Blind Dragon von Lethal (Das Auge des Orion) ================================================================================ Kapitel 25 ---------- Ein paar Straßen weit trug Ronga den nun wieder menschlichen Zentauren auf seiner Schulter. Doch kaum hatte er ein ruhiges Fleckchen gefunden, setzte er Rick ab. Besorgt betrachtete er dessen blasses Gesicht. Der Junge hatte die Augen geschlossen als würde er schlafen, war aber wieder bei Bewusstsein. Ronga konnte seinen wachen Geist deutlich spüren. „Du hast dich völlig überanstrengt. Ich werde dich zu mir nach Hause bringen und da wirst du schlafen“, sagte er mahnend. „Und gearbeitet wird morgen auch nicht. Du ruhst dich aus. Keine unbedachten Teenagergebaren mehr in den nächsten Tagen.“ Rick hob die Lider ein wenig und lächelte. „Ja, Otôu-san*“, scherzte er. (* japanische Anrede: Vater) „Gut, mein Junge“, gab Ronga in altväterlichem Ton zurück und tätschelte ihm den Kopf. Beide lächelten belustigt. „Gewöhn dir nicht zuviel von Koris losem Mundwerk an“, grinste der Halbwolf. Absolut humorlos fuhr er dann fort: „Was habt ihr da getrieben? Du hättest die Aufgabe dreimal erledigen können. Ich kenne deine Fähigkeiten. Dennoch kommst du in diesem Zustand zurück.“ „Ich hab versprochen, nichts sagen“, gestand Rick leise. „Du bist noch längst nicht auf dem Niveau, auf dem du einfach machen kannst, was du willst, wenn du dort „drüben“ bist“, predigte er. „Wenn du dort nun umgekommen wärst...“ Ricks verhaltenes Lächeln wurde noch eine Spur breiter. „Machst du dir um Kori auch solche Sorgen?“ „Wenn ich mich um den Narren sorgen müsste, hätte ich wahrscheinlich ein riesiges Magengeschwür.“ Ein amüsierter Unterton klang in Rongas Stimme mit, der dem Jungen ihm gegenüber vollkommen als Bestätigung seiner leisen Hoffnung genügte. Der Halbwolf kniete sich mit dem Rücken zu ihm hin und wies ihn mit einer knappen Geste an, hinaufzuklettern. Huckepack war es für beide sehr viel bequemer. Müde ließ Rick den Kopf auf Rongas Schulter sinken, Rongas langen Zopf einfach beiseite schiebend. Eines der filzigen Haare blieb an seinem Finger hängen. Der Junge stutzte. „Ronga, sieh mal.“ „Hm?“ Er nahm das Haar vorsichtig entgegen. „Grau...“ murmelte er nachdenklich. „Das passiert hin und wieder. Als wollte das Schicksal mich ärgern, indem es mich daran erinnert, dass ich in gewisser Weise doch altere.“ „Oh... achso...?“ machte Rick unsicher, nickte allerdings ein als sein Verstand weitere Fragen zu formulieren suchte. Die Müdigkeit war einfach zu groß. Im Haus des junggebliebenen Alten ließ er sich widerstandslos ins Bett verfrachten wie ein kleines Kind. Er war so erschöpft, dass Ronga ihm sogar die Schuhe von den Füßen ziehen musste. „Noch eine unbedachte Handlung in der Größenordnung und deine Ausbildung ist beendet“, knurrte dieser. Rick nickte folgsam. „Ständig muss man auf euch Halbwüchsige aufpassen.“ Obwohl ihm die fast väterliche Mischung aus Sorge und Wut noch anzuhören war, klang Ronga nun doch schon sehr viel freundlicher. „Du passt nicht nur auf mich auf, oder?“ fragte Rick. „Da gibt’s noch ne Menge andere...“ „Falls das schon wieder eine Anspielung auf diesen Hitzkopf ist, lasse ich dich wissen, dass es mir leichter fiele, wenn du mir sagtest, was ihr ausgeheckt habt.“ Das Kissen raschelte als Rick mit bedauernder Miene den Kopf schüttelte. „Ich möchte mein Versprechen halten. Tut mir leid.“ Wieder ein Knurren des Halbwolfes. „Ich hätte dir zu aller erst das Neinsagen beibringen sollen“, fluchte er halblaut. „Oder dass man sich nicht zu sehr an Drachen hängen sollte, die nur Unsinn im Kopf haben.“ Rick wollte etwas dagegen sagen, doch Ronga schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab und lauschte angestrengt. „Er scheint wirklich nicht der einzige zu sein, auf den ich achten muss“, sagte er, von einer Sekunde auf die andere äußerst hektisch. „Ich muss gehen. Schlaf dich aus, oder ich werde ernstlich wütend.“ Er kritzelte hastig mit dem nächstbesten Kugelschreiber etwas auf seine Schreibtischunterlage und bedachte den Schriftzug mit einer kleinen, goldbraun schimmernden Magie. Dann sprang er so schnell auf, dass er fast über Ricks Schuhe gefallen wäre. Als er zur Tür stürzte, hörte er bereits den gleichmäßigen Atem, der davon zeugte, dass jener eingeschlafen war. Draußen ließ er sich sofort auf alle Viere sinken, obwohl der Tag noch nicht gekommen war. Er brauchte seine schnellen Pfoten jetzt dringend. Ebenso die scharfen Ohren, in denen aus der Ferne ein alarmierendes Heulen nachklang. Und ausgerechnet jetzt dann noch diese nervenaufreibende Vision, die über ihn hinwegfegte wie ein Sandsturm. Wenigstens würde er Lavande nicht suchen müssen. Amüsiert stellte er fest, dass er seinen Haustürschlüssel vergessen hatte. Nun ja, nicht so schlimm. Den würde er so schnell nicht wieder brauchen, wenn er Glück hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)