Angeldust von _Cross_ ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Nicht doch! Nicht schon wieder! Innerlich fluchend verließ ich den Stand wieder. Es war einer dieser Stände wo sie Nietenarmbänder, Gürtel, Ringe und so ’n Kram verkauften. Ich liebte diese Stände, eine wahre Augenweide! Dennoch versuchte ich mich so gut wie möglich von ihnen fernzuhalten. Nur heute war ich schwach geworden. Und das Ergebnis hatte ich nun in der Tasche. Zu Hause angekommen setze ich mich erst einmal auf mein Bett. Ich holte den Ring aus meiner Tasche und betrachtete ihn. Er war wirklich schön. Zum Wegschmeißen viel zu schade. Aber was dann? Ich konnte ihn nicht behalten, dazu hatte ich ein viel zu schlechtes Gewissen. Warum ich ihn dann überhaupt mitgenommen habe? Keine Ahnung, ehrlich. Nur, in dem Moment hatte ich das unbändige Verlangen ihn mitzunehmen. Bezahlen konnte ich ihn nicht. Ich konnte mich gerade so über Wasser halten. Ich wohnte in einer schäbigen kleinen Wohnung in einer dieser heruntergekommenen dunklen Gassen die man aus dem Fernsehen kennt. Als ich 18 wurde nutze ich die Chance sofort und verließ mein Elternhaus. Ich hasste meine Eltern. Meine Mutter war arbeitslos und soff den lieben langen Tag hindurch, und mein Vater war so gut wie nie da. Sowohl meine Mutter als auch ich wussten, dass er fremdging. Wenn er denn da war, stritten sie nur. Erst über mich, dann über Belangloses. Jedenfalls hielt ich es dort nicht mehr aus und zog in meine derzeitige Wohnung. Sie war zwar alles Andere als schön, aber es war meine. Und das erfüllte mich irgendwie mit etwas Stolz. Ich beschloss den Ring schnellstmöglich im Park oder so fallen zu lassen, in der Hoffnung, jemand anderes würde ihn finden und sich darüber freuen. So verließ ich mein zu Hause wieder um in den Park zu gehen. Es war Herbst, demnach waren nicht allzu viele Menschen unterwegs. Und die die es waren, hatten es eilig wieder ins Warme zu kommen, sei es zu Hause oder bei der Arbeit oder sonst wo. Mir eigentlich gleich. Bloß schade um den Ring. Würde wahrscheinlich dauern bis jemand sich Zeit nahm sich umzusehen und ihn zu entdecken. Ich nahm ihn in meiner Jackentasche noch einmal in die Hand. Schade. Und dann ließ ich ihn aus meiner Jackentasche fallen, ging weiter ohne langsamer zu werden, ohne mich umzudrehen. Ich wollte schließlich nicht verdächtig wirken. Ich war erst ein paar Meter gegangen, als… „Warte!“ Ich erschrak kurz, dachte dann aber, dass ja nicht zwangsläufig ich gemeint war. Also ging ich weiter. Dummerweise war wohl doch ich gemeint gewesen, denn hinter mir ertönten schnelle Schritte und kurz darauf überholte mich jemand und kam vor mir zum Stehen. „Das ist dir vorhin aus der Tasche gefallen.“ Er hielt mir den Ring hin und lächelte unschuldig. Was für ein großer Idiot! Und wenn ich sage groß, dann meine ich auch groß! Ich ging dem gerade so bis zur Schulter. War er vielleicht Europäer? Also blond war er, nur hatte das ja noch lange nichts zu sagen.Und er war schlank. Seeeehr schlank, trotzdem noch nicht gruselig. Aber auf den zweiten Blick erkannte ich, dass er wohl doch Japaner war. Hätte er nicht gesprochen hätte ich ihn wohl nicht sofort als Mann erkannt, denn er sah sehr feminin aus. Mit anderen Worten: Er war verdammt hübsch. Aber das sollte mir egal sein, ich würde ihn eh nie wieder sehen. „Oh, eh, arigatô.“, sagte ich also, um unsere Begegnung schnell ein Ende finden zu lassen. Ich nahm ihm den Ring aus der Hand und steckte ihn wieder in die Tasche. Dann musste ich eben einen anderen Weg finden das Teil loszuwerden. Er hob die Hand. „Also dann, man sieht sich.“ Das glaubte ich zwar nicht, trotzdem nickte ich, wenn’s ihn glücklich machte… Und dann sah ich etwas aus seiner Jackentasche herausragen. Offensichtlich sein Portemonnaie. Es juckte mir in den Fingern, ich wollte es haben! Den Bruchteil einer Sekunde kämpfte ich noch mit mir selbst, aber dann ging er wie in Zeitlupe an mir vorbei zurück… Matsumura Yoshitaka hieß er also. War wohl Single, er hatte kein einziges Foto im Portemonnaie. Vielleicht war es auch einfach nur neu. Es befanden sich einige Kreditkarten und nicht wenig Bargeld darin. Beides rührte ich aber nicht an. Ich hatte mir da ein gewaltiges Problem aufgehalst: Wie sollte ich es wieder loswerden? Fundbüro? Lieber nicht, da war ich eindeutig zu oft, die Leute dort sahen mich schon so misstrauisch an. Einfach irgendwo hinlegen und hoffen, dass jemand anderes das Teil ins Fundbüro schleppt? Mal ehrlich, wie gering war die Chance? Zu der auf dem Personalausweis angegebenen Adresse gehen und es persönlich wiedergeben? Sollte ich? Ich kannte ihn nicht, demnach konnte ich auch nicht im Geringsten einschätzen, wie er darauf reagieren würde. Aber was sollte ich denn sonst tun? Ich konnte es nicht behalten, so viel stand fest. Ich beschloss mich am nächsten Tag Wohl oder Übel zu der Adresse zu begeben und es ihm schlicht und einfach in den Briefkasten zu werfen. Ja, genau so würde ich es machen! Kapitel 2: ----------- Reih um Glied hingen sie da, die Briefkästen. Auf jedem ein kleines Schild mit einem Namen. Ich suchte nach dem Namen Matsumura und wurde auch fündig. Kurz überlegte ich, ob ich meine Fingerabdrücke vielleicht verwischen sollte, ließ es aber bleiben. Für so eine Kleinigkeit würde niemand gleich das FBI auf mich hetzen. Und außerdem hatte ich ja nichts gestohlen….ähm….nichts bei mir behalten… Ich hab schon immer Ärger bekommen, wegen meiner flinken Finger und meinem Mangel an Selbstbeherrschung. Dennoch verzweifelte ich nicht. Ich wartete auf das Happy End meines Märchens, auf die gute Fee, oder den gläsernen Schuh nach dessen Besitzerin ich suchen würde. Dass ich naiv war, brauchte mir niemand zu sagen, das wusste ich selbst. Ich wollte gerade das Portemonnaie aus der Tasche holen, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte den Kopf. Es war die Bohnenstange vom Vortag. „Hallo Aschenputtel.“, grinste er mich an. „…..eh?!“ „Was machst du hier? Besuchst du jemanden?“, überging er meine „Frage“. „Nein, ich…“ Tja, was ich? „Warum Aschenputtel?“, versuchte eine Antwort zu umgehen. „Warum nicht? Wäre dir Schneewittchen lieber?“ „Was?“ Wieso denn jetzt auf einmal Schneewittchen? „Was hat die denn jetzt mit mir zu tun?“ „Überleg mal.“ Ich aß keine vergifteten Äpfel von unheimlichen alten Frauen im Wald. Und ich war kein Langschläfer. Ich hatte keine böse Stiefmutter die mir nach dem Leben trachtete. Selbst wenn, woher sollte er das schon wissen? „Nach langen und gründlichen Überlegungen bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich keine dir bekannten Gemeinsamkeiten mit besagter Märchenprinzessin aufweise.“ Ich tat so als würde ich das von meinem nicht vorhandenen Klemmbrett vorlesen. „Und mit der anderen? Vielleicht klappt es mit Aschenputtel besser?“ Hmmm… Ich hatte immer noch keine böse Stiefmutter, demnach auch keine bösen Stiefschwestern. Auf meine gute Fee wartete ich noch… Und mit Mäusen und Vögeln hab ich auch noch nie gesprochen, die sind immer so schreckhaft und bleiben nie lange genug still wenn ich mich nähere… „Nicht wirklich. Also?