Das Erbe von blacksun2 ================================================================================ Prolog: -------- Die Menschen folgten dem Sarg von der kleinen Kirche bis zum Grab hin. Ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel und ein Donner übertönte das Schluchzen einiger Anwesenden. Das Mädchen sah kurz auf. Ein Regentropfen streifte leicht ihre Nase und fiel dann auf die zertretene Erde. Weitere folgten, so dass nur ein paar Sekunden später ein heftiger Regenschauer sich über das kleine Dorf ausgoss. Die 13jährige blinzelte durch die schwarze Menge. Die schönen, roten Haare Rojanas hoben sich aus der Gruppe hervor. Sie sah wie der Körper ihrer Schwester unter den heftigen Schluchzern öfter zusammenzuckte. Mitleidig wandte sie ihren Blick auf die grüne Erde. Mit Mühe konnte sie ihre Tränen unterdrücken. Nachdem ihre Mutter vor wenigen Tagen verstorben war, wurde jetzt der Sarg ihres Vaters langsam in das klaffende Loch hinuntergelassen. Daniela drängte sich zaghaft durch die Menge in die erste Reihe. Ihre Gedanken kreisten um die Erbstücke ihrer Eltern. Den Stein ihrer Mutter hatte sie schon seit vielen Jahren um ihren Hals hängen. Um ihn brauchte sie sich keine Sorgen machen. Keiner wusste von ihm. Aber das Schwert ihres Vaters würde den beiden Mädchen entrissen werden, wenn sie ins Waisenhaus kommen. Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass ein Mädchen ein Schwert haben wollte. Sobald die Beerdigung vorbei war, musste sie eine Möglichkeit finden unbemerkt nach Hause zu schleichen um die Waffe an einen sicheren Ort zu verstecken. Die 13jährige schüttelte stumm den Kopf und blickte beschämt über ihre rücksichtslosen Gedanken über den Rand der Grube hinaus. Ihr gegenüber stand ein Junge, den sie nie zuvor gesehen hatte. Er mochte zwei oder drei Jahre älter sein als sie. Ihr Blick fiel auf den Verband am rechten Arm. Daniela wusste nicht zu sagen, ob es Einbildung gewesen war, doch ihr schien als würde unter dem Verband kurz ein bekanntes Mal aufleuchten. Im gleichen Moment zuckte der Jugendliche kaum merklich zusammen. Seine linke Hand legte sich über den Verband. Verwundert schaute der Teenager auf und starrte in die Augen des Mädchens. Der stechende Schmerz verschwand so schnell wie er gekommen war. Nachdenklich bemusterte Jan die Tochter des verstorbenen Krieger, doch als sie errötend seinem Blick auswich, konzentrierte auch er sich nicht länger auf die Fremde. Wahrscheinlich war es nur ein Zufall gewesen. Die 13jährige, die nur scheinbar den Worten des Pfarrers lauschte, ließ ihre Augen auf den Mann im mittleren Alter neben den Jungen gleiten. Das Zeichen, woher kannte sie das Zeichen? Sie erinnerte sich an Bilder im Haus ihres Vaters. Der König! Sie war sich sicher der Erwachsene war der König. Ihr Vater war ein treuer Untergebener des Regenten gewesen, deshalb war er hier. Ruckartig drehte sie ihren Kopf in die Richtung des 15jährigen. Das Zeichen, der König . . .. So unmöglich, unlogisch es auch war, er musste der Sohn des Herrschers sein. Ein Sohn von dem das ganze Volk nie etwas erfahren hatte. Plötzlich begannen die Männer das Grab zu zuschaufeln. Die Beerdigung neigte sich dem Ende entgegen. Die Tochter des obersten Kriegsherrn bahnte sich langsam ihren