Sieben Jahre von NanaSaintClair (Diese eine Nacht pro Jahr... [DIE ♥ KAORU Zirkel Fic]) ================================================================================ Sieben Jahre ------------ Anmerkung: Dies hier ist mein Beitrag zum FF Contest (http://animexx.onlinewelten.com/community.php/deadlysins/tafel/ ). Heute Er ließ die Zehen in den heißen Sand sinken, wackelte mit ihnen und fühlte sich das erste Mal so richtig lebendig, als sich die kleinen Partikel entlang seiner Haut schoben. Schon oft hatte er hier gesessen, doch bisher hatte er immer das Gefühl gehabt, dass etwas fehlte. Heute war dem nicht so. Als Kaoru sich nach hinten lehnte und mit den Handflächen im langsam abkühlenden Sand abstützte, strahlte er der untergehenden Sonne entgegen. Er hatte sich nach kurzem Zögern von seiner heißgeliebten Sonnenbrille getrennt und blinzelte mit den dunkelbraunen Augen auf den Horizont. War ein Abendrot jemals so schön gewesen? Er konnte sich an keinen solch schönen Anblick erinnern, obwohl viele einzelne dieser Sonnenuntergänge in seinem Gedächtnis waren. Keine dieser Nächte würde er jemals vergessen. Waren sie doch der Grund, warum er auch heute einmal mehr hier an dieser Stelle saß und auf Die wartete. Fünf Jahre zuvor "Dachte ich mir doch, dass ich dich hier finde," sagte Die ganz lässig, als er Kaoru am Strand vorfand. Er hatte sein übliches "Lager" bezogen und grinste, als Die auf ihn zukam. "Bin ich so berechenbar?" Er wusste selbst nicht, was genau er hier wollte, hatte lange darüber nachgedacht, ob er überhaupt hierher gehen würde. Doch letztlich, nachdem ihm der Gedanke kam, dass er es wie eine Art Tradition halten könnte, war er doch hinab gelaufen. Das Wetter wirkte zwar nicht gerade einladend, denn der Himmel war wolkenüberzogen und man konnte nicht einen Sonnenstrahl sehen, aber dennoch hatte irgendwas in ihm den Platz aufsuchen lassen. "Das nicht gerade. Wundert mich eher, dass du hier bist. Aber nachdem ich dich nirgendwo anders gefunden habe, blieb nur noch diese Option," sprach Die und setzte sich neben den Bandleader. Dass Kaoru tatsächlich hier war, brachte ein Lächeln auf Dies Lippen. Vielleicht konnte er ja genau wie der Jüngere die letzten beiden Male nicht vergessen. "Wieso? Hast du mich gesucht?" Er konnte sich an einer Hand abzählen, warum Die ihn genau an diesem Tag gesucht hatte. Denn es war schließlich Die, der berechenbar war in den Augen des Leaders. "Ja, eigentlich wollte ich dich fragen, ob du Lust hast, hierher zu gehen. So wie immer." Die Situation war nicht so einfach für Die. Es bereitete ihm durchaus Schwierigkeiten, seine Intentionen und Hoffnungen zu äußern. Doch allem Anschein nach sah Kaoru es nicht so viel anders als Die und wollte sich hier mit ihm treffen. "Ich war mir auch eigentlich nicht sicher. Das Wetter ist beschissen. Es sieht nach Regen aus." Es roch sogar danach in der Luft und es war nicht zu erwarten, dass es diese Nacht trocken blieb. Doch der Leadgitarrist war auch nicht gekommen, um die ganze Nacht hier zu verbringen. So bildete er sich das jedenfalls ein. Die betrachtete den Horizont. Das Meer war dunkelgrau und es wurde sicherlich schneller stockfinster sein, als sonst. Er wollte zwar nicht aufdringlich wirken, aber die Zeit drückte, wenn es auch etwas von der Stimmung wegnahm. "Weißt du noch, was du letztes Jahr gesagt hast?" "Was denn? Ich habe so viele Dinge gesagt," lachte Kaoru und verschränkte die Beine. Das war Dies Stichwort. Er beugte sich hinüber zu dem anderen und flüsterte: "Zu keinem ein Wort. Nur heute Nacht." Als sich seine Lippen über Kaorus legten, wurde dem Älteren plötzlich klar, dass Die nicht nur gekommen war, um Small Talk zu machen. Natürlich hätte er es sich denken können, aber er hatte den Gedanken verdrängt und nicht wahr haben wollen. Irgendwie versuchte er, naiver zu sein, als er tatsächlich war. Vorsichtig schob er den Jüngeren von sich und schaute ihn entschuldigend an. "Die, ich... Ich habe wieder eine Freundin." Die Worte mussten erst einmal im Verstand des anderen verweilen, bevor er seinen Kopf wegdrehte und auf das offene Meer hinaus starrte. Es war ein Stich ins Herz. Es war abzusehen, dass Kaoru irgendwann nicht mehr allein sein würde. Doch Die hatte gehofft, dass er sich nicht erst zum Trottel machen musste, bevor er davon Wind bekam. "Oh, das... Das habe ich gar nicht gewusst. Na, sieh an. Wieso bist du dann hier?" Der Rothaarige klang kalt und bitter. Kaoru wusste sofort, dass er ihn verletzt hatte, wo er doch noch kein Wort darüber verloren hatte, dass er nicht mehr allein war. Aber dass Die so dreist davon ausging, dass der andere Mann nur wegen der einen Sache hier war, butterte ihm gar nicht. "Kann ich nicht einfach so hier sein? Ohne dass du und ich..." Er verkniff sich, es direkt auszusprechen. Die presste die Lippen aufeinander. "Klar kannst du. Ich dachte nur... Ich weiß nicht, was ich dachte. Dieser Ort hier, dieser Tag. Warum gerade heute? Doch sicher nicht, weil du noch immer an sie denkst. Also, warum? Du hättest an jedem anderen Tag hier sein können." Die hatte recht und Kaoru wusste das. Warum war er nicht gestern hier her gekommen? Warum nicht morgen? Heute, wo sich das Geschehene jährte, suchte er diesen Platz. Und warum? Der Grund lag auf der Hand, wenn es der leicht erblondete Mann auch nicht wahrhaben wollte. Er senkte den Kopf und starrte in seinen Schoß. "Ich weiß nicht." "Du lügst." Es war offensichtlich für Die, aber er zwang sich ein Lächeln auf. Es wurde immer düsterer, tauchte die Welt fast in ein vollkommenes Grau, als Die zu Kaoru schaute. "Aber ich bin dir nicht böse. Ist schon in Ordnung. Schade nur, dass ich nichts von ihr wusste." Es war zur Gewohntheit geworden für den Jüngeren. Er spielte dem anderen vor, dass es in Ordnung war, dass er es locker sah und niemals herumzicken würde. Sie waren schließlich kein Paar, wenn sich Die das auch wünschte. Er könnte es Kaoru sowieso nie sagen. Das würde zur Folge haben, dass sich etwas zwischen ihnen verändert und zwar nicht im positiven Sinne. Der Mann mit den kurzen roten Haaren befürchtete, dass der andere ihn abweisen würde und später meiden. Dahingehend war Kaoru berechenbar, ob er wollte oder nicht. Kaoru wollte sich keinesfalls rechtfertigen. Was konnte er auch sagen, ohne dass es dumm klang? Er war noch nicht lange mit seiner derzeitigen Freundin liiert und hatte noch keinem in der Band etwas von ihr erzählt. Es hatte sich auch einfach noch nicht ergeben. Außerdem behielt er seinen privaten ‚Beziehungskram’ lieber für sich. Er war schließlich nicht Toshiya, der hüpfend durch den Probenraum funkelte und „Love is in the Air“ sang. Doch der Gedanke, warum Kaoru eigentlich hier war, ließ ihn nicht los. Es war wegen Die! Es gab keinen anderen Grund, genau an diesem Tag diesen Ort hier aufzusuchen. Er konnte sich einbilden, dass es nicht so war. Doch er würde sich selbst belügen. Er drehte sich zu dem Rotschopf um und haftete seinen Blick auf ihn. Sie waren hier. Genau wie früher. So wie immer hatte Die gesagt. Hier. Heute. Allein. Was sonst spielte eigentlich eine Rolle? Möglicherweise hatte Kaoru Die nur von seiner Freundin erzählt, um sein Gewissen rein zu waschen, noch bevor er ein schlechtes bekommen konnte. Egal, was nun zwischen den beiden sein würde, Kaoru müsste sich nicht einmal mehr dafür entschuldigen, dass es am nächsten Morgen vergessen war. Er lehnte sich hinüber, legte seine Hand in den Nacken des anderen Mannes und presste seine Lippen auf die von Die. Er wollte ihn. Wenn Kaoru ehrlich zu sich selbst war, wollte er ihn. Genau so, wie ihn Die wollte. Darum waren sie hier. Und morgen wären sie wieder Bandkollegen. Kleine Tropfen von Regen fielen auf Dies nackten Rücken und liefen seiner Wirbelsäule hinab, als er sein Gesicht keuchend in der Halsbeuge des Älteren versteckte. Kaorus Finger krallten sich in die Hüften des Jüngeren, als das letzte Mal in ihn stieß. Hatte er das nicht vermisst? In dieser Nacht wusch sogar der Regen sein Gewissen rein und löschte ein weiteres Mal die Erinnerung daran bis zum nächsten Jahr. Sieben Jahre zuvor Im dämmernden Licht des Abends war sich Die nicht ganz sicher, ob er richtig gesehen hatte, aber er glaubte, seinen Bandkollegen am Strand sitzen zu sehen zwischen hohen, dicht bewachsenen Dünen. Die grell pinkfarbenen Haare bildeten einen Kontrast zum Grün der im Wind wiegenden Gräser und veranlassten den schlanken Rothaarigen, auf die Person dort zuzugehen, um sich zu vergewissern. Die Sache war die, dass es nicht unbedingt des Bandleaders Art zu sein schien, im Sand herumzusitzen und auf das offene Meer zu starren. Den anderen wäre das zuzutrauen, aber Kaoru war eher ein makabrer Typ, nicht unbedingt romantisch, dennoch gutherzig. Das war jedenfalls Dies Eindruck, den er sich in den letzten Jahren verschafft hatte, aber so genau kannte er ihn dann doch wieder nicht. Als Die näher kam, wurde er