Der Bulle und der König von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Von Affen und BMWs ----------------------------- Mit einem tiefen Seufzer ließ Makoto sich auf sein Bett fallen. Für heute war er fertig mit sich und der Welt und das lag nicht nur an seinem Besuch bei Takashi. Seit er Polizist war, war seine Mutter stolzer denn je und jedes mal, wenn er in Uniform nach hause kam, präsentierte sie ihn stolz der Kundschaft: „Das ist mein Makoto, ist er nicht hinreißend? So groß und Polizist! Wenn er nur nicht impotent wäre!“ – anstrengend war seine Mutter schon immer, aber dass es so ausarten würde, nur weil er jetzt Gesetzeshüter war, hätte Makoto sich nie träumen lassen. So lag er nun auf seinem Bett, mit einer ungesicherten Waffe am Gürtel, und starrte ratlos an die Decke. Als er Takashi wieder in seine gewohnte Zelle gebracht und sich verabschiedet hatte, hatte er ihm noch versprochen, ihm innerhalb der nächsten vierzehn Tage einen Psychiater aufzutreiben, der ihn als unberechenbar, nein, unzurechnungsfähig erklären und vor dem Galgen retten würde. Wie immer, war Makoto sehr vorsichtig mit seinem Versprechen gewesen, aber er kannte Takashi nun schon seit gut fünfzehn Jahren. Der Junge hatte die unangenehme Art, jedes noch so unsichere Angebot als heiliges Versprechen zu sehen und schwer enttäuscht zu sein, wenn man sich nicht daran hielt. Aber wie sollte er innerhalb von zwei Wochen einen Psychiater finden, der den König der G-Boys aus dem Knast holen würde? Woher sollte er überhaupt so viel Geld holen? Schließlich wollte kein anständiger Bürger jemanden wie Takashi auf freiem Fuß sehen und die besten Chancen gab es da noch mit viel, viel Geld. „Der Affe könnte...“ Der „Affe“, wie Makoto den geplagten Fujio Saitou noch immer nannte, musste kräftig niesen. Seine Kollegen des Hanezawaclans wünschten ihm Gesundheit. „Irgendjemand muss mich grad Affe genannt haben“, schniefte er, während er sich die Nase rieb. „Ich bring ihn um.“ Und da ging auch schon sein Handy. „Ja?“ „Affe?“ „Wer spricht da? Und nennen Sie mich nicht Affe... ah... Makoto?“ „Wer sonst? Alles okay?“ „Was willst du? Ich dachte, du