran erinnern, dass sie in das tränenüberströmte Gesicht von Hinata geschaut hatte oder, dass Narutos so völlig anders wirkte, oder dass Lee vor Wut die Faust in den Boden gerammt hatte, aber es kümmerte sie nicht. Sie rannte und rannte, um nicht mehr in ihre Gesichter sehen zu müssen. In der Ferne hörte sie noch die Stimmen der Soldaten, die ihr nachriefen; sie hörte Kenji nach ihr rufen und die Stadtbewohner ihren Namen flüstern. Die Musik der Stimmen folgte ihr den ganzen Weg, obwohl sie nicht einmal wusste, wo er sie hinführen würde. Nur ein Gedanke war in ihrem Kopf. Ihr gesamtes Sein schien darauf fixiert zu sein. Neji war tot. Er war tot und er würde nie wieder zu ihr zurückkommen; er würde sie nicht mehr ansehen mit diesem alles durchdringenden Blick; nicht mehr mit ihr reden auf diese Weise, wie nur er es verstand. Er war fort und mit ihm, alles was sie gehalten hatte. Tenten war stark gewesen, obwohl er sie abgewiesen hatte und obwohl sie wusste, dass er ihre Liebe niemals erwidern würde. Sie hatte stark sein wollen, ohne zu merken, dass sie gleichzeitig schwach war. Was sollte jetzt werden? Würde sie ihm ihr Leben lang nachtrauern, oder würde sie diese Sehnsucht ihr Leben lang verfolgen? Sie sah ihn vor sich, das Gesicht mit den unendlichen weißen Augen, die sie so sehr liebte. Seine Stimme, die sie unter tausenden erkennen würde. Was wäre wohl, wenn sie Neji nie begegnet wäre? Sie wäre allein gewesen und niemals die geworden, die sie jetzt war. Neji hatte sie verändert. Und in ihrer Welt hatte die Sonne geschienen. Damals hatte er sie auf den richtigen Weg geführt, als sie nicht sehen konnte, was richtig war. Ihr Atem ging schnell und sie spürte, wie sie Seitenstiche bekam. Ein paar Haarsträhnen hatten sich gelöst und fielen ihr lose in die Stirn, doch es kümmerte Tenten nicht. Schließlich musste sie keuchend anhalten. Der Kimono war mittlerweise dreckig und an einigen Stellen eingerissen, als sie durch ein kahles Gebüsch gerannt war. Wie in Trance blickte sie sich um, die Häuser um sie herum schienen sich im Kreis zu drehen. Tenten wurde schwindelig, sie taumelte und konnte sich noch gerade fangen, bevor sie auf dem grauen Stein aufkam. Sie wusste nicht, wo sie war, irgendwo im nördlichen Bereich Konoha-Gakures, in dessen Straßen sie sich nicht auskannte. Oder aber, sie wollte es nicht wissen. Sie atmete ein, zog tief die Luft in die Lunge, wo sie auf den Knoten in ihrem Hals traf. Tenten hustete. Ihre Hand war zur Faust geballt und das kleine Schmuckstück schnitt ihr beinahe in die Haut. Dann vernahm sie plötzlich Schritte hinter sich. Als sie sich umdrehte, stand Ino hinter ihr. Wie immer trug sie einen einfachen, doch geschmackvoll ausgewählten Kimono. Heute war er kastanienbraun und bot einen schönen Kontrast zu den goldblonden Haaren, die sie hochgesteckt hatte. Vielleicht hatte sie nach ihr gesucht oder war auf dem Weg zu dem Quartier der Diener. „Tenten-Hime“, flüsterte ihre Dienerin, offenbar entsetzt sie so zu sehen. Allein, verdreckt und am ganzen Körper zitternd. Das Metall schnitt ihr in die Haut und Blut tropfte auf den Asphalt. Sie bemerkte es nicht einmal. „Tenten-Hime…“, sagte Ino wieder und ihr Gesicht nahm immer besorgtere Züge an. „Was ist los mit Euch?“ Tenten schwieg, was Ino noch nervöser machte. „Möchtet Ihr etwas essen, baden? Ich massiere Euch auch den Kopf!“, rief Ino verzweifelt. Tenten sagte nichts, sie war nicht einmal imstande dazu sie anzusehen. Wie absurd all ihre Vorschläge in ihren Ohren klangen. Wie konnte sie essen und trinken und baden, wenn Neji das nie mehr konnte? Wie konnte sie leben ohne ihn? Mittlerweile war Ino zu ihr gelaufen und streckte eine Hand nach ihr aus. „Sprecht mit mir!