Please Recall... von -Moonshine- (Shinji ♥ Natsuki) ================================================================================ Kapitel 23: Sechzehn -------------------- "Wo warst du?!" Die sonst so sanftmütige Marron hatte sich in voller Größe vor Natsuki aufgebaut und sah ihre Tochter streng an. "Wir haben uns Sorgen gemacht! Was hast du dir dabei gedacht, vier Stunden lang verschollen zu sein?" Mit einem Mal war Natsuki's träumerische Stimmung zerstört. Stimmt ja... sie hatte noch Eltern, die zu Hause auf sie warteten und sie seit bereits vier Stunden erwartet hatten. Irgendwie hatte sie das aus den Augen verloren. "Ich, äh... ich hab die Zeit vergessen", stammelte sie kleinlaut, auf der Suche nach einer guten Ausrede. "Es tut mir leid..." "Die Zeit vergessen!", rief Marron fassungslos aus. Sie schien sehr müde und erschöpft. "Dein Vater und ich, wir haben die Zeit leider nicht vergessen, mein Kind", wütete sie weiter, während sich Natsuki, die plötzlich das Gefühl hatte, um einige Zentimeter geschrumpft zu sein, an ihrer zornigen Mutter ins Wohnzimmer vorbeidrückte. "Marron, beruhige dich...", kam Chiaki seiner Tochter zu Hilfe und legte seiner Frau besänftigend eine Hand auf die Schulter. Diese drehte sich entzürnt zu ihm um. "Ich bin fast gestorben vor Angst, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte!", versuchte sie ihm klarzumachen. "Wozu hast du ein Handy, wenn du es ausmachst?" Sie wandte sich wieder an Natsuki. "Ähh...", gab das Mädchen von sich. "Bestimmt war der Akku leer! Das passiert mir auch ständig", erklärte Chiaki und sicherte sich wieder die Aufmerksamkeit seiner wütenden Frau. "Außerdem", fügte er süffisant lächelnd hinzu. "Du warst doch früher genauso!" "Ich war...?" Marron hielt inne und sah ihn fassungslos an. "Ich war was?", wiederholte sie nun noch einmal, absolut empört. "Ich habe mich nie draußen herumgetrieben, ohne, dass jemand bescheid wusste!", verteidigte sie sich, doch Chiaki schüttelte nur amüsiert den Kopf. "Wer auch? Deine Eltern waren ja abwesend", erinnerte er sie, doch davon ließ sie sich nicht aus der Ruhe bringen. "Das hat damit nichts zu tun", beharrte Marron. "Niemand hatte je den Anlass, sich um mich Sorgen zu machen!" "Oh, bitte", spöttelte Chiaki und zog eine Augenbraue hoch. "ICH habe mir Sorgen gemacht, wenn du nachts allein über die Dächer gehüpft bist!" Während seine Frau nun tief einatmete, um zum Gegenschlag auszuholen, traf sein Blick den von Natsuki und er zwinkerte seiner Tochter heimlich zu, nickte mit dem Kopf Richtung Kinderzimmer. Sie verstand sofort. "DU hast doch nichts anderes gemacht!", warf Marron ihm vor, deutete anklagend auf ihn und Natsuki presste sich hinter Marron's Rücken vorbei in ihr Zimmer. "Wer musste dir denn ständig aus der Patsche helfen?", konterte Chiaki gekonnt und schmunzelte leicht. "Na, du bestimmt nicht", murmelte Marron pikiert, war aber nicht mehr so aufgebracht wie noch vor einigen Minuten, obwohl sie genau wusste, dass die Version, die sie hier zum Besten gab, nicht gerade der Wahrheit entsprach. Aber wie konnte sie ein Vorbild für ihre Tochter sein, wenn sie sich früher selbst in gefährlichen Gegenden rumgetrieben hatte? Das hatte sie ja nicht aus reinem Spaß an der Freude gemacht! "Doch", bestand Chiaki seelenruhig auf sein Recht. "Hättest du mich nicht gehabt, wärst du direkt am ersten Abend als Jeanne