sich sicher, dass es tatsächlich sein Mitgitarrist war. Kaoru saß im Sand und starrte in die untergehende Sonne, als er unerwartet die Nähe eines anderen Menschen spürte und seinen Blick auf die Person wand, die auf ihn zukam. Er hatte damit gerechnet, dass früher oder später jemand auftauchen würde, vielleicht irgend ein Passant, aber nicht Die. Der Rotschopf warf ihm ein kleines Lächeln zu, welches Kaoru mit einem kurzen Nicken erwiderte. Er mochte den anderen Gitarristen. Er war nett, zugänglich und keiner, der einem das Leben unnötig erschwerte. Vielleicht war das der Grund, dass seine Anwesenheit den Älteren nicht schon von Vornherein abstieß. Denn eigentlich war er hierher gekommen, um Ruhe zu haben, allein zu sehen und nachzudenken. Oder vielleicht auch um endlich im lang ersehnten Selbstmitleid zu ertrinken. So genau wusste das Kaoru selbst nicht. "Hey," begrüßte Die seinen Bandkollegen und hockte sich etwas zögerlich neben ihn. "Stör ich?" Kaoru schüttelte den Kopf langsam und sah wieder hinaus auf das Meer, das sich leicht rötlich von der Sonne einfärben ließ. "Nein." "Sicher? Ich will nicht nerven," lächelte Die schüchtern. Er war nicht unbedingt selbstsicher und wollte sich keineswegs aufdrängen. "Ich habe mich nur gewundert, als ich dich hier sitzen sah. Alles in Ordnung mit dir?" Ein nicht hörbares Seufzen entkam dem Bandleader, als er zaghaft lächelte, wenn auch ein wenig bitter. War er denn so durchschaubar? Oder sorgte sich der Jüngere einfach? Es tat eigentlich ganz gut, dass mal jemand nach Kaorus Wohlbefinden fragte. Er biss sich kurz auf die Unterlippe und dachte noch einmal darüber nach, ob er antworten solle oder nicht, und wenn, ob mit der Wahrheit. Doch letztlich hatte er nichts zu verlieren, beschloss er. "Sie hat Schluss gemacht," brachte er heiser hervor, denn seine Stimme klang plötzlich viel belegter als sonst. Kaoru redete sicherlich nicht gerne über solchen 'Gefühlskram' und er fühlte sich verletzbar, wenn er äußerte, was ihm auf dem Herzen lag. Deshalb versuchte er kurz zu lächeln, doch Die musste schon blind sein, um nicht zu merken, wie gequält das Lächeln war. Stattdessen zündete sich Kaoru fast hektisch eine Zigarette an und nahm einen beruhigenden Zug. "Oh." Die tat es seinem Kumpel gleich und steckte sich eine seiner Salem Lights an. "Das tut mir leid." Es klang idiotisch in Dies Ohren, aber es war alles, was er sagen konnte. Kaoru nickte kurz dankbar und versuchte sein gebrochenes Herz zu überspielen, indem er einfach weitererzählte. "Es war abzusehen, aber ich glaube, ich habe es einfach nur nicht wahrhaben wollen, dass unsere Beziehung im Eimer ist." Die betrachtete Kaoru, als dieser geradeaus auf den Ozean blickte, während er sprach. Viel wussten sie voneinander wirklich nicht. Nichts über ihr Privatleben. Die wusste gerade mal, dass Kaoru eine Freundin hatte, mehr nicht. Es tat ihm wirklich leid für den Älteren. Er mochte ihn und das nicht wenig. Dass er unglücklich war, machte auch Die ein wenig traurig. "Seit wann weißt du...?" "Heute Morgen," erwiderte Kaoru leise. Sie hatte ihn angerufen und einfach so die Beziehung beendet. Klar hatte es vorher merklich gekriselt, aber mit einem Telefonat Schluss zu machen war doch sehr hart für den sonst so zäh erscheinenden Bandleader. Wieder war Die am Ende seiner Worte. Was konnte er schon sagen? Wollte Kaoru überhaupt darüber sprechen? Stille kehrte zwischen den beiden jungen Männern ein, bis Die endlich beschloss, noch einmal das Wort zu ergreifen. "Sie war deine erste Freundin, oder?" Dies Vermutung war wage, aber solange er Kaoru kannte, war es immer dieselbe Frau gewesen, die ihn oftmals stundenlang am Telefon beschäftigte. Sie kannten sich nun knapp mehr als drei Jahre und nie hatte Kaoru große Worte verloren. Seine Beziehung schien bereits sehr gefestigt zu sein, keine kurze Verliebtheit. "Ja, irgendwie schon." Dass es seine erste richtige Freundin war, konnte Kaoru nicht abstreiten, wenn er auch vor ihr bereits Erfahrungen gesammelt hatte. Aber darauf wollte er nicht eingehen. Es war auch egal, denn was vor ihr war, zählte nicht, nachdem sie in sein Leben trat. Nun wusste er gar nicht mehr, wohin er gehörte und das war ein beschissenes Gefühl, wie Kaoru fand. Die musste unwillkürlich lächeln, als er seinen Blick auf die Sonne warf, die im Begriff war, hinter dem Horizont abzutauchen. In seinen Augen war Kaoru irgendwie geheimnisvoll. Er machte nicht den Eindruck, als sei er noch grün hinter den Ohren. Dass die Frau seine erste große Liebe war, konnte sich Die nichts desto trotz an einer Hand abzählen, aber er fand es irgendwie süß. Leider bedeutete es auch, dass es Kaorus erstes Mal war, dass er an einem gebrochenen Herzen litt. Die nahm noch eine Zug von seiner Zigarette und wand den Blick wieder auf seinen Bandkollegen. "Wenn du lieber allein sein möchtest, sagst du es, okay?" Er biss sich unbeholfen auf die Innenseite seiner Wange. "Ich würde das verstehen, wenn." Auch Kaoru kam nicht umhin, sich von Dies Sorge um ihn geschmeichelt zu fühlen. "Nein, bleib ruhig." Er fand die Anwesenheit des jüngeren Gitarristen irgendwie beruhigend angenehm. Er fragte ihn nicht aus, schien lediglich besorgt, interessiert und ein wenig unsicher dabei. Kaoru nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette und drückte sie dann im Sand aus, bevor er sie wegwarf. Die Sonne war nicht mehr zu sehen, doch die Luft war noch immer warm und schwül. Er hatte sich eine Decke mitgebracht, auf der die beiden nun saßen und sollte es sich abkühlen, würde er sie einfach um sich wickeln. Jedenfalls war Kaoru nicht im Begriff, irgendwann in naher Zukunft zurück hinein zu gehen. Lieber blieb er hier, auch wenn Die nicht ewig bei ihm bleiben würde. Doch die Ablenkung tat gut, obwohl Kaorus Gedanken immer wieder zu dem morgendlichen Telefonat mit seiner nun ehemaligen Freundin zurück drifteten. Als Die so zu seinem Bandkollegen sah, merkte er, wie dieser so langsam in Gedanken zu versinken schien. Er hatte keine Ahnung, worüber er nachdachte, konnte es sich aber ausmalen. Unbedacht in einer Geste der Freundschaft legte er seine Hand auf Kaorus Schulter und rutschte etwas näher. Etwas überrascht schaute ihn der Ältere an, doch lächelte dann zögerlich. Das er unglücklich war, stand ihm einfach ins Gesicht geschrieben und es berührte Dies Herz so unerwartet, dass er den anderen einfach an sich zog und umarmte. Zunächst war Kaoru etwas überfordert mit der Geste. Er war solch offene Zuneigung wohl einfach nicht gewohnt, doch nach ein paar Sekunden fand er es eher schön, als unangenehm. Die war irgendwie offen in jeglicher Hinsicht, nicht so ein verkorkster Bastard, so wie sich Kaoru selbst sah. Die zeigte einfach seine Gefühle und mit ihm erschien es auch für Kaoru ein wenig einfacher zu sein, seine Emotionen nicht so sehr hinter dem Berg zu halten. Locker legte der Bandleader seine Arme um Dies Taille und lehnte den Kopf gegen die Schulter des Jüngeren. Seine langen roten Haare wehten Kaoru um die Nase und brachten sogar ein kleines Lächeln auf seinen Lippen hervor. Überwältigt vom Zutrauen des anderen legte Die seinen Arm um dessen Schultern, so dass er seine Hand in den Nacken legen konnte und langsam und beruhigend die langen dunklen Haare unter den pink gefärbten zur Seite streichen konnte. Unbemerkt von Die, jagte er kleine Schauer über Kaorus Rücken, als er Dies Fingerspitzen in seinem Nacken spürte. Doch es war alles andere als unangenehm, nicht einmal als Die seine Nase tiefer in die Halsbeuge seines Freunde senkte und dessen Geruch langsam in sich einsog. Verdammt, ja, Die hatte großen Respekt vor dem anderen Bandmitglied, doch dass dieser ebenso eine Augenweide war, war ihm natürlich nicht entgangen. Das, die Nähe und sein Geruch trugen wesentlich dazu bei, dass Dies Beherrschung so langsam zu schwinden schien. Jedoch war er kein Typ überstürzten Handelns, sondern testete seine Grenzen langsam, vorsichtig und zaghaft. Absichtlich ließ er seinen Atem über die nackte Haut am Hals streicheln, als seine Fingerkuppen begannen, den Haaransatz im Nacken zu kraulen. Die Aktion war nun recht eindeutig für Kaoru. Er war hin- und hergerissen, streckte seinen Nacken noch ein klein wenig mehr und ließ sich die Streicheleinheiten gefallen, denn sie waren einfach zu gut. Trotzdem war er überrascht von Dies Taten, hätte nicht damit gerechnet, von ihm angemacht zu werden. Und es war keine Frage, dass das hier ein sanftes Aufdringen von Zärtlichkeiten war, wie sie Kaoru sonst nicht mit seinen Bandkollegen oder anderen Männern austauschte. Als sich Dies Lippen wie von selbst auf die sensible Haut am Hals fallen ließen, um kleine, hauchzarte Küsse dort zu verteilen, schloss Kaoru die Augen. Er war drauf und dran die Beherrschung zu verlieren und entweder Die von sich zu stoßen oder... Es war einfach viel zu angenehm, selbst als sich Dies Lippen vorsichtig entlang Kaorus