Find your light again von abgemeldet (Folge deinen Träumen, es gibt nichts was du nicht tun kannst!) ================================================================================ Kapitel 16: Alcatraz -------------------- Marron hatte nicht mehr darauf gewartet, dass Chiaki aufwachte. Sie war plötzlich ein wenig befangen gewesen, die Heiterkeit und Sorglosigkeit waren von ihr abgefallen. Um der Peinlichkeit eines themenlosen Gesprächs aus dem Weg zu gehen, hatte sie die Flucht ergriffen. Aber nicht ohne einen Zettel zu hinterlassen und sich für den netten Abend zu bedanken. So viel musste sein. Marron hatte zunächst nicht gewusst, wohin sie gehen sollte. Es wäre ziemlich dämlich gewesen jetzt schon im eigenen Apartment aufzutauchen. Sie wollte Miyako noch ein wenig Zeit lassen, also schlenderte sie ein wenig durch den Park. Automatisch steuerte sie die Volieren an, entschied sich kurze Zeit später jedoch anders. Es war zwar schon wärmer geworden, aber die Vögel waren noch in den Innengehegen und diese mit Sicherheit abgeschlossen. Die Sonne durchbrach die morgendlichen seichten Wolken und ließen den Tau trocknen. Obwohl es kaum mehr als sechs Grad waren, war die Sonne so warm, dass Marron ihren Schal lockerte. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und gedankenverloren schritt sie weiter. Es war schön den Park für sich zuhaben, die Ruhe und die Natur zu spüren. Es war befreiend und Marron wusste nicht, wann sie sich das letzte Mal so gefühlt hatte. Kurze Zeit später nahm sie einen eigentümlichen Geruch war und folgte diesem sofort. Sie war seitdem sie hier war noch nicht ein einziges Mal bei den Ställen des Internats gewesen und bereute es sofort. Natürlich ließ sich kaum eine Schülerin nehmen, Reitunterricht zu haben. Vor allen Dingen nicht, wenn Herr Shikaido den Unterricht gab. Marron konnte die Mädchen auf eine Art verstehen, auch wenn sie nicht annähernd solche Gefühle für ihren Sensei hatte. Doch er hatte einen Charme, der einem die Angst und Unsicherheit nahm und Geborgenheit ausstrahlte. Marron hatte es selbst erlebt. Vollkommen entspannt lief sie den Weg zu den Weiden entlang. Der Pfad endete an riesigen Weiden, die sich etwa einen Kilometer bis zum Ende des Geländes erstreckten, und verlief dann nach links zu den Stallungen, der Reithalle und dem Springplatz. Marron war überrascht von den Ausmaßen der Anlage und bereute es erneut, noch nicht hier gewesen zu sein. Sie folgte dem Weg zu den Stallungen. Der Geruch der Tiere wurde zusehends stärker und Wärme erfüllte ihr Herz. Nichts konnte beruhigender sein, als die Anwesenheit von solchen prächtigen und sanften Wesen. Das grüne, riesige Holztor war noch verschlossen, aber nicht verriegelt und Marron schob es einen Spalt auf. Es war bereits Acht und nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand kam um zu Füttern. Deshalb sahen sie nun zwanzig neugierige, erwartende Augenpaare an und hier und da erlang ein leises Wiehern. Langsam ging Marron die lange, breite Stallgasse entlang und sah nach rechts und links in die Boxen. Die meisten Tiere waren von durchschnittlicher Größe, hier und da sah Marron ein Shetlandpony, doch keins der Tiere erweckte wirklich ihr Interesse. Sie mochte Pferde, keine Frage, aber das hier waren die typischen Schulpferde. Alle mitunter freundlich und meistens unterschieden sie sich kaum voneinander. Ihre Augen zeigten, dass sie gutmütig waren, doch die vielen Jahre unter den unterschiedlichsten Schülern hatten sie abstumpfen lassen. Sachte strich Marron