Diener der Nacht von myrys84 ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 - Frohe Weihnachten, Jérôme ------------------------------------------------ Hallo und guten Tag. ^^ Nachdem meinereiner Beschwerden empfangen hat, wonach die Kapitel zu kurz seien, hat sich ebenjener entschieden, das nun folgende länger zu machen. Viel Spaß +++++++++++++++ Kapitel 6 Frohe Weihnachten, Jérôme Nach einer schlaflosen Nacht erhob sich Gabriel und tappte noch leicht verplant in die Küche, um sich Frühstück zu machen, doch siehe da: Es stand schon für ihn bereit. Jérôme hatte ihm bevor er sich in seinen Sarg zurückgezogen hatte bereits Kaffee gekocht und ein paar Käsetoasts zubereitet, welche noch leicht warm waren. Dankbar für die Aufmerksamkeit setzte er sich an den Tisch und frühstückte. Insgeheim hatte er schon fast ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber, denn der Vampir tat was er konnte, um ihm das Leben leichter zu machen. Er kochte, putzte, schippte Schnee wenn nötig, sprich, er entband Gabriel von sämtlichen hausfraulichen Pflichten. Mit dem letzten Stückchen Käsetoast und seiner halb geleerten Tasse Kaffee ging der Sänger ins Wohnzimmer, warf sich aufs Sofa und wählte die Nummer seiner Schwester. Er musste es ein paar Mal klingeln lassen bis sie sich schließlich meldete. "Hallo?" "Hey, Vivi. Ich bin's, Gabriel." "Ach nein, da sieh mal einer an. Was verschafft mir die Ehre deines Anrufs?" "Ich muss dir als Frau eine Frage stellen. Aber bitte lach nicht darüber…" "Sicher. Was ist denn los?" Gabriel atmete tief durch. "Vivi, ähm, was findest du an einem Mann attraktiv?" "Hä?" "Das war 'ne klar formulierte Frage, also hätte ich gerne eine klar formulierte Antwort, wenn's nicht allzu viele Umstände bereitet", meckerte Gabriel. "Ich versteh schon", antwortete Vivi. "Irgend so eine Tussi hat dich abblitzen lassen und du fragst dich warum. Also, wenn du einen Rat von mir haben willst, dann würde ich sagen hör nicht auf sie. Du bist ein echt hübscher Junge und lass dir da bloß nichts anderes erzählen." "Das ist es nicht", unterbrach ihr Bruder ihren Redeschwall. "Nicht?", fragte sie irritiert nach, "Was denn dann?" "Sag mir einfach die Antwort auf meine Frage: Was findest du ganz persönlich an einem Mann attraktiv?" "Hm, schwer zu sagen… Also als erstes ganz klar die Ausstrahlung. Ein Mann ohne Ausstrahlung hat etwa so viel Charme wie ein Werbeplakat." "Von welcher Plakatwand hast du dann David abgekratzt?", fragte Gabriel grinsend. "Jetzt hör endlich auf, auf ihm rumzuhacken. David ist ein guter Mensch und im Übrigen strahlt er sehr viel Ruhe und Verständnis aus, aber das wirst du nie verstehen. Aber zurück zu deiner Frage. Wenn du ein konkretes Beispiel für einen Mann haben willst, den ich attraktiv finde…" "Ich bitte darum." "Jérôme." "Ach ja? Und was genau?" Jetzt wurde es langsam interessant. "Oh Mann, das müsstest sogar du sehen. Muss ich dir jetzt alles aufzählen?", fragte Vivi resigniert. "Och, nein. Ein paar Beispiele reichen schon." "Gut. Also da wären zuerst mal seine erstaunlichen blauen Augen. Ich weiß nicht genau warum, aber die sind absolut der Hammer. Ach ja und er hat einen Körper, anbetungswürdig. Und ist dir schon mal aufgefallen, dass er ganz tolle Lippen hat? Die möchte man eigentlich nur küssen…" Sie seufzte schwärmerisch. "Stimmt", stimmte Gabriel leise zu und erinnerte sich an das Gefühl ebendieser Lippen auf seinen, was ihm einen wohligen Schauer durch den Körper jagte. "Ach daher weht der Wind…", bemerkte Vivi. "Du hast dich in ihn verknallt, richtig?" "Ach was, wie kommst du denn darauf? Das ist doch Unsinn", widersprach ihr Bruder. "Etwa nicht? Also wenn nicht, fress' ich einen Besen." "Mit Senf, Ketchup oder Mayo?" "Essig und Öl. Klein geschnippelt als Salat." "Au fein, schön kross. Du kannst ja ein bisschen was von Davids Vogelfutter drunter mischen, nur um den Geschmack zu verfeinern." "Blödmann. Aber jetzt mal Schluss mit den Albernheiten. Hab ich Recht oder hab ich Recht?" "Nein, natürlich nicht. Jérôme ist mein Mitbewohner, nicht mehr. Allerdings hab ich das Gefühl, dass auf seiner Seite eindeutig mehr ist…" "Und das überrascht dich? Entschuldige bitte, er hat mich mit dem Argument abgewiesen, dass er mit mir schlafen würde wenn ich du wäre. Das sagt ja wohl alles." "Das hat er gesagt? Ich erwürg ihn." Vivianne kicherte. "Das hab ich jetzt nicht gehört. Aber warum eigentlich nicht? Lass dich doch mal auf ein Experiment ein. Weißt du noch, was Onkel Henry immer gesagt hat? Ein guter Schwimmer kennt beide Ufer." "Als ob du was mit 'ner Frau