Unterkiefer bahnten. Seine Hand verließ den Nacken und rutschte zögerlich nach vorne an die andere Wange des Älteren. Er legte sie darauf in jedem Moment, als er beschloss, seinen Kopf zu drehen und Kaoru zu küssen. Dies Lippen waren weich, sanft und liebevoll. Kaoru wollte sie gar nicht von sich weisen. Sein Körper und sein Geist verlangten nach Liebe oder zumindest nach dem Gefühl, geliebt und begehrt zu werden. Sein gebrochenes Herz suchte nach Linderung! Also ließ er sich verwöhnen von den Streicheleinheiten des Jüngeren, selbst als dieser deren Kuss intensivierte, mit seiner Zunge durch Kaorus Lippen drang und von Sekunde zu Sekunde leidenschaftlicher wurde. Die konnte nicht anders, als Kaoru keinerlei Anzeichen sendete, es nicht zu wollen. Er drückte gegen den etwas kleineren Körper und schaffte es sogar, Kaoru in eine liegende Position zu bringen. Seine Hand kroch unter das weite T-Shirt des anderen, streichelte zärtlich über die heiße Haut darunter und unwesentlich später bereits die sensiblen Brustwarzen. Dies Verlangen nach dem anderen Mann stieg, bis es ihm letztlich egal war, aus welchem Grund er das hier eigentlich tat. Wollte er Kaoru helfen? Ihn auf andere Gedanken bringen? Fühlte er sich wirklich so stark von Kaoru angezogen? Letzteres konnte er sich zumindest in geringem Maße selbst beantworten, als jeder kleine Kuss, jede Berührung Kaorus Zunge an seiner und jede Bewegung seiner Hände an Dies Körper, den Jüngeren sichtlich erregte. Unverblümt wanderte seine Hand über Kaorus Hose, öffnete den Kopf und schlüpfte hinein. Doch Die wusste nicht, was er tat. Kaoru war sich dem sicher! Er war nur halb so unschuldig, wie Die vielleicht dachte. Nur halb so unerfahren. Die war nicht auf Mädels aus, soviel wusste der andere. Kaoru hingegen wollte eine Frau, keinen Mann. Einsicht aus Erfahrung - nicht aus Ekel. Er war alles andere als angewidert von Männern, bevorzugte trotzdem Frauen. Doch Die war anders! Die machte Kaoru an, erregte ihn und nahm ihm nicht zuletzt Kummer. Es war verflucht gut, sich von dem Rothaarigen verwöhnen zu lassen, doch so einfach hatte sich der Ältere noch nie den Wind aus den Segeln nehmen lassen. Er war zu dominant, als nur im Sand zu liegen und nichts zu tun! Gänzlich unerwartet von Die drückte Kaoru seine Hände gegen dessen Schultern und drehte beide um, bis Die auf dem Rücken lag mit Kaoru auf ihm. Ebenso unerwartet war die plötzliche Attacke mit feuchten, heißen Küssen auf Dies Lippen und die hastig nach nackter Haut suchenden Hände des Bandleaders. Die war sich nicht sicher, wie er in so schneller Zeit nackt sein konnte, ohne es kaum zu merken. Sein Hirn kam einfach nicht mehr mit. Überfordert von den verlangenden Taten des anderen, lag er da und konnte sich dem nur ergeben. Sein Keuchen verhallte im Dunkel der angehenden Nacht, als sich der andere Mann in ihn schob und Dies Rücken zum Aufbäumen brachte. Sich in Lust windend, gab sich der junge Rothaarige jeder Bewegung von Kaoru hin, flehte ihn leise stöhnend an um mehr und krallte seine Fingernägel in dessen Rücken, als sie beide am Ende ihrer Kräfte endlich ultimative Befriedigung erlangten. Noch minutenlang lag Kaoru auf dem anderen, bevor er sich von ihm herunter rollte und in den Himmel starrte. Es war mittlerweile stockfinstere Nacht, doch nur ein paar wenige Sterne waren zu sehen. Das Meeresrauschen war auf einmal laut in seinen Ohren, auch wenn er noch immer Dies kehlige Stimme hören konnte, wie er Kaorus Namen stöhnte. Er schloss die Augen, doch alles was er sehen konnte, war, wie falsch es gewesen sei, was sie getan hatten. Noch immer liebte er seine Verflossene, daran bestand keine Frage. Doch gerade weil er auch Die mochte, wusste er nicht, wie er nun mit der Situation umgehen sollte. Noch immer kraftlos und träge rollte sich Die zur Seite und legte einen Arm um Kaoru. Ihm war es momentan egal, warum, wieso und weshalb. Natürlich war ihm nicht entgangen, dass Kaoru gewusst hatte, was er tat und demzufolge auch nicht unbetucht war, was Männer anging. Trotzdem spielte es keine Rolle im Moment. Nichts tat das. Nur Kaoru war eines klar: es war am besten für die Band, wenn sich dies nicht wiederholen würde. Ohne Worte setzte er sich langsam auf und begann, nach seinen Sachen zu suchen. Die war klar, was passierte, hatte es bereits schon öfter erlebt, wenn auch noch nie mit Kaoru. Er stützte sich auf die Ellenbogen und blinzelte den anderen erschöpft an, als dieser sich anzog. Er wollte ihm sagen, dass er nicht flüchten musste, dass es okay war für Die, wenn es auch ein wenig weh tat. Womöglich weil er Kaoru ganz einfach gern hatte. Und eben auch darum war es Die wichtig, dass sich Kaoru nun nicht dumm vorkam oder eine unangenehme Atmosphäre zwischen den beiden hinterließ. Doch egal, was dem Jüngeren durch den Kopf ging, er fand keine Worte, es dem anderen zu sagen. "Die, ich..." "Kaoru, lass. Ist schon okay." "Wirklich?" Er drehte sich um und sah nur kurz in Dies Augen. "Ja, wirklich." Die lächelte. Nickend drehte sich Kaoru wieder um und starrte ins Dunkel der Nacht. "Es wird kühl. Ich will nicht, dass du dich erkältest." "Werd ich nicht," sagte Die und setzte sich auf. "Ich brauch nur noch eine Minute. Wenn du rein gehen möchtest, geh ruhig." Kaoru dachte kurz nach. Er fühlte sich beschissen, Die einfach hier draußen zu lassen. Doch wollte er auch nicht auf ihn warten, nicht mit ihm zurückkehren, nicht mehr drüber reden, was passiert war. Also musste er wohl in den sauren Apfel seines schlechten Gewissens beißen. "Tut mir leid, Die." "Das muss es nicht. Ehrlich." Wieder lächelte Die, auch wenn es nur gespielt war. Keineswegs wollte er, dass sich Kaoru schlecht fühlte für das, was zwischen ihnen war. Letztlich war es doch die Schuld des Jüngeren gewesen, hatte er den anderen Mann doch angemacht und überrumpelt. Zumindest was das Vorspiel anging. "Wir hatten doch guten Sex." Das war durchaus wahr und wenn es für Die nicht mehr war, musste Kaoru dann wirklich ein schlechtes Gewissen haben? "Hatten wir." "Sag ich doch." Grinsend begann Die, nach seinen Klamotten zu suchen. "Ausgesprochen gut." "Japp." Leicht einseitig lächelte der Bandleader, bevor er aufstand. "Und... ja... danke. Für's zuhören und... ja." Die winkte ab, vor allem weil es merkwürdig war, dass sich Kaoru für den Sex zu bedanken schien. "Kein Thema, Kao." "Gute Nacht dann," sagte Kaoru leise und drehte sich um, bevor er mit gesenktem Kopf nach drinnen lief. Er war erleichtert, dass Die es so gelassen sah. Doch irgendwie tat es trotzdem ein wenig weh. Er hatte dem Rotschopf nie ausnutzen wollen. Das tat ihm leid. War aber nicht mehr zu ändern und Gott sei dank fand Die es auch okay. Kaoru war ahnungslos, dass Die noch stundenlang, eingewickelt in Kaorus Decke, am Meer saß und sich verwirrt Gedanken darüber machte, warum er das für den anderen getan hatte. Warum er ihm verlog, dass es ihm nichts ausmachte. Warum ihm der andere so am Herzen lag. Warum... Drei Jahre zuvor Er saß auf dem Bett und kaute am Nagel des linken Ringfingers. Die Sonne war fast verschwunden hinter dem Horizont. Sie hatten vereinbart, sich nicht mehr zu sehen. Wie gebannt starrte Die aus dem Fenster, bis er es nicht mehr aushielt. Er schnappte sich seine Jacke und lief aus dem Zimmer, hinunter zum Strand. Er redete sich ein, dass Kaoru sowieso nicht dort sein und er den Platz leer vorfinden würde. Natürlich wollte sein Herz das Gegenteil, doch sein Verstand brauchte die Vergewisserung, dass der andere nicht dort auf ihn wartete – entgegen ihres Deals. Anfangs nahm er nur hastige Schritte, doch bald brach er in Rennen aus. Der Sand unter seinen Sneakers gab nach, ließ ihn um ein Haar sogar fallen, doch er kam dem Platz näher und näher. Völlig erschöpft kam er an und sah den dunkelhaarigen Bandleader dort im Sand auf seinem Handtuch liegen. Er musste Die gehört haben, denn Kaoru schaute auf und ein Lächeln brach auf seinem Gesicht aus. Keuchend grinste der Rothaarige wie ein Honigkuchenpferd, doch konnte keine Worte fassen. Stattdessen stützte er sich mit den Handflächen auf seinen Knien ab, bis er endlich genug Luft in seiner Lunge hatte, um wieder normal zu atmen. Langsam stand Kaoru auf und ging zögerlich ein paar Schritte auf den anderen Mann zu. Er war hierher gekommen aus demselben Grund wie Die. Er wollte Vergewisserung haben, dass dies das Ende war. Dass Die tatsächlich nicht kommen würde. Doch er wurde eines Besseren belehrt. Ob Die ihn jedoch so vermisst hatte wie er ihn, war fraglich. Vielleicht war er nur gekommen, um Kaoru noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen, dass die Sache ein Ende haben musste. Unsicher stand der Ältere nun vor ihm und sah ihn fragend an. „Diese verfickte… Nacht, Kaoru… gehörst du mir!