“, rief sie jetzt noch verzweifelter. Das sonst so schöne Gesicht war auf einmal von Sorgenfalten durchzogen und strahlte eine Angst aus, die sie bei Ino noch nie gesehen hatte. Wie sah sie aus, dass Ino so reagierte? Wieder wanderte ihr Blick zu dem weißen Yang und es schnürte ihr abermals die Kehle zu. Am Rande nahm sie wahr, dass Ino sie mit beiden Händen an der Schulter gepackt hatte und sie rüttelte, aber die Worte, die sie sprach, verklangen irgendwo auf dem Weg zu ihrem Gehör. Sie… sie fühlte nichts. Keine Wärme, keine Kälte, keinen Schmerz, nichts… Auf einmal war da nur noch Leere und Verzweiflung. Dann war ihre linke Hand, in der Nejis Yang war, plötzlich geöffnet. Ino hatte ihre Finger auseinander gefaltet und starrte auf das winzige Glitzern in ihrer Hand. Wie aus weiter Ferne hörte Tenten ihre eigene Stimme. Ein leises Wispern, das fast im herannahenden Sturm unterging. „Er ist tot. Er hat mich allein gelassen. Neji…“ Dann brach ihre Stimme und Ino starrte sie nur an. Wahrscheinlich verstand sie nicht, was sie ihr erzählte, aber was zählte das schon. Ino liebte Neji nicht. Sie liebte ihn nicht so wie sie. Ino würde nicht ihr Leben geben um ihn zu retten. Ihre Dienerin ließ Tentens Arme los und wusste nicht was sie tun sollte. Vielleicht wollte Ino sie in ihre Arme schließen, vielleicht wollte sie etwas sagen, um sie zu trösten, aber es würde nie dazu kommen. Ein greller Blitz erhellte den Himmel, gefolgt von einem mächtigen Donnern. Die Tochter des Fürsten rührte sich nicht. Was konnte ein Gewitter, der Himmel, ja die Götter selbst ihr schon anhaben, wenn der einzige, der ihr wirklich etwas bedeutete, nicht mehr war? Später wusste Tenten nicht mehr was passiert war, irgendwann hatte sie sich wohl umgedreht und war weiter gerannt. Die Rufe von Ino ließ sie weit hinter sich zurück, die Welt erschien ihr unwirklich, fast wie von Geisterhand geformt. Die Dächer Konoha-Gakures waren ab und an von weiteren Blitzen erhellt, aber sie merkte es nicht mal. Sie stolperte und schlug sich die Knie auf. Der Schmerz schoss durch ihren Körper und lähmte sie. Keuchend hielt Tenten inne. Sie wollte nicht mehr sehen, nicht denken, nicht fühlen. Warum rannte sie fort? Warum floh sie, wenn es aussichtslos war? Der raue Wind zerrte an ihrer Kleidung, zerrte und versuchte das undenkbare Bild der am Boden zerstörten Erbin Konohas auszulöschen. Sie starrte in den grauen Himmel, den pochenden Schmerz ignorierend. Noch niemals zuvor hatte sie etwas so sehr gewollt, wie sein Leben. In ihrer Brust schmerzte ihr Herz. Warum hatte er nur fortgehen müssen? Warum hatte er sie nur verlassen und war dorthin gegangen, wo sie ihm nicht mehr helfen konnte? Um sie herum herrschte Totenstille, ganz langsam und bedächtig hörte sie ihrem eigenen Luftholen zu. Kurze Atemzüge, die sie einzog, als wolle sie das Leben selbst einfangen. Warum konnte er nicht an ihrer Stelle sein? Warum lag er nicht hier und war am Leben? Tenten hasste es zurückgelassen zu werden. Als ihre Mutter gestorben war, hatte sie sich unendlich einsam gefühlt, von niemandem verstanden und nicht ernst genommen. Jetzt war es genauso, nur, dass der Schmerz ihr diesmal unerträglich vorkam, erschlagend und unbezwingbar. Stöhnend richtete sie sich auf, betastete vorsichtig die blutige Stelle ihres Knies und stand schwankend wieder auf. Neji wäre schon einmal fast gestorben, damals hätte er ohne zu zögern sein Leben für sie gegeben. Niemals hatte sie ihn darauf angesprochen, niemals erfahren, ob es noch einen