“, sah ich ihn fragend an. Er legte seinen Zeigefinger auf die Lippen und zwinkerte mir zu. „Das sag ich dir noch nicht.“ Wie „noch“ nicht? Ich legte den Kopf schief und sah ihn fragend an. „Was ist mit Dornröschen?“, wollte ich wissen. „Passt die auch in dein, mir unverständliches Konzept, wenn ich es denn so nennen darf?“ „Nein, nein, Schneewittchen ist besser.“ Wo bitte war der entscheidende Unterschied zwischen den beiden schlafenden Schönheiten? Und was hatte das mit mir zu tun? „Däumelinchen?“ Er fing an zu lachen. „Also das wäre übertrieben. So klein bist du dann doch nicht.“, sagte er. „Muss es eine Frau sein?“, versuchte ich das Feld weiter einzuschränken und den Kommentar zu überhören. „Ach, vergiss es, ich sag’s dir schon noch.“ „Wann?“ „Wenn ich denke, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist.“ „Heute?“ „Du bist ganz schön ungeduldig, kann das sein?“ Er tätschelte meinen Kopf. „Nur bei Fremden.“ Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Gomen, ich hab mich ja gar nicht vorgestellt! Ich bin Karyu.“ Er nahm meine Hand und schüttelte sie. Karyu? Nicht Matsumura Yoshitaka? „Also, was machst du hier?“, kam er auf seine zu Beginn gestellte Frage zurück. „Ähm… ich… besuche meine Tante.“ „Heißt das, du bist öfter hier?“ „Nein, eher nicht. Ich glaube nicht, dass ich noch mal herkomme.“ „Schade. Darf ich dich dann mal treffen?“ „Wieso?“ Ich war verblüfft. „Wichtigen Menschen begegnet man zweimal im Leben, hab ich mal gehört.“ War der Typ abergläubisch oder so was? „Shit! Ich muss wirklich zur Arbeit, bin jetzt schon zu spät. Hier hast du meine Nummer.“ Er schrieb hastig ein paar Zahlen auf einen Zettel, den er sich aus seinem Terminkalender gerissen hatte, und drückte ihn mir in die Hand. „Ruf mich an, wenn du wissen willst warum „Aschenputtel“.“, sprach’s und verschwand in Windeseile. Das war so was von unfair! Jetzt musste ich ihn anrufen. Verfluchte Neugier. Und unheimlich sah er auch nicht aus. Eher das Gegenteil, aber in Horrorfilmen war das ja auch immer so. Die wahren Monster sind die, von denen man es am wenigsten erwarten würde. Ich holte das Portemonnaie wieder hervor und überlegte, ob er mich mit dem Verschwinden und Wiederauftauchen seines Portemonnaies in Verbindung bringen würde, wenn ich es in seinen Briefkasten warf. Ich entschied, dass er es wiederbekommen würde, wenn ich wusste warum er mich mit irgendwelchen Namen von Märchenprinzessinnen betitelte. „Matsumura?“ Ha! Also doch Matsumura! Warum hatte er mir dann gesagt, dass sein Name Karyu ist? Wollte er mich verarschen? „Natürlich wollte er dich verarschen, er nennt dich „Aschenputtel““, sagte eine kleine böse Stimme in meinem Kopf. Schön, dann wollte er mich eben auf den Arm nehmen, aber das Spiel konnte man auch zu zweit spielen! „Hallo, hier ist…Aschenputtel… “, wie sonst sollte ich ihm klar machen, wer ihn da gerade anrief? Meinen Namen hatte ich ihm schließlich nicht genannt. „Ah! Schön, dass du anrufst!“ Wieso? „Du hast gesagt, du heißt Karyu. Ich dachte eben, ich hätte mich verwählt.“, log ich. „Nein. Ich hab gesagt, ich BIN Karyu. Und das stimmt auch. Es ist ein Künstlername. Mein richtiger Name ist zu lang. Und die Kurzform mag ich nicht.“ Yoshi? War doch nicht so schlimm, wie der kleine grüne Mario-Dino genannt zu werden, hehehe. „Apropos Namen: Wie ist eigentlich deiner?“ „Sag ich nicht. Aber ich BIN“, ich betonte das Wort besonders „ Hizumi.“. Zugegeben, mein Pseudonym war etwas von meinem echten Namen abgewandelt, im Gegensatz zu Karyus, aber der konnte das ja nicht wissen. „Und wenn ich dir meinen nenne?“ „Die Hälfte kenne ich schon, da bin ich schon im Vorteil, den gebe ich nicht auf.“ Jaja, ich kannte nicht nur die Hälfte… Er lachte. „Du bist süß, weißt du das?“ „…“ „Hab ich dir die Sprache verschlagen?“ Ich konnte sein Grinsen förmlich hören. „Schon als ich erkannt hab, dass der Strich in der Landschaft ein Mensch ist. Hab mich nämlich schon gewundert wo die Stimme herkam.“ „Als ob du so viel breiter wärst. Du bist nur kleiner.“ „Sollte dir das nicht zu denken geben?“ „Haha. Außerdem hab ich ne gute Ausrede: Es gehört zu meinem Job.“ „Was machst du denn?“ „Ich bin Model.“ Warum wunderte mich das bloß nicht? „Und was machst du beruflich?“ „Ich wechsle dauernd den Arbeitsplatz.“ „Warum?“ „Geht dich nichts an.“ „Schade. Und, warum rufst du an? Weil du mit mir einen Kaffee trinken willst? Na gut, weil du es bist. Wie wäre es um sechs? Nicht? Um sieben? Okay, geht auch. In „Minakos Kaffeestübchen“? Was, einladen muss ich dich auch noch? Wenn es unbedingt sein muss. Gut, dann bis sieben, bye.“ Und er legte auf. Ich hielt immer noch den Hörer an mein Ohr und wunderte mich über seinen Monolog. War das eine Art Einladung? Der Typ war echt skurril… Sollte ich einfach mal hingehen und mich vergewissern, ob es eine Einladung war? Eine rein rhetorische Frage, die ich mir da stellte. Natürlich würde ich hingehen, ich war viel zu neugierig um es nicht zu tun. Kapitel 3: ----------- Als ich in dem Café ankam, saß er schon an einem Tisch. Ich setzte mich zu ihm. „Hey, du bist ja wirklich gekommen.“, begrüßte er mich mit einem Lächeln. „Ich hatte heute sowieso nichts vor. Ich hab dich zuerst nicht gesehen, bin dann aber den Blicken der andern Gäste gefolgt, et voilà! , da warst du.“, neckte ich ihn. Er zog einen Schmollmund. „Ich scheine ja keine guten Chancen zu haben, wenn du mich trotz meiner bemerkenswerten Schönheit nicht siehst.“ „Du hast deine außerordentliche Bescheidenheit vergessen.“, erinnerte ich ihn. „Was denn für Chancen?“, fragte ich misstrauisch. Am Ende war er einer dieser Verbrecher die einem mit dem Tod drohten oder erpressten, damit man eine der so genannten Drecksarbeiten machte, für die man am Ende im Gefängnis landete, während er weiter frei herum lief und sich ins Fäustchen lachte. „Naja, vielleicht steigen sie ja beim zweiten, oder beim dritten. Oder im Laufe des Abends.“ „Zweiten, dritten Was?“ „Date?“ Er sah mich unschuldig an. Ich machte große Augen. „Date?“, wiederholte ich seine Aussage. Er nickte. Es entstand eine peinliche Stille, während der ich nicht wusste, ob ich lachen sollte, weil er Spaß gemacht hatte, oder ob ich ihm erklären sollte, dass Typen nicht so mein Ding waren. „Haben Sie schon entschieden, was Sie bestellen möchten?“, unterbrach eine Kellnerin die Stille zwischen uns. Ich bestellte eine heiße Schokolade und er einen Kaffee. Mit Milch und ohne Zucker. Ich verzog angewidert das Gesicht. „Wie kann man dieses bittere Gesöff nur trinken? Und dann auch noch ohne Zucker?“ „Gleich zeig ich’s dir.“, grinste er mich an. „Warum hast du mich eingeladen, wenn du mich doch eigentlich gar nicht kennst?“, stellte ich ihm die Frage, die mich in dem Moment beschäftigte. „Weil ich dich kennen lernen möchte. Und das geht besser, wenn du gleich einen guten Eindruck von mir hast.“ „Du magst es, wenn ich dir Fragen stelle, kann das sein?“ „Wieso?“ „Weil du bisher nicht ein Mal Klartext geredet hast, beziehungsweise mit deinen Antworten immer nur neue Fragen aufgeworfen hast.“ „Und welche habe ich diesmal aufgeworfen?