aufgeflogen", neckte er sie, wohl wissend, dass das nun ebenfalls nicht die Wahrheit war. Jeanne war ziemlich flink und clever gewesen damals, aber er konnte es manchmal nicht lassen, seine Frau ein bisschen zu ärgern. Diesmal musste auch Marron grinsen. "Bild dir das ruhig ein, Mister Oberschlau", sagte sie und stolzierte erhobenen Hauptes am ihm vorbei. "Du kannst doch bloß den Gedanken nicht ertragen, dass ich auch ohne dich gut zurechtgekommen wäre", fügte sie in einem spielerisch überheblichem Tonfall hinzu, doch bevor Chiaki den Mund aufmachen konnte, fuhr sie auch schon fort. "Genauso wie du denkst, deine Tochter wäre eben gerade auf dich angewiesen gewesen, um vor ihrer Furie von Mutter zu fliehen." Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und Chiaki hob schuldbewusst die Schultern. "Erwischt", gab er dann lachend zu und Marron schüttelte nur belustigt den Kopf. "Ich werde morgen früh trotzdem ein ernstes Wörtchen mit ihr reden, das weißt du", warnte sie ihn vor. "Und was willst du ihr sagen?", hakte Chiaki nach. "Dass sie das Verhalten ihrer Eltern nicht nachahmen soll?", witzelte er. "Genau das werde ich ihr sagen", erwiderte Marron ruhig. "Und du solltest ihr das besser auch eintrichtern, wenn du mich nicht jeden Abend tausend Tode sterben lassen willst!", drohte sie ihm. Chiaki überlegte einen Moment. Auf so einen stressigen Abend und eine so aufgebrachte Marron wie heute legte er nicht besonders großen Wert. Er nickte seufzend. "Wie du willst..." Seine durchsetzungsfähige Ehefrau hatte mal wieder den Sieg davongetragen. "Der Kirschkuchen kommt auf den Tisch, Natsuki. Und der Schokoladenkuchen ist jetzt auch fertig. Chiaki, hol ihn bitte aus dem Backofen. Oh, und... autsch!" Marron riss ihre Hand zurück, nachdem sie sie unter den vermeintlich kalten Wasserstrahl gesteckt hatte. Der entpuppte sich leider als kochend heiß. Doch sie ließ sich davon nicht beirren. "Würdest du ihn bitte noch anschneiden?", delegierte sie ihre Tochter weiter und hielt ihre Hand nun unter echtes kaltes Wasser, um sie etwas abzukühlen. Wortlos nahm Natsuki ein Messer und schnitt den Kirschkuchen sauber in viele, ähnlich große Stücke, brachte das Gebäck dann ins Esszimmer, wo der Tisch schon fast gedeckt war. Sie hätte sich gerne kurz hingesetzt oder ins Bett gelegt, aber es gab viel zu tun und das Mädchen fühlte sich mittlerweile wie ein willenloser Roboter, der alles erledigte, wozu er abkommandiert wurde. Normalerweise half sie ja sehr gern, vor allem, wenn es ihr Geburtstag war, aber heute war ihr einfach nur nach träumen zumute. So richtig anwesend war sie sowieso nicht und sich auf die Arbeit konzentrieren konnte sie auch nicht, denn ihr kam alles noch absolut surreal vor, als bewege sie sich in einer Seifenblase, abgeschnitten von der ganzen Außenwelt. Es war kein schlechtes Gefühl, im Gegenteil... sie fühlte sich, als sei sie unter Wasser, abgeschieden von jeglicher Hektik, jeglichem Lärm, als ob sie schwebte, sie fühlte sich, als sei sie... Allein bei dem bloßen Gedanken daran wurde sie schon rot und musste leise vor sich hin lächeln. Verliebt. "...Sklaventreiberin", murmelte jemand hinter ihr und holte sie somit wieder in die Wirklichkeit zurück. Chiaki hatte das Esszimmer betreten und trug den gut duftenden Schokoladenkuchen herein, seine Finger über und über mit Pflastern bedeckt. Leidend blickte er seine Tochter