Vermisst von Mono-chan (letztes Kapitel ist hochgeladen :-)) ================================================================================ Kapitel 13: Wache ----------------- Mittlerweile warteten sie bereits fünf Stunden. Izawa hatte zwischendurch die Polizei gerufen und sie zu Tsubasas Haus geschickt, ein Beamter war außerdem hier gewesen und hatte Fragen gestellt. Als klar wurde, dass sie ihm wenig sagen konnten, und nachdem sie die Fotos übergeben hatten, hatte er sich einen Arzt geschnappt, der in diesem Moment vorbei gekommen war, und hatte sich ein paar Minuten lang gedämpft mit ihm unterhalten. Die Wortfetzen „nicht vernehmungsfähig“ und „weiß nicht genau, wann“ waren zu ihnen durchgedrungen. Danach waren beide wieder gegangen, und Tsubasas Freunde wußten immer noch nicht mehr. Die Atmosphäre war zum Zerreissen gespannt. Ausgerechnet heute war in der Notaufnahme generell die Hölle los, ständig rannten Ärzte und Krankenschwestern umher, trafen neue Notfälle ein. Sanae versuchte sich einzureden, dass nur deshalb alles so lange dauerte, aber jedes Mal, wenn sie das Wort „Notoperation“ hörte und ein neuer Trupp Krankenhauspersonal an ihr vorbei hastete, zuckte sie zusammen. Ihre Hände verkrampften sich in ihrem Schoß. Endlich – nach fast sechs Stunden – kam ein Arzt zielstrebig auf die Gruppe zu. Sanae sprang sofort auf, und Yukari, die mittlerweile eingenickt war, folgte ihrem Beispiel. Auch die Anderen erhoben sich augenblicklich, sobald sie den Mann bemerkten. „Wie geht es Tsubasa?“, wollte Sanae sofort wissen, bevor er auch nur ein Wort sagen konnte. Der Arzt blickte sie ernst an. „Ihr seid Freunde von ihm, nehme ich an?“ „Ja.“ „Irgendwelche Verwandte?“ „Nein, aber....“ „Tut mir leid, dann kann ich euch nichts sagen. Wisst ihr, wie wir seine Eltern erreichen können?“ Sanae nickte, schüttelte aber gleich darauf den Kopf. „Sie sind im Ausland, ich glaube die Nummer ist bei ihm zuhause neben dem Telefon...... Aber können Sie uns denn wirklich nichts näheres sagen?“ „Nein, tut mir leid!“ „Aber....“ Ryo mischte sich ein. „Bitte, wir machen uns alle Sorgen! Wir wollen doch nur wissen, ob er schwer verletzt ist!“ „Tut mir leid, wir dürfen nur Familienangehörigen Auskünfte geben.....“ „Ach, halten Sie doch den Rand!“ Stille kehrte ein. Die Anderen waren nicht weniger überrascht als der Arzt. Verdutzt starrten sie Kojiro an, der sich einen Weg nach vorne bahnte und sich vor dem Mann aufbaute. „Sie haben doch absolut keine Ahnung! Wir haben dafür gesorgt, dass er überhaupt endlich Hilfe bekommen hat, und wir haben hier den ganzen Nachmittag gewartet! Ich bin möglicherweise gefeuert deswegen, weil ich nicht bei meinem Job aufgetaucht bin! Und deshalb lassen sie endlich dieses arrogante Gerede und sagen uns zum Teufel noch mal, was los ist!“ Wütend funkelte er den Arzt an. „Wird's bald?!“ „Äh...“ Der Mann blinzelte verdutzt. „Nun ja......wisst ihr, ich bin nun mal an die Schweigepflicht gebunden, und wenn ich nicht das Einverständnis seiner Eltern habe oder von ihm selbst, dann....“ „Na und?!“, wurde er von Kojiro ungeduldig unterbrochen. „Wir haben nur eine ganz einfache Frage: Geht es ihm gut, ja oder nein? Das hat doch nichts mit Schweigepflicht zu tun, keiner interessiert sich für den ganzen medizinischen Schnickschnack!“ Kurze Zeit sagte keiner etwas. Dann glitt ein leichtes Lächeln über das Gesicht des Arztes. „Hm, unter diesem Gesichtspunkt....“ Er blickte sich kurz um, aber inzwischen hatte sich die Notaufnahme geleert und niemand stand mehr in direkter Hörweite. „Also schön. Tsubasa geht es den Umständen entsprechend gut, er hat Glück gehabt und ist mit einer Gehirnerschütterung davon gekommen. Allerdings ist er noch nicht wach und war die meiste Zeit über auch nicht ansprechbar, es wird wohl ein paar Tage dauern, bis er wieder fit ist.“ Keine schlimmen Verletzungen? Die Anderen atmeten auf. Kumi begann vor Freude zu weinen, und Sanae bekam vor Erleichterung weiche Knie. Sie musste sich an Yukari festhalten, die ihre Hand aufmunternd drückte. „Kann ich......ich meine, können wir ihn sehen?