“ Atemlos ging er auf den Kleineren zu, krallte seine Finger in dessen T-Shirt und zog ihn heran zu einem nahezu endlosen, verlangendem Kuss. Kaoru lächelte in den Kuss hinein. Dies Ausdrucksweise hatte sich im Laufe der Jahre stark verändert, doch es gefiel dem Leader mehr als je zuvor. Klare Worte. So hatte er es sich nicht einmal gewagt zu träumen! Es war besser als alles jemals zuvor. Nicht lange danach lagen beide im Sand, kämpfen um Dominanz miteinander und sagten sich all die Dinge, die innerhalb der letzten 364 Tage unausgesprochen blieben. Doch viel zu schnell verging die Nacht. Sechs Jahre zuvor Als Kaoru den Weg zum Strand hinunter lief, wusste er eigentlich gar nicht so recht, warum er das tat. Genau ein Jahr war vergangen seit dem Tag, an dem seine damalige Freundin mit ihm Schluss gemacht hatte, er dann abends am Strand saß und Die zu ihm kam. Möglicherweise wollte er heute, exakt ein Jahr darauf, noch einmal Resümee ziehen, auf das letzte Jahr zurück schauen, sich selbst vergleichen mit dem, wie er damals war. Er hatte den Schmerz der Trennung überwunden und doch dachte er manchmal zurück, wenn er einsam war. Heute wollte er einfach mal in Ruhe sitzen und nichts tun, darüber nachdenken, was sich verändert hatte und vielleicht auch ihr gedenken. Denn auch, wenn sein Herz nicht mehr weh tat, so wurde es damals doch gebrochen und vergessen würde er das vielleicht nie. Also ging Kaoru auf genau den Platz zu, an dem er damals gesessen hatte, doch er hätte nicht damit gerechnet, Die dort vorzufinden. Etwas verwundert schaute er auf den Rothaarigen, der etwa genauso dumm zu seinem Freund schaute. Nicht im Traum hatte Die erwartet, dass Kaoru auftauchen würde. Er war sich dessen bewusst, dass es genau ein Jahr her war, dass die beiden miteinander geschlafen hatten. Er war hierher gekommen, um sich daran zu erinnern und wie viel mehr noch ihm der Ältere bedeutete seither. Niemals hatte er ein Wort darüber verloren, war darauf bedacht gewesen, dass ein lockeres Verhältnis zwischen den beiden besteht. Tat es auch und es war gut so. Dennoch konnte Die nicht abstreiten, dass es an seinen Nerven nagte, was wohl gewesen wäre, wenn sie sich dort unter anderen Umständen getroffen hätten. "Hi." Die kratzte sich kurz verlegen am Hinterkopf, doch lächelte. "Mit dir hätte ich hier nicht gerechnet," sagte Kaoru und erwiderte das Lächeln, als er neben Die Platz nahm. "Darf ich?" "Klar doch." Der Rotschopf nickte und bot dem anderen eine Zigarette an, die er dankbar annahm. "Dacht auch nicht, dich hier anzutreffen." "Tja," zuckte Kaoru kurz mit den Schultern. "Gibt es einen besonderen Grund, dass du hier so allein rumsitzt?" Die schüttelte den Kopf. "Nicht wirklich," log er. "Und bei dir?" "Nein, außer dass man hier prima sitzen und nichts tun kann. Einfach nachdenken und die Ruhe genießen." Auch Kaoru wollte nicht preisgeben, warum er eigentlich hier war. Der Jüngere starrte geradeaus auf den Ozean. "Ein Jahr ist es her, dass wir hier waren..." Er ließ den Satz einfach so ausklingen, ohne etwas hinzuzufügen, und Kaoru nickte schweigend. "Hat sich nicht viel verändert, oder?", sagte er dann doch nach einer Weile. "Nur unsere Frisuren," lachte Die und nahm einen langen Zug von der Zigarette, als Kaoru schmunzelte. Dies Haare waren viel kürzer jetzt und Kaorus pinkfarbener Schopf hatte der Farbe violett weichen müssen. Doch mehr als das und der Tatsache, dass sie sich als Band weiterentwickelt hatten, war wirklich nicht passiert. Privat waren beide noch immer allein. "Denkst du noch immer an sie?", fragte Die plötzlich, nicht mehr ganz so schüchtern wie im Jahr zuvor. Er und seine Bandkollegen waren sich freundschaftlich näher gekommen, offener und vor allem Die war es nicht mehr so unangenehm, über private Dinge zu plaudern. Nur Kaoru war nach wie vor noch immer ein wenig still, was das anbelangte. Er zuckte mit den Schultern. "Manchmal. Heute, hier, schon irgendwie." "Noch niemand anderes in deinem Leben?" Der Rothaarige sah geradeaus aus Angst, sein Freund könne ihm ansehen, dass er auch aus Egoismus fragte. "Nichts Ernsthaftes," erwiderte Kaoru und faltete die Beine über Kreuz. "Wir haben so viel zu tun und das Jahr verging wie im Flug." "Ja. Ich weiß, was du meinst." Die nickte. Ihm ging das nicht anders. "Bist du einsam?" Stutzig schaute Kaoru ihn an, nicht vorbereitet auf solch eine Frage. Er brauchte einen Moment, atmete einmal tief durch und schaute dann wieder geradeaus. "Ja und nein. Es wäre schon nett, jemanden zu haben, aber ich fühle mich nicht unbedingt einsam. Und du?" Die biss sich auf Lippe und überlegte einen Augenblick lang, ob er ehrlich sollte, entschied sich dann jedoch, das Risiko einzugehen. "Ja. Also irgendwie... ja." Er lachte nervös, denn man konnte dem anderen ansehen, dass es ihn unangenehm berührte. "Verstehe." "Na ja, ich bin nicht wirklich geschaffen um alleine zu sein," versuchte Die die Atmosphäre aufzulockern und sich zu rechtfertigen. Keineswegs sollte sich Kaoru durch sein Geständnis unbehaglich fühlen oder verpflichtet. "Ich mag Gesellschaft. Gerne hätte ich auch einen Freund, aber ich überleb's. Ist ja nicht so schlimm." Kaorus Blick verharrte auf den Wellen im Meer, doch er nahm sie nicht wirklich wahr. Er musste darauf hoffen, dass Die es nicht als Anspielung meinte. Jedenfalls war Kaoru nicht geschaffen, Dies Freund zu sein. Soviel stand für den Bandleader fest. Doch auf der anderen Seite kam ihm ein Gedanke, der ihm zunächst gar nicht gefiel. Er lag eben auf der Hand und bot sich ihm so direkt dar, dass er nicht anders konnte, als es zu erwägen. Dies Einsamkeit konnte er ihm nicht nehmen, doch es war schließlich gut gewesen damals mit ihm. "Woran denkst du?", fragte Die neugierig und grinste, nur um Kaoru nicht in Gedanken verfallen zu lassen. "Ach, an damals," gab der Ältere zu und grinste ebenso. Doch plötzlich war sein Mund schneller als sein Hirn und er sprach es einfach aus, was er dachte. "Deine Ablenkungstaktik damals war echt wirkungsvoll. Das muss ich dir lassen." Er lachte und Die ebenso, wenn auch durchaus verlegen. Selten war Kaoru so direkt, aber bei ihm musste man eben mit allem rechnen. Die spürte, wie die Hitze in seine Wangen stieg. "Danke. Du warst auch nicht übel." "Nicht übel?", frotzele der Ältere auf einmal und schmollte gespielt, während er dem Rotschopf spielerisch gegen den Arm boxte. "Nur nicht übel?" "Schon gut, schon gut," lachte Die und hielt sich den Arm. "Besser als das. Wesentlich besser." Lachend grinste Kaoru vor sich hin, bis er sich räusperte und ein Angebot machte. "Also wenn ich dir auch mal einen Gefallen tun soll und du Ablenkung suchst..." Verwundert sah Die auf den Älteren. Nicht im Traum hätte er das jetzt erwartet, musste es erst einmal verarbeiten. Gut, Kaoru machte ihm keine Liebeserklärung, aber dennoch war es vielleicht mehr, als er jemals einem anderen Mann anbieten würde. Nein, in gewisser Weise tat es Kaoru aus Nächstenliebe und das wusste Die. Es war auch eine Art Zuneigung, wenn auch nicht die Art, welche sich der Rothaarige am liebsten gewünscht hätte. War er enttäuscht? Nein, das war er nicht. Ganz im Gegenteil war Die Feuer und Flamme! "Danke, ich nehme an." Dass Die so schnell zustimmen würde, machte Kaoru sicher, dass er es nach wie vor locker sah. Eine Geste der körperlichen Hilfe. Keine Emotionen. "Gut. Heute?" "Bietet sich an," lächelte Die und leckte sich die Lippen, als sein Blick auf die des Älteren trafen. Er würde sicher nicht lange fackeln, sondern besser jetzt als später das Angebot in die Tat umsetzen, bevor Kaoru es sich noch überlegte. Langsam beugte sich Kaoru nach vorne, nachdem er die Zigarette kurzerhand weggeworfen hatte. Doch bevor er Die küsste, machte er noch einmal Halt und suchte dessen Augen. "Zu keinem ein Wort. Nur heute Nacht." In diesem Moment hätte Die wohl zu allem ja gesagt. Er nickte in kleinen enthusiastischen Bewegungen und sagte heiser: "Für diese eine Nacht gehörst du mir." Dann legten sich seine Lippen auf Kaorus und besiegelten deren Deal. In dieser Nacht war es anders als die Nacht zuvor. Auch wenn sich Kaoru nicht das Ruder aus der Hand nehmen ließ, war er dennoch zärtlicher zu Die, nicht so überstürzt, und streichelte den Jüngeren fast liebevoll, wenn auch getrieben von Verlangen, endlich in seinem Körper zu sein. Die genoss jeden Augenblick und jede Berührung wie niemals zuvor. Als sie endlich eins wurden, schloss er die Augen und prägte sich das Gefühl fest in seinem Verstand ein, schlang die Arme um den nackten, klammen Körper über ihm und hielt ihn fest an sich gedrückt. Er wusste, dass sich solch eine Nacht möglicherweise nie wieder ergeben würde und kostete sie daher aus, so gut er konnte. Noch lange lagen beide in einander Armen und genossen die schwüle Luft der Sommernacht mit geschlossenen Augen. Diesmal hatte Kaoru keine Angst, dass es Auswirkungen hätte. Am Morgen wäre offiziell alles vergessen und das beruhigte ihn zu genüge. Zwei Jahre zuvor Lange nicht mehr hatte Die eine so heiße Nacht erlebt wie diese und er dachte dabei nicht