Weg rückwärts durch die Menge. Schließlich hatte sie die letzte Reihe erreicht. In dem Moment wurde die Schweigeminute eingelegt. Daniela entfernte sich noch einige Schreite so leise wie möglich von den Trauergästen, bevor sie mit einen Spurt die hohe Mauer, welche den Friedhof umgab, erlangte. Das laute Glockenspiel übertönte zum Glück der Jugendlichen die Schritte durch die feuchte Erde. Mit einem, in eine für einen Menschen ungewöhnliche Höhe, Sprung landete sie auf der Mauer. Ihrem Vater entsandte sie einen letzten Handkuss. Dann verschwand sie aus dem Blickfeld der Leute, die gerade die Minute beendet hatten. Fröstelnd vor Kälte, das Haar triefend vor Nässe und bis auf die Knochen durchweicht, erreichte sie die äußerlich moderne Wohnung. Ein vorsichtiger Blick und sie drückte langsam die Klinke hinunter. Das Haus war schon ziemlich ausgeräumt, und ein unangenehmer Geruch hatte sich in den Räumen ausgebreitet. Doch aus Vorsicht wagte das Mädchen es nicht, die Fenster zu öffnen. Man durfte sie hier drin nicht sehen. Sie hatte hier nichts mehr zu suchen. Ihr ehemaliges Elternhaus war nicht mehr ihr Zuhause. Die Waffe lag zu ihren Glück noch immer unter dem Bett ihrer Eltern. Mit ihrer rechten Hand tastete sie unter dem Gestell den staubigen Boden ab. Ihre Haut streifte über das kalte Metall des Griffes. Langsam zog sie das Schwert hervor. „Solltest du nicht bei der Beerdigung sein.“, mischte sich eine bekannte Stimme ein. Daniela auf dem Boden hockend, das Schwert in der Hand, zuckte erschrocken zusammen. Während sie sich erhob, legte sie das Schwert auf dem Bett ab, und schlug ihre Hand auf ihr Herz: „Jag mir nicht so einen Schrecken ein. Was machst du hier?“ Der Junge lehnte an der Wand, und schaute sie ernst an: „Ich dachte mir, dass du hier her kommen würdest. Willst du deine Schwester in so einen schweren Moment allein lassen?“ Der Blick der Jugendlichen fiel traurig zu Boden. Felix stieß sich von der Wand ab, packte sie mit der linken Hand an ihrem linken Arm und drückte ihr Gesicht sanft, aber bestimmt nach oben. Seine Stimme klang angenehm warm und einfühlsam: „Hey.“ Seine Lippen berührten ihre zärtlich und seine Zunge spielte mit ihrer. Der 16jährige zog sie näher an sich und seine Arme umschlangen sie. Daniela lehnte ihren Kopf an seine starke Schulter: „Ich habe mich schon vor zwei Tagen von meinen Vater verabschiedet.“, murmelte sie leise, sich für ihr Verhalten entschuldigend. Seine braunen Augen blickten sie besorgt an: „Sie werden dein Verschwinden längst bemerkt haben. Du handelst dir eine Menge Ärger ein“ „Das ist mir egal. Es sind nicht meine Eltern. Sie haben mir nichts zu sagen“, wehrte sie störrig die Worte ab. Felix seufzte: „Sie können nichts für den Tod deiner Eltern. Mach den Erziehern das Leben nicht so schwer.“ Daniela entwand sich aus der Umarmung und griff nach dem Schwert. Betrübt betrachtete sie das todbringende Stück Stahl: „Es kursiert das Gerücht, dass du das Dorf verlassen willst um. . . .“ Die 13jährige stockte kurz, bevor sie mit einer leisen, anklagenden Stimme fortfuhr, „um dich für die Ausbildung als Elitesoldat unter den Diensten des Königs anzumelden.“ Sie spürte die Hände des Älteren auf ihren Schultern ruhen. „Versuch mich zu verstehen. Die Elben haben meinen Bruder umgebracht. Ich muss ihn rächen.