anfangen würdest." "Warum nicht? Bei mir im Salon ist zum Beispiel im Moment eine Praktikantin. Neunzehn Jahre jung und ein total hübsches Ding. Da würde sogar ich in Versuchung geraten wenn sie mit ihren Hüften an mir vorbei schwingt." "Das sagst du jetzt nur so daher." "Überhaupt nicht. Sag mal, hat sich Mum schon bei dir gemeldet wegen dem Neujahrsempfang?" "Nein, noch nicht. Wird sie wohl an Heiligabend tun oder so. Wie jedes Jahr eben. Immer auf den letzten Drücker." "Wirst du hingehen?" "Keine Ahnung. Bis nach Boston rauf wegen einem Tag? Ich weiß nicht." "Na ja, denk drüber nach. Ich hab keine Lust, die Häme der Nachbarn alleine zu ertragen. Du weißt doch, wenn dich die Damen nicht mit ihren Töchtern verheiraten wollen, kritteln sie mit dem größten Vergnügen an deinen Haaren herum." "Ich überleg's mir. Aber was mach ich dann mit meinem Schoßhündchen?" "Jérôme? Der kommt auch mal ohne dich klar, denk ich." "Aber ausgerechnet an Neujahr? Ich weiß nicht. Er so ganz allein…" "Und du bist doch in ihn verknallt." "Nein, bin ich nicht." "Oh doch. Hör mal, ich muss Schluss machen, ich hab heute ein Seminar über neue Anwendungen in der Hautpflege." Vivi war Kosmetikerin und bildete sich regelmäßig fort. "Also, man sieht sich." "Bis dann." Gabriel sank im Sofa zurück. Warum musste diese Frau eigentlich immer so direkt sein? Aber möglicherweise hatte sie gar nicht so Unrecht. Der Gedanke erschreckte ihn. Was, wenn es tatsächlich so war? Jérôme wanderte ziellos durch die Nacht. Merkwürdigerweise machte ihm nicht einmal mehr das Töten Spaß. Früher war das anders gewesen. Was heißt früher? Bevor er Gabriel getroffen hatte. Das Töten war seine Ersatzbefriedigung gewesen und er hatte nichts vermisst. Tatsächlich war der Moment, in dem sie ihr Leben aushauchten einem Orgasmus nicht ganz unähnlich. Aber jetzt, da der junge Musiker in sein Leben getreten war, spürte er mehr und mehr das Verlangen nach körperlicher Nähe. Verdammt, er wollte ihn berühren, ihn küssen, unanständige Dinge mit ihm tun, doch Gabriel ließ es nicht zu. Er hatte schon eine ziemliche Strecke hinter sich gebracht und war auf dem Weg zurück, da sprach ihn jemand an: "Hey, junger Mann. Der große Blonde da drüben. Komm mal her." Überrascht blickte er sich nach dem um, der ihn so respektlos ansprach und erspähte einen alten, pausbäckigen Mann mit einem grauen Bart in einem Blumenstand an der nächsten Straßenecke, der ihm freundlich zulächelte. "Meinen Sie mich?", fragte er. "Natürlich, mein Junge. Komm mal rüber zu mir", antwortete der Alte. Jérôme konnte sich nicht helfen, irgendwie fand er ihn sympathisch. Auf eine merkwürdige Art und Weise erinnerte er ihn an den Weihnachtsmann. Selbst im tiefsten Winter hatte er seinen Blumenstand nicht abgebaut. Im Gegenteil. Er hatte ihn feierlich dekoriert und heizte die kleine Bude mit einem Heizstrahler damit das Wasser nicht einfror. Schmunzelnd ging Jérôme zu ihm. "Was kann ich für Sie tun?", erkundigte sich der Vampir. "Nichts. Die Frage ist eher, was ich für dich tun kann. Du siehst so mürrisch aus, da dachte ich, du hättest vielleicht Ärger mit deiner Lady", antwortete der Alte und grinste unter seinem grauen Bart hervor. "Im Moment sehen sie alle mürrisch aus", erwiderte Jérôme. "Stimmt. Alle sind im Stress", stimmte der Mann zu und nickte. "Aber ich hab den Stand hier seit vierzig Jahren und ich kann sehr wohl unterscheiden, ob jemand im Weihnachtsstress ist oder Liebeskummer hat. Wie sieht's aus? Willst du reinkommen und eine Tasse Tee mit mir trinken? Der wärmt zwar nicht so gut wie die Arme einer Frau aber immerhin." "Das ist sehr nett, aber ich trinke keinen Tee", entschuldigte sich der Vampir. "Macht nichts. Dann trinke ich und höre dir zu, wenn du reden willst." "Machen Sie das immer? Ich meine, fremde Leute auf der Straße ansprechen und ihnen Tee anbieten?", fragte Jérôme leicht belustigt. "Nein. Nur bei denen, die mir sympathisch sind. Du hast das Glück, zu denen zu gehören. Also, was ist?" Der Alte lächelte freundlich. "Also gut", stimmte Jérôme zu. Was sollte ihm der alte Mann schon Schlechtes wollen? Außerdem würde es bestimmt gut tun, sich mal bei jemandem auszukotzen, der mit allem nichts zu tun hatte. Er betrat den kleinen Stand und nahm auf dem Hocker Platz, den ihm der Alte hinschob. In der Bude roch es interessant. Eine Mischung aus Tee, Blumen und Gewürzen, vor allem Zimt. Jérôme fühlte sich sofort wohl. "Also dann, lass mal hören", forderte der Alte ihn auf. "Wenn Sie mir Ihren Namen verraten…" "Nenn mich Jack. Das tun alle. Ja, ja, der gute alte Jack. Und