Bettgeschichten von iome (HG/SS-Stories) ================================================================================ Kapitel 5: Gehen lassen ----------------------- Hallo liebe Leser, unglaublich aber wahr: Nach vielen, vielen Monaten gibt es wieder etwas Neues von mir. Ich habe mich eine Weile aus der Fanfiction-Welt zurückgezogen, aber nun bin ich wieder da. Allerdings mit einer sehr traurigen Geschichte, die dadurch entstanden ist, dass ich in diesem Jahr einige Verluste in meinem Leben zu verarbeiten hatte. Seid also gewarnt: Ich habe beim Schreiben sehr viele Taschentücher verbraucht. 5. Gehen lassen Mit langen schnellen Schritten eile Severus Snape durch die fackelerleuchteten Gänge, wich dabei Schülern Kollegen und Geistern aus, während er laut und durchdringend rief: "Aus dem Weg! Aus dem Weg!" Die Schüler, die ihren Zaubertränkelehrer noch nie so erlebt hatten, glitten an die Wände, stellten teilweise kurz das Atmen ein und sahen ihm verwundert nach. Die Geister und Kollegen dagegen wussten oder ahnten zumindest, was vor sich ging und insbesondere Minerva McGonagall, die fast von ihm umgerannt worden wäre, hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon. Sie schüttelte den Kopf und seufzte, teils aus Frustration über die Situation, teils weil sie keine Idee hatte, wie ihm zu helfen war. Indes erreichte Snape seine Räumlichkeiten, bremste scharf vor dem Eingang ab und wartete kaum bis die Tür nach dem Aufsagen des Passworts einen Spalt aufgegangen war, bevor er sie beinahe aus den Angeln riss und ins Schlafzimmer stürmte. Dort blieb er wie angewurzelt stehen und erblasste bis in die tiefste Hautschicht hinunter. Voller Schrecken riss er die Augen auf, während sich in seinem Inneren alles zusammen krampfte. Er war zu spät. Nach 7 Monaten, vier Tagen und 12 Stunden; nach 858 Zaubersprüchen war er zum ersten und damit auch zum letzten Mal zu spät. Hermine lag auf dem Bett und atmete nicht mehr. Ihr Brustkorb hob und senkte sich nicht länger in der Regelmäßigkeit, die der Zauberspruch sonst Tag und Nacht sicherstellte. Starr vor Schreck und Entsetzen stand Severus an ihrem Bett, bis ein letztes Rasseln ihrer Lungen ihn aus seiner Lethargie riss. Als wäre er soeben erst aus einem schlimmen Traum erwacht, zog er nun endlich seinen Zauberstab aus dem Saum seines Ärmels und richtet ihn auf sie. Mit ungewohnt tiefer, aber von Inbrunst geschwängerter Stimme rief er: "Suspirare!" und augenblicklich sog Hermines Körper die Luft tief ein, bevor sie nach einigen - unendlich lang erscheinenden - Augenblicken wieder entwich und sich die Lungen gleich darauf von Neuem füllten. Mit einem großen Schritt überwand Severus nun endgültig die letzten Zentimeter zu Hermines Bett und dann auch zu ihrem Körper. Die Hand, die er ergriff, war warm und weich. Ganz so, als sei alles in Ordnung. Und in diesem Moment war es das auch. Er konnte an ihrem zarten Handgelenk einen Puls spüren. Mehr, als er erwartet hatte, als er den Weg zum Kerker hinunter gehetzt war. Mehr als er sich erhofft hatte, als ihm klar wurde, wie knapp es werden würde, den Zauberspruch rechtzeitig zu erneuern. Und mehr, als er eben noch geglaubt hatte zu finden. Sanft strich er über die Hand, die er hielt und sein eigener Körper wurde kurzzeitig von Erleichterung durchströmt, bevor ihn die Wirklichkeit wieder einholte und er die Hand vorsichtig wieder auf der Bettdecke ablegte. Es war gut, dass er noch rechtzeitig angekommen war. Keine Frage. Doch in Ordnung war nichts, aber auch gar nichts und das schon seit so langer Zeit, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte, dass es einmal anders gewesen war. Geräuschvoll ließ er sich auf das Bett sinken und blickte eine Weile auf die stille Gestalt seiner Frau. Nach endlosen Minuten in denen er sich zwang, an die Zeiten zu denken, in denen sie noch sie selbst gewesen war, in denen sie noch der Mensch an seiner