“, wollte Sanae unsicher wissen. Der Arzt schüttelte den Kopf. „Nein, besser nicht. Er braucht absolute Ruhe, das ist es jetzt das wichtigste. Geht am besten nach Hause, vielleicht könnt ihr ihn morgen besuchen.“ „Aber ich....“ „Kopf hoch, Sanae.“ Izawa legte ihr die Hand auf die Schulter. „Es war ein langer Tag für uns alle und wahrscheinlich helfen wir Tsubasa wirklich am besten, wenn wir ihn ausruhen lassen. Morgen früh können wir ja alle wieder kommen, dann geht es ihm bestimmt schon besser.“ Die Anderen nickten zustimmend, und Sanae schwieg niedergeschlagen. „Denkt dran, ich habe euch absolut nichts erzählt – außer dass es ihm gut geht.“, meinte der Arzt mit einem Augenzwinkern. „Und ich wäre euch dankbar, wenn ihr uns noch die Nummer seiner Eltern zukommen lassen könntet, damit wir sie verständigen können.“ Damit setzte er seinen Weg fort, und die Anderen verließen die Klinik. Sanae folgte ihnen notgedrungen. Aber als sie bereits im Freien waren, blieb sie plötzlich stehen. „Tut mir leid, aber ich kann nicht.“ Verwirrt wandten sie sich zu ihr um. Sie preßte die Lippen zusammen. „Ich kann nicht nach Hause gehen. Wir sehen uns morgen!“ Damit wandte sie sich um und rannte ins Krankenhaus zurück. „Sanae!“ Kumi wollte ihr hinterher, aber Yukari packte sie am Arm. „Lass sie, Kumi! Ich denke, es ist okay.“, meinte sie mit ruhig, und auch die Anderen lächelten leicht. „Wenn irgendjemand heute abend hier bleiben sollte, dann sie.....“ „Aber....“ Kumi blickte den Krankenhauseingang verzweifelt an, musste sich dann aber von Yukari mitziehen lassen. *** Als der Arzt kurze Zeit später zurück in die Notaufnahme ging, erwartete ihn eine Überraschung. Sanae saß wieder in einem der Sessel in der Nähe der Doppeltür und wartete. „Nanu? Ich dachte, du wolltest nach Hause gehen.“ Sanae schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen. „Nein, ich wollte nicht, das waren Sie. Ich werde hier bleiben.“ „Was? Aber das geht nicht, die Besuchszeit ist lange vorbei, und Tsubasa braucht Ruhe.....“ „Ich werde nicht gehen.“, beharrte Sanae und blickte ihn nun direkt an. „Ich weiß, dass Tsubasa jetzt nicht alleine sein kann. Er war zwei Tage lang im Dunkeln eingesperrt, was glauben Sie, wie er reagieren wird, wenn er irgendwann in einem dunklen fremden Zimmer aufwacht und sich nicht daran erinnern kann, wie er dorthin gekommen ist?!“ Der Arzt schwieg und musterte sie nachdenklich. „Bitte.“, meinte Sanae flehend. „Ich will nur bei ihm bleiben, mehr nicht.....können Sie nicht eine Ausnahme machen?“ „Du bringst mich ganz schön in Schwierigkeiten, weißt du das?“ Sanae biß sich auf die Lippen und sagte nichts. Der Arzt musterte sie erneut durchdringend, dann lächelte er schließlich. „Komm mit.“ Ohne ein weiteres Wort ging er den Gang zurück.. Sanae war so überrascht, dass sie beinahe vergaß, ihm zu folgen. Hastig stand sie auf und stolperte ihm nach. Der Arzt führte sie zielstrebig in ein Büro und setzte sich hinter den Schreibtisch. „Wie schon erwähnt, die Besuchszeit ist lange vorbei, und ich kann dich nicht einfach so zu ihm lassen.“ „Aber ich...“ „Was hältst du von Verdacht auf Blinddarmentzündung?“ „Äh.....was?“ Sanae starrte ihn perplex an. Der Mann war bereits dabei, ein paar Notizen auf ein Blatt Papier zu kritzeln. „Wobei, nein....das ist vielleicht doch etwas zu übertrieben. Ich denke, phasenweise Übelkeit und starke Bauchschmerzen dürften ausreichen. Oder bist du auf irgendwas allergisch?“ „Äh......nein......keine Ahnung.......was soll das alles?“ Der Arzt beendete seine Notizen und lächelte sie verschmitzt an. „Besuch ist verboten, aber wie du mitbekommen hast, war hier heute abend die Hölle los, deshalb haben die Untersuchungen auch so lange gedauert. Das zweite Bett in Tsubasas Zimmer ist noch frei. Bei dem Chaos heute dürfte es nicht weiter auffallen, wenn du als Notfall dort übernachtest, der zur Beobachtung bleiben soll. Außerdem kenne ich die Krankenschwester sehr gut, die heute Nachtdienst hat, und ich selbst stehe ebenfalls auf Abruf. Es dürfte also keine Probleme geben. Irgendwelche Einwände?