dein Name?" "Jérôme." "Ah, ein Franzose. Hab mir gleich gedacht, dass an dir was Besonderes ist. Na dann, Jérôme. Lass deine Sorgen hören. Vielleicht kann dir der gute Jack einen Rat geben." "Es ist so, dass ich… Na ja, für mich war es Liebe auf den ersten Blick", erklärte Jérôme. "Aber irgendwie ist das 'ne ziemlich einseitige Geschichte." "Verstehe. Du willst mehr, aber sie nicht." Jack roch an seinem Tee, rümpfte die Nase und bückte sich, um zwischen Rosen und Lilien eine Flasche hervor zu ziehen. Als er sie öffnete, vernahm Jérôme ganz klar den Geruch von Rum. "Auch 'n Schluck?", fragte der Alte und hielt ihm die Flasche hin. "Nein, danke", lehnte er ab. Jack zuckte die Achseln und kippte einen nicht gerade geringen Schluck der braunen Flüssigkeit in seinen Tee. Dann schraubte er die Flasche wieder zu und versteckte sie zwischen den Blumenkübeln. "Es frisst mich auf", fuhr Jérôme fort, nachdem ihm Jack bedeutet hatte, das zu tun. "Wir sind uns so nahe und doch so weit voneinander entfernt. Wissen Sie, Jack, wir wohnen in einer Wohnung und sind uns zwangsläufig nahe. Ich bin vor ein paar Wochen aus meiner Wohnung rausgeflogen und – sie – hat mich aufgenommen. Ich tu alles, um sie glücklich zu machen. Wenn ich ihr Lächeln sehe, dann ist das für mich der Himmel auf Erden. Aber wenn ich ihr zu nahe komme, weist sie mich zurück." Er seufzte. "So was. Dabei bist du so ein hübscher Kerl. Schon mal dran gedacht, dass deine Lady einfach erobert und nicht überfallen werden will?" "Erobert?", fragte Jérôme verwundert und schaute Jack verdattert an, sodass dieser kurz auflachte. "Natürlich. Du bist jung und impulsiv. Aber das kommt bei Frauen nicht gut. Oh nein. Also, was kann man da machen? Wie wär's mit Blumen?" Er grinste. 'Aha. Jetzt verstehen wir uns, alter Gauner', dachte Jérôme. "Nicht, dass du denkst, ich will dir was aufschwatzen oder so. Ich hab da so eine Idee. Eindrucksvoll, aber unverfänglich. Weißt du, Weihnachten steht vor der Tür. Und was heißt das?" Jérôme blickte ihn an wie ein Eichhörnchen wenn's blitzt. "Mistelzweige, mein Freund." Jack strahlte, doch Jérôme blickte ihn immer noch verständnislos an. "Ach, stimmt ja, du bist ja Franzose. Also, wenn ein Pärchen unter einem Mistelzweig steht, muss es sich küssen, das ist Tradition. Klar?" Er grinste breit. "Ach Sie meinen…", ging Jérôme ein Licht auf. Er hatte sich nie groß für amerikanische Weihnachtsbräuche interessiert, aber dieser klang ganz interessant. "Genau. Unter dem Deckmäntelchen der Tradition findet sie vielleicht sogar Gefallen daran. Und wenn nicht, dann soll es eben nicht sein. Aber ich denke, wenn du dich gut anstellst, dürfte das kein Problem sein. Presch aber nicht zu direkt vor. Keine Zunge, klar?" "Dann muss ich aber die ganze Wohnung damit behängen…", überlegte der Vampir. "Holla! So schwierig?", rief Jack. "Kann man so sagen", bestätigte Jérôme. "Armer Junge. Na dann würde ich sagen, die gehen aufs Haus." Er zog einen Bund Mistelzweige aus einem Gefäß und reichte ihn Jérôme. "Danke", sagte dieser überrascht. "Keine Ursache. Viel Glück, junger Jérôme. Möge dir Amor gewogen sein." Jack nahm noch einen kräftigen Schluck von seinem Rum-Tee-Gemisch und entließ Jérôme in die Nacht. "Wenn du mal wieder jemanden brauchst, dann komm zu mir", gab er dem Vampir mit auf den Weg. "Und natürlich würde ich gerne wissen, wie das mit dir und deiner Lady ausgegangen ist. Wie heißt sie überhaupt?" "Gabrielle", antwortete Jérôme und lächelte bei dem Gedanken, dass er seinen Mitbewohner gerade einer verbalen Geschlechtsumwandlung unterzogen hatte. "Bei diesem Lächeln glaub ich dir, dass es wahre Liebe ist", grübelte Jack. "Da muss es ja was werden." "Das hoffe ich. Danke, Jack. Auf Wiedersehen." Gabriel war noch nicht zu Hause, also machte sich Jérôme so schnell wie möglich daran, die Mistelzweige unter allen Türbögen, die er finden konnte, zu befestigen. Nicht einmal seine Abstellkammer ließ er aus. Auch die Lampen wurden mit kleinen Zweigen versehen. 