an die vergangene Stunde mit Kaoru, sondern tatsächlich an die Wärme der lauen Luft. Er nahm einen langen Zug von seiner Zigarette, als er schmunzeln musste. Nur langsam kühlte sich sein eigener Körper ab, die Haut noch klamm und bläulich schimmernd im Mondlicht. Seinen Kopf ruhte er auf Kaoru aus, in dessen Arm liegend, während dieser seine Fingerkuppen über Dies Brust wandern ließ. In Momenten wie diesem war Die glücklich. Richtig glücklich. Es spielte keine Rolle, dass er wieder ein Jahr lang auf Kaoru hatte warten müssen, denn nun waren sie ja endlich vereint. Wenn auch nur für diese Nacht. Seitdem er wusste, dass der andere Gitarrist durchaus Gefühle für ihn hatte, war es leichter zu ertragen. Es war seltsam, aber Die richtete sich nicht mehr nach ihm, sondern nur noch nach sich selbst. Er entwickelte eine Art Egoismus, das zu tun, was ihm Spaß machte und nach einer Weile sah er ihre jährlichen Treffen anders. Kaoru war wie ein Geburtstag oder ein anderer Feiertag, auf den man sich einmal im Jahr freute, man liebte und genoss, aber dennoch nicht vor Trauer verging, nur weil man immer wieder ein Jahr warten musste, bevor es wieder so weit war. Selbstimplantierte Psychose, aber wenn Die es so sah, war alles gut. Diese Nacht war der Ältere ungewöhnlich ruhig. Er starrte in den Himmel und genoss den Augenblick. Doch irgendetwas brannte ihm unter den Nägeln und Die sollte es zuerst erfahren. Wenn ihn jemand verstehen konnte, dann er. „Die,“ flüsterte er leise und malte mit dem Zeigefinger unsichtbare Kreise auf Dies Oberkörper. „Sie ist schwanger.“ Es tat nur einen kurzen Moment lang weh, als Die die Worte seines Freundes verarbeitete. Von ihr zu reden, sie nur zu erwähnen, schmerzte den Jüngeren immer ein wenig, doch Die akzeptierte, dass Kaoru die Frau liebte. Wenn sie ihm also ein Kind schenken würde, wäre er glücklich für den anderen Mann. Die schwieg und legte seine Hand auf die von Kaoru. „Ich möchte nicht Vater werden,“ sagte der Dunkelhaarige und seufzte kaum hörbar. „Ich glaube nicht, dass ich das kann.“ Zweifelnd drehte Die den Kopf etwas, um Kaoru anzusehen. Wollte er ihn etwa verarschen? „Du machst Witze, Kao. Wenn diesen Job jemand kann, dann ja wohl du.“ Diesmal hoben sich die Augenbrauen des anderen zweifelnd an, doch er schaute weiter nach oben in die Sterne. „Vielleicht,“ lächelte er ein klein wenig augrund von Dies Einschätzung, doch dann legte er seine Stirn in Falten. „Aber das ist so... endgültig. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Familie gründen. Ich bin sicher keiner, der seine Pflichten ungern wahrnimmt, aber ich mag auch meine Freiheit. Und jetzt fühle ich mich, als hätte jemand eine Schlinge um meinen Hals gelegt, die sich immer fester zuschnürt. Verstehst du, was ich meine? Mache ich Sinn?“ Seine eigenen Worte verwirrten ihn, doch Die glaubte so ungefähr eine Ahnung davon zu haben, wie Kaoru das meinte. Er war sicherlich gerne in festen Händen, aber ihn an sich zu binden, war ein schwieriges Unterfangen mit dem Risiko, dass er einem davonläuft. Die könnte ein Buch darüber schreiben. „Will sie, dass du sie heiratest?“ „Nein,“ antwortete der Ältere etwas zerknirscht. „Und ja. Sie wartet nur darauf, dass ich sie bitte, ja. Und irgendwie verstehe ich das auch. Gehört sich ja so. Nur...“ „Dann tue es nicht.“ Der Rothaarige richtete sich auf und drehte sich soweit um, dass ihm Kaoru in die Augen sehen musste. „Ich weiß, dass du auch für ein uneheliches Kind ein guter Vater wärst. Und wenn du noch nicht heiraten willst, frag sie nicht. Liebt sie dich, wird sie es verstehen.“ „Meinst du?“ Kaoru war sich da nicht so sicher. Sie wäre sicher enttäuscht von ihm. „Für die Liebe muss man Opfer bringen,“ sagte Die und hauchte einen kleinen Kuss auf die Lippen des anderen Mannes, bevor er es sich wieder in dessen Arm bequem machte. Er hatte bisher genug Opfer gebracht für die Liebe, für den Mann, den er liebte. Sie hatte ja keine Ahnung und im Gegensatz zu Dies Herzschmerz der vergangenen Jahre war die eventuelle Enttäuschung darüber, dass Kaoru sie vielleicht noch nicht heiraten würde, doch nicht einmal nennenswert in Dies Augen. Der Ältere empfand es nicht sehr viel anders. Er wusste genau, was Die damit meinte, als er das sagte. Doch musste nicht auch Kaoru Opfer bringen? Musste er nicht vielleicht Die aufgeben und eine Familie gründen, wie es sich gehörte? Oder bestand das Opfer darin, seine Freundin nicht zur Frau zu nehmen und mit den Blicken der Leute zu leben, wenn er und Die offiziell ein Paar wären. Es gab viele Opfer, die er bringen könnte, doch nie gebracht hatte. Das wurde ihm auf einmal klar. „Kao?“, sagte Die plötzlich schmunzelnd. „Ich werde dich auch als Daddy noch lieben.“ Das Lächeln auf den Lippen des Bandleaders brach allmählich, doch ganz unweigerlich aus. Die war ein ganz besonderer Mensch und das würde er für ihn auch immer blieben. So Vieles nahm er hin und verdiente doch so viel Besseres. Inständig wünschte Kaoru seinem Freund, dass auch er glücklich wird. Auf dem einen oder anderen Weg... Vier Jahre zuvor Die hatte lange nachgedacht, sich das vergangene Jahr hindurch von Kaoru distanziert und versucht, mit seinen Gefühlen zu Rande zu kommen. Doch alles war zwecklos und so musste er sich eingestehen, dass er nicht nur vernarrt, verknallt oder verliebt in ihn war, ihn nicht einfach nur anziehend fand, sondern mehr als das. Das Gefühl von tiefer, bedingungsloser Zuneigung machte sich in ihm breit und beängstigte ihn. Wie sollte er sich verhalten? Seine Liebe war das letzte, mit dem Kaoru etwas anfangen, geschweige denn umgehen konnte. Er war doch so gut wie verlobt mit seiner derzeitigen Flamme. Es blieben nicht viele Möglichkeiten. Sagte er Kaoru, dass er ihn liebte, war alles vorbei und Die hätte dabei auch noch seine Würde verloren. Behielt er alles für sich, so konnte er doch auf den einen Tag im Jahr hoffen, an dem sie sich am Strand trafen. Doch konnte er damit noch leben? Nervös wartete er, als der Tag endlich gekommen war, rutschte seine nackten Füße durch den Sand und rauchte bereits die dritte Zigarette in einer Stunde. Ob Kaoru überhaupt kommen würde, wusste Die nicht. Sie hatten dieses Abkommen schweigend getroffen, mit Blicken bestätigt, doch niemals ein Wort darüber verloren. Auch heute, als Kaoru die Probe verlassen hatte, ging er an Die vorbei und legte kurz seine Hand auf dessen Schulter, bevor er den Raum verließ. Ein eindeutiges Zeichen und doch niemals eine klare Aussage. Das Motiv? Im Zweifelsfall strittig. Und so war es immer ein Verweilen zwischen dem, was Dies Gespür ihm sagte und den eigentlichen Fakten. Als Die den blonden Schopf des ersten Gitarristen sah, hatte die Ungewissheit ein Ende. Im ersten Augenblick brachte es ein Lächeln auf die vollen Lippen des Rothaarigen. Allein, dass Kaoru hier war, reichte aus dazu. Doch die Gedanken in seinem Kopf ließen Dies Lächeln verblassen. „Die,“ strahlte der Ältere unvermittelt und zum ersten Mal aus purer Freude, den anderen zu sehen und sich mit ihm allein zu treffen, solange die „Sache“ nun schon lief. Es brachte Hoffnung und Schmerz im selben Moment in Dies emotional geschwächten Verstand. Der Ansatz eines kleinen, doch traurigen Lächelns bahnte sich den Weg über Dies Mund, als Kaoru endlich vor ihm stand und seine Hände zuerst auf Dies Hüften legte und sie dann seinem Rücken hinauf fahren ließ, um ihn ganz nah zu ziehen. Kaoru hatte sich darauf gefreut, Die heute Nacht für sich zu haben, so wie immer an diesem einen Tag im Jahr. Er machte sich keine Gedanken mehr, denn diese eine Nacht gehörte ihnen und da es am nächsten Tag vergessen war, konnte er auch gut damit leben. Die war wie ein verflucht guter Joint, den man sich einmal im Jahr gönnte, aber seiner Familie nichts davon erzählte. Wie eine Droge und genau so wirkte er auch. Gern würde Kaoru auch einfach die Finger von ihm lassen, doch zu groß war die Versuchung. Hatte man einmal von ihm gekostet, so brauchte es schon mehr als eine Entziehungskur um von ihm loszukommen. Der nur wenig Kleinere zögerte nicht lange und presste seine Lippen auf die seines Freundes. Dies ganz eigener Geschmack ließ ihn leise seufzen, als er seine Zunge in dessen Mund gleiten ließ und von Sekunde zu Sekunde stärker seinem Verlangen Ausdruck verlieh. Schnell wurde Kaorus Kuss fordernd und seine Handflächen schoben sich unter den dünnen Stoff von Dies T-Shirt. In diesem Moment wurde Die bewusst, was er tun musste. Zwar fühlte es sich verdammt gut an, dass der andere Mann so sehr nach ihm verlangte, ihn brauchte und regelrecht nach ihm lechzte, doch das alles hatte doch nur einen Grund. Es war sicherlich nicht Dies emotionale Zuneigung, die Kaoru vermisst hatte. Nein, es war die körperliche. Und in jedem Augenblick tat es so weh, dass Die die Kraft aufbrachte und den Älteren langsam von sich schob. „Nicht Kao,“ sagte er kratzig und suchte nach Worten. „Ich weiß nicht, ob ich das hier noch kann.