“ „Warum du ausgerechnet mich kennen lernen willst. Außerdem hast mir immer noch nicht gesagt, warum du mich Aschenputtel oder Schneewittchen genannt hast.“ „Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?“ „Nein.“ Er zog scharf die Luft durch die Zähne ein und fasste sich an die Brust. „Autsch, das war hart.“ Ich hob eine Augenbraue. „Aber damit hab ich gerechnet. Und genau deswegen hab ich dich eingeladen. Wenn du schon nicht an Liebe auf den ersten Blick glaubst, muss ich dich eben durch die langsamere Methode von mir überzeugen.“ Die Kellnerin brachte uns unsere Getränke. „Willst du damit sagen, du stehst auf mich? Ab dem Augenblick im Park?“ Seine Wangen färbten sich leicht rosa, dennoch sagte er in einem sehr selbstsicheren Ton: „Hai!“ Ich stand auf. „Ich gehe.“ „Was?! Wieso?“ „Ich hab keine Lust mich von dir ins Boxhorn jagen zu lassen.“ „Das tu ich nicht, wirklich!“ Er stand ebenfalls auf und hielt mich am Arm fest. Gerade so fest, dass ich stehen blieb, mich aber, wenn ich wollte, sofort losreißen könnte. „Gib mir eine Chance es dir zu beweisen, bitte.“ Er ließ meinen Arm wieder los und sah mich mit einem zuckersüßen Dackelblick an. „Na gut, aber nur, weil ich Dackel so mag.“ Er sah mich verwirrt an, fragte aber nicht weiter nach. Als Karyu sich die Rechnung geben ließ, beschlich mich wieder mein schlechtes Gewissen, schließlich lag sein Portemonnaie noch immer bei mir zu Hause. „Du brauchst mich nicht einzuladen.“, sagte ich deshalb. Er lächelte mich an, während er eine andere Geldbörse aus seiner Jacke holte. „Doch, doch, mach ich gern. Außerdem hab ich’s dir ja gewissermaßen versprochen.“ Er bezahlte und wir gingen raus. „Wollen wir noch etwas spazieren gehen? Ich würde mich gerne noch ein wenig mit dir unterhalten, du bist genauso interessant, wich ich vermutet hatte.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn’s dich glücklich macht.“ „Darf ich dir eine Frage stellen?“, fragte er nach kurzer Zeit. „Hast du doch gerade. Aber da ich heute von unbeschreiblichem Großmut beseelt bin, erlaube ich dir, mir eine weitere zu stellen. Wenn du Glück hast, beantworte ich sie sogar.“ „Dieses Angebot muss ich doch unbedingt annehmen.“ „Und wie lautet deine Frage?“ „Warum hast du die Getränkekarte mitgenommen?“ War ja klar, dass er es sehen würde… „Tja, du hast heute wohl kein Glück, die Frage bleibt unbeantwortet.“ „Schade.“ Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, und ich musste mir eingestehen, dass er ganz anders war, als alle anderen Menschen, denen ich je begegnet bin: Er war noch viel verrückter. Aber ein unterhaltsamer Verrückter. Als er sagte, es sei schon spät und er müsse am darauf folgenden Tag früh aufstehen, fand ich es tatsächlich schade. „Anou, bevor ich gehe: Darf ich dich bald wieder treffen?“, fragte er mich noch. Ich war seinem Angebot nicht abgeneigt, eher das Gegenteil, aber ich wollte es ihm nicht zu leicht machen. „Hmm, mal sehen.“, sagte ich also möglichst desinteressiert, während ich so tat, als würde ich meine Fingernägel betrachten. Um ihm jedoch nicht alle Hoffnungen zu nehmen, sah ich ihn von unten herauf an und lächelte leicht. Er verstand und lächelte erleichtert zurück. Ich drehte mich um und wollte gerade gehen, als er mich seine Stimme zurückhielt. „Eine allerletzte Frage hätte ich doch noch.“ Was wollte er denn jetzt noch? War doch alles gesagt. Ich drehte mich wieder zu ihm um. „Darf ich dich zum Abschied umarmen?“ Das war doch ein bisschen sehr viel verlangt, schließlich kannten wir uns kaum. Und außerdem hatte ich gesehen wo er seine neue Brieftasche hatte… „Nein.“, sagte ich also. „Du darfst mir lediglich die Hand schütteln.“ Er griff sich, zu meiner Überraschung, tatsächlich meine Hand. Aber dann zog er mich daran näher zu sich und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Dieser freche, dreiste… „Bye.“, winkte er mir grinsend zu und verschwand schnellen Schrittes in der nächstbesten Menschenmenge. Ich stand etwa eine Minute überrumpelt rum, bis auch ich mich nach Haue begab. Kapitel 4: ----------- „…“ O__O; „…“ O__O;;;; „…“ „SAG ENDLICH WAS!“ Ich hatte meinen besten Freund Tsukasa von Karyu und dem Treffen mit ihm erzählt. Seitdem starrte er mich nur vorwurfsvoll an, sagte jedoch nichts. „… Was soll ich denn deiner Meinung nach dazu sagen?“, brachte er endlich hervor. „Keine Ahnung… ich hab dir davon erzählt, weil ich selbst nicht weiß, was ich davon halten soll. Und du starrst mich nur blöde an. Hilfreicher wäre es, wenn du stattdessen einfach nur deine Meinung zu der ganzen Sache preisgibst.“ „Ich soll dir meine Meinung dazu sagen? Okay, kannst du haben.“ Er stand auf und kam auf mich zu, hielt direkt vor mir an. „Itai!“ Ich rieb mir mit einer Hand die Stirn, denn er hatte mir gegen eben diese geschnipst. Er setzte sich wieder. „Du bist viel zu leichtsinnig und naiv.“ Hatte ich nicht gesagt, das brauche mir niemand zu sagen? Aber Tsu-Chan hatte mich noch nie geschont, er war immer brutal ehrlich. Man möchte meinen, das sei eine gute Eigenschaft, der Meinung war ich jedoch gar nicht, schließlich bekam ich immer alles ab. Auch Dinge, dich mich gar nicht interessierten, zum Beispiel was er wann mit seiner Freundin gemacht hat. Er ließ nichts aus, wirklich nichts, auch wenn ich mir die Ohren mit den Sofakissen zuhielt und immer wieder rief, ich wolle es nicht hören. Er nahm dann immer nur meine Arme, zog sie weg und erzählte weiter, mit einem siegessicheren Grinsen im Gesicht. Er mochte es schon immer, mich zu ärgern. Und er war wesentlich stärker als ich, er spielte nämlich seit einer Ewigkeit Schlagzeug. Jedenfalls hatte er mich überraschenderweise besucht, um mir wieder einmal Horrorgeschichten zu erzählen, da diesmal jedoch ich etwas zu erzählen hatte, blieben sie aus. „Soll ich ihm das Portemonnaie zurückgeben? Dann brauchst du ihn nicht wieder zu sehen.“, schlug er vor. „NEIN! Ich will dich nicht mit reinziehen. Und ich weiß, dass es dir nichts ausmachen würde, also mach den Mund wieder zu.“ „Was willst du denn dann machen?“ „Ich muss es ihm irgendwie wiedergeben.“ „Und wie? Ich will jedenfalls nicht, dass du ihn wieder siehst. Er nennt dich „Aschenputtel“, lädt dich ein ohne dich zu kennen, und behauptet, in dich verknallt zu sein. Fazit: Der Typ muss ein Spinner sein. Ich will nicht, dass dich irgendsoein Irrer entführt, vergewaltigt, zerstückelt und dann im Müll entsorgt.“ Ich blinzelte ihn erstaunt an. „Und du behauptest, ich würde zu viele Horrorfilme gucken. Und warum muss einer gleich verrückt sein, wenn er in mich verknallt ist?“ Ich warf ihm eines der Sofakissen an den Kopf, aber er fing es geschickt auf und warf es zurück. Im Gegensatz zu mir, traf er. Es kam wie es kommen musste und wir begannen eine Kissenschlacht, die damit endete, dass mein Telefon runterkrachte und das Telefonkabel mit rausriss – ich hatte nämlich eines mit Kabel. Es funktionierte zum Glück noch. Tsukasa entschuldigte sich tausendmal dafür und lud mich auf eine Pizza ein. Ich willigte natürlich sofort ein und wir wollten gerade los, als mein Telefon klingelte. Das wunderte mich, denn außer Tsukasa rief mich nie jemand an, und eben Genannter stand gerade vor mir. Hatte sich wohl jemand verwählt, soll ja vorkommen, aber als ich abnahm und „Moshi-moshi?