'So, jetzt kann nichts mehr schief gehen', dachte er zufrieden. Als Gabriel nach Hause kam, fiel ihm gar nicht auf, dass überall Mistelzweige herumhingen, sonst wäre er wohl vorsichtiger gewesen. Als er die Küche betrat, kam Jérôme auf ihn zu und sah ihn mit seltsamem Blick an. "Jérôme, ist alles in Ordnung?", fragte er. Dieser deutete auf einen Punkt knapp über seinem Kopf und Gabriel legte diesen in den Nacken. Dann sah er ihn. Den Mistelzweig. Und er verstand Jérômes merkwürdigen Blick. "Moment mal…", stammelte er, "das ist aber jetzt nicht dein…" Noch bevor er seinen Satz beenden konnte, hatte ihn der Vampir in seine Arme gezogen. Als Gabriel protestieren wollte, hauchte er nur: "Tradition, Gabriel" und küsste ihn zärtlich. Gabriels Herz schlug sofort schneller und ihm wurde leicht schwindlig. Zögernd erwiderte er den Kuss. Jérôme hatte einen Etappensieg errungen, doch er wollte, wie Jack gesagt hatte, nicht zu schnell lospreschen. Aus diesem Grund und weil er sich vorgenommen hatte, ihn zu "erobern", löste er sich nach kurzer Zeit wieder von dem jungen Mann. Dieser blickte ihn verträumt an. "Also schön, dann geh ich eben nicht mehr in die Küche", hauchte er. "Dann müsstest du die ganze Wohnung verlassen. Die Dinger sind nämlich überall", grinste Jérôme. "Oh, wie fies, dann komm ich dir ja gar nicht mehr aus", lächelte Gabriel zurück. Merkwürdig. Es machte ihm so gar nichts mehr aus, von ihm geküsst zu werden. Vielleicht würde er sich ja doch auf das Experiment einlassen. Aber noch nicht jetzt. Irgendwann. Jérôme hatte keine Gelegenheit ausgelassen und Gabriel immer wieder geküsst. Er war so glücklich, dass die Sache mit den Mistelzweigen so gut geklappt hatte, dass er am nächsten Abend wieder zu Jacks Stand ging und dem Alten freudestrahlend von seinem Erfolg erzählte. "Sag ich doch, mein Junge", strahlte Jack. "Wenn du so weitermachst, seid ihr nächstes Jahr verheiratet." "Das wäre zwar schön aber unwahrscheinlich", lächelte der Vampir. "Ach was. Sag niemals nie, mein Freund", erwiderte Jack und schenkte Jérôme zur Feier des Tages eine rote Rose. "Für die Lady Gabrielle", grinste er dabei. Als er nach Hause kam, war Gabriel auf dem Sofa eingeschlafen, fest in eine Decke gemummelt und sah so süß aus, dass er fast den Verstand verlor. Leise näherte er sich ihm und berührte mit der blutroten Rose vorsichtig die leicht geröteten Wangen, die Nasenspitze, die schönen Lippen. Als Gabriel nicht reagierte beugte er sich zu ihm hinab und küsste ihn. Als der junge Musiker die Augen öffnete flüsterte er: "Guten Morgen, Dornröschen. Dein Prinz ist da." "Ach nein, sag an", antwortete Gabriel leicht genervt weil er aufgeweckt worden war. "Hier, die ist für dich", sagte Jérôme und hielt ihm die Rose hin. "Aha, jetzt kommst du schon mit roten Rosen an. Muss ich mir langsam Sorgen machen?", erkundigte sich der junge Mann skeptisch. "Aber nein", entgegnete der Blondschopf. "Ich hab unterwegs nur einen alten Freund getroffen, der Blumen verkauft. Ich dachte du freust dich vielleicht, wenn ich dir was mitbringe." "Dass du immer gleich übertreiben musst…", stöhnte Gabriel kopfschüttelnd. "Du freust dich nicht", schmollte Jérôme. "Doch, schon. Danke. Gib her, ich stell sie gleich ins Wasser." Er erhob sich vom Sofa, nahm die Rose und stellte sie in der Küche in eine alte Glasflasche mangels Blumenvase. Dann kam er zurück und stellte die Blume auf den Couchtisch. "Das waren jetzt drei…", murmelte Jérôme. "Drei was?", fragte sein Mitbewohner nach. "Drei Mistelzweige unter denen du durchgegangen bist. Unter zweien gleich zwei Mal. Das macht dann fünf", rechnete der Vampir. "Oh, ein Wunder, rechnen kann er auch schon", neckte ihn der Musiker und knuffte ihn in die Seite. Jérôme drehte sich weg und kicherte, denn er war kitzlig. Darin sah Gabriel seine Chance und setzte zu einer wahren Kitzelattacke an. "Gnade!", japste der Blonde und ließ sich aufs Sofa fallen. Gabriel stürzte hinterher, platzierte sich blitzschnell auf seinem Schoß und kitzelte jede Stelle, die er erreichen konnte. Der Vampir lachte und kicherte so viel, dass er seinen Peiniger förmlich anflehte, aufzuhören. "Du ergibst dich freiwillig?", feixte der Sänger. "Ja, ja. Erbarmen, ich krieg keine Luft mehr", stöhnte Jérôme heftig atmend. Gabriel gab auf und legte stattdessen seinen Kopf an die breite Brust des Vampirs. Er roch gut. Genauso wie die Rose. "Hey, seit wann kommst du denn freiwillig angeschmust?", fragte dieser lächelnd. "Weiß nicht", antwortete der junge Mann. "Bin nur irgendwie fertig." "Ach so. Na dann…" Jérôme legte seine Arme um Gabriel, der sich in dessen dicken, blauen Pullover kuschelte. Nach ein paar Minuten, die sie einfach so dagelegen hatten fiel Gabriel ein: "Ich glaube, ich schulde dir noch was." Er richtete sich auf, kroch ein Stück höher und küsste fünf Mal ganz kurz Jérômes Lippen. Der Vampir blickte ihn verwirrt an. "Du bist mir ein Rätsel, Gabriel Hart" sagte er nachdenklich. Der junge Musiker wurde rot und erwiderte: "Du mir auch." Er schmiegte sich wieder an Jérômes Brust. "Sag mal, gab es eigentlich in den ganzen achthundert Jahren, die du nun schon auf Erden wandelst nie