an, die erst einen fragenden Blick auf seine Hände warf und ihm schließlich denselben schenkte. "Mensch, Papa... du flickst ständig Leute zusammen und rettest Leben und so und kannst nicht einmal einen Kuchen aus dem Ofen holen?", fragte sie ungläubig, fast schon belustigt. Chiaki schaute sie grimmig an. "Erstens", begann er, "bin ich kein Feuerwehrmann und muss die Menschen nicht aus der Feuerhölle retten!" Er klang ganz schön eingeschnappt. "Zweitens", fuhr er fort, "verbrenn ich mir an meinen Patienten nicht die Finger. Und Drittens", fügte er so würdevoll wie möglich hinzu, "hat mir niemand gesagt, dass ich dafür Topflappen brauche!" Er platzierte den heißen Kuchen auf dem Tisch und rauschte wie eine beleidigte Diva ab, während Natsuki ihm zärtlich nachschaute. Wie sollte sie ihm bloß erklären, dass sie... dass sie verliebt war? In Shinji? Katastrophe hoch zwei... Es klopfte. Natsuki holte tief Luft. Gleich würde sie ihm wieder gegenüberstehen... ob sie dafür schon bereit war? Ihre Handflächen waren feucht und sie musste sich fast schon zwingen, ruhig zu bleiben und nicht dem Fluchtimpuls zu folgen, der sich in ihr breit machte. Es war eine Sache, jemanden bei Nacht zu küssen und Hand in Hand spazieren zu gehen, aber wie würde die ganze Sache bei Tageslicht aussehen? Plötzlich war es ihr sehr unangenehm, was die letzte Nacht passiert ist. Sie wollte nicht an diese Tür gehen. Und gleichzeitig wollte sie es auch. "Nanu, Natsuki, bist du zur Salzsäule erstarrt?" Marron eilte an ihr vorbei zur Tür und öffnete diese ohne Vorwarnung, ohne ihr noch etwas Zeit zu geben. Machte den Blick auf die vollkommen unvorbereitete Natsuki frei. Entsetzt sog sie die Luft ein - und seufzte erleichtert auf, als nur ihr Opa Kaiki im Türrahmen zu sehen war. Der wesentlich ältere Mann war seit kurzem in den Ruhestand gegangen, trieb sich aber, zu Chiaki's Unmut, immer noch im Krankenhaus herum und mischte sich überall ein, wo man ihn brauchte und auch da, wo nicht. Chiaki's Krankenhausalltag bestand zur Zeit hauptsächlich darin, seinen Vater durch das Hospital zu jagen und ihn zu maßregeln. Aber dieser hatte seinen eigenen Kopf, so wie scheinbar jeder aus der Familie der Nagoya's. "Natsuukiii-chan", rief er freudig aus und kam mit ausgebreiteten Armen auf seine Enkeltochter zugeeilt, drückte sie fest an sich und als sie über seine Schulter hinwegblickte, stockte ihr nun wirklich der Atem. Miyako, Yamato und Shinji waren wohl gleichzeitig mit ihrem Großvater angekommen. Wie erstarrt wandte sie sich von der Nachbarsfamilie ab und hielt sich nah an ihrem Großvater, während Marron die Minazuki's begrüßte und ihr schließlich einen auffordernden Blick zuwarf, der ihr sagen sollte "Sei so höflich und sag Guten Tag!". Natsuki trat näher. "Guten Tag", sagte sie so förmlich, als sähe sie Miyako und Yamato zum ersten Mal, vermied es allerdings, sich in irgendeiner Art und Weise an Shinji zu wenden. Das alles war wirklich seltsam, total merkwürdig. Vielleicht hätte sie nicht so ein großes Problem mit seiner Anwesenheit gehabt, wenn sie nicht von einem halben Dutzend Erwachsenen umgeben wären. Miyako lächelte und umarmte das Mädchen ebenfalls und Yamato übergab ihr ein kleines, in Geschenkpapier gewickeltes Päckchen. "Herzlichen Glückwunsch", wünschte er ihr, Miyako fiel ihm allerdings ins Wort. "Wir hoffen, es gefällt dir." Natsuki nickte und