“ Unwillkürlich zogen sich die Augenbrauen des Älteren nach oben, als er von Die abließ und sich hinsetzte. „Warum? Hast du einen Freund?“ Irgendwie verärgerte Die die Schlussfolgerungen seines Bandkollegen. Mussten denn alle Menschen wie Kaoru sein? „Nein, das ist nicht der Grund.“ „Und was dann?“ Kaoru verstand nicht. War es nicht Die gewesen, der diese Treffen eigentlich initiiert hatte? Dann sollte er einfach rausrücken mit der Sprache. „Das kannst du dir natürlich gar nicht vorstellen, wie?“ Verbittert ließ sich Die neben den anderen fallen und zog die Beine dicht an den Körper, um seine Arme darum zu schlingen. „Kannst du dir eigentlich vorstellen, warum ich mich hier mit dir treffe?“ Der Blonde schaute Die einen Moment lang an und versuchte in dessen Gesichtsausdruck zu lesen, was in ihm vorging. Es war nicht schwer zu erkennen, dass ihm etwas nicht passte. Aber was, konnte sich Kaoru tatsächlich nicht vorstellen. Er merkte lediglich, wie angriffslustig der andere war. „Aus demselben Grund wie ich dich?“ Ein Geräusch der Missbilligung kam über die Lippen des Rothaarigen. „Das bezweifle ich. Und um ehrlich zu sein, ich habe einfach keine Lust mehr, deine alljährliche Hure zu spielen.“ Kaorus Augen rissen sich wie von selbst auf, bevor sie sich verdüsterten. Dass Die ihn so beleidigte, stand dem Jüngeren nicht zu. „Bitte was? Du meine alljährliche Hure? Dass ich nicht lache! Warum kommst du dann her, wenn du keine Lust hast? Ich zwinge dich nicht!“ „Nein, tust du nicht,“ presste Die zwischen seinen Lippen hervor. „Das ist es ja gerade. Es würde dir nichts ausmachen, wenn ich nicht käme, richtig?“ Verwirrt starrte der Ältere auf Die. Worauf zur Hölle wollte er eigentlich hinaus? Kaoru war drauf und dran, einfach wieder zu gehen. Aber er hasste es, Dinge im Ungewissen zu lassen. Wenn Die nicht wollte, fein. „Ich müsste wohl damit leben, was?“ Kaorus Sarkasmus half dem Rotschopf nicht gerade weiter. Vielmehr ärgerte es ihn umso mehr. „Die Frage ist aber, ob ich damit leben könnte.“ Wiederum verstand Kaoru nicht. Wollte Die nun oder nicht? Seine Worte waren so widersprüchlich. Er sagte, dass er es nicht mehr wollte, doch im gleichen Atemzug, dass er nicht damit leben könnte. „Die,“ begann der Leader ganz ruhig. „Wenn du mich nicht mehr hier treffen willst, ist das okay. Ich bin der Letzte, der dich dazu zwingt. Ich verstehe nur nicht, wo dein Problem liegt.“ „Mein Problem bist du, Kao,“ seufzte der Jüngere und stütze den Kopf auf seinen Armen ab, während sein leerer Blick hinaus auf den Horizont schwand. „Wenn ich sage, wir treffen uns nicht mehr, ist es völlig okay für dich. Du brauchst mich nicht. Nicht so, wie ich dich brauche. Also frage ich mich, warum du jedes Jahr immer wieder hier auftauchst. Nur wegen dem Sex? Selbst den bekommst du auch woanders. Und ich auch, wenn ich nur wollte. Nur leider ist da niemand, der mir ein Gefühl gibt, so wie du es tust. Was, glaubst du, macht das aus mir?“ Er drehte sich langsam um und schaute in die dunklen Augen des blonden Mannes. Im Halbdunkel sah er fast noch schöner aus als sonst. Kaoru konnte das Glitzern in Dies Augen sehen und wusste, dass es nicht vor Glück war, sondern Tränen, die unvergossen blieben. Konnte es wirklich sein, dass Die mehr für ihn empfand, als er jemals zugegeben hatte. Doch er hatte recht. Wenn Kaoru das geahnt hätte, hätte er die Finger von ihm gelassen. Nun war es aber zu spät und warum? Weil es der Ältere zugelassen hatte. Und zwar nicht, weil er den Sex brauchte. So viel stand fest. „Bist du verliebt in mich?“ Kaorus direkte Frage ließ Die innerlich leicht zusammenfahren. Er wand seinen Blick vom Bandleader und schaute stur geradeaus. „Ist doch sowieso egal. Alles ist egal. Ich bin dir egal.“ Auch wenn Die nun schon melodramatisch klang und fast wie Kaorus Freundin, wenn sie sich vernachlässigt fühlte, so ließ es ihn doch nicht unberührt. Diesmal hatte Die unrecht. Langsam schüttelte der Blonde den Kopf. „Das ist nicht wahr.“ Die war ihm nicht egal. Er konnte sich lediglich besser selbst belügen als er. Kaoru rutschte ein Stück zur Seite, näher zu Die, und legte die Arme um dessen Oberkörper. Er presste seine Brust gegen den Rücken des Jüngeren und hielt seine Handgelenke fest, als dieser sich in Reflex aus der Umarmung herauszuwinden versuchte. „Lass mich. Du lügst mich an und ich will dein Mitleid nicht.“ Doch Kaorus Griff wurde nur stärker. Er presste seinen Kopf gegen den des anderen und festigte seine Arme um dessen Körper, bis sich Die beruhigt hatte. Dann erst sprach Kaoru ruhig und leise. „Ich empfinde für dich mehr, als ich es mir jemals eingestehen würde. Deshalb komme ich hierher. Um dich zu haben für eine Nacht lang. Dich, Die. Nicht belanglosen Sex. Dich. Du bist mir verdammt wichtig, auch wenn ich nicht mit dir zusammen sein kann.“ „Will,“ korrigierte der Jüngere, als er spürte, wie eine Träne sich langsam seiner Wange hinunter bahnte. Er würde sie gerne wegwischen, doch seine Hände waren dummerweise noch immer gefangen. „Du willst nicht.“ „Kann und will nicht. Und ja, weil du ein Mann bist.“ Die Worten klangen hart, doch Kaoru versuchte die Wahrheit so sanft wie möglich zu sagen. „Aber das heißt nicht, dass ich nichts für dich empfinde. Im Gegenteil. Ich mochte dich vom ersten Tag an, noch bevor wir jemals miteinander geschlafen hatten. Aber ich bin nicht schwul. Ich kann nicht mit einem Mann leben. Es tut mir leid.“ Er flüsterte den letzten Satz, weil er wusste, dass es dem anderen nicht weiterhalf, wenn sich Kaoru entschuldigte. Er kannte das Gefühl eines gebrochenen Herzens und das wollte er Die ersparen, wenn er ihm auch das Gefühl der Zurückweisung nicht ersparen konnte. Kaoru presste seine warmen Lippen an die Haut am Hals des Jüngeren und ließ die Handgelenke los, nur um nach seinen Händen zu suchen und sie zu halten. „Alles, was ich dir geben kann, ist eine Nacht im Jahr. Und liebend gerne verbringe ich sie mit dir auch ohne Sex, halte deine Hand, wenn du willst, oder gehe mit dir am Strand spazieren. Egal was. Aber nur für diese eine Nacht im Jahr.“ Geräuschlos saß Die da, als ihm die Tränen über die Wangen liefen. Natürlich war er noch immer traurig, denn es tat weh, nicht das zu bekommen, was er wirklich wollte. Die Zurückweisung schmerzte und auch Kaorus so deutliche Worte. Aber er hatte ebenso zugegeben, dass er Die mochte, er ihm wichtig war und er Gefühle für ihn hatte. Das war wiederum mehr, als sich Die hätte erträumen lassen. Es war zwar schwer für ihn zu begreifen, warum Kaoru nicht mit ihm zusammen sein konnte, obwohl er doch etwas für ihn empfand. Doch er hatte es tatsächlich gesagt und damit Die zugegebenermaßen überwältigt. Der Jüngere verflocht seine Finger mit denen des Älteren und lehnte sich gegen ihn. „Können wir einfach nur so hier sitzen?“ Ein kleines Lächeln huschte über Kaorus Lippen. „Klar.“ Er presste einen kleinen süßen Kuss auf Dies Hals und hielt ihn, einfach nur so. Dies Geständnis war genau das gewesen, wovor Kaoru immer Angst gehabt hatte. Dass einer von ihnen sich in den anderen verliebte und sein Herz darunter litt. Der Bandleader glaubte, seine eigenen Gefühle unter Kontrolle zu haben, doch für Dies konnte er nun mal nicht garantieren. Letztlich hatte sich also der Rothaarige in ihn verliebt und es traf den anderen Mann mehr, als er sich eingestand. Er hätte nie geglaubt, dass es ihn so berühren würde, als ihm der andere seine Gefühle beichtete. Die liebte ihn und Kaoru kam nicht umhin, ehrlich zu sich selbst zu sein, als er sich insgeheim eingestand, dass er den Jüngeren ebenso mochte. Erst bei Morgengrauen verließen beide den Platz am Strand, küssten sich ein letztes Mal und versprachen einander, sich im nächsten Jahr nicht wiederzusehen. Ein Jahr zuvor Am liebsten wäre Kaoru heute gar nicht hergekommen, nur leider siegte die Sehnsucht nach dem anderen Mann. Er war der Lichtblick im beschissenen Leben des Bandleaders. Während des vergangenen Jahres war so ziemlich alles schiefgegangen, was schief gehen konnte. Natürlich hatte er nicht auf Dies Rat gehört und seine schwangere Freundin dem Anstand entsprechend gefragt, ob sie seine Frau werden wollte. Das hatte zur Folge, dass in kürzester Zeit solch ein Trubel entstand, dass sich die imaginäre Schlinge um Kaorus Hals bis zur Unerträglichkeit zusammenzog. Und nicht irgendjemand hatte die Schlinge um seinen Hals gelegt, sondern er sich selbst. Mit jedem Tag, der verging, und jeder weiteren Vorbereitung der Hochzeit wurde es schwieriger zu ertragen. Kaoru hatte sich gefühlt, als müsste er ersticken. Doch anstatt die Hochzeit rechtzeitig abzublasen, wartete er bis zum letzten Tag, bevor er sich feige ins Auto setzte und davonfuhr. Er kam erst am Tag nach seiner eigentlich stattfindenden Heirat zurück und es wartete nicht nur eine stocksauere, zutiefst beleidigte und gedemütigte Frau auf ihn, sondern bereits die Sorgerechtsklage für das noch nicht einmal geborene Baby. Rein obligatorisch, verstand sich. Sie wollte keine Zeit verschwenden, hatte er sie doch zum Gespött aller Leute gemacht. So sehr sich Kaoru auch entschuldigte, es führte kein Weg dazu, die Frau zu besänftigen. Und er konnte es sogar verstehen! Er hätte sich selbst eine runterhauen können für seine eigene Blödheit. Natürlich saß er am längeren Hebel, was Geld anbelangte und so war es ihm möglich, durch Unterhalt und Entschädigung in Form von monatlichen Beträgen seine Rechte als Vater durchzusetzen. Ein hoher Preis für eine Dummheit wie die seine. Doch hatte man das Kind einmal im Arm gehalten, so würde nur ein Bastard freiwillig auf seine Vaterschaft verzichten. Seufzend ließ sich Kaoru in den Sand fallen und gähnte. Sein Leben war der reinste Stress geworden, körperlich sowie mental. Er bereute die meisten seiner Entscheidungen, nicht nur die zu der voreiligen Heirat, zu der es nicht kam. Er fühlte sich schlichtweg wie ein Idiot und zwar einer, der einsam und gestresst am Ende seiner Kräfte auf diesen Tag gewartet hatte, nur um endlich mit dem Menschen zusammen zu sein, den er wirklich liebte. „Hey Kao,“ sagte plötzlich eine Stimme, die ganz unverkennbar Die gehörte. „Tut mir leid, dass ich mich etwas verspäte, aber ich habe dir auch was mitgebracht.