“, flüsterte der 16jährige ihr ins Ohr. Der Arm des Mädchens sank, noch immer die Waffe fest umklammernd, bedrückt nach unten. „Und was ist mit uns?“ Felix entfernte sich zur Tür: „Es tut mir Leid. Ich liebe dich über alles, das weißt du, aber der Gedanke an den Tod meines Bruders quält mich zu stark. Und könnte ich dich mitnehmen, du weißt ich würde es auf der Stelle tun. Ich werde noch heute aufbrechen.“ Sie hörte, wie er sich zum Gehen wandte: „Verabschiede dich nicht von mir. Das würde ich nicht ertragen. Bleib im Waisenhaus, bitte!“ „Auf Wiedersehen“, hauchte die Jugendliche zaghaft. Sie wartete eine Weile bis er wirklich verschwunden war, um dann das Haus ebenfall zu verlassen. Daniela sah gelangweilt aus dem Fenster über das riesige Gelände des Kinderheims. Eine Klassenkameradin nahm ihren Platz zwei Reihen weiter hinten wieder ein und die 16jährige wurde aufgerufen. Innerlich seufzend schritt sie ohne jegliche Nervosität nach vorne, sagte die in der Nacht gelernten Zeilen auf und kehrte zu ihren Fensterplatz zurück. Die Schüler klatschten, die Lehrerin erteilte eine eins, lobte den ausdrucksstarken Vortrag und das Mädchen wünschte sich den Trott zu entkommen. Wenige Minuten vor Schluss brachen die Jungs zum nachmittäglichen Schwertkampftraining auf. Einige Teenagerinnen warfen sich verheißungsvolle Blicke zu. Wie fast jeden Tag würden sie wieder in der Mittagspause den Kriegern beim Training zuschauen und warten bis sie ihre Oberteile auszogen. Als es zur Pause klingelte packte Daniela ohne Hast ihre Sachen in den Rucksack, warf die Schultasche in ihren Zimmer aufs Bett und spazierte allein durch die leeren Gänge, die durch die großen Fenster vom Licht der Sonne freundlich erhellt wurden. Nach einer Weile, die Jungen mussten inzwischen ihre Aufwärmübung beendet haben, lehnte sie an dem hohen Gitter, was den Übungsplatz vom Rest des Hofes abgrenzte. Aus den Augenwinkeln studierte sie genau die Bewegung der besten Kämpfer der fortgeschrittenen Gruppe, zu der nicht nur Schüler des Kinderheims, sondern auch Jungen aus den Dorf gehörten, denn zum Kampftraining war jeder aus der Umgebung, mit Ausnahme der Mädchen, verpflichtet. Ihr Blick schweifte zu einer rothaarigen, schlanken Gestalt ab, die sich aus einer schwatzenden Mädchengruppe lösend, auf sie zu bewegte. Die 16jährige lächelte ihrer Schwester aufmunternd zu. Rojana, von Natur aus fröhlicher und offener als ihre große Schwester erwiderte es mit einen breiten Schmunzeln:„Wieder mal allein“ „Wieder mal in Begleitung“, konterte sie nicht böswillig, wobei sie einen Blick über die Schultern der Jüngeren auf die wartenden Freundinnen warf. Die 14jährige gehörte wahrscheinlich mit zu den beliebtesten Mädchen der Schule. Und obwohl die älteste Tochter des verstorbenen Kriegsherrn auch einige Freunde hatte, deren Gesellschaft sie hin und wieder genoss, war sie doch gerne mal für sich. Rojanas Blick wurde ernst: „Tanja erzählte mir, dass du nachts wieder unter der Bettdecke Gedicht gelernt hast.