bedankte sich höflich, jedoch wurden alle durch das erneute Klopfen an der Tür abgelenkt. Marron's Eltern, Korron und Takumi, waren soeben erschienen. Yamato, der der Tür am nächsten stand, griff nach der Türklinke und öffnete. "Huch, hier wird es langsam eng", lachte Marron. "Kommt doch bitte ins Wohnzimmer, ich fürchte, wir passen hier nicht alle rein", bat sie und führte Miyako, Kaiki, Yamato und Shinji aus der engen Diele in das Wohnzimmer. "Hallo Oma, Opa!", rief Natsuki erleichtert, was nicht zuletzt an Shinji's Verschwinden aus ihrem Blickfeld lag. "Hallo, Schätzchen!", begrüßten die beiden ihre einzige Enkelin und auch hier mangelte es nicht an ausgiebigen Umarmungen. "Wir haben uns zwar gestern erst gesehen", setzte Korron an, "aber ich hab dich trotzdem schon vermisst." Sie lächelte die Sechzehnjährige liebevoll an und Natsuki erwiderte das Lächeln. Ihr Großvater strich ihr sanft über die Haare und drückte ihr eine kunstvoll gestaltete Geschenktüte in die Hand. "Alles Gute zum Geburtstag, Engelchen", wünschte er. "Viel Erfolg in der Liebe dieses Jahr", fügte Korron hinzu und zwinkerte ihrer fassungslosen Enkelin zu. "Oma!", rief diese empört aus. Wie kam sie nur auf solche Ideen?! "Hey..." Ein bisschen erschrocken drehte sich Natsuki um. Sie war auf den Balkon gegangen, um frische Luft zu schnappen, doch anscheinend hatte Shinji das mitbekommen und war ihr gefolgt. Es war ein äußerst merkwürdiger Nachmittag gewesen und Natsuki hatte sich die meiste Zeit aus den Gesprächen herausgehalten. Wenn sie jedoch etwas zur Unterhaltung beitrug, achtete sie sorgfältig darauf, dass sie sich nicht an Shinji wandte. Sie stocherte in ihrem Kuchen herum und das flaue, aber schöne Gefühl in ihrem Magen erlaubte es ihr nicht, mehr herunterzuschlucken als nur ein paar Stückchen. Hin und wieder hatten sich ihre Blicke getroffen und sie lächelte ihn kurz schüchtern an, bevor sie sich sofort wieder abwandte und ihr Lächeln zu verstecken suchte. Ihr war selbst neu, wie zurückhaltend und scheu sie war, doch sie hoffte, dass sich das mit der Zeit legen würde. "Hi...", murmelte Natsuki und drehte sich wieder zum Geländer um, ließ ihren Blick über die Stadt schweifen. Shinji gesellte sich zu ihr. "Wir sollten reden, findest du nicht?", fragte er behutsam, ohne sie anzusehen. Er hatte das Gefühl, das Mädchen brauchte momentan sehr viel Zeit, um gewisse Sachen zu verarbeiten. Sie nickte langsam. "Ja... ja, vielleicht..." Sehr überzeugt klang das nicht, das wusste sie, aber sie wusste ebenso, dass dieses Gespräch unvermeidlich war. Am letzten Abend hatten beide nicht sonderlich viel geredet und sie hatten viel zu klären. "Vielleicht?", hakte Shinji mit einem schiefen Grinsen nach. Auch er war überrascht davon, wie schüchtern die Sechzehnjährige sein konnte, aber andererseits war es nur allzu verständlich... Er war sich sicher, dass er der Erste war, den Natsuki so nah hat an sich herankommen lassen. Und er musste zugeben, er war ziemlich stolz darauf. "Mhm", machte Natsuki und Shinji merkte schon, dass er es selbst in die Hand nehmen musste, wenn er einen Fortschritt sehen wollte. "Na gut. Äh... soll ich dich heute Abend abholen? Wir können... ich weiß auch nicht. Was du willst...", bot er unschlüssig an. Na gut... er wollte ein Date. Eine Verabredung. Ein Rendezvous, aber wollte es nicht so offensichtlich machen, denn Natsuki schien immer