jemanden, den du… wie soll ich sagen, gern hattest?", wollte er wissen. "Du willst wissen, ob ich verliebt war", stellte Jérôme eher fest, als dass er fragte. Gabriel nickte. "Schwer zu sagen. Kurze Liebeleien oder Affären hatte ich viele. Aber die wahre Liebe… Ich weiß nicht, ob ich das, was ich da hatte als solche bezeichnen kann. Soll ich dir davon erzählen?" "Wenn es dir nichts ausmacht", antwortete Gabriel. "Nein, eigentlich nicht", erklärte Jérôme. Er überlegte kurz, dann fuhr er fort. "Wie ich schon sagte irrte ich eine Weile in Europa umher. Kurz nachdem ich zurück in Frankreich war, suchte ich die Burg meines Vaters auf. Meine Eltern waren mittlerweile gestorben und mein ältester Bruder war jetzt der Herr. Ich hatte mich immer gut mit ihm verstanden, doch ich hatte Angst, dass er die Veränderung an mir bemerken würde, deswegen wagte ich es nicht, ihm meine richtige Identität zu verraten. Für ihn war ich nur ein Arbeit suchender Ritter, der zufällig an seine Tür klopfte und um eine Anstellung bat. Du musst bedenken, er hatte mich jahrelang nicht mehr gesehen und die Brüder meiner Komturei, die mittlerweile nach Frankreich zurückgekehrt waren, hatten meiner Familie berichtet, ich sei tot. Das Risiko, dass er mich erkannte, war also gering. Auf meiner alten Heimatburg jedenfalls bezauberte ich zum ersten Mal das Herz eines jungen Mannes. Nicht irgendeines Mannes. Mein Bruder war mittlerweile Vater. Kein Wunder, er war zehn Jahre älter als ich. Sein Sohn war damals siebzehn und ein sehr hübscher Junge. Natürlich hatte er keine Ahnung, dass er mein Neffe war, also verliebte er sich in den fremden Ritter, der so plötzlich in der Burg seines Vaters aufgetaucht war. Zuerst fiel es mir gar nicht weiter auf, denn ich hatte viele Geschichten zu erzählen und war immer von Zuhörern umgeben und mein Neffe bildete da keine Ausnahme. Dass ich nur nachts erschien, war zwar auffällig, doch man legte es mir damals als Eigenheit aus, nachdem ich die wildesten Geschichten erzählte und auch diverse Ausreden fand. Darüber hinaus kam mir der Umstand zugute, dass ich bei bewölktem Wetter auch tagsüber unterwegs sein und dass mir die Sonne für einige wenige Minuten nichts anhaben kann. Das hatte ich der Wüste zu verdanken. Aber wo war ich? Ach ja, mein Neffe. Wirklich, ein hübscher Junge. Sein Name war Pierrick. Er war immer in meiner Nähe, sogar, wenn ich einfach nur Schwertübungen machte. Er war da und beobachtete mich heimlich. Wahrscheinlich glaubte er, ich würde ihn nicht bemerken, doch eines Nachts sprach ich ihn einfach an. Was er von mir wollte fragte ich ihn und er antwortete, er wolle von mir lernen, also brachte ich ihm so einiges bei. Nicht das, was du denkst", fügte er auf Gabriels entsetzten Blick hin hinzu. "Ich meine den Umgang mit Waffen, den er zwar ohnehin schon beherrschte, zu dem ich jedoch noch etliche Verbesserungen beisteuern konnte. Es entging mir nicht, dass er dabei versuchte, mir näher zu kommen, doch ich hielt ihn auf Distanz. Ich liebte ihn, aber nicht so, wie er mich liebte. Er war mein Neffe und nicht mehr. Der Winter, den ich in der Burg verbrachte, verging und langsam kamen Gerüchte auf, dass jemand auf der Burg mit dem Teufel im Bunde war, denn in den umliegenden Dörfern und sogar in der Burg selbst kam es immer wieder zu rätselhaften Todesfällen. Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, war ich dafür verantwortlich. In einer Nacht- und Nebelaktion wollte ich mich davonschleichen. Mir einfach eine neue Bleibe suchen, doch Pierrick entdeckte mich. Er wusste, warum ich floh und flehte mich an, ihm zu sagen, dass ich unschuldig sei, doch ich konnte nicht. Ich sagte ihm die Wahrheit. Natürlich nicht die ganze Wahrheit. Nur, dass ich für das alles verantwortlich war. Ich erinnere mich noch gut an seine Enttäuschung. Er brach weinend zusammen und schluchzte immer wieder: "Das kann nicht wahr sein, das kann nicht wahr sein." Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihn an mich. Was hätte ich sonst tun sollen? Seine Tränen waren unerträglich für mich. Ich hauchte ein letztes 'Leb wohl' in sein Haar und wollte gehen, doch er hielt sich verzweifelt an mir fest. Bevor ich reagieren konnte küsste er mich. Es war mein erster Kuss, den ich aus aufrichtiger Liebe erhielt. Ich stieß ihn von mir und verschwand. Damals weinte ich bitterlich. Der Abschied von Ibliis war mir nicht so schwer gefallen wie der von Pierrick und ich hatte mich noch nie zuvor so einsam und verloren gefühlt. Tatsächlich sah ich ihn niemals wieder. Das nächste Mal kam ich vierzig Jahre später in die Bretagne. Dennoch, ich ging zum Grab meines Vaters, meines Bruders und natürlich Pierricks. Auf seinem legte ich ein paar Blumen nieder. Dort, an den Gräbern derer, die ich geliebt hatte, wurde mir erst richtig bewusst, was ich verloren hatte, denn ich würde sie niemals wieder sehen, ganz egal, was ich tat oder nicht tat. Wie viel Zeit blieb ihnen denn auf Erden? Vierzig Jahre? Fünfzig? Dann starben sie, und ich? Ich war dazu gezwungen, zu bleiben. Ich wollte sterben, deshalb blieb ich einfach solange sitzen, bis die Sonne aufging. Ich wurde von ihrem Licht verbrannt, doch irgendwann, ich kann nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, war ich wieder am Leben. Du siehst, nicht einmal die Sonne kann einen Vampir endgültig auslöschen. Ich weiß mittlerweile wie es geht, allerdings ist es für mich unmöglich, es alleine zu tun. Die Jahrzehnte, Jahrhunderte vergingen wie im Flug. Ich versuchte, die Einsamkeit in meinem Herzen mit Affären zu lindern. Meine Fähigkeit, Gedanken zu kontrollieren, half mir dabei sehr. Doch meist gingen diese Affären nicht über das Körperliche hinaus. Insgeheim suchte ich nach einem Gefährten und ich wusste es. Jedes Mal, wenn ich wieder die Anziehungskraft zu einem Mann spürte, prüfte ich, vielleicht unbewusst, ob er für ein Leben in der Ewigkeit geeignet war und wenn ja, ob ich es mit ihm aushalten würde. Doch ich fand niemanden, dabei war ich viel unterwegs und traf viele Menschen. Dann traf ich Frédéric. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Weißt du, ich hatte es immer verstanden, mich in die bessere Gesellschaft einzuschleichen. Auf einem Ball in Paris geschah es dann: Er stand plötzlich vor mir und war so schön, dass ich erst einmal fassungslos war. Er sah aus wie ein Engel. Langes, blondes Haar und wunderschöne grüne Augen. Bei ihm hatte ich damals ein ganz ähnliches Gefühl wie bei…" Er stockte. 'Hoppla, beinahe hättest du dich verplappert. "Wie bei dir" wolltest du sagen. Vorsicht, Vorsicht', mahnte er sich selbst. "Na ist ja egal, was für ein Gefühl ich hatte, jedenfalls hatte ich es noch nie zuvor gehabt. Und dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Frédéric war der Sohn eines reichen Adeligen und genau das sollte ihm zum Verhängnis werden. Wir verbrachten eine schöne Zeit miteinander und ich war sicher: Der ist es, mit dem ich leben möchte. Er war so liebevoll und doch stark genug, mir Paroli zu bieten, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Aber es waren damals stürmische Zeiten. Was sagt dir das Jahr 1789 in Bezug auf Frankreich?" "Der Ausbruch der Französischen Revolution", antwortete Gabriel nach einigem Nachdenken. "Stimmt. Weißt du, Frédéric wusste damals noch nicht, wer oder besser was ich war. Ich hatte vor, es ihm in dieser einen Nacht zu sagen und ihn zu bitten, mein Gefährte zu werden, doch es sollte nicht mehr dazu kommen. Das Schloss seines Vaters war eines der ersten, das bei einem Aufstand gestürmt wurde. Als ich kam, brannte es bereits und die Aufständischen zogen sich zurück. Ich stürmte hinein um nach Überlebenden und insbesondere nach Frédéric zu suchen. Ich rief immer wieder seinen Namen, erhielt jedoch keine Antwort. Ich fand ihn schließlich im Garten. Die stumpfe Klinge eines Angreifers hatte ihn durchbohrt. Anscheinend war er heimtückisch von hinten angegriffen worden, denn er war ein guter Fechter gewesen. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Er war tot und mit ihm, das dachte ich zumindest, war auch mein Herz gestorben. Danach hatte ich genug vom alten Europa. Ich ging nach Amerika. Dort lernte ich 1941 einen jungen Soldaten kennen. Jason. Bei ihm war ich mir nicht so sicher, aber er wäre auch nicht die schlechteste Wahl gewesen. Rate mal, wo er stationiert war?" "Keine Ahnung", antwortete Gabriel. "Pearl Harbor", sagte Jérôme schlicht. "Kam beim berühmten Angriff auf ebendiesen Stützpunkt ums Leben. Danach grub ich mich für vier Jahre in ein Erdloch ein, in der Hoffnung, dort zu verhungern, doch wieder einmal scheiterte auch dieser Suizidversuch kläglich. Du siehst, das Glück ist mir nicht hold. Jedes Mal, wenn ich glaubte, jemanden gefunden zu haben, wurde mir derjenige wieder entrissen. Damals schwor ich mir, nie wieder mein Herz an jemanden zu binden…" Er seufzte tief. "Das tut mir so Leid, Jérôme. Ehrlich. Kein Wunder, dass du dich so an mich klammerst." "Wenn ich dir lästig bin, dann…", begann der Vampir, doch der Sänger unterbrach ihn: "Nein, bist du nicht. Ich hab mich sogar schon richtiggehend an dich gewöhnt. Aber komm bloß nicht auf die