“ in den Hörer murmelte, erkannte ich Karyus Stimme, die „Hizumi?“ fragte. Woher hatte der meine Nummer? Ich sagte eine Weile gar nichts, sah Tsukasa fragend an. Der jedoch glotzte nur fragend zurück. „Hallo?“, kam es aus dem Hörer. „Hai.“, sagte ich endlich. „Stör ich gerade oder warum lässt du so lange auf eine Antwort warten?“ „Ähm…ich weiß nicht…“ Wieder sah ich Tsu-Chan hilfesuchend an. Der formte ein „Wer?“ mit den Lippen. Ich formte mit den Lippen den Namen „Karyu“ und hoffte, dass er verstanden hatte. Dass dem so war, erkannte ich an seinem Gesichtsausdruck, der plötzlich um einiges misstrauischer geworden war. Er kam auf mich zu und legte sein Ohr an den Hörer um mitzuhören. Karyu lachte am anderen Ende der Leitung. Es war ein angenehmes Lachen, das musste ich schon zu geben. „Wie, du weißt es nicht?“ „Ich weiß es eben nicht. Kann doch nicht so schwer zu verstehen sein. Woher hast du überhaupt meine Nummer?“ „Mein Telefon zeigt mir meistens die Nummern an, wenn ich angerufen werde. Wenn sie nicht gerade unterdrückt wird.“ Ja klar, hatte ganz vergessen, dass die modernen Telefone so was konnten. „Und willst du mir nicht den Grund für deinen Anruf nennen?“, fragte ich. „Doch! Unbedingt! Ich brenne darauf! Ich -“ „Hey! Ich mag es nicht, wenn man mich verarscht.“, unterbrach ich ihn. „Ich verarsch dich doch nicht! Ich necke dich. Das ist was ganz anderes. Viel netter. Man macht das, um die Stimmung zu lockern, weißt du?“ „Wenn du nicht sagst, was du willst, leg ich auf.“ „Bist du schlecht drauf, oder hab ich dich verärgert?“ „Das ist nicht die Antwort auf meine Frage. Und nebenbei bemerkt, Leute, die andere Leute mit schlechter Laune darauf ansprechen- fragen fällt auch unter diese Kategorie- werden häufig danach nicht mehr aufgefunden.“ „Tiefschwarz.“ „Bitte?“ Was kam der mir jetzt mit Schwarz? „Dein Humor.“ „Und deiner ist grottenschlecht.“ „Wenigstens ist er nicht abgrundtief böse.“ „Du sagst es, als wenn es was Schlechtes wäre.“ „Dazu sag ich einfach mal gar nichts. Ich hab heute frei. Und da dachte ich mir, ich könnte dich überreden mit mir Pommes essen zu gehen. Ich lade dich natürlich wieder ein. Was sagst du?“ Neben mir schüttelte Tsukasa den Kopf. „Gomen, aber ich hab heute keine Zeit. Vielleicht ein andermal.“, antwortete ich also. „Schade. Darf ich vielleicht fragen, was du heute schon vorhast?“ „Ich bin schon verabredet.“ „Ah, na dann wünsche ich dir viel Spaß. Bis demnächst, hoffentlich.“ „Bye.“ Ich legte auf. „Und?“, wandte ich mich an Tsukasa. „Was soll ich sagen? Klingt normal, aber das heißt ja noch nichts. Ich bleib bei meiner Meinung, dass du ihn nicht mehr sehen solltest. Vergiss ihn und lass uns endlich gehen.“ „Okay.“, seufzte ich. Irgendwie fand ich, dass Tsukasa übertrieb. So schlimm war Karyu doch gar nicht. Irgendwie gefiel mir seine offene Art, auch wenn sie mich zu Beginn erschreckt hatte. Es ist eben immer angenehmer wenn man nicht selbst den ersten Schritt machen muss. Sei es eine Unterhaltung oder das Kennenlernen interessanter Personen. Aber ich hatte ja immer noch einen Grund ihn zu sehen: seine Brieftasche. Ob das eine Ausrede war? Vielleicht… Kapitel 5: ----------- Es war Samstag und Tsu-Chan beschloss mich wieder einmal mit seiner Anwesenheit zu strafen. Ich hatte ihm gerade die Tür vor der Nase zugeknallt, wohl wissend, dass er meine Klingel und meine Nerven traktieren würde. Eine ganze Minute hielt ich dem Sturmklingeln stand, doch dann verlor auch meine Wenigkeit die Geduld, also riss ich die Tür wieder auf und wollte ihm gerade ein paar gut ausgewählte Beschimpfungen an den Kopf werfen als ich die Luft anhielt noch bevor eines der Worte meinen Mund verlassen konnte. Denn mir starrte nicht Tsukasa entgegen. Es war Karyu. Schön geschminkt und gestylt. Aber zu klein. Und unbewegt. Tsukasa riss das Bild von ihm aus meinem Blickfeld. Erst da konnte ich erkennen, dass er eine Zeitschrift aufgeschlagen in den Händen hielt. Er spazierte an mir vorbei in meine Wohnung und setzte sich auf die Couch im Wohnzimmer. Ich folgte ihm und setzte mich neben ihn. Sofort drückte er mir die Zeitschrift in die Hand. Ich sah ihn nur fragend an. „Glotz nicht mich so doof an, sondern das Heft.“ Ich verkniff mir einen bissigen Kommentar und wandte meinen Blick dem Heft zu. Das auf dem Foto war eindeutig Karyu. Ich sah wieder zu Tsukasa, aber der starrte mich nur erwartungsvoll an. „Gut getroffen?“, fragte ich, nicht sicher, was er hören wollte. „Du Volldepp! Das ist doch total egal!“ „Und was ist nicht total egal?“ „Na, ob er das ist oder nicht! Ist doch logisch.“ Tsukasa hatte die Angewohnheit beim Sprechen immer wild zu gestikulieren und das tat er auch in dem Moment. „Wo hast du das her? Und woher willst du wissen wie er aussieht? Ich hab ihn dir nicht äußerlich beschrieben.“, überging ich seine Frage. „Meine Tante zwölften Grades –“ „Zwölften?!“ „Unterbrich mich nicht! Jedenfalls die –“ „Sowas gibt es?“ „Klappe, hab ich gesagt! Also“ Er machte eine Pause und wartete, dass ich ihn wieder unterbrach, aber als ich ruhig blieb erzählte er weiter. „Diese Tante arbeitet bei einer Modelagentur. Und als ich sie nach diesem Karyu gefragt habe hat sie mir diese Zeitschrift in die Hände gedrückt und die Seite aufgeschlagen. Und nun zu meiner ursprünglichen Frage: Ist er das?“ Ich nickte und sah mir noch einmal das Foto an. Ihn als fotogen zu bezeichnen wäre untertrieben. Mir musste wohl irgendwie entgangen sein, dass er SO toll aussah… „Gibt es sonst noch einen Grund, warum du hier bist? Oder wolltest du bloß wissen, wie er aussieht?“ Ich blätterte ein wenig in der Zeitschrift rum. Es waren einige wirklich schöne Bilder darunter, aber das von Karyu gefiel mir am besten, was vielleicht auch daher rühren mochte, dass ich ihn kannte. „Wollte nur sichergehen. Aber wo ich schon mal da bin, kann ich dich doch auch ein wenig ärgern.“ Ich konnte hören, dass er grinste, aber ich besah mir weiterhin Tsukasas Mitbringsel. Doch Tsu gefiel der Mangel an Aufmerksamkeit wahrscheinlich nicht sonderlich, denn er riss mir das Heft aus der Hand. Ich blinzelte ihn fragend und überrascht an. „Hey, ich bin dein Gast, du musst dich ganz mir widmen.“ „Du bist kein Gast, du bist ein Parasit.“ „Wa-?! Du kleines, freches Ungeheuer.“ Und er piekste mir in die Seite, aber ich rührte mich nicht. Stattdessen sagte ich: „Wenn du das nicht dauernd machen würdest wäre es vielleicht noch effektiv.“ Er seufzte theatralisch. „Wo sind nur die guten alten Zeiten hin in denen du noch vor Schreck aufquiektest wie ein Meerschweinchen.“ Ich blies meine Wangen auf und sah ihn beleidigt an. „Ich hab nicht wie ein Meerschweinchen gequiekt!“ Tsukasa winkte ab. „Natürlich nicht, und jetzt komm mit.“ „Wohin?“ „Ich hab Bock auf Kuchen.“ Nachdem Tsukasa sich von mir verabschiedet hatte („WAS?! Das hast du alles allein verdrückt? Verschwinde bloß so lange ich meine Selbstbeherrschung noch habe!