Please Recall... von -Moonshine- (Shinji ♥ Natsuki) ================================================================================ Kapitel 7: Neuland ------------------ Vor Natsuki’s Haustür stellte Shinji ihre Einkaufstüten ab – der Aufzug war kaputt gewesen und er hatte ohne sich zu beschweren die schweren Tüten wortlos bis in das siebte Stockwerk getragen. Natsuki dagegen hatte das Treppensteigen ungewöhnlich angestrengt und sie fühlte sich ein bisschen wackelig auf den Beinen, beschloss aber, sich zusammenzureißen und sich nichts anmerken zu lassen. Vielleicht hatte sie sich ja eine Erkältung eingefangen und konnte so dem Geburtstagsessen bei den Minazuki’s entgehen. Natsuki kramte nach dem Haustürschlüssel in ihrer Tasche und fand ihn schließlich, doch bevor sie diesen ins Schloss steckte, wandte sie sich zu ihrem ungeliebten Nachbar um. Sie konnte ihn zwar nicht sonderlich gut leiden – woran er aber selber schuld war, wie sie fand – aber dennoch wusste sie, was sich gehört. "Danke für die Hilfe", gestand sie ein und schaffte es noch gerade rechtzeitig ein pikiertes "auch wenn dich keiner darum gebeten hat!" zu unterdrücken. "Für dich tu’ ich fast alles", zwinkerte Shinji ihr schelmisch zu und als sie genervt mit den Augen rollte, fügte er freundlich fragend hinzu, ob sie am nächsten Tag auch bei seiner Geburtstagsfeier anwesend sein würde. Mit einem unglücklich gequälten Kopfnicken schloss Natsuki endlich die Tür auf, schubste sie ein Stück weit auf und griff nach den beiden vollbepackten Einkaufstüten, um sie hochzuhieven. Shinji streckte über ihrem Kopf den Arm aus, um die Tür, die im Begriff war, wieder zuzufallen, Natsuki aufzuhalten, damit sie die Wohnung betreten konnte. Natsuki allerdings passte es gar nicht, dass Shinji sich heute wie ein Gentleman benahm. Was sollte sie mit diesem Verhalten nur anfangen? Das war Neuland für sie. Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu, er erwiderte jedoch mit einem ehrlichen Lächeln. 'Der führt doch bestimmt wieder irgendwas im Schilde', überlegte sie sich, während sie die Tüten in der Diele abstellte und sich ihrer Schuhe entledigte. "Dann bis morgen", verabschiedete Shinji sich, immer noch lächelnd und ohne – wie Natsuki es eigentlich erwartet hätte – einen typischen Spruch abzulassen, schloss er die Tür hinter sich und ließ sie alleine mit ihren Einkaufstüten. Kopfschüttelnd und verwundert beförderte Natsuki ihre Einkäufe in die Küche und packte erst einmal alles aus, stellte die Sachen auf den Tisch, ordnete sie dann in den Kühlschrank oder in die Kühltruhe, eine Packung Schokoladenkekse allerdings riss sie sofort auf und steckte sich sogleich eines der leckeren Plätzchen in den Mund. Ihre Eltern waren nicht zu Hause – Chiaki war wie üblich im Krankenhaus und würde vor 20 Uhr bestimmt nicht zurückkommen und wo Marron war, das konnte Natsuki nur ahnen, vermutete sie ihre Mutter nebenan bei Miyako. Schließlich war morgen Shinji’s Geburtstag und da waren beide Frauen in heller Aufregung. "Shinji wird 20, das ist etwas ganz besonderes!", hatte Marron ihr begeistert erklärt, sie jedoch hatte nur teilnahmslos die Schultern gezuckt. Sollte er doch, das interessierte sie nicht im geringsten. Vielleicht verhielt Shinji sich ja plötzlich deshalb so seltsam, weil er gemerkt hatte, dass er alt wurde und eingesehen hatte, dass es endlich an der Zeit war, erwachsen zu werden. Natsuki hielt kurz inne und überflog ihre Theorie in Gedanken, verwarf sie dann aber schnell. Shinji und erwachsen werden? Sie lachte in sich hinein und schluckte den Rest ihres Schokokekses runter. Niemals. 20 Jahre war ganz schön alt, das musste Natsuki schon zugeben. Und sie war sich auch sicher, dass nicht einmal Shinji umhin kam, sich das einzugestehen. Und trotzdem - für die Midlifecrisis war es doch noch ein bisschen zu früh, oder? Das Mädchen ließ sich auf dem Sofa nieder, griff nach der Fernbedienung und sinnierte noch einen kurzen Augenblick über Shinji und seine wundersame Veränderung nach, als ihr auch schon wieder brütend heiß einfiel, dass sie ihn für eine unliebsame Bazille hielt und keinen einzigen Gedanken mehr an ihn verschwenden sollte. Natsuki drückte auf die "On"-Taste der Fernbedienung, die den Fernseher dazu veranlasste, anzugehen. Die Stimme der Nachrichtensprecherin lenkte Natsuki von ihren ärgerlichen Gedanken ab und schon bald hatte sie ganz vergessen, dass sie sich heute mehr als nötig mit dem Thema "unliebsame Bazille" beschäftigt hatte. Der restliche Tag verlief ereignislos. Nach dem Abendessen machten es sich Marron und Chiaki im Wohnzimmer gemütlich und unterhielten sich über dieses und jenes und - wie Natsuki immer ganz verstört feststellen musste - waren sie immer noch so verliebt wie am ersten