“ Verwundert zuckte die Angesprochene mit den Schultern. Das war nichts Ungewöhnliches. Zudem wusste sie nicht, weshalb die kleine Schwester sich so plötzlich dafür interessierte. Inzwischen hatten die Schwertkämpfer eine Pause eingelegt. Ein 18jähriger kletterte ,seine Waffe beiseite legend, geschickt über den Zaun und auf der andren Seite wieder hinunter, wo er von seiner Freundin mit einem leidenschaftlichen Kuss begrüßt wurde. Rojana nickte nur zur Begrüßung. Maik beugte sich zu seiner Geliebten. „Heute Nacht, gegen 21.00 Uhr auf der Lichtung“, flüsterte er ihr leise, damit die Kleine es nicht, hörte ins Ohr. Ohne auf eine Antwort zu warten, kletterte er wieder zurück auf den Trainingsplatz. Daniela beobachtete ihn glücklich. Seit ihrer Trennung von Felix war er ihr dritter Freund. Zwischendurch war sie kurzzeitlich mit zwei anderen zusammen gewesen. Der eine war nett, aber er zeigte sich zu gerne mit ihr in der Öffentlichkeit um vor seinen Kameraden anzugeben, und der andere war einfach zu aufdringlich gewesen, ohne Rücksicht auf ihre Privatsphäre. Maik bildete sich nichts darauf ein mit ihr zusammen zu sein. Sie liebten sich und das war der einzige Grund für ihre Beziehung. Er war ein Junge aus dem Dorf, der nach Felix ziemlich begehrt bei den Mädchen war. Und er war fast der einzige der wusste, was sie nachmittags tat, es nicht nur tolerierte, sondern sie sogar noch unterstütze, indem er ihr so gut wie möglich das Kämpfen mit einer Waffe lehrte, wofür sie ihn unendlich dankbar war. Sie wunderte sich nur, warum er sich diesmal nachts treffen wollte. Normalerweise trainieten sie nach der Schule. „Bist du heute Nachmittag beschäftigt.“, erklang die Stimme der 14jährigen, als der Junge verschwunden war. Die Jugendliche stieß sich lächelnd vom Zaun ab: „Ich mache Hausaufgaben.“ Daniela lag nach einer anstrengenden Trainingsstunde in Maiks Armen. Zu zweit saßen sie auf der Lichtung und beobachteten den Sternenhimmel. „Ich gehe.“, brach es plötzlich aus dem Älteren hinaus. Die Teenagerin atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. „Weshalb?“ „Ich will Elitesoldat im Dienste des Königs werden. Unser Lehrer für Schwertkünste hat mir bereits eine Empfehlung ausgestellt.“ „Weshalb?“, wiederholte das Mädchen ihre Frage. Seine Hände verkrampften sich: „Mein Vater wurde im Kampf getötet. Das werden die Elben mir büßen.“ Daniela stand ruckartig auf und schaute abwertend auf ihn hinunter: „Wieso müsst ihr euch immer rächen?! Die Elben wehren sich nur. Und für jeden den ihr rächt, rächt sich auch ein Elb wieder an einen der unseren.“ Maik blickte sie überrascht über die scharfen Worte an: „Wolltest du deinen Vater nie rächen.“ Er hatte Mitleid, oder Trauer erwartet, aber niemals einen Wutanfall. „Nein! Das würde ihn nicht wieder lebendig machen.“, fuhr sie ihn zornig an. Der Krieger reagierte nicht. Die 15jährige drehte ihm den Rücken zu, ihr Blick zu den Sternen gerichtet: „Wieso müssen alle, die ich liebe abhauen.“ „Vergib mir.“, flehte er leise. Doch da war sie schon fast aus seinem Blickfeld verschwunden. Die Jugendliche lauschte auf den Atem ihrer schlafenden Zimmergefährten. In Gedanken sich bei ihrer Schwester entschuldigend, erhob sich die 17jährige ein letztes Mal aus diesem Bett, verabschiedete sich gedanklich von ihrer Heimat,band sich das Schwert um und verließ diesen Ort, an dem sie soviele geliebte Menschen verloren hatte, ein für alle mal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)