anderen Grund gab, als die Pflicht ihr zu dienen. Als sie sich rührte, spürte sie den brennenden Schmerz umso stärker. Aber sie beachtete ihn nicht. Zu stark war der Schmerz in ihrem Inneren und nichts im Vergleich zu einer kleinen Wunde, die sie sich aus Unachtsamkeit zugezogen hatte. Die junge Frau setzte langsam einen Fuß vor den anderen, wurde immer schneller, bis sie schließlich abermals rannte. Vorbei an Geschäften, Häusern, Menschen. Nur vor dem Schmerz in ihrem Herz konnte sie nicht fliehen, sie würde es niemals können… Die Straßen schossen an ihr vorbei und manchmal kamen ihr einzelne Menschen entgegen, die ihr überrascht nachstarrten, als sie an ihnen vorbei rannte. Irgendwann verlor sie das Zeitgefühl, das einzige, was sie tat, war ein stetiges Bewegungsmuster. Schritt, atmen, Schritt, wieder atmen. Tenten schlug ihren Weg wahllos ein, manchmal nach rechts, manchmal nach links. Einmal durch eine Hauptstraße, dann durch eine kleine Gasse. Ihr Vater würde umsonst auf sie warten, er würde sie zurechtweisen und wütend auf sie hinab starren, wie er es früher getan hatte, als sie ein Kind gewesen war und wieder einmal die Geheimgänge ihres Anwesens benutzt hatte. Heute konnte er bis in die Nacht warten… Langsam wurden ihre Beine taub, schmerzten, aber sie hielt trotzdem nicht an. Als sie die Worte ausgesprochen hatte, hatte sie es akzeptiert - auf irgendeine Weise... Sie hatte es nicht glauben wollen, als Hayate Gekko es gesagt hatte. Neji war stark, er hatte alles ausgehalten, sie immer beschützt. Wie konnte er fallen, wenn er doch nur die Flügel auszubreiten brauchte, um zu fliegen? Wie gehen, wenn sie auf ihn wartete? Sie hatte ihn gerettet und er sie. Er war zum Samurai geworden und sie zur Erbin Konohas. Er hatte gezweifelt, sie hatte sich überwunden, war an sich selbst gewachsen. Er hatte gelitten, aber seine Schwäche für sich behalten, denn wer schwach war, der überlebte nicht in dieser kalten Welt. Neji war stark gewesen und hatte sie auf den richtigen Weg geführt. Jetzt war er fort und ihre Welt stürzte ins Bodenlose. Wieder durchbrach ein lautes Donnern die Stille. Ein gleißender Lichtblitz drang durch ihre halb verschlossenen Lider. Tenten atmete den Geruch von Gras, von Bäumen und von eiskalter Luft ein. Dann konnte sie nicht mehr weiter. Sie blieb taumelnd stehen und fiel auf die Knie. Der Boden unter ihr war kein Stein, das trockene Gras stach durch den Stoff ihres Kimonos und fügte ihm etliche Grasflecken hinzu, je länger sie kniete. Nach einer kleinen Ewigkeit, so schien es, öffnete Tenten die Augen. Die Bewegung war langsam, vorsichtig, um nicht wieder zurück zu kehren. Die junge Frau blickte auf eine glitzernde, graue Wasseroberfläche, die vom dunklen Himmel wie eine graue Masse schien. Sie hätte überall hingehen können, aber sie war hier. Tenten sah auf den See, das kleine Boot lag noch wie vor Wochen am Ufer vertäut und das Wasser schien immer noch genauso tief wie damals. Fast wollte sie lachen, hysterisch unbeherrscht lachen, als sie die Ironie des Schicksals erkannte. Wie oft hatte sie hier mit Neji gesessen und mit ihm geredet? Wieso war sie an dem einen Ort, den sie um jeden Preis meiden wollte? Warum war sie hier, wo sie ihm ein einziges Mal nahe gewesen war? Das Wasser gab ihr keine Antwort, es war still wie eh und je. Es schien fast zu schweigen. Tenten hasste und liebte diesen Ort zugleich. Sie öffnete die Hand, die immer noch blutverschmiert war. War es jetzt Nejis Blut oder ihres? Mit der anderen Hand zog sie das schwarze Yin unter ihrem Kimono hervor. Tenten hielt die beiden Teile aneinander. Vor