“ Er zückte einen Umschlag aus seiner Jackentasche hervor, als er sich neben dem Älteren niederließ. Kaoru nahm den Umschlag, nachdem er sich aufgerichtet hatte, und öffnete ihn. Er fand darin ein Dutzend Fotos von seiner Kleinen und musste unwillkürlich lächeln. „Die habe ich gemacht, als du sie das erste Mal bei dir Zuhause hattest. Schau mal, wie blöd ich da aussehe. Aber sie steht mir, oder?“, lachte Die, als er auf ein Foto zeigte, auf dem er mit dem Baby zu sehen war. „Eine richtig süße Kleine. Gut, dass ich nicht auf Mädels stehe, sonst könnte ich für nichts garantieren.“ Entsetzt starrte Kaoru auf seinen Bandkollegen, musste jedoch lachen über den offensichtlichen Witz. „Sie ist noch ein Baby, Die! Hast du gar keinen Anstand? Wo ist deine Moral?“ Wieder lachte Die. Seine Augen strahlten regelrecht und es färbte auch ein wenig auf den anderen Mann ab. Ja, Die war sein Lichtblick. Und Die mochte das kleine Bündel, welches Kaoru sein Eigen nennen durfte. „Meine Moral? Ich sag dir lieber nicht, was du mit der gemacht hast.“ Schmunzelnd richtete der Ältere seinen Blick wieder auf das Foto. Die sah tatsächlich etwas blöd aus, aber zumindest dem Baby schien das nichts auszumachen. Sie schlief seelig in den Armen von Onkel Die. Es war ein wohltuender Tag gewesen, an dem Kaoru das erste Mal seine Tochter mit nach Hause nehmen durfte und seine Kollegen einlud, damit sie sie bestaunen konnten. All die bescheidenen Tage zuvor waren für kurze Zeit vergessen, als der stolze Papa sein kleines Kind zeigen konnte. Nachdem er alle Fotos ausgiebig betrachtet hatte, packte er sie wieder in den Umschlag und verstaute ihn in seiner Jacke, die neben ihm im Sand lag. „Danke.“ „Keine Ursache,“ sagte Die mit einem Wink seiner Hand. „Wenn du noch mehr Abzüge möchtest, sag bescheid.“ Kaoru zog die Beine etwas näher an seinen Körper und stützte seine Arme darauf an, als er einmal tief durchatmete. Mit Die war er glücklich und hätte es schon immer sein können, wäre er nicht so dämlich und auf sein Ansehen bedacht gewesen. Konventionen, die ihm eigentlich egal hätten sein sollen. „Was ist? Du machst so ein trübes Gesicht,“ sorgte sich Die. Oftmals sah Kaoru unglücklich aus, seitdem er das mit seiner Freundin vermasselt hatte. Doch in den letzten Wochen hatte es den Anschein gehabt, dass es dem dunkelhaarigen Mann wieder etwas besser ging. Trotzdem hatte Die bereits damit gerechnet, dass ein persönliches Gespräch zwischen den beiden notwendig war. Leise seufzend zwang sich Kaoru ein Lächeln ab. „Ach, mir wird nur jeden Tag auf’s Neue bewusst, was für ein Vollidiot ich bin. Versager auf der ganzen Linie.“ „Du bist doch kein Versager,“ sagte Die aus voller Überzeugung. „Nur weil die Sache mit der Hochzeit nach hinten losgegangen ist, so hast du doch mehr, als andere. Und vor allem eine wunderschöne Tochter. Ist das nichts?“ „Davon rede ich nicht,“ sprach der andere leise und suchte nach besseren Worten. „Ich hätte nur so Einiges anders machen können. Ich hätte auf dich hören und die Karten von Anfang an offen auf den Tisch legen sollen. Doch selbst das ist nicht wirklich das Problem. Vielmehr hätte ich dir bezüglich andere Entscheidungen fällen müssen.“ Die war etwas verwundert. Nun, wo Kaoru allein war, wollte er da etwa Die die Schuld geben? Kam jetzt so etwas wie, dass er sich niemals auf ihn hätte einlassen sollen. Dann wäre ihm das alles vielleicht erspart geblieben. Und manchmal fühlte sich der Jüngere tatsächlich etwas schuldig, gerade weil sein eigenes Leben endlich besser zu laufen schien. „Feige treffe ich mich jedes Jahr hier mit dir, eine Nacht lang, seit exakt sechs Jahren. Damals war ich ignorant dir gegenüber. Meine Ansichten waren so dumm.“ Kaoru versuchte, es einfach frei heraus zu sagen. Doch er behielt sein Augenmerk auf den Horizont, die untergehende Sonne, das sich rot einfärbende Meer. Denn wenn er das nicht tat, wenn er Die in die Augen sah, so würde ihm sicher der Mut schwinden. „Dass ich nicht schwul bin, ist eine Lüge. Ich schlafe mit dir. Gott, ich liebe dich sogar. Macht mich so was von schwul, aber ich war schon immer gut im Verdrängen der Wahrheit.“ Die schwieg, während Kaoru in Selbstmitleid verfiel. Gern hätte er ihn unterbrochen, ihn neu motiviert, doch alles in allem hatte der Ältere doch noch nie solche Eingeständnisse gemacht und Die konnte nicht anders – er wollte sie hören. Nicht zuletzt, weil es das erste Mal war, dass sein Freund so offen zugab, dass er ihn liebte. Stillschweigende Zuneigung, aber nie die berühmten drei Worte. „Ich wette, wir wären glücklich gewesen.“ Kaoru wurde etwas unsicher durch Dies Stillschweigen. Doch wie automatisch ließ er eine Hand von seinem Schoß fallen und griff nach der des jüngeren Mannes, um sie einfach nur zu halten. Auch wenn er es war, der nach diesem Halt verlangte. „Du wolltest damals mit mir zusammen sein und ich? Ich war einfach nur ein Idiot. Ich wollte nicht, nur weil ich ignorant und stur war. Und dumm. Vor allem dumm. Wenn ich das rückgängig machen könnte, würde ich es ohne mit der Wimper zu zucken tun.“ Die starrte auf die Hand, die seine hielt, und drückte sie. Wie sehr und wie lange hatte er sich diese Worte gewünscht zu hören von dem anderen Mann? Seit verdammten sechs Jahren nun schon! Warum nur musste Kaoru gerade jetzt seine Meinung ändern? „Kao,“ brachte er kratzig hervor. „Du weißt, ich habe jetzt einen Freund.“ „Kyo, ich weiß.“ Nur kurz wand der Bandleader seinen Blick auf Die, bevor er wieder geradeaus schaute. „Irgendwie komisch. Gerade er nach all der Zeit. Wir haben wirklich nicht viel gewusst voneinander, oder?“ Langsam schüttelte Die den Kopf. „Ich war auch überrascht.“ Stille brach kurz aus. Nur das Rauschen des Meeres war zu hören und die Grillen, die bereits anfingen zu zirpen, als es zunehmend dunkler wurde um die beiden Männer. „Ist er gut zu dir?“, fragte der Ältere unerwartet, selbst für ihn. Nur was hatte ein Mann, der am Boden war, noch zu verlieren? „Ja,“ nickte Die kurz und schaute besorgt auf seinen Freund. „Ja, ist er.“ Es schmerzte den Jüngeren, denn er wusste genau, dass Kaoru viel Stolz überwand, wenn er so etwas fragte. Er kannte ihn zu gut, um zu glauben, dass er einfach nur „plauderte“. So war sein Kao einfach nicht. „Liebt er dich?“ Er hätte nicht fragen sollen! Als hätte sich Kaoru selbst ein Messer ins Herz gerammt, fühlte er, wie sich alles in ihm zusammenzog. Er wünschte sich, dass Kyo den anderen nicht liebte, doch er würde ihn andererseits zusammenschlagen, wenn er es nicht tat. Nein, was sich Kaoru wirklich wünschte, war, Kyo hätte seinen Die niemals angefasst. „Tut er,“ flüsterte Die. Warum tat sich der andere das an? Früher hätte es den Älteren nicht einmal interessiert und nun fügte er sich selbst Schmerz zu mit solch dummen Fragen. Warum fragte Kaoru nicht einfach, ob Die ihn liebte? Die hielt es nicht mehr aus und beugte sich hinüber zu dem anderen, drehte sein Gesicht zu sich und presste seine Lippen auf Kaorus Mund. Mit seiner Hand in Kaorus Nacken ließ er seine Fingerkuppen am Ansatz des langen, dunklen Haares verweilen, rieb ein wenig über die sensible Haut und winkelte den Kopf seines Liebsten so, dass schon nach kurzer Zeit ein kleines Stöhnen aus dessen Kehle drang. Der Jüngere brauchte nicht lange, um mit Hilfe seines Oberkörpers den anderen zu Boden zu drücken und ihn mit leidenschaftlichen Küssen zu überhäufen. Doch Kaoru presste seine Handflächen gegen die Brust des anderen Mannes und schob ihn etwas zurück. „Die, hör auf. Ich kann das nicht. Kyo ist mein Freund… ich…“ Ihm fehlten die Worte. Kyo kratzte ihn nur halb so sehr, wie er tat, aber er konnte die Band nicht riskieren. Seine Band. Eines der wenigen Dinge, die er noch hatte. Kam es zum Streit zwischen ihm und Kyo, einem Beziehungsdrama um Die, dann wäre Dir en grey Vergangenheit und die Mitglieder das Gespött der Nation und vielleicht darüber hinaus. „Du gehörst jetzt zu ihm.