“)beschloss ich den Abend mit einem Film ausklingenzulassen und ging in die Videothek. Während ich auf der Suche nach einem schönen Horrorfilm durch die Reihen schlenderte fühlte ich mich aber irgendwie verfolgt. Um mir selbst zu beweisen, dass meine Wahrnehmung nur durch meine Vorliebe für Horrorstreifen etwas gestört war, drehte ich mich um. Zu meinem Erstaunen stand da aber jemand und starrte mich böse an. Ich hatte diese Person noch nie zuvor gesehen und ich war mir sicher ich würde so jemanden nicht vergessen, sah nämlich auch ohne bösen Blick gruselig aus, was wahrscheinlich am ehesten an der Frisur lag… Die Gruselgestalt kam auf mich zu und blieb genau vor mir stehen. Uns trennten bloß wenige Zentimeter, was meiner Meinung nach eindeutig zu wenig Abstand darstellte. Dann hob Unbekannt eine Hand und rammte mir den Zeigefinger in die Brust. „Okay du miese kleine Pestbeule, hör zu! Sollte ich dich jemals wieder in seiner Nähe sehen werde ich dir eigenhändig jeden Knochen im Leib brechen und dich danach in mundgerechte Stücke schneiden und genüsslich vorm Fernseher verspeisen. Ich war vor dir da, also vergiss es und verschwinde besser!“, sprach’s ohne Luft zu holen, drehte sich um und stapfte davon. Man war ich froh, dass Wer-auch-immer keine feuchte Aussprache hatte. Und verdammt noch mal, der Kerl war bloß um ein Haar größer als ich! Selber Zwerg. Aber Zeit gelassen zum Widersprechen, beziehungsweise generell eine Reaktion zu zeigen hatte Zwerg zwei mir nicht gelassen! Natürlich wurde Tsukasa am folgenden Tag angerufen um von den vorangegangenen Ereignissen zu berichten. „Na, Hizu, hast wohl mal wieder den Klang meiner melodiösen Stimme vermisst?“ Melo-was? Aber weil ich mich nicht lange mit ihm über seine melodramatische(?) Stimme streiten wollte ging ich nicht weiter auf ich ein und kam lieber (fast) gleich zur Sache: „Sag mal, gibt es da jemanden in deiner näheren Umgebung der scharf auf dich ist, so unwahrscheinlich und unverständlich es auch sein mag?“ „Häh? Du weist aber, dass ich in festen Händen befinde? Ähneln zwar mehr einem Würgegriff, aber das behältst du besser für dich.“ „Dann meinte der Spinner bestimmt Karyu.“ „Spinner?“ Und ich erzählte ihm von meiner Begegnung der dritten Art. Als ich geendet hatte, meinte er nur: „Ein Grund mehr sich von Karyu fernzuhalten.“ „Hm…“ Kapitel 6: ----------- Das erste Mal, an das ich mich erinner konnte, war ich dankbar für meine flinken Finger. Der blöde Idiot aus der Videothek hieß Shimizu Michiya, sofern der Ausweis aus seinem Portemonnaie nicht gefälscht war. Er hätte mir eben nicht so nah kommen sollen, während er sich meine Antipathie verdiente. Auf dem Passfoto sah der aber auch nicht gerade freundlich aus. Ich steckte den Ausweis zurück und holte ein Foto hervor. Darauf war der Psycho mit Karyu zu sehen. Allerdings ohne die Rastas und mit einem leichten Lächeln im totenbleichen Gesicht, welches dadurch gleich viel lebendiger wirkte. Karyu sollte ihm mal sagen, dass nur Reggae-Typen Rastas haben sollten. Dadurch bekam der Idiot ein Mondgesicht. Ich zog noch einige Fotos hervor. Auf allen war Karyu abgebildet. Ich war so vertieft darin das Portemonnaie zu durchstöbern, dass ich die Fotos vor Schreck in die Luft schmiss als plötzlich das Telefon klingelte. Ein Glück, dass keiner anwesend war, der das hätte sehen können… „Moshi-moshi?“ „Konban-wa, Aschenputtel!“ „Hizumi!“ „Okay, Hizumi. Wann stehst du normalerweise Sonntagmorgens auf?“ War der irre? „Dir ist sicher bewusst, dass das sehr nach Stalker klang?“ „….jetzt wo du’s sagst. Das wollte ich nicht, gomen. Vielmehr wollte ich dich morgen zum Frühstück einladen. Wenn du Lust hast.“ „Gern.“ Hatte ich gerade wirklich, ohne darüber nachzudenken, einfach zugesagt? Und auch noch „gern“?! „Bestens, wann darf ich dich abholen?“ „Gar nicht. Aber du darfst mir verraten wo und wann ich dich morgen finden kann.“ „Spielverderber. Wie wär’s mit 11 Uhr?“ 11Uhr? Das nennt der Frühstück? „Bis dahin bin ich verhungert.“, antwortete ich also. „Bitte sag nicht, dass du zu den Frühaufstehern gehörst!“ „Ich gehöre aber zu den Frühaufstehern.“, sagte ich zuckersüß und grinste dabei. „Und 10? Früher würde ich in meiner Tasse Kaffee wieder einschlafen. Und bis du aufgehört hast zu lachen bin ich darin ertrunken. Ich würde mir wünschen entweder spektakulärer der sehr alt zu sterben.“ Ich konnte mir ein Lachen, bei der Vorstellung des von ihm in meinem Kopf kreierten Bildes, nicht verkneifen. „Siehst du? Du lachst jetzt schon. Dann kann ich morgen keine Hilfe von dir erwarten, falls das passieren sollte. Was ist denn nun mit 10 Uhr?“ „Na gut, mit 10 kann ich leben. Und wo?“ Er nannte mir ein Café und ich beschloss, ihn auf das Mondgesicht anzusprechen und mehr darauf zu achten, ob er wirklich so toll wie auf den Bildern aussah. So stand ich dann am Sonntag pünktlich um 10 Uhr vor dem Café. Es war kalt. Verdammt kalt. Und es sah verflucht nach Regen aus. Während ich gen Himmel sah und innerlich fluchte, weil ich zu blöd war, an einen Regenschirm zu denken, verdunkelte sich mein Sichtfeld auf einmal. Jemand hielt mir von hinten die Augen zu. „Isst du deine Brötchen mit Besteck?“, fragte ich. Ich konnte mir gut den verdutzten Blick meines Hintermannes vorstellen. „Nein, wieso?“, fragte Karyu seinerseits. „Dann stehst du wohl auf den Geschmack von schwarzem Lidschatten an deinem Brötchen.“ Karyu nahm sofort seine Finger weg und ich drehte mich zu ihm um. Er besah sich das Ergebnis seiner Aktion. „Tja, dann muss ich mir eben die Hände waschen.“, meinte er nur. „Hast du mir den Lidschatten verschmiert?“, fragte ich ihn und sah zu ihm auf. Er kam dicht an mein Gesicht und betrachtete prüfend meine Augen. Dann küsste er mich blitzschnell auf die Stirn. „Nein, alles okay. Und im übrigen esse ich lieber Croissants.“, sagte er grinsend. Ich blinzelte ein paar Mal verwirrt. Er griff sich meine Hand - wohlgemerkt nicht meinen Arm oder zumindest das Handgelenk, nein, meine Hand – und zog mich hinter sich in das Café. Wir setzten uns an einen Tisch am Fenster, und als er seine Jacke abgelegt hatte, drehte er sich, mit der Begründung sich die Hände waschen zu müssen, um und wollte gerade gehen. Doch er blieb stehen, drehte sich wieder zu mir und sagte, ich solle wohl lieber mitkommen, weil er doch meine Hand gehalten habe. Das leuchtete ein und ich beschloss ihm zu folgen. Gerade als ich aufstand fiel mir wieder ein, was ich mir am Vorabend vorgenommen hatte. Ich sah mir also Karyu mal genauer an. Allerdings konnte ich momentan nur seine Rückseite sehen, da er vor mir ging. Nach einigen Sekunden ertappte ich mich aber merkwürdigerweise dabei trotzdem hingesehen zu haben. Wohin genau möchte ich lieber nicht weiter ausführen. Als wir wieder an unserem Tisch saßen nahm ich ihn etwas mehr in Augenschein, als ich es bisher immer getan hatte. Er war ungeschminkt und nicht aufwendig gestylt, wie auf dem Foto das ich gesehen hatte. Dennoch sah er nicht weniger gut aus. Kurz darauf kam eine Kellnerin und nahm unsere Bestellung auf. „Sag mal, kennst du einen Unterweltler mit Rastas?“, fragte ich ihn - obwohl ich das schon wusste - worauf er mich überrascht ansah. „Zwei Fragen. Erstens: Wenn ich denke, dass ich weiß, wen du meinst, woher kennst du ihn dann? Und zweitens: Warum „Unterweltler“?