langer Zeit waren sie Eins gewesen, jetzt würden sie nie wieder zueinander passen. Die Tochter des Fürsten stand auf. Der Wind war jetzt stärker, peitschte über das Wasser und brachte die träge Masse in Bewegung. Sie erinnerte sich genau an jenen Tag, als Neji auf der anderen Seite des Feldes gestanden hatte und sie unbeweglich angesehen hatte. Jetzt starrte sie auf das aufgewühlte Wasser und schluckte ihren Schmerz herunter. Auf einmal überkam sie eine unbändige Wut. Sie sah Hayates um Entschuldigung bittenden Blick und ihren Vater, der Neji aufforderte bei ihm zu bleiben, als sei er jemand dessen Leben er einsetzen konnte, wie es ihm passte. Noch nie zuvor hatte sie so viel Abneigung gegen ihren eigenen Vater empfunden. Er hatte Neji in den Tod geschickt, wie er sie alle in den Tod schickte. Sie hasste sie alle: Hayate, ihren Vater, die Rebellen und alle, die Neji einfach nur als einen naiven Mann sahen, den sie opfern konnten. Sie wollte toben und schreien und sie verletzen. Sie wollte, dass sie ihr Neji zurückgaben. Tenten ballte die Fäuste und zitterte vor unterdrückter Wut. Irgendwo musste sie sie loswerden, das wusste sie. Aber was gab es schon für eine Möglichkeit? Sie war Erbin Konohas, sie durfte nicht wütend sein, nicht trauern, nie ihre Meinung sagen, nie ihre eigenen Entscheidungen treffen und sie durfte niemals verzweifeln aufgrund einer aussichtslosen Liebe. Es war ein Traum, sagte sie sich. Aber das machte ihren Schmerz auch nicht leichter. Dann wurde etwas in ihr plötzlich ruhig, als wenn es zum Stillstand gekommen war. Die Zeit, die verstrichen war, nachdem ihr Hayate Gekko Nejis Tod eröffnet hatte, kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Sie war verzweifelt, traurig, wütend und alles zur gleichen Zeit. Tenten spürte wie die ungeweinten Tränen hinter ihren Augen brannten, aber sie durfte nicht nachgeben. Nie hatte sie seit dem Tod ihrer Mutter geweint, war nie schwach gewesen. Sie hatte alles ertragen und nicht eine Träne vergossen. Vielleicht war sie die einzige im ganzen Land, die nicht weinen durfte. Vielleicht war ihr die Fähigkeit zu weinen auch schon vor langer Zeit verloren gegangen. Dass sie spürte, dass sie kurz davor war, ihrem Schmerz Ausdruck zu verleihen, schockierte sie. Mit aller Anstrengung drängte sie die Tränen zurück, ihr ganzer Körper bäumte sich dagegen auf und es durchschüttelte sie vor Anspannung. Ihre Schritte führten sie zu dem kleinen Boot. In den Wochen, die sie nicht hier gewesen war, war es merklich verrottet. Das Holz war von einem dünnen Flaum grüner Algen überzogen und das Ruder war morsch, als sie es kurz berührte. Dann fiel ihr Blick auf eine flache Holzschale und ein paar rote Kerzen, die unter dem Sitz verstaut waren. Sie schloss die Finger um die kleine Holzschale und nahm eine Kerze heraus. Anders als sie erwartet hatte, wog die hölzerne Schale deutlich mehr, als auf ihr Aussehen zurückzuschließen war. Tenten legte die Sachen auf den Boden und griff anschließend nach zwei Feuersteinen, die sie aneinander schlug und damit den Docht der Kerze entfachte. Mit der einen Hand bildete sie einen Schutz um die winzige Flamme, mit der anderen stellte sie Schale samt Kerze vorsichtig auf das Wasser. Sie stieß ihre notdürftige Konstruktion sanft an, sodass sie über das Wasser glitt. Tenten sah ihr nach. Die Mädchen in Konoha pflegten ein Boot mit einer Kerze auf einen See zu setzen, wenn ihr Geliebter umgekommen war. Früher hatte sie diese Geschichten immer belächelt, hatte es lächerlich gefunden, weil es doch sowieso kein Zurück mehr gab. Jetzt glaubte sie zu verstehen: Frauen hatten