“ Sanae hatte erleichtert zu lächeln begonnen und schüttelte nur den Kopf. „Gut.“ Der Arzt holte ein neues Blatt Papier. „Dann brauche ich nur noch ein paar personelle Angaben von dir.“ Zehn Minuten später waren die Formalitäten erledigt und Sanae konnte kurz zu sich nach Hause, um sich ein paar Sachen zu holen, die sie über Nacht brauchte, und ihren Eltern Bescheid zu sagen. Allerdings verschwieg sie ihnen, dass sie im Krankenhaus schlafen würde, statt dessen reduzierte sie ihre Aussage darauf, bei Tsubasa zu übernachten – das entsprach ja auch mehr oder weniger der Wahrheit. Sie ignorierte das wissende Lächeln ihrer Mutter, als Tsubasas Name fiel, packte ihren Rucksack und beeilte sich, zurück in die Klinik zu fahren. Der Arzt erwartete sie bereits. „War Tsubasa denn mittlerweile schon wach?“, wollte Sanae atemlos wissen, während sie ihm einen weiteren Gang entlang folgte. Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein, aber das wundert mich auch nicht. Er ist sehr geschwächt, und wir mussten ihm für die Untersuchung zusätzlich noch ein Beruhigungsmittel geben.“ „Was....?! Warum?“ „Er ist im Computertomographen kurz zu sich gekommen und in Panik geraten, weil er nicht wußte, wo er ist und die Röhre zu diesem Zeitpunkt noch dunkel war.“ Sanae schluckte. Der Arzt blickte sie von der Seite an. „Daher glaube ich, dass es wirklich keine schlechte Idee ist, wenn du bei ihm bleibst. Bist du seine Freundin?“ „Äh....“ Sanae wurde rot bis unter die Haarwurzeln. „Ich....nein.......also......“ Der Arzt lächelte wissend – genau wie ihre Mutter. Sanae wurde noch röter. „Ich verstehe. Ja ja, die Liebe....hier sind wir.“ Sanae war dankbar für den Themenwechsel, als sie vor einer weißen Zimmertür stehen blieben. Der Arzt öffnete sie und ließ sie eintreten. Im Raum herrschte Dämmerlicht, und sie brauchte ein paar Sekunden, bis sich ihre Augen umgewöhnt hatten. Dann konnte sie die reglose Gestalt sehen, die in dem Bett nahe am Fenster lag. Ihr Rucksack landete achtlos auf dem Boden, und sie hastete zu Tsubasa hinüber. Seine Stirn war verbunden, die Blutergüsse in seinem Gesicht und die Schürfwunden an seinen Handgelenken hoben sich deutlich von seiner blassen Haut ab. Durch eine Infusionsnadel tropfte irgendein durchsichtiges Mittel in sein Blut. Sanae schluckte, dann wandte sie sich zu dem Arzt um, der ihr langsamer folgte. „Ist er...immer noch bewußtlos?“ „Ich glaube nicht, er schläft nur. Wie gesagt, seine Verletzungen sind nicht schwerwiegend. Allerdings wird er wegen der Gehirnerschütterung ein paar Tage im Bett bleiben müssen.“ „Und...die Infusion?“ „Das ist eine Nährstoff- und Flüssigkeitslösung, er war ziemlich dehydriert. Deswegen hat im ersten Moment auch alles so schlimm ausgesehen. Du hast bei ihm zuhause genau richtig reagiert, als du ihm Wasser gegeben und versucht hast, ihn wach zu halten.“ Sanae wurde wieder leicht rot. „Woher wissen Sie, dass ich.....?“ „Ich habe mit den Sanitätern gesprochen.“ Der Arzt lächelte wieder. „Ich muss jetzt dann wieder zurück, die Pflicht ruft. Wenn du irgendetwas brauchst, sag einer Krankenschwester Bescheid, damit sie mich holt. Mein Name ist Sudo.“ „Sanae.“, antwortete sie automatisch, ohne den Blick von Tsubasa abzuwenden. Das Lächeln Dr. Sudos vertiefte sich, bevor er sich ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer zurück zog. Sanae bemerkte es nicht einmal. Sie zog sich einen Stuhl herüber und setzte sich dicht neben Tsubasas Bett. Nach kurzem Zögern tastete sie nach seiner Hand.....und zu ihrer Überraschung schlossen sich seine Finger nach ein paar Sekunden fest um ihre. Er wandte den Kopf.....und öffnete die Augen. Es schien ein paar Sekunden zu dauern, bis er Sanae erkannte. Sie lächelte ihn aufmunternd an, und Tsubasa erwiderte das Lächeln erschöpft, aber dankbar, bevor ihm die Augen wieder zufielen und er wieder einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)