viel zu lang leer gebliebenen Seite gewesen war, statt einer bewegungslos daliegenden menschlichen Puppe, da sah er auf und flüsterte beinahe lautlos. "Vielleicht hätte ich heute zu spät kommen sollen, Hermine.", strich ihr über die blasse Haut des einst so schönen und nun leeren Gesichts und ging deprimierter noch, als sonst ins Wohnzimmer hinüber. Stunden strichen ins Land, in denen Severus vor dem Kamin saß und die Gedanken schweifen ließ. Langsam und diesmal ohne Zwang kamen dabei auch Bilder wieder hoch, die er - ob durch einen Schutzmechanismus, oder eine bewusste Entscheidung ausgelöst, wusste er nicht zu sagen - lange Zeit verdrängt hatte. Hermine, die mit ihm am Feuer saß und über eine Anekdote lachte. Hermine, die sich über ihn beugte, um ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen zu hauchen. Hermine, wie sie sich in wilder Leidenschaft an ihn drängte, ihre Beine um ihn klammerte und ihn aufforderte sich endlich auszuziehen. Und dann glitten Bilder vor seinem inneren Auge vorbei, die ihm mehr wehtaten, als alles andere: Hermine, wie ihr Körper in den Wehen lag und Sarah auf die Welt brachte, teilnahmslos, leer und nicht einmal in der Lage ihr Kind zu sehen oder in den Arm zu nehmen, obwohl dies einer der glücklichsten Augenblicke in ihrem Leben hätte sein sollen. Leben ... Es jetzt noch Leben zu nennen war so eine Sache, an der er immer mehr zweifelte. Ihr Körper war noch da und es war ein beruhigendes Gefühl, dass es so war, doch Leben war in ihr nicht mehr als in einem beliebigen Gegenstand. Genau genommen war sie tot, obwohl sie ein Zimmer weiter auf dem Bett lag und ihr Herz nach wie vor schlug. Lange Zeit hatte er dieser Erkenntnis keinen Platz in seinen Gedanken eingeräumt, doch heute, nachdem es so unendlich viel knapper gewesen war als jemals zuvor, ihren Körper weiterhin am Leben zu erhalten, da war es ihm, als sollte es ein Zeichen sein, sich damit auseinander zu setzen. Er war ein kluger Mann und wusste deshalb rational längst, dass Hermine hirntot und damit unrettbar verloren war. Nun jedoch gestand er sich zum ersten Mal ein, dass er sich etwas vorgegaukelt hatte, indem er ihren körperlichen Tod einfach nicht zuließ. In der Muggelwelt gab es Maschinen, die Körper von Sterbenden und eigentlich schon Toten am Leben erhielten. Seine Methode war schmerzloser und erforderte keine Apparate. Nur einen Zauberspruch alle sechs Stunden und Hermines Körper konnte beinahe ewig leben. Sie könnte noch Jahrelang so da liegen, still und wunderschön, doch das Wesentliche an ihr – sie selbst, ihre glänzenden Augen, wenn sie etwas interessierte, ihr wacher Blick, wenn sie ihn ansah, ihr unglaubliches Lächeln, wenn sie still an ihn gelehnt einschlief – war vor über sieben Monaten gegangen. Hermine war noch da, doch ihr Innerstes; ihr Ich; ihre Seele war fort und für immer aus ihrem Körper und aus seinem Leben gewichen. Severus Snape weinte bei dieser Erkenntnis und er schämte sich dieser Tränen nicht. Selbst wenn ihn jemand gesehen hätte in dieser schwersten Zeit seines Lebens, hätte er sich ihrer nicht geschämt. Obwohl es schon vor mehr als einem halben Jahr geschehen war, schien es doch jetzt erst zu passierten: Er verlor das Wertvollste, dass er hatte. Die Entscheidung ihren Körper auch gehen zu lassen, war schon gefallen, als ihm an diesem Abend das erste Mal bewusst wurde, dass sie dies nicht wollen würde. Bisher war es ihm egal gewesen. Er hatte nicht einmal darüber nachgedacht, ob es Hermines Wunsch sein könnte, diesen erbärmlichen Zustand hinter sich zu lassen. Nun schien es ihm so unendlich richtig zu sein, dass er sich schwor, keinen weiteren Zauber zu sprechen, um ihr Herz am Schlagen zu halten. Er sah auf die Uhr und erschrak, um gleich darauf erleichtert zu sein. Es war kurz vor Mitternacht und in wenigen Minuten würde der letzte Spruch seine Wirkung verlieren. Es war grausam, diese Minuten zu erwarten