“ Er belog sich einmal mehr selbst. Die gehörte zu niemand anderem als Kaoru, nicht zu Kyo. Doch moralisch gesehen und nicht emotional, gehörte dem kleinen Sänger nun des Leaders halber Rotschopf. Die schüttelte nur den Kopf. „Kyo weiß, dass ich hier bin. Mit dir.“ „Aber…“ Es verwirrte Kaoru. Nicht nur, dass ihm das unangenehm war. Es war auch unverständlich und vor allem unwahrscheinlich, dass Die seinem Freund von ihrem ‚Ding’ miteinander erzählt hatte. „Er weiß, dass ich mich hier mit dir treffe.“ Mehr wollte Die nicht preisgeben. Es war schwierig genug. Kyo hatte es ihm angemerkt und Die hatte ihm die Wahrheit erzählt, wollte nicht lügen. Kyo hatte nur gefragt, ob er sich auch diesmal wieder mit Kaoru treffen würde und Die bejahte dies. Mehr Worte hatten sie darüber nicht verloren. „Wie…?“ Unklar. Es war einfach unklar für den Älteren, wie der Sänger das wissen und nichts dagegen haben konnte. „Frag nicht, Kao. Frag bitte einfach nicht.“ Die hauchte einen sanften Kuss auf Kaorus Lippen. „Diese eine Nacht gehörst du zu mir und das war schon immer so und wird auch immer so bleiben.“ Der andere Mann hätte in diesem Moment heulen können, so froh machten ihn Dies Worte. Denn, auch wenn er niemals mehr wieder richtig glücklich werden würde, er hätte immer noch diese eine Sommernacht pro Jahr, welche er mit Die verbringen konnte. Er würde ihn nicht im Stich lassen, egal, was für dumme Sachen Kaoru auch immer tat. Für die Liebe musste man Opfer bringen, hatte Die einmal gesagt, und es war für Kaoru an der Zeit, dass auch er endlich sein Opfer brachte. Er zog den Jüngeren zu sich hinab und schlang seine Arme fest um den Körper über sich, als er Die küsste, als würde er ihn das letzte Mal küssen. Wenn er all die Liebe, die er für ihn empfand, in einen einzigen Kuss stecken konnte, so war es dieser. Und als er letztlich seine Dominanz aufgab und Die in seinem Körper spürte, huschte ein kleines, aber glückliches Lächeln über seine Lippen. Ihm wurde klar, dass es im Grunde schon immer nur diesen einen Menschen für ihn hätte geben sollen. Heute „Tut mir leid, ich bin schon wieder zu spät,“ keuchte Die, als er um die Ecke bog. „Aber der Frisör brauchte länger, als ich dachte. Als Kaoru aufschaute, wusste er nicht, was er sagen sollte. Er öffnete die Lippen und schloss sie wieder. Überrascht war kein Ausdruck für das, was er war. „Und, gefällt’s dir?“, grinste Die und setzte sich neben seinen Freund auf dessen Strandtuch. „Du,“ begann Kaoru langsam, als sich seine linke Augenbraue nach oben schob. „Du bist blond, Die.“ „Ach, nee. Sieht schick aus, oder? Mal was anderes,“ lächelte der Jüngere zufrieden und nahm sich eine Cola aus der Kühltasche, die der andere mitgebracht hatte. „Du bist blond,“ wiederholte Kaoru und legte den Kopf etwas schief, um seinen Blickwinkel zu ändern. Doch egal, aus welcher Richtung er Die auch anstarrte, sein Freund war blond. „Du wiederholst dich, Kao,“ seufzte Die etwas beleidigt. „Was jetzt? Findest du es gut oder schlecht?“ „Ich finde es... blond,“ neckte der Ältere und ein kleines, einseitiges Grinsen entstand in seinem Gesicht, als Die die Augen verrollte und die Arme verschränkte. „Gut. Es sieht gut aus.“ „Wirklich?“ Skeptisch sah der erblondete Mann neben sich. „Ja,“ sagte Kaoru und ließ seine Finger kurz durch die blondgefärbten Haare fahren. „Es hat was. Ist nur ungewohnt, dich blond zu sehen. Aber es gefällt mir.“ Ein breites Lächeln brach in Dies Gesicht aus. „Na ja, ich wollte eben mal eine Veränderung, weil sich generell so viel verändert hat. Ich meine, ich sitze hier neben dir als mein offizieller Freund, kann jederzeit meinen Arm um dich legen,“ erklärte Die und tat genau dies zur Untermalung seiner Worte, „und dich küssen kann ich auch.“ Ganz langsam küsste Die seinen Freund, bewegte seine Lippen sanft und verweilte mit ihnen danach ganz nah an Kaorus, als er weitersprach. „Als Zeichen des Wechsels.“ „Deshalb?“ Der andere musste grinsen. Deshalb ließ sich Die blondieren? „Du bist ja richtig patriotisch.“ „Genau!“, strahlte Die und nickte mehrfach. „Schließlich haben wir heute etwas zu feiern. Wir sind seit exakt 45 Tagen zusammen heute.“ Wieder musste Kaoru lachen, wenn auch leise. „Und ich dachte, du meinst...“ Vor sieben Jahren auf den Tag genau hatten sie sich das erste Mal hier an diesem Platz getroffen, zufällig. Doch an diesem Tag hatte das Schicksal seinen Lauf genommen. Vor 45 Tagen genau war Die bei Kaoru gewesen, um ihm mehr oder weniger bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Seine Beziehung zu Kyo zerbrach an der Tatsache, dass Die nicht mit Kaorus Geständnis umgehen konnte. Er hatte es versucht, denn er mochte doch auch den Sänger und war gern mit ihm zusammen. Leider dachte er viel zu oft an den anderen Gitarristen, seitdem der ihm die drei kleinen Wörtchen gesagt hatte, die ein Leben verwirren, doch ebenso lebenswert machten. Eines Tages kam Kyo zu Die und sagte: „Geh zu ihm. Ich habe keinen blassen Schimmer, was euch beide zu solch merkwürdigen Treffen animiert hat, die ihr da einmal pro Jahr abhaltet. Aber ich weiß eines: dass du ihn liebst.“ Tiefen Respekt empfand Die für den kleinen Sänger. Es gehörte viel Mut, Überwindung und auch Schmerz dazu, so etwas zu sagen. Und Die wusste, Kyo brachte lediglich ein Opfer für den Mann, den er wiederum liebte. Natürlich war die Sache damit nicht erledigt. Anstatt einfach auf den anderen zu hören, brach Die in Zweifel und Diskussionen mit ihm aus. Bis letztlich Kyo einen Schlussstrich unter die Beziehung zwischen ihm und dem rothaarigen Gitarristen zog. Und wieder fand Die nicht den Weg zu Kaoru, sondern begann, seinen Kummer zu ertränken. Als Kaoru davon Wind bekam, machte er sich Sorgen und rief schließlich vor genau 45 Tagen bei Die an. „Ich brauche deine Hilfe, Großer,“ sagte er mit einem Schmunzeln auf den Lippen. „Bei was?“ Die war nur verwundert, aber zu allem bereit. „Komm einfach vorbei und bring was Essbares mit. Wir haben hier einen Bärenhunger und ich komme einfach nicht dazu, mal eine ruhige Minute in der Küche zu verbringen.“ Es war schon schwierig genug, sich auf das Telefonat zu konzentrieren, während der kleine Wirbelwind einige Regale ‚aufräumte’. „Wir?“, fragte Die noch verdutzt, vernahm dann aber das Geräusch auf den Fußboden fallender CDs und eines weinenden Kindes. „Oh, verstehe. Bin gleich da.“ Seufzend legte Kaoru auf und stemmte die Hände in die Hüften! Das war eindeutig die Schuld ihrer Mutter! Nachdem Die die beiden mit McDonald’s gerettet und ein gutes Viertel seiner Legosteine bereitgestellt hatte, spielte sich das Kleinkind Gott sei dank müde. Auch Kaoru ließ sich erschöpft auf das Sofa fallen und schloss für eine Minute lang die Augen, bevor er sie öffnete und Die ansah. Fast sieben Jahre lang bestand der todgeschwiegene Schwur der beiden, einschließlich der Vereinbarung, dass innerhalb des Jahres sie nur Freunde waren. Nur eine einzige Nacht im Jahr waren sie mehr als das und dementsprechend benahmen sie sich, ob allein oder in Gesellschaft. Doch in diesem Moment beschloss der Ältere, sein Abkommen zu brechen. Er beugte sich hinüber zu dem Jüngeren und küsste ihn, zaghaft und liebevoll. Mehr brauchte es nicht für Die. Blitzschnell legte er seine Hand in Kaorus Nacken und zog ihn näher, küsste ihn sehnsüchtig und tief. Es bedurfte keiner Worte mehr. Das war jetzt exakt 45 Tage her und Die wusste es nur deshalb so genau, weil er bereits lange davor die Tage angefangen hatte zu zählen, bis er und Kaoru endlich wieder vereint sein würden. Damals hatte er nicht geahnt, dass er diesmal sogar mit ihm als seinen richtigen, festen Freund hier sein würde. Umso mehr freute er sich auf diesen Tag! Gerade weil er an Bedeutung verloren hatte und doch für immer in beider Erinnerung blieb. „Komm her, Blondie,“ grinste Kaoru schelmisch und legte Dies Arm um seine Schultern. „Alles Gute zum 45-Tage-Jubiläum.“ Grinsend pflanzte Die einen Kuss auf die Lippen seines Freundes, bevor er auch noch ein Bein um ihn legte, so dass er hinter ihm saß und beide Arme um seine Taille schlingen konnte. Kaoru lehnte sich zurück. Wann immer er hier bisher gesessen hatte, immer hatte etwas gefehlt, selbst wenn Die bei ihm war. Kaoru wusste nun, was es war, das ihm gefehlt hatte. Die Gewissheit, dass es morgen nicht vorbei war. Die Geborgenheit, wenn man nichts fürchtete. Die Liebe, die ihm nur Die imstande war zu geben. Der Bandleader strahlte dem Horizont entgegen. Es war der bisher schönste Sonnenuntergang, den sie beide erlebt hatten. Das Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)