noch unsicher. Er wollte sie nicht verletzen, indem er zu ungestüm an die Sache ranging, oder zu schnell, er wollte sie nicht verängstigen, nicht verscheuchen. Und er wollte keine Zurückweisung. Schon wieder! "Nein, nein!", widersprach sie schnell und schaute ihn dieses Mal länger als nur für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen. In ihrem Gesicht stand teilweise Furcht, teilweise Empörung geschrieben und Shinji befürchtete schon das Allerschlimmste. "Nicht abholen", bat sie und blickte ihn bittend an. "Meine Eltern..." "Oh, ach so... okay." Der junge Mann entspannte sich wieder und nickte. "Dann äh...", setzte er an, doch Natsuki fiel ihm ins Wort. "Ich muss noch beim Aufräumen helfen, also..." Es schien, als suchte sie nach Worten. "Kann ich... einfach... mh, vorbeikommen, wenn ich fertig bin?", fragte sie zaghaft, als sei sie sich nicht sicher, ob das eine gute Idee war. "Natürlich", versicherte Shinji ihr energisch und konnte sein Glück kaum fassen. Endlich, endlich hatte das Schicksal doch noch Erbarmen mit ihm gehabt! Hat ja auch lang genug gedauert. Im Hinausgehen grinste er ihr freundlich zu und zu seiner großen Freude erwiderte sie es mit einem strahlenden Lächeln. Mit einem Blick auf die Uhr stellte Natsuki fest, dass es schon viel später war, als sie angenommen hatte. Sie hatte sich wirklich viel Zeit genommen und es immer wieder hinausgezögert, denn auch wenn sie es äußerst ungern zugab: Sie war nervös wie noch nie! Dabei war es nur Shinji, versuchte sie sich immer wieder einzureden. Der Shinji, den sie schon ihr ganzes Leben lang kannte, beschimpfte und beleidigte. Der Shinji, der fast jeden Morgen bei ihr am Frühstückstisch saß und sogar ihretwegen seinen besten Freund verprügelt hatte... Sie seufzte. Wenn sie allerdings noch mehr Zeit verlor, würden ihre Eltern ihr verbieten, den Abend noch das Haus zu verlassen. Sie musste an die Gardinenpredigt denken, die sie ihr heute morgen gehalten haben. Nun ja... viel mehr hatte Marron ihren Unmut ausgesprochen und Chiaki hatte immer wieder mit dem Kopf genickt, jedoch nur, solange er in Marron's Blickfeld war. Kaum hatte diese sich nämlich abgewandt, schickte er seiner Tochter leidende Blicke zu und grinste sie an. Das endete leider damit, dass er am Ende derjenige war, der eine Standpauke gehalten bekam und zwar von einer noch viel wütenderen und dazu noch gestressten Marron. Den Rest des Tages war sie nicht besonders gut auf ihn zu sprechen gewesen und so kam es auch dazu, dass er zu lauter undankbaren Aufgaben abkommandiert wurde. "Schatz, wenn du noch weg willst, musst du dich aber beeilen..." Marron, die ihren Kopf ins offene Badezimmer gesteckt hatte, wo Natsuki unschlüssig vor dem Spiegel stand, warf einen Blick auf die Uhr. "Bitte bleib nicht so lange weg, in Ordnung?" "Versprochen", versicherte die nun Sechzehnjährige ihrer besorgten Mutter und war froh, dass diese ihr trotzdem noch so viel Vertrauen schenkte. Sie wusste allerdings auch, dass sich das ganz schnell ändern konnte, deshalb würde sie es war nicht darauf ankommen lassen. Das gestern war wirklich ein Versehen gewesen und sie hatte nicht nachgedacht, ein zweites Mal würde ihr das bestimmt nicht passieren. Marron nickte und verschwand wieder aus dem Bad, tauchte jedoch schon einige Sekunden später mit einem verschmitztem Lächeln wieder auf. "Und hör endlich auf an deinen