“ „Weil der bösartig ist. Der hasst mich. Aus heiterem Himmel. Und ER kennt MICH und ich habe nicht die leiseste Ahnung woher.“ „Wie kommst du darauf, dass er dich hasst?“ „Ist mir gefolgt“, war zwar nur eine Vermutung, unterstrich aber die Dramatik und betonte die Bosheit des Freaks „ und hat mir gedroht. Hat was gelabert von wegen er sei zuerst dagewesen.“ „Wo gewesen?“ „Na da! Bei dir.“ Und da kam mir eine Idee. „Ist das dein Freund?“ „Hai, du meinst bestimmt Zero.“ „Noch so ’n Künstlername?“ Er nickte. „Der sieht nicht aus wie ein Model.“ Karyu schüttelte den Kopf. „Ist er auch nicht. Als ich anfing und mir den Künstlernamen zulegte, hat er sich aus Spaß auch einen ausgedacht.“ „Was für eine schöne Geschichte.“, sagte ich betont gekünstelt und sah ihn dabei übertrieben gerührt an. Und dann: „Warum behauptest du auf mich zu stehen, wenn du einen Freund hast?“ Ich hob eine Augenbraue. Er sah mich eine Weile fragend an. Dann machte es sichtlich „Klick“ in seinem Kopf. „Nein, nein, Zero ist EIN mein Freund.“ Ein mein? „Momentan pflege ich nur Beziehungen auf platonischer Basis.“ Er lächelte mich lieb an. Deutlicher wäre die unterschwellige Botschaft nur, wenn er sich „Ich bin Single, aber ich will, dass du das änderst“ auf die Stirn geschrieben hätte. Die Kellnerin brachte uns das Gewünschte. „Hach! Endlich!“ Karyu schnappte sich sofort seinen Becher und der Geruch von Kaffee wehte zu mir herüber. Während er sehnsüchtig einen Schluck von dem Gesöff nahm, schloss er die Augen genießerisch. Ich beobachtete ihn dabei. Als er die Tasse wieder absetzte, fragte ich: „Wie kannst du diese bittere Suppe nur trinken?“ Er sah mich fragend an. „Du magst keinen Kaffee?“ Ich schüttelte den Kopf. Und dann fing er aus irgendeinem unersichtlichen Grund an zu grinsen. „Lass mich raten: Du stehst auf Kakao. Hab ich Recht?“ „Was dagegen?“ „Uuuuund du magst Gummibärchen.“ „Hai.“ „Smarties. M&Ms. Süßigkeiten allgemein. Du bist eine Naschkatze.“ „Deine Behauptung kein Stalker zu sein, gerät ins Schwanken, mein Lieber.“ Er grinste weiter. „Jetzt fehlt nur noch, dass du Zeichentrickfilme magst.“ „Weshalb?“ „Du bist süß.“ Ich war gruselig, nicht süß, verdammt! Das sagte ich ihm auch prompt. „Klappe. Ich bin ganz sicher nicht süß.“ „Wie du meinst.“ Er zuckte mit den Schultern und nahm noch einen Schluck von seinem Heißgetränk. Ich wollte mich gerade weiter-„verteidigen“, als ich ein Geräusch hörte. Ich sah aus dem Fenster. Na toll! Das hab ich gebraucht! Regen. „Alles deine Schuld.“, sagte ich zu Karyu. „Woran hab ich Schuld? Was hab ich denn gemacht? Es war bestimmt keine Absicht.“ Niedlich, dass er tatsächlich darauf ansprang. Ich nahm meinen Becher heiße Schokolade und nahm, seinen fragenden Blick ignorierend, einen Schluck, verbrannte mir die Zunge an der glühenden Lava und fluchte innerlich. Bloß nicht das Gesicht verziehen! Ich stellte den Becher wieder ab, entschied, dass ich ihn genug leiden gelassen habe – mal davon abgesehen, dass, ihn zappeln lassen, mir nicht sonderlich gut tat – und es aufzulösen. „Wegen dir bin überhaupt hier und muss deswegen gleich durch den Regen nach Hause laufen.“ Sein fragender Blick wandelte sich zu einem zufriedenen Grinsen. „Du bist nur wegen mir hier. Na das muss ich mir auf der Zunge zergehen lassen.“ Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden, aber ich wusste, dass ich nicht rot werden würde. Zu dieser Sorte Mensch gehörte ich zum Glück nicht. Deshalb sah ich ihn nur gelangweilt an. „Ich bin mit dem Auto hier. Es wäre mir ein Vergnügen, Aschenputtel in seiner Kürbiskutsche zu chauffieren.“ Ich winkte ab. „Lass mal.“ Nachdem wir uns noch eine Weile unterhalten und gefrühstückt hatten, beschloss ich, dass es Zeit wurde zu gehen. Karyu bezahlte und mich plagte wieder mal mein schlechtes Gewissen. Wir zogen unsere Jacken, die bis dahin über unseren Stuhllehnen gehangen hatten, an. Und ohne länger darüber nachzudenken sagte ich: „Ich hab Fotos von dir in einer Zeitschrift gesehen.“ Noch während ich dies aussprach, stellte ich mir selbst die Frage, was ich damit bezwecken wollte, und wie er darauf reagieren würde. Denn ich stellte ihm ja keine Frage oder etwas Ähnliches. Er sah mich an, sagte aber nichts. Gerade als ich ansetzten wollte, etwas anderes zu sagen, weil ich nicht mehr mit einer Reaktion seinerseits rechnete, fragte er: „Gefällt’s dir?“ Ich nickte nur, denn ihm zu sagen, dass „gefallen“ nicht mal ansatzweise meine Begeisterung darüber ausdrückte, fand ich dann doch zu peinlich. „Warum siehst du heute so normal aus?“, wollte ich wissen. „Als ich dich im Park gesehen habe warst du auch aufgebrezelt.“ „Da hab ich Pause gemacht. Findest du etwa, ich sehe schlecht aus, wenn ich natürlich bin?“ Er machte einen sehr niedlichen Schmollmund. Ich sagte nichts und sah auffällig ertappt aus dem Fenster. Als er theatralisch seufzte sah ich wieder zu ihm. „Tja,“, begann er „dann musst du wohl mit mir ausgehen. Und ich meine ein richtiges Date. Mit hübsch-machen, schick essen gehen, vielleicht noch ein Spaziergang, dann nach Hause bringen und natürlich mit einem Abschiedskuss.“ Und er sah mich tatsächlich erwartungsvoll an. „Ööööööde. Ich mach dir einen besseren Vorschlag.“ Wie bitte?! Wenn das menschliche Gehirn so ein brillanter Supercomputer sein sollte, warum war dann immer das blöde Mundwerk schneller? Trotzdem musste ich jetzt weiterreden, sonst würde es komisch wirken (Warum interessierte es mich, wie er über mich denken könnte?). „Wie wäre es mit einem Date, bei dem man sich nicht alt fühlt?“ „Mit Schmetterlingen im Bauch fühlt man sich nicht alt.“ „Ich finde ja schon Froschschenkel und Schnecken ekelhaft, aber wenn du unter „schick essen gehen“ Schmetterlinge essen meinst, fürchte ich, dass das Date ein schnelles Ende findet.“ Innerlich donnerte ich meinen Kopf immer und immer wieder gegen die nächstbeste Wand. Der Witz – wenn man es denn noch so nennen durfte – war so flach, darüber konnte man nicht einmal betrunken lachen. Aber er lachte. Zwar nicht lang, aber ehrlich. Und ohne es zu merken, bekam er dafür noch einen Sympathiepunkt von mir. Einen großen. Schon seltsam, dass ein ehrliches Lachen so angenehm sein konnte. „Wie stellst du dir denn ein ideales Date vor?“, fragte er dann an mich gewandt. „Kommt drauf an. Nach einem Kinobesuch dürfen Fritten oder Pizza nicht fehlen. Wenn man aber auf dem Jahrmarkt ist, geht nichts ohne Zuckerwatte. Nach dem Schlittschuhlaufen wiederrum wäre ein heißes Getränk herrlich. Und natürlich werde ich, egal in welchem Szenario, eingeladen.“ „Selbstverständlich. Hmm. Auf dem Eis bin ich verloren und du scheinst mir der Typ zu sein, der am liebsten mit den halsbrecherischsten Achterbahnen fährt, bei denen mir schlecht wird. Bleibt also nur noch Kino. Welchen Film willst du denn sehen?“ „Keine Liebesschnulze. Ansonsten ist es egal. Obwohl, gegen einen schönen Horrorfilm wäre nichts einzuwenden.“ „Du machst es mir nicht gerade leicht. “Schöner“ Horrorfilm…“ Karyu schüttelte leicht den Kopf. „Hast du auch was gegen Bowling?