Tag. Einerseits fand sie das ja ganz reizend, aber manchmal war es eine Qual mit zwei Turteltäubchen in einem Haus zu leben. Wenigstens arbeiteten ihre Eltern nicht immer im amourösen Modus, dafür war Natsuki sehr dankbar. Sie verzog sich also in ihr Zimmer, telefonierte eine Weile mit Naomi, wobei die eigentliche Essenz des Telefonats daraus bestand, dass Natsuki über das "Martyrium", wie sie es ausdrückte, quengelte, am nächsten Tag bei der Feier anwesend sein zu müssen. Außer den Minazukis und den Nagoyas wurde die Familie Anataki eingeladen – wie jedes Jahr. Kagura und Yashiro Anataki waren ebenfalls mit ihren Eltern befreundet und hatten Zwillinge - einen Jungen und ein Mädchen, die zwei Jahre älter waren als Natsuki. Und demnach zwei Jahre jünger als Shinji. Mit Cersia und Toki - so hießen die beiden - verstand Natsuki sich sehr gut. Cersia war ein zurückhaltendes, freundliches und liebevolles Mädchen und Toki war - nun ja - jedenfalls nicht so nervig wie Shinji. Sie unterbreitete diesen Gedanken Naomi, die noch nicht in den Genuss gekommen war, die Zwillinge kennen zu lernen. "Nicht so nervig wie Shinji?", wiederholte Naomi belustigt und ließ Natsuki gar nicht mehr zu Wort kommen. "Wie kommt es, dass dein Maßstab für alle Typen immer nur Shinji ist?", hakte sie nach und Natsuki schoss kurz der Gedanke durch den Kopf, ihre Freundin hatte bei dieser Frage irgendwelche Hintergedanken. "Das stimmt doch gar nicht", protestierte sie vehement gegen die Behauptung, doch ihre beste Freundin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. "Letzte Woche hast du Takeru als 'nicht so aufdringlich wie Shinji' bezeichnet", erinnerte sie Natsuki, die schon den Mund aufgemacht hatte, um etwas darauf zu erwidern. "Und als 'wesentlich zuvorkommender'", fuhr Naomi fort, ohne auf die Versuche ihrer Freundin zu achten, sich auch einmal zu Wort zu melden. Diese war mittlerweile rot angelaufen - Takeru war eindeutig ihr Schwachpunkt und gerade den musste Naomi jetzt anführen? Und dann auch noch in so einem hässlichen Kontext - Shinji! "Das ist ja auch so", bekräftigte Natsuki das Gesagte trotzig und auch als Naomi am anderen Ende der Leitung verächtlich schnaubte, weil Natsuki einfach nicht verstehen wollte, ließ diese sich davon nicht verunsichern. Nach einer Weile beendeten sie das Telefonat - Naomi hatte sich den Rest der Litanei über den schrecklichsten Tag des Jahres angehört - und Natsuki machte sich bettfertig. Anschließend schlüpfte sie aus ihren Pantoffeln unter die Decke und ließ ihren Kopf langsam ins Kissen sinken. Sie schloss die Augen und ihr schoss der Gedanken durch den Kopf, dass sie heute viel zu oft über ihren Erzfeind nachgedacht hatte. Und da, schon wieder! Sie verscheuchte die Überlegung sofort wieder und zwang sich, an Takeru zu denken. Ja, sie musste sich eingestehen, dass sie eine kleine Schwäche für den neuen Jungen in ihrer Klasse hatte, die man auch als "Schwärmerei" bezeichnen könnte. Takeru war ein lieber Kerl und er war Natsuki sehr sympathisch. Viel sympathischer als dieser Idiot... Natsuki's Gedanken schweiften ab ins Nichts, ein kurzes Gefühl von Schwerelosigkeit machte sich in ihrem Kopf breit, dann war sie eingeschlafen. Sie hatte die Augen geschlossen, fühlte aber, dass außer ihr noch andere anwesend waren. Sie wollte sie Augen öffnen und die Personen ansehen, aber sie war dazu nicht fähig. Und nicht nur das, sie konnte ihren ganzen Körper nicht bewegen. Sie fühlte sich schlaff und kraftlos, um sie herum hörte sie leise Stimmen. Sie lauschte genauer, doch sie konnte nichts hören. Was ging hier nur vor? Dann spürte sie etwas an ihrer Hand. Jemand öffnete sie, legte ihr etwas hinein und schloss sie wieder. Ein grauenvolles Gefühl überkam sie... wo war sie? Wieso konnte sie sich nicht bewegen? "Mein Ohrring", sagte eine Stimme, eindeutig männlich. "Gib ihn mir wieder." Und dann - wie ein Riss im Film - brach von einer Sekunde auf die andere die ganze Sequenz ab. Natsuki saß aufrecht in ihrem Bett, es war bereits hell und die Vögel zwitscherten hinter ihrem Fenster. Es würde ein schöner Sommertag werden. Verwirrt warf Natsuki einen Blick auf die Uhr. Da sie nicht zur Schule musste, hatte sie auch niemand geweckt. Es war mittlerweile schon nach 9 Uhr. Sie sah sich in ihrem Zimmer um, versuchte den Schlaf immer noch zu verscheuchen, was ihr nicht so recht gelingen wollte. Hatte sie nicht irgendetwas Seltsames geträumt? Ein merkwürdiges Gefühl hatte von ihr Besitz ergriffen und ließ sich nicht mehr abschütteln. Als ihr irritierter Blick auf ihre geschlossene Hand fiel, fiel es ihr siedend heiß wieder ein - sie starrte geschockt auf ihre Hand und öffnete diese langsam. Sie war leer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)