Haaren herumzuzupfen, du siehst schon bezaubernd genug aus", riet sie ihr zwinkernd Natsuki atmete tief durch und warf noch einmal einen letzten, prüfenden Blick in den Spiegel. Mit einem kritischen Stirnrunzeln strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wandte sich endlich zum Gehen um, nahm ihre Jacke vom Garderobenhaken und verließ die Wohnung, nicht ohne sich noch einmal von ihren Eltern zu verabschieden. Sie hatte ihnen nicht gesagt, wohin sie ging oder was sie vorhatte - sie wusste es ja selbst auch nicht so genau - aber beide hatten sie auch nicht danach gefragt. Alles, was sie verlangt haben, war lediglich, dass sie nicht allzu spät wieder zu Hause auftauchte und damit konnte sich Natsuki sehr gut anfreunden. Miyako öffnete. Das war ja klar. Sie schien gar nicht so überrascht, wie Natsuki es vermuten würde. Anscheinend wurde sie schon von Shinji unterrichtet, das Mädchen fragte sich nur, was GENAU er seiner Mutter erzählt hatte. Irgendwie war das doch alles recht... unangenehm. Da stand sie nun plötzlich vor der Frau, dessen Sohn sie jahrelang hatte - wenn auch unbewusst - abblitzen lassen und wollte ihren Sohn abholen, doch Miyako schien gar nicht wütend oder auf andere Weise schlecht auf sie zu sprechen zu sein. Im Gegenteil, sie schenkte ihr ein warmherziges Lächeln und gab ihr die Auskunft, Natsuki's Nervosität geflissentlich übersehend, dass Shinji sofort bei ihr sein würde. "Das ist so schön", begann sie und seufzte erleichtert, "dass ihr euch endlich vertragen habt. Ich habe ja schon nicht mehr dran geglaubt." Sie lachte. "Vor allem, weil er doch sehr bald ins Ausland geht. Das ist sicherlich eine große Motivation für ihn, dort nicht den Hampelmann zu spielen...", plauderte Miyako glücklich und nickte, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Natsuki stand nur wie vom Blitz getroffen da. Ins Ausland? Was redete Miyako da denn bloß? "Wie bitte?", fragte sie mehr als verwirrt nach, doch Miyako missverstand ihre Irritation. "Na ja, ich meine, hoffentlich wird er das Jahr auch dazu nutzen, um zu lernen, anstatt vor seinen Problem wegzulaufen...", versuchte sie zu erklären, doch Natsuki schüttelte nur verständnislos den Kopf. Das Jahr? Weglaufen? "Ah, da bist du ja." Shinji's Mutter wurde davon abgelenkt, dass dieser in der Diele auftauchte und in seine Schuhe schlüpfte. Sie lächelte ihm noch mal kurz zu und verschwand wieder ins Innere der Wohnung, was Natsuki gar nicht mehr mitbekam. Ihre Gedanken überschlugen sich und um keinen davon zu verlieren, hatte sie konzentriert die Fußmatte fixiert und versuchte, das, was sie eben gehört hatte, zu einer sinnvollen Information zusammenzufassen. Die sah bis jetzt wie folgt aus: Shinji ging für ein Jahr ins Ausland. Sehr bald. Das hatte Miyako doch gesagt, oder? Es gab doch nichts Missverständliches daran? "Natsuki?" Sie schreckte auf und sah Shinji ins Angesicht. Er lächelte sie munter an und fischte nach seiner Jacke, das Mädchen allerdings bewegte sich nicht vom Fleck, sie schenkte ihm auch kein Lächeln, sie sah ihn einfach nur fassungslos an. Shinji schob es auf ihre Schüchternheit. "Wir können gehen", sagte er freundlich und wollte gerade einen Schritt auf sie zu machen, als sie nach der Türklinke griff und ihm mit einem letzten, eisigen Blick seine eigene Haustür vor der Nase zuschlug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)