keine Rechte, mussten aushalten, der Krieg hatte sie alle ausgezerrt und so wurde erwartet, dass sie niemanden Sorgen bereiteten. Das Licht, auf dem Wasser war ihre Weise von dem Geliebten Abschied zu nehmen und um ihn zu trauern. Ihr Kerzenboot war schon ein ganzes Stück abgetrieben und durch die Wellen hin und her geschaukelt worden. Tenten dachte an Neji. Ein einziges Mal wollte sie so sein wie diese Mädchen, einmal so sein wie sie und trauern. Vielleicht wollte sie auch, dass es regnete. Dass der Himmel für sie weinte… Sie starrte auf die Flamme und wieder schnürte ihr die Verzweiflung die Kehle zu. Hier hatte sie ihn lieben gelernt, hier hatte er sie geküsst, sie abgewiesen… hier würde sie Abschied nehmen. „Er ist tot…“ Sie wollte das nicht wahr haben. Sie wollte, dass er lebte. Wieder zitterte sie vor Schmerz, ihre Hände verkrampften sich und sie griff noch stärker nach Nejis Schmuckstück. Fast schien es ihr wie die einzige Verbindung, die einzige Erinnerung, die sie noch von ihm hatte. Niemals hatten sie darüber gesprochen, dass sie beide noch ihren Teil des Ganzen hatten. Sie hatten es einfach gewusst. In diesem Moment wünschte sie sich, dass sie ihn danach gefragt hatte, was er dabei empfunden hatte oder warum er die Kette selbst nach acht Jahren niemals abgelegt hatte. Es war kindlich und naiv von ihr gewesen, ihre zu tragen und darauf zu hoffen, dass Neji irgendwann kommen würde. Sie hatte sich so sehr nach jemandem gesehnt, der sie verstand, aber eigentlich hatte sie nie daran geglaubt, dass sie ihn wiedersehen würde. Die letzten Monate, die so kurz schienen im Vergleich zu ihrem ganzen Leben, waren all das gewesen, was sie gewollt hatte. Sie hatte sich verliebt, sie war von ihm verstanden worden; selbst damit, dass er sie abgewiesen hatte, konnte sie leben, aber das… das hier war wie ein Dolch, der ihr ins Herz schnitt. Die junge Frau hatte gedacht, sie hätte damals ihr Herz verloren … Jetzt wusste sie, dass sie alles ertragen könnte, solange Neji nur am Leben war. Solange er am Leben war … Das Feuer war jetzt nur noch ein kleiner Lichtfleck auf dem dunklen Wasser und Tenten fühlte, wie sehr ihr Herz in ihrer Brust schmerzte. In Gedanken dachte sie an sein Gesicht, die feinen Züge auf der hellen Haut, an die schwarzen Haare und an die so intensiven Augen. Die Zeit war grausam zu ihr. Ihre ganze Kindheit hindurch war sie auf ihre Rolle in der Gesellschaft vorbereitet worden, man hatte ihr verboten so zu sein wie andere Kinder, denn sie würde niemals so sein wie sie. Es war eine Zeit gewesen, die sie überdauert hatte, zwar nicht wirklich gelebt, aber gelernt hatte, was sie tun musste, um sich gerecht zu werden. Und dann… dann war diese winzige Zeitspanne voller Leben gewesen. Jetzt war in ihrer Welt die ewige Nacht eingekehrt… Es war nicht richtig, dass sie nur um Neji trauerte, dass sie nur seinetwegen verzweifelt war und die anderen Krieger, die ebenfalls gefallen waren, ihr egal waren. Es war ganz und gar nicht richtig, aber selbst, wenn sie gewollt hätte, könnte sie es nicht ändern. Sie war ein Mensch… Auf einmal fühlte sie Nässe auf ihrem Gesicht. Tenten schauderte und wischte sich dann den Regentropfen von der Wange. Wieder fiel ein Tropfen, dann noch einmal und schließlich wurde die Stille von einem lauten Prasseln durchbrochen. Es regnete… Tenten ließ sich am Ufer zu Boden sinken, schlang die Arme um ihre Beine und zog sie eng an ihren Körper. Schon bald war sie völlig durchnässt und die wertvolle graue Seide klebte an ihrem Körper. Sogar der Himmel schien ihr ungewohnt dunkel und die Freiheit, die er für sie einst