über die Nase eine dunkelbraune Stute, die ihr vorsichtig über die Hand leckte. Dann, Marron hatte das Ende der Gasse erreichte, sah sie, dass man zwischen zwei Pferden eine Box frei gelassen hatte. Die letzte Box lag im Schatten und Marron nahm nur eine leichte Bewegung war, welche verriet, dass sich dort ein Pferd aufhielt. Doch es streckte nicht neugierig den Hals hinaus, um zu sehen wer da kam und auch sonst verhielt es sich sehr still. Neugierig aber vorsichtig näherte Marron sich dem Stall. Da sie nicht wusste, was sie erwartete, hielt sie sich ein wenig zurück. Was sie erblickte überraschte sie nicht besonders, zumindest nicht auf den ersten Blick. In einer Ecke des Stalles stand ein Fuchs, etwa 1.68 Stockmaß und sah sie aufmerksam an. Das glaubte sie zumindest, bis sie sah, dass sein Nüstern sich aufblähten und das Weiß in seinen Augen in der Dunkelheit leuchtete. Diese Tier hatte eindeutig Angst. Aber wieso? In dem Moment öffnete sich geräuschvoll das Tor und Herr Shikaido trat, mit einer Schülerin im Schlepptau, die ihm beim Füttern helfen würde. Jedes Wochenende striiten sich die Mädchen dieser Schule darum, wer am Wochenende dem Sensei bei der Verpflegung der Tiere helfen durfte. Heute war ein zierliches, dunkelhaariges Mädchen dran, dessen Wangen vor Aufregung nur so glühten. Als sie jedoch Marron entdeckte sah sie nicht so überrascht drein wie der Sensei, sonder eher wütend. „Marron! Was machst du denn hier?“ Sie lächelte den Sensei freundlich an. „Es hat mich irgendwie hier her gezogen.“ Der Blick des Mädchens sagte ihr, dass dieses ihr kein Wort glaubte. „Schön dich auch einmal hier zu sehen. Ich hatte schon gedacht, ich würde dich falsch einschätzen.“ Überrascht hob Marron die Augenbrauen. „Wie schätzen Sie mich den ein, Sensei?“ „Du bist jemand, der Tiere um sich haben muss. Das wusste ich schon, als ich dich bei den Volieren getroffen habe. Du warst auch öfters noch da, stimmt’s?“ Das Gesicht der Schülerin verfinsterte sich zunehmend. Ein wenig beschämt nickte Marron und blickte wieder zu dem Tier vor sich. Herr Shikaido folgte ihrem Blick. Er musste unwillkürlich lächeln. „Ich hätte mir denken können, dass Alcatraz dich interessiert.“ Marron runzelte die Stirn. Alcatraz! Der Name sagte ihr etwas. „Mir scheint, irgendetwas stimmt mit ihm nicht, Sensei.“ „Dein Gefühl trügt dich nicht, Marron. Er hat viel durchgemacht. Seitdem hat er Angst vor allem und jedem.“ In diesem Augenblick durchzuckte Marron es wie einen Blitz. Alcatraz war ein Polizeipferd, welches vor knapp einem Jahr in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden war. Marron hatte es damals in der Zeitung gelesen und war entsetzt gewesen, von den Vorfällen, die zu diesem Umstand geführt hatten. Alcatraz war noch jung für ein Polizeipferd, kaum aus der Ausbildung raus, etwa sechs Jahre alt. Er bewies sich durch seine Ruhe und Verlässlichkeit. Sein damaliger Reiter hatte immer nur gut von dem Tier gesprochen, es in den höchsten Tönen gelobt. Dann war es passiert. Es war nur eine Routinepatrouille gewesen, eine Streife von zwei Tieren und ihren Reitern. Sie waren durch einen Park von Tokio geritten, kontrollierten die Spielplätze und Weisen, ob dort Dealer oder Ähnliches herumlungerten. Nichts war anders gewesen; sie hatten es nicht kommen sehen. Gerade als sie eine Reihe von Müllcontainern passierten war es geschehen, eine Bombe detonierte. Das andere Pferd und der Polizist waren dem Container am nächsten gewesen und hatten es nicht überlebt. Alcatraz’ Reiter war schwer