“, fragte ich. Er schien zu überlegen. Doch dann sagte er, Bowling ginge in Ordnung. „Aber ich warne dich, ich bin gut.“, grinste ich ihn an. „Umso besser.“, erwiderte er „Dann hast du gute Laune und ich hab vielleicht auch was davon.“ Karyu nahm meine Hand und führte sie bis fast an seine Lippen, hielt jedoch kurz davor inne und ließ sie wieder sinken. Auf meine ungestellte Frage hin antwortete er: „Ich habe dir heute schon einen stibitzt, ich will doch nicht, dass du mich für aufdringlich hältst. Also, wenn ich dich nicht doch mitnehmen soll, verabschiede ich mich jetzt von dir.“ Er sah mich noch einmal fragend an, aber ich schüttelte den Kopf. Er drückte meine Hand und ließ sie dann endgültig los, trat aus der Tür hinaus und hastete durch den Regen um die Ecke, wo offenbar sein Auto stand. Auch ich machte mich auf den Weg, und während ich durch den Regen lief und meinen Kragen aufstellte, wünschte ich mir, neben Karyu im Auto zu sitzen und gemütlich nach Hause kutschiert zu werden. Kapitel 7: ----------- Karyu hatte mich in der folgenden Woche angerufen und wir hatten Tag und Zeit des Dates festgelegt. Nun stand ich vor dem Bowlingcenter und wartete auf ihn. Er ließ auch nicht lange auf sich warten, was ich ihm positiv anrechnete, da es alles andere als warm war. Er sah umwerfend aus, und alle Anwesenden drehten sich nach ihm um. Er kam auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. „Hi Hizu.“ …..er hatte sicher nur das „mi“ verschluckt, es war sicher nicht seine Absicht mich mit Spitznamen anzureden. Dafür kannte er mich noch nicht lang genug. Und weil es ja nicht seine Absicht war mich mit Namenskürzel anzureden ließ ich es ihm durchgehen. (Wehe er machte das noch mal!) „Und? Gefalle ich dir jetzt besser?“, fragte er mich. Ich zuckte nur mit den Schultern und fragte ihn, ob wir nicht reingehen wollten. Er zog einen Schmollmund. „Da holt man mal was aus sich raus und keiner weiß das zu würdigen.“ „Oooohh. Armes Tüff.“ Ich sah ihn mitleidig an. „Aber da ich so ein netter Mensch bin nehme ich es dir nicht übel und sage dir, dass du klasse aussiehst.“ „Dann mach.“, forderte ich ihn auf. „Du siehst fantastisch aus.“, sagte er also. Gut so. Ich hatte den ganzen Tag damit verbracht mir ein Outfit zu erstellen. Das war insofern schwierig, da ich es zur Abwechslung mal allein gemacht hatte, immer mit der – gut ignorierten - Frage im Hinterkopf, warum ich mir wegen Karyu so eine Mühe machte. Normalerweise half mir Tsukasa, der wusste aber noch nicht einmal etwas von dem Date. Da mir also seine Zustimmung fehlte war ich recht unsicher gewesen, was mein Auftreten anbelangte. Während des Spiels dachte ich zuerst, Karyu würde mich absichtlich gewinnen lassen. Er spielte schrecklich, auch wenn er dabei gut aussah. Nach einer Weile aber fand ich, dass er mich nicht SO hoch gewinnen lassen würde. Außerdem hatte er keinen Spaß mehr. Er versuchte zwar, es sich nicht anmerken zu lassen – wahrscheinlich, weil ich mich sichtlich vergnügte – aber ich konnte es ihm trotzdem ansehen. Und da er mich schließlich eingeladen hatte, wollte ich mal nett zu ihm sein. Also setzte ich mich neben ihn, stupste ihn mit meiner Schulter an und sagte, ich hätte mich genug amüsiert und wir könnten gehen. Er war sichtlich erleichtert. Gegenüber des Bowlingcenters war eine Cocktailbar. Karyu nickte mit dem Kopf in die Richtung und sah mich fragend an. „Ich lad dich ein.“ Ich hatte blendende Laune und es war immer noch saukalt draußen, außerdem wurde ich ja eingeladen. Ich sah also keinen Grund sein Angebot auszuschlagen und nickte ihm lächelnd zu. Und weil ich ja so guter Stimmung war, dachte ich, ich könnte ihm ja ein wenig entgegenkommen, sonst könnte er irgendwann denken, seine Bemühungen wären umsonst. Also nahm ich seine Hand. Er sah mich erst überrascht an, lächelte mich dann aber an und – anscheinend reichte ihm das noch nicht – verschränkte unsere Finger miteinander. Drinnen setzten wir uns erst mal und legten unsere Jacken ab. „Was willst du?“, fragte Karyu. Ich überlegt kurz und zuckte schließlich mit den Schultern. „Das hörst du sicher nicht gern, aber es ist mir egal.“ „Okay, aber dann beschwer dich nicht wenn’s dir nicht schmeckt.“ Er stand auf und kam kurz darauf mit zwei Flaschen Smirnoff wieder. Eine hielt er mir hin und ich nahm sie dankend entgegen. „Ich hoffe Smirnoff ist genehm.“ Zur Antwort nickte ich nur. „Und worauf stoßen wir an?“, fragte er. „Auf deine gewaltige Niederlage und somit meinen enormen Sieg.“, grinste ich. Zugegeben, ein bisschen gemein war das vielleicht, aber er würde es schon verkraften. Er zog einen Schmollmund, stieß aber trotzdem mit mir an. Es verging eine ganze Weile und ich merkte inzwischen, dass ich wohl doch etwas zu viel Alkohol konsumiert hatte. Aber jedem anderen wäre das auch passiert! Ich meine, Karyu sah gut aus – na gut, er sah echt heiß aus – er war nett, lustig und spendabel. Außerdem war es herrlich kuschelig-warm und ein Blick nach draußen ließ es drinnen noch bequemer werden. Vielleicht war mir auch warm, weil ich an Karyu gelehnt war und er einen Arm um mich gelegt hatte (wann war das passiert?). „Wollen wir langsam gehen? Es ist schon spät.“ Ich gab nur ein undefinierbares „Hmmm.“ von mir. Karyu wartete noch etwas ab, ob ich nicht doch noch gewillt war, ihm eine klare Antwort zu geben. Da jedoch keine weitere Reaktion meinerseits kam, fragte er noch mal nach. „War das jetzt ein ‚Ja‘ oder ein ‚Nein‘?“ „Draußen ist es so kalt.“ „Du kriegst meine Jacke.“ Ich sah zu ihm auf. Und er sah aus, als ob er das ernst gemeint hatte. Er besaß höchstwahrscheinlich keine Fettreserven und bot mir seinen einzigen Schutz vor der Kälte an. Der würde doch schon nach 100 Metern erfrieren. „Bist du bescheuert? Lass uns gehen.“ Okay, das Aufstehen war ganz eindeutig ein Fehler gewesen, denn schon begann meine Umgebung sich zu drehen. Ich hielt mich am Tisch fest, um nicht zu auffällig zu schwanken. Dennoch bemerkte Karyu meinen Mangel an Gleichgewichtssinn. „Ist alles in Ordnung?“ „Sicher.“ Karyu half mir in meine Jacke, bezahlte und wir gingen vor die Tür. Die Luft war beißend kalt, aber wenigstens machte sie mich wieder ein bisschen klarer im Kopf. „Also, in welche Richtung müssen wir?“, fragte Karyu. Ich sah ihn fragend an. „Wir?“ „Aber ja, ich lasse dich betrunken nicht allein nach Hause gehen.“ „Ich will aber nicht, dass du weißt, wo ich wohne.“ „Na gut, dann komm mit.“ Er nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. „Wohin gehen wir?“ „Zu mir.“ „Vielleicht will ich aber nicht mit dir allein sein.“ „Dann lade ich eben Zero ein.“ Er grinste. „Nee, lass mal.“ So ein Fiesling. Langsam aber sicher wurde mir kalt. „Warum bist du nicht mit dem Auto hier?“, quengelte ich. „Na hör mal, ich bin doch nicht lebensmüde. Ich fahre nicht, wenn ich getrunken habe.“ Die Cocktailbar war also von vornherein eingeplant gewesen. „Und selbst wenn, müsste ich fürchten, du würdest dich nicht dieser Gefahr aussetzen und mitfahren wollen. Dann schon lieber zu Fuß.“ „Zu Fuß?! Können wir nicht Bus fahren? Oder U-Bahn?“ „Keine Panik, so weit ist es nun auch wieder nicht.