ausgestrahlt hatte, schien in der Schwärze versunken. Der Regen war nicht hart, er schlug nicht auf der Erde ein, wie bei einem heftigen Unwetter. Er war etwas stärker als normaler Nieselregen und sorgte in kürzester Zeit dafür, dass ihr das Wasser an den Haarspitzen herunter lief. Der Regen fiel weich und war beruhigend. Leise und unendlich laut zugleich. Eine Naturgewalt, die ihr noch mehr vor Augen führte, wie vergänglich alles war. Leben mochten gelebt werden, Kriege geschlagen, Liebe und Hass wachsen, aber der Regen… der blieb für immer gleich. Selbst vor tausenden von Jahren mussten die Menschen ihn geschaut haben. Vielleicht hatten sie sich gefreut, oder waren am Boden zerstört gewesen wie sie, aber es musste genauso wie jetzt gewesen sein. Tenten wusste nicht recht, was sie fühlen sollte: Dankbarkeit? Oder Zorn? Der Himmel war von grauen Wolken verhangen und sie konnte fast nicht durch den dichten Schleier des Wassers sehen. Das Mädchen starrte nur immer und immer wieder auf das Wasser des Sees, das sich durch die Tropfen in hunderten winziger Kreise überlappte und ein sanftes Wellenmuster auf der Oberfläche erzeugten. Sie hatte längst jedes Zeitgefühl verloren. Es konnte Nacht sein, oder erst Abend, es war ihr egal. Tenten starrte auf die jetzt aufgewühlte Wasserfläche und ihr Blick heftete sich auf die kleine Flamme, die trotz des Regens noch nicht erloschen war. Wie sinnlos. Warum betrachtete sie das Feuer noch, wenn doch die Erde bereits über sein Schicksal entschieden hatte? Vielleicht war es Naivität, vielleicht ein letzter verzweifelter Halt an dem sie sich festklammerte. Während sie noch darüber nachdachte, da erlosch plötzlich die Flamme. Das Boot schaukelte noch eine Weile vor sich hin, dann verschwand es in den Fluten. Tenten starrte auf die Stelle, wo es verschwunden war. Dann durchbrach ein lautes Krachen die Stille. Der Donner war von ohrenbetäubendem Lärm und der darauffolgende Lichtblitz zeichnete harte Kontraste in ihr Gesicht. Sie zuckte nicht einmal zusammen. All das… der Regen, das Kerzenboot und das Gewitter… all das löste etwas in ihr. Tenten merkte, wie sie schwach wurde, wie ihr Vorsatz langsam bröckelte und nun nur noch ihrem stillschweigenden Schwur gegenüberstand. Das Wasser rann ihr Gesicht herunter, doch sie wischte es nicht weg, denn ihre Sicht war sowieso schon verschwommen. Selbst der Himmel weint um ihn, dachte sie. Er war ein Mensch und doch jemand, der anders war auf eine faszinierende, betörende Weise… Und dann wusste Tenten, dass sie niemals über ihn hinwegkommen würde. Sie könnte ihn verdrängen, so tun, als hätte es ihn nie gegeben, aber sie würde ihn nie vergessen können. Sie zog scharf Luft ein, um den Schmerz zu unterdrücken. Ein Schluchzen durchschüttelte ihren Körper, aber sie weinte nicht. Auf einmal legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Es war ein sanfter, aber bestimmender Druck, aber auf eine eigenartige Art und Weise wie nichts, was sie je gespürt hatte. Sofort fuhr Tenten herum, erschrocken und furchtsam zugleich. Sie blickte auf die hochgewachsene Gestalt Hatake Kakashis, den Mann, den sie am wenigsten erwartet hatte. Seine Miene hatte etwas eigenartig Ruhiges und doch Verletzliches, das er mit der Härte der Krieger überspielte. Er war genauso nass wie sie und eine ganze Weile sahen sie sich nur an. Schließlich setzte sich der Samurai neben sie, immer noch schweigend. Er sagte kein Wort und trotzdem zeigte er ihr damit deutlicher, was er fühlte, als es jeder andere gekonnte hätte. Tentens Lippe bebte, aber Kakashi schien es nicht einmal zu bemerken. Der Regen prasselte pausenlos auf die Erde, mal lauter und mal leiser. Dann wurde ihr Körper abermals von Schluchzern geschüttelt, dass sie sich abwandte, um dem Samurai ihre Verletzlichkeit nicht zu zeigen. Sie wusste nicht mehr, wann er es sagte, aber er tat es leise und bestimmt, als wüsste er ganz genau, wann er etwas sagen konnte und wann nicht. Seine Stimme war samtweich und hart zur gleichen Zeit: „Du darfst ruhig weinen.