und durchleben zu müssen und doch war er erleichtert, dass er seinen Vorsatz, sie endlich gehen zu lassen, nicht noch stundenlang mit sich selbst diskutieren musste. Es war richtig wie er es entschieden hatte. Severus erhob sich und ging zum Schlafzimmer hinüber. Auf dem Bett lag das Letzte, was von Hermine noch da war. Sie sah aus, als schliefe sie nur. Sofort kamen die Tränen wieder, obwohl er geglaubt hatte, keine mehr in sich zu haben. Er schloss die Augen und schluckte seine Trauer hinunter. Wenn es vorbei wäre, hätte er unendlich viel Zeit diese Tränen zu vergießen. Jetzt blieben ihm nur noch Augenblicke, sich zu verabschieden und noch einmal den warmen Körper in seinen Armen zu spüren. Leise, als wolle er sie nicht wecken, legte er seine Robe ab und setzte sich auf das Bett zu ihr. Seine Hand wanderte wie von selbst zu ihren Haaren, strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und fuhr ihre Wange entlang. Er glitt neben sie und zog ihren Körper an sich, flüsterte ihr Nichtigkeiten und „Ich liebe Dich.“ zu; weinte stille Tränen in ihr Haar und spürte einige Minuten später, wie ihr Herz unter seiner Hand zu schlagen aufhörte; fühlte, wie sie ein letztes Mal ein- nicht aber wieder ausatmete und starb innerlich mit ihr, als auch der letzte Rest Leben aus ihr wich. Obwohl er wusste, dass es vorbei war, konnte er sie nicht gehen lassen, konnte nicht seine Hände von ihrem Herzen und sein Gesicht aus ihren Haaren nehmen und so lag er noch lange Zeit neben ihr, bevor er es schaffte sich zu erheben. Er legte Hermines Körper so hin, wie sie in den letzten sieben Monaten gelegen hatte, glitt ein letztes Mal mit seinen Fingern über ihr Gesicht und lächelte in stiller Trauer, als er ihren friedvollen Gesichtsausdruck sah. Dann ging er hinaus und sah nicht mehr zurück. Eine Aufgabe hatte er in dieser Nacht noch und obwohl es schon spät war, würde er sie erfüllen. Seine Schritte hallten ungewohnt laut in der stillen Schule, denn er schlich heute nicht, sondern hatte es plötzlich eilig. Minuten später stand er vor Minervas Tür und klopfte. Seine alte Kollegin und Freundin war noch wach. Sie schien geahnt zu haben, dass er auch heute den Besuch bei seiner Tochter nicht ausfallen lassen würde. Das hatte er noch nie getan. Keinen einzigen Tag in den drei Monaten, die sie auf der Welt war. Sie wich zur Seite um ihn einzulassen und erwartete eine kleine Entschuldigung, dass es heute so spät geworden war, doch dann sah sie in seine Augen und brauchte weder die Entschuldigung noch eine Erklärung. Severus schritt an ihr vorbei und ging zur Wiege, in der Sarah friedlich schlief. Er lächelte, als er sie anblickte. Etwas, dass er nur selten getan hatte, seit es sie gab. Ein Teil von ihm hatte ihr die Schuld gegeben, dass Hermine während der Schwangerschaft einen Hirnschlag erlitten hatte. Natürlich war das blanker Unsinn und er wusste das auch, konnte es aber heute erst vor sich zugeben. Seine rechte Hand zuckte vor und griff das winzige Händchen, das neben dem Kopf lag. Warm und weich fühlte es sich an und vertraut. Er hatte Hermine verloren, aber er hatte einen Teil von ihr hier. Einen Teil, den er nie wieder herbeben würde. „Ich werde sie mitnehmen, morgen früh.“, sagte er ohne sich umzudrehen zu Minerva. „Ich danke Dir, dass Du Dich so lange um sie gekümmert hast.“ Die Schulleiterin schluckte und hatte das dringende Bedürfnis, den Trauernden in die Arme zu nehmen, doch sie wusste, er würde das nicht wollen. Stattdessen sagte sie nur: „Schlaf auf der Couch. Morgen werden wir alles regeln.“, und ging dann auf ihr Schlafzimmer zu. Als sie sie Tür erreicht hatte, drehte sie sich zu ihm um und begegnete seinem tränenverschleierten Blick. „Es war richtig so, Severus. Du hast alles richtig gemacht.“, sagte sie, bevor sie die Tür hinter sich schloss und so nicht mehr sah, wie er nickte. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)