verletzt worden, einige Splitter hatten in tödlich getroffen und die Rettungskräfte hätten ihm vielleicht auch nicht mehr helfen können, doch sie waren nicht an den Polizisten ran gekommen. Kaum war der Reiter aus dem Sattel gefallen, da hatte sich das, ebenfalls verwundete, Tier über ihn gestellt und gegen jeden verteidigt, der ihm zu nahe kommen wollte. Erst ein Narkosepfeil hatte Alcatraz stoppen können. Der Polizist war tot gewesen, die Sanitäter waren zu spät gekommen. Alcatraz hatte man zunächst in eine Klinik gebracht. Verschiedene Splitter hatten ihm Hals und Flanke zerfetzt, aber es war nicht tödlich gewesen. Doch was sich später herausstellte war, dass das Tier vollkommen verstört war. Die Familie des toten Polizisten wollte den Wallach nicht bei sich haben und es war schier unmöglich einen Interessenten für den Fuchs zu finden. Dann hatte man ernsthaft überlegt, das Tier einzuschläfern. Die letzte Information, die Marron hatte war, dass jemand das Pferd gekauft hatte. Irritiert musterte Marron Herrn Shikaido. „Haben Sie Alcatraz gekauft?“ Der Sensei nickte. „Die Polizisten waren froh, als sie ihn in guten Händen wussten. Alcatraz ist dermaßen verteufelt worden, dass niemand mehr in seine Nähe wollte.“ Marron spürte, wie ihr Herz zusehends schmerzte. „Was haben Sie mit ihm vor?“ Ihre Stimme war zu einem Flüstern geworden. „Ich werde ihm seinen Lebensabend sichern. Mehr kann ich für ihn nicht tun. Die Narben seiner Vergangenheit lassen ihn nicht los.“ Er ist wie ich, dachte Marron. „Dürfte ich mit ihm arbeiten?“ Gleichermaßen das Mädchen und der Sensei sahen sie überrascht an. „Ich wüsste nicht, was dagegen einzuwenden ist, aber das könnte sehr schwierig sein.“ „Es wird nicht einfach, aber ich möchte ihm eine Chance geben. Ich glaube nicht, dass er für immer Angst haben muss. Er braucht jemanden, dem er Vertrauen schenken kann.“ So wie ich, dachte sie. „Gerne!“, lächelte Herr Shikaido. „Ich werde dir helfen, wo ich kann.“ Wieder traf Marron ein Giftblick von der Schülerin. Als Chiaki bemerkte, dass Marron nicht mehr da war, traf ihn ein leichter Stich, doch der Abend gestern hatte ihm solche Zuversicht gegeben, dass er sofort wieder glücklich war. Die Nachricht, die sie ihm hinterlassen hatte, brachte ihn ebenfalls in Hochstimmung. Sie war einfach der wundervollste Mensch, den er jemals kennen gelernt hatte. Sein Blick fiel auf das Büchlein, welches er gestern mit Marron durchgegangen war. Sie hatte kein bisschen wütend reagiert, was ihn etwas verwirrt hatte. Nicht einmal nach ihrem Namen hatte sie gesucht. Und sie hätte nichts gefunden. Chiaki hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, bisher noch nicht. Aber er hatte sie niemals in dieses Buch eingetragen. Warum nur? Normalerweise war er doch nicht so schlampig, was seine Mädchen betraf. Er ließ sich auf dem Sofa nieder, auf dem sie eingeschlafen war. Er hatte sie nicht eingetragen, weil sie von Anfang an nicht dafür bestimmt gewesen war. Sie war anders, als alle Mädchen die er kannte und in seinem Innern hatte er gewusst, dass sie nicht einfach nur eine Affäre sein konnte. Er hatte ihr sogar mehr erzählt, als so mach einer von ihm wusste. Nur Yamato kannte ihn besser. Resigniert legte Chiaki seinen Kopf in die Hände. Das war sehr gefährlich was er da dachte. Denn wenn er sich auf sie einließ, konnte er ihr Herz brechen. Und das wollte er nicht, nicht bei ihr. Sie durfte er nicht verletzen. Doch war er wirklich besser als sein Vater? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)