“ Erschrocken drehte sie ihm den Kopf zu, starrte ihn an, aber Kakashi schien bewegungslos zu sein. Tenten wusste nicht, was sie sagen oder denken sollte. Der Samurai hatte sie mit einem einzigen Blick durchschaut und ihre Schwäche erkannt. Trotz des Regens war es fast so, als wäre sie taub. Aber auf eine eigenartige Weise wusste sie plötzlich, dass der Samurai sie verstand. Tenten sah wieder auf den See, sah Nejis Gesicht vor sich. Noch einmal schluckte sie ihre Trauer herunter, doch die Tränen brannten noch immer hinter ihren Augen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie es zu ließ. Nach all den Jahren, in denen sie ihren Schmerz heruntergeschluckt hatte, strömten Tränen über ihr Gesicht. Sie waren heiß und eiskalt und hinterließen glühende Spuren auf ihrer Haut, aber im Regen konnte es niemand sehen. Nejis Verlust schlug mit der Wucht eines herab fallenden Felsens auf sie ein und dann war da nur noch Schmerz. Ihre Sicht verschwamm hinter einem Tränenschleier und Tenten schluchzte, wie sie es seit Jahren nicht mehr getan hatte. Irgendwann legte Kakashi abermals seine Hand auf ihre Schulter, wie um sie zu trösten und als Tenten kurz blinzelte, sah sie, dass auch seine Augen feucht waren. Ihr Schluchzen war nun das einzige Geräusch im Regen, doch selbst das verhallte in dem lauten Prasseln immer wiederkehrender Regentropfen. In diesem Moment fühlte sie sich hilfloser als sie sich je in ihrem Leben gefühlt hatte. Sie weinte um all das Leid, das es mittlerweile gab. Sie weinte um sich selbst. Sie weinte um Hinata, die ihren einzigen Verwandten verloren hatte. Sie weinte, weil sie nie mehr diesen einzigartigen Ausdruck in Nejis Augen sehen würde. … Und sie weinte, weil sie ihm nie mehr sagen konnte, dass sie ihn liebte. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Hallihallo liebe Leser, wie es schon in meiner Kurzbeschreibung angekündigt war, kommt nun heute ein neues Kapitel Samurai. Mein Dramakapitel schlechthin. Ich denke, ein viel schlimmeres Kapitel kommt nicht mehr. Ihr dürft aufatmen :D Mir persönlich gefällt dieses Kapitel mit am besten. Es ist sehr tiefgehend und soll sowohl Tentens starke, vor allem aber auch ihre schwache, menschliche Seite hervorheben. Es kann sein, dass dieses Kapitel leichte Ähnlichkeit mit einem One Shot von mir hat, den ich im Rahmen eines Projektes des NejiTen-Schreiber-Zirkels gemacht habe, aber mir persönlich gefällt dieses mehr. Vor allem Kakashi, ich mag ihn hier am liebsten ^^ Ich habe mich sogar kürzer gefasst *wunder* und keine Zeitsprünge *kopf schüttel* Unglaublich v.v Wie dem auch sei: Meine Prüfungen sind endlich vorbei und das Hochladen dieses Kapitels hatte ich mir vorgenommen, wenn ich fertig bin. Das nächste Kapitel hätte zwar besser zu meiner 'Endlich-vorbei-Stimmung' gepasst, aber egal ^^ Der Kapiteltitel: 'Sorrow' bedeutet 'Trauer'. So, dann wollte ich mich noch mal bei Arethelya fürs Korrigieren bedanken, für eure lieben Kommentare und für mittlerweile 260 Favoriten. Ich freue mich wirklich unheimlich, dass so viele Leute sich für diese FF interessieren ^^ Bin mal gespannt, was ihr dazu sagt ;) hel moony Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)