“ „Darum geht es ja auch gar nicht.“ „So? Und worum geht es dann?“ „…“ Wenn ich ihm sagen würde, dass mir kalt ist, würde er mir nur wieder seine Jacke anbieten. Und das Gespräch hatten wir schon geführt. Also sagte ich lieber gar nichts. „Ich warte.“ „Viel Spaß.“ „Okay, dann rate ich eben. Du hast Angst vor der Dunkelheit. Weil du den „Fluch von Darkness Falls“ gesehen hast und jetzt glaubst die Zahnfee würde dich holen.“ Ich zog die Augenbrauen hoch. „Gut, das ist es anscheinend nicht. Wie wär’s damit? Du bist Zwangsneurotiker und kannst im Dunkeln nicht sehen, ob du auf die Zwischenräume der Pflastersteine trittst.“ „Sicher.“ Schön auffällig mit den Augen rollen, sodass der sarkastische Unterton visualisiert wird. „Dann ist dir also einfach nur kalt?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ein wenig.“ „Ist ja langweilig.“ „Oh, ja! Furchtbar langweilig. Was wäre das Leben lustig, wenn ich mich im Dunkeln fürchten und Zwischenräumen nicht ertragen würde.“ Ich merkte, dass ich zu laut war, aber leiser werden kam überhaupt nicht in Frage. Das käme einer Niederlage gleich. „Das war doch bloß ein Witz. Du weißt schon: Haha. Und so.“ „Weiß ich doch.“ „Merkt man nicht.“ „Nur du.“ „Sieh mich an.“ Ich tat wie geheißen, wusste aber dennoch nicht, was er damit bezwecken wollte. „Wenn du mich gegen einen Laternenpfahl lenken willst, musst du auch mit den Konsequenzen leben.“ „Tut sich nichts?“ Ich dachte noch einmal scharf nach (Was nicht so leicht war, da meine Gedanken merkwürdig lose in meinem Kopf herumflogen.), kam jedoch noch immer zu keinem sinnvollen Ergebnis. So blieb mir also nicht anderes Übrig, als den Kopf zu schütteln. Daraufhin seufzte Karyu theatralisch. Ich legte den Kopf schief, um ihm mein Unwissen mitzuteilen. „Da putzt man sich schon groß raus, und dir wird nicht mal ein bisschen wärmer bei meinem Anblick.“ „Idiot“, grinste ich. „Ich liebe dich auch.“ „Jeder hört nur was er hören will, was?“ „Klar. Was hörst du?“ „Dass wir da sind.“ „Glück gehabt, wir sind da.“ War mir gar nicht aufgefallen. Was kein Wunder war, bei meiner momentanen Verfassung. Er machte die Tür auf und wir fuhren mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock. Dort führte er mich zu einer Haustür, schloss auf und trat ein. Mich doch etwas unwohl fühlend, folgte ich ihm. Nachdem wir uns unserer Schuhe und Jacken entledigt hatten folgte ich meinem Gastgeber in einen der Räume. Da sich unter anderem ein Sofa und ein Fernseher darin befanden, schloss ich, dass er mich ins Wohnzimmer geführt hatte. Er deutete mit einer Hand auf das Sofa. „Setz dich.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, denn mir schwirrte immer noch der Kopf. „Willst du etwas essen oder trinken?“ „Hast du Cola?“ „Klar.“ Und er verschwand in die Küche. Und dann machte er etwas Seltsames. Noch in der Küche sagte er auf einmal „Na, mein Kleiner.“. War da etwa noch jemand bei ihm? Er bekam jedenfalls keine Antwort. Und plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Er hört Stimmen oder hat einen unsichtbaren Freund. Und bei so jemandem war ich gerade betrunken und allein in der Wohnung. Ich wollte gerade leise aufstehen und die Wohnung wieder verlassen, als Karyu schon wieder mit einem Glas Cola in der Hand aus der Küche kam. Musste ich eben sitzen bleiben und auf eine neue Gelegenheit warten. „Stimmt was nicht?“ Mist, er hatte meine Nervosität bemerkt! Moment. Hatte sich da etwas hinter Karyu bewegt? Da, da war es wieder! „Es“ stellte sich als eine schwarze Katze heraus. Als Karyu meinem Blick folgte und sah, was ich da anstarrte, sagte er: „Oh, entschuldige. Ich hätte dich wohl besser vorher fragen sollen, ob du gegen Katzen allergisch bist. Und, bist du’s?“ Ich schüttelte den Kopf kurz. Schwerer Fehler. Jedenfalls verlor mein – eigentlich ganz attraktiver – Gegenüber die Gruselaura, die ihn kurz umgeben hatte. Er ließ sich neben mir auf dem Sofa nieder und sofort sprang ihm die Katze leichtfüßig auf den Schoß. „Das ist übrigens Ryuutaro.“ Also ein Kater. Karyu erzählte zwar noch irgendetwas, aber ich hörte gar nicht mehr zu, denn mir war plötzlich aufgefallen, was für schöne Lippen er hatte. Und wie toll es aussah, wenn sie sich bewegten. „Ich mag, wie sich deine Lippen bewegen.“ Hatte ich das jetzt laut gesagt? Macht ja nichts. Doch, eigentlich schon, denn er hatte aufgehört zu reden. Schade. Aber so könnte ich ihn küssen. Ja genau, warum eigentlich nicht? Mir stand gerade der Sinn nach einem Kuss. Und Karyu war ja auch wirklich eine Augenweide. Und schließlich, was ist schon dabei? Ist doch bloß ein Kuss, nicht weltbewegendes also. Ich legte meine Hand auf seine Wange und beugte mich zu ihm vor. Ich schloss die Augen und konnte schon beinahe seine Lippen auf meinen fühlen…als da plötzlich etwas anderes war. Ich öffnete überrascht die Augen wieder. Es war sein Zeigefinger. Und er grinste. Was war denn bitte so lustig? Er behauptete doch die ganze Zeit in mich verliebt zu sein. Warum zum Teufel hielt er mich dann auf? „Ganz einfach.“, sagte eine kleine Stimme in meinem Kopf – vermutlich das letzte bisschen nicht weggesoffener Vernunft – „Er hat dich die ganze Zeit verarscht.“ Heuchler. Karyu nahm den Finger wieder weg, grinste aber weiter. „Ich glaube, ich zeige dir jetzt lieber wo du schläfst.“ Er setzte den Kater auf dem Boden ab, stand auf und wartete darauf, dass ich es ihm gleichtat. „Was willst du eigentlich?“ Er sah mich fragend an und setzte zu einer Frage an. „Wie…“ „Erst behauptest du, du wärst scharf auf mich und nun lässt du mich blöd dastehen. Wenn du mich nicht küssen willst, was willst du dann?“ Langsam wurde ich richtig sauer. „Nein, so war das nicht…“ Aber ich ließ ihn wieder nicht ausreden. „Wenn du was zum Vögeln brauchst, dann besorg dir ‘ne Nutte, oder meinetwegen auch ‘nen Stricher. Mich kannst du dabei gleich vergessen.“ Ich holte kurz Luft, um eine weitere, diesmal weitaus größere Schimpftirade loszuwerden, als Karyu mir die Hand auf den Mund legte. Kurz war ich versucht einfach reinzubeißen. „Jetzt beruhige dich erst einmal und hör mir zu, ja?“ Ich sah ihn so böse an, wie ich konnte. „Ich möchte dich gerne küssen.“ Ich schnaubte verächtlich. „Aber nicht unter diesen Umständen.“ Bitte?! Was denn für verdammte Umstände? Sie waren perfekt! „Du kannst in meinem Zimmer schlafen, ich schlafe im Wohnzimmer. Komm mit.“ Er nahm die Hand von meinem Mund und nahm stattdessen meine Hand. Diese entriss ich seinem Griff aber sofort wieder. Ich stand auf und folgte ihm in sein Schlafzimmer. Er sagte mir noch kurz wo das Bad war und ging dann zur Tür, wo er kurz stehen blieb und sich zu mir umdrehte. Ich dagegen drehte ihm den Rücken zu. „Wenn du was brauchst, du weißt ja wo ich bin…Gute Nacht.“ „…“ Als Karyu endlich die Tür schloss, schmiss ich mich in voller Montur aufs Bett und köchelte noch ein bisschen vor mich hin. Zwar war ich mir sicher, noch eine halbe Ewigkeit wach zu liegen, aber egal wie sauer ich gewesen war, es hinderte mich nicht daran, beinahe sofort ins Land der Träume zu entgleiten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)