Idee, mich als würdig zu erachten, ich hab nämlich keine Lust, Blutsauger zu spielen." "Wie schade. Dabei wärst du so ein schöner Vampir", murrte Jérôme. Gabriel errötete. "Erzähl keinen Blödsinn. Wenn ich mir vorstelle, deine dämliche Visage mein Leben lang sehen zu müssen, noch dazu, wenn dieses Leben unsterblich ist…" "Dann werd' ich jetzt mal dafür sorgen, dass du sie zumindest für eine kurze Zeit nicht mehr sehen musst", grinste der Blondschopf, rollte sich mit Gabriel herum und kam auf ihm zum Liegen. Er senkte sein Gesicht über Gabriels und küsste ihn fordernd. Ein wenig überrascht stellt er fest, dass Gabriel den Kuss ebenso erwiderte. Er ließ erst wieder von ihm ab, als sie beide atemlos waren. "Oh Mann, wenn du das nicht bald bleiben lässt, schmeiß ich dich wirklich raus", sagte der junge Mann nach Atem ringend. "Dann hast du meine Zähne eher in deinem Hals stecken, als dir lieb ist", antwortete Jérôme mit einem zuckersüßen Lächeln, zog sich jedoch zurück. 'Immer schön langsam, du willst ihn ja nicht überfallen', dachte er. "Arsch", zischte Gabriel. "Oh, sehr nett, vielen Dank", beschwerte sich der Vampir. Der Musiker brauste auf: "Da fang ich gerade an, dich sympathisch zu finden und du drohst mir gleich wieder mit dem Tod. Ich glaube, ich lass dich an Silvester doch allein zu Hause." "Wie, an Silvester?", wollte sein Mitbewohner wissen. "Na ja, meine Mutter wird wohl demnächst anrufen und mich einladen. Eigentlich hatte ich nicht vor, hinzufahren, aber du stellst mich echt langsam vor eine harte Entscheidung", erklärte Gabriel. "Es tut mir Leid, Gabriel, ich tu' s nie wieder, okay?", entschuldigte sich Jérôme kleinlaut. Sein Gegenüber seufzte. "Mir tut's auch Leid. Weißt du, ich bin so viel Aufmerksamkeit nicht gewohnt. Warum verbringen wir beide nicht einfach ein schönes, ruhiges Weihnachten miteinander, hm?" "Du weißt, dass ich Weihnachten nichts mehr abgewinnen kann", schmunzelte Jérôme. "Klar, weiß ich. Ich dachte da auch nicht an eine klassische Weihnachtsfeier mit Weihnachtsbaum und so", antwortete Gabriel. "Und woran dann?", erkundigte sich der Blondschopf neugierig. "Wirst du schon sehen…", antwortete der Sänger geheimnisvoll. Gabriel hatte zwar an Heiligabend einen Auftritt, doch am ersten Weihnachtsfeiertag gingen sie zusammen auf der künstlichen Eisfläche vor dem Rockefeller Center Schlittschuh laufen. Ganz wie Gabriel erwartet hatte, hatte Jérôme die Grazie eines Trampeltiers. Er war eben doch eher Sand als Eis unter den Füßen gewohnt, doch Gabriel, der eine Zeit lang Eishockey gespielt hatte, bewegte sich leichtfüßig und flink über das glatte Weiß. "Na, brauchst du Hilfe, Großer?", fragte er neckisch, als Jérôme wieder einmal um sein Gleichgewicht kämpfte, verlor und mit dem Hintern die Eisfläche polieren zu wollen schien. "Was für eine bescheuerte Idee", maulte der Vampir. "Jetzt stell dich nicht so an", lachte Gabriel und hielt ihm eine Hand hin, welche sein Mitbewohner ohne zu zögern ergriff. Er zog ihn hoch und nahm dann auch noch seine zweite Hand. "Bleib ganz ruhig", sagte er. "Ich zieh dich ein bisschen." "Oh Mann, ich seh' aus wie ein Vollidiot", murmelte der Blondschopf, der unbeholfen von Gabriel, der rückwärts fuhr, übers Eis gezogen wurde. "Wie kommst du darauf?", wollte dieser gut gelaunt wissen. "Na schau dir doch mal an, wie die uns alle anglotzen. Vor allem die Weiber da drüben", erklärte Jérôme und strauchelte, was ihn beinahe zu Fall brachte, doch Gabriel fing ihn auf, woraufhin er ihn fest im Arm halten musste, um nicht selbst umzufallen. Der Musiker warf einen Blick in die Richtung, in die der Vampir genickt hatte. Da stand eine Gruppe junger Frauen und beobachtete sie beide interessiert. Er lachte kurz auf. "Die halten uns wahrscheinlich für ein Pärchen. Ist aber auch kein Wunder, so wie wir uns benehmen. Außerdem sieht das hier gerade ziemlich verfänglich aus", sagte er. "Na dann wollen wir ihnen mal was für ihr Geld bieten, dann haben sie was zu glotzen", erwiderte Jérôme hintergründig und ließ sich fallen, Gabriel mit sich ziehend. Dieser landete auf ihm. Für einen Augenblick verlor er sich in Jérômes blauen Augen, dann drückte ihm der Vampir ungeniert einen Kuss auf. Der junge Musiker war schockiert. Im nächsten Moment flog Jérômes Kopf zur Seite als ihm Gabriel eine Ohrfeige verpasste, die jedoch durch seinen Handschuh abgeschwächt wurde. Er rappelte sich auf und verließ die Eisfläche mit knallrotem Gesicht. Jérôme war kurzzeitig perplex. Dann rappelte er sich äußerst ungeschickt auf und rief hinter seinem Mitbewohner her: "Hey, Gabriel, jetzt wart doch mal!" Bums, da lag er schon wieder. "Zut!" (eine etwas nettere Form von "Scheiße") schimpfte er und kämpfte sich erneut hoch. Als auch er endlich die Bahn verlassen hatte, konnte er Gabriel nirgends entdecken. Er zog die Schlittschuhe aus, schlüpfte wieder in seine Stiefel und machte sich auf die Suche nach ihm. Er fand ihn unter dem großen Weihnachtsbaum, welchen der Sänger gedankenverloren anstarrte. "Hier bist du also", sagte er leise als er sich näherte und neben ihm stehen blieb. Aus dem Augenwinkel beobachtete er Gabriel. Lag es am Glanz der Lichter des Baums oder hatte er wirklich feuchte Augen? "Gabriel, alles in Ordnung?", erkundigte er sich. "Warum hast du das gemacht?", flüsterte der junge Mann neben ihm ohne den Blick von dem Weihnachtsbaum zu lassen. Die Gefühle, die der Vampir in ihm auslöste, verwirrten ihn immer mehr. Ihm so nahe zu sein wie vorhin auf dem Eis erfüllte ihn mit einer merkwürdigen Wärme trotzt der Eiseskälte um sie herum. Jérôme konnte nicht sofort antworten. Die Antwort war ganz einfach, doch er wollte sie ihm nicht geben. Stattdessen sagte er: "Ich wollte mir nur einen Spaß erlauben." "Spaß?!", rief Gabriel und fuhr zu ihm herum. Was fiel diesem Idioten von einem Vampir überhaupt ein? "Du hast mich in aller Öffentlichkeit geküsst und das ist kein Spaß mehr! Spaß ist, wenn beide drüber lachen, und siehst du mich vielleicht auch nur ansatzweise schmunzeln?" "Nein, aber… Herrgott, Gabriel ich hab's satt, mich ständig für irgendwas entschuldigen zu müssen, von dem ich überzeugt bin, dass du es auch willst!", ereiferte sich nun auch Jérôme. "Ich lasse es geschehen, das stimmt", gab der Sänger etwas verschnupft zu, wobei eine leichte Röte sein Gesicht überzog, "aber nur dann, wenn wir unter uns sind." "Du meinst, zu Hause ist es okay, ja?", hakte der Vampir lauernd nach. Der Musiker dachte kurz nach. Langsam hatte er Gefallen an Jérômes Zärtlichkeiten gefunden und wollte sie eigentlich nicht mehr missen. Es war irgendwie komisch, doch er freute sich jedes Mal richtig, wenn er nach Hause konnte und wusste, dass dort jemand auf ihn wartete, der ihn gern hatte. Seine Einsamkeit war beim Anblick Jérômes wie weggeblasen. Doch er musste den Vampir irgendwie zügeln, sonst konnte es ganz schnell passieren, dass er Beine breit unter ihm landete und das musste er unter allen Umständen verhindern. Schließlich zuckte er die Achseln. "Von mir aus. Schließen wir einen Kompromiss. Mistelzweig hin oder her, zu Hause, das heißt innerhalb der Wohnung, darfst du, solang du dabei anständig bleibst. Einverstanden?" "Wirklich? Das heißt wann immer ich will?", freute sich Jérôme mit strahlenden Augen. "Solang es nur harmlose Küsse sind, ja. Und innerhalb der Wohnung, wie schon gesagt", bestätigte Gabriel, wobei er hoffte, nicht zu weit gegangen zu sein. "Damit bin ich einverstanden", grinste der Vampir. Dann wandte er seinen Blick dem Weihnachtsbaum zu. "Sag mal, warum hast du eigentlich nichts mit Weihnachten am Hut?", wollte er wissen. "Na ja, eigentlich mag ich Weihnachten ziemlich gerne. Ich hab nur keine Kohle, jedes Jahr zu dekorieren. Selbst für einen kleinen Baum müsste ich unheimlich sparen. Aber wenn ich an Neujahr zu meinen Eltern fahre, dann bekomm ich die volle Ladung amerikanischen Kitsch ab. Das reicht dann bis nächstes Jahr", erklärte Gabriel mit den Augen rollend und spielte dabei mit einer dicken schwarzen Haarsträhne. "Tut mir Leid, dass ich dir kein Geschenk machen kann. Wenn du Weihnachten magst, dann gehört das doch irgendwie dazu", entschuldigte sich der Vampir. Sehr zu seiner Überraschung schenkte ihm Gabriel ein warmes Lächeln. "Du hast mir schon was geschenkt. Das beste Geschenk, das ich seit Jahren bekommen hab", antwortete er. "Und das wäre?", wollte Jérôme neugierig wissen. "Ich bin nicht mehr allein. Dafür danke ich dir", erwiderte der Musiker. "Oh, Gabriel…", flüsterte der Blondschopf. Am liebsten hätte er ihm hier und jetzt seine Gefühle offenbart, ihm einfach gesagt, wie sehr er ihn liebte, doch er wusste, täte er das, der Schöne wäre sofort wieder eingeschnappt und tierisch sauer auf ihn. Deshalb hielt er sich zurück. Unzählige Augenblicke standen sie sich gegenüber, verloren in den Augen des jeweils anderen. "Gehen wir heim", schlug Gabriel schließlich vor. "Mir wird langsam kalt." +++++++++++++++ Ich hoffe, es hat gemundet. Übrigens: Vielleicht könnte der eine oder andere so nett sein und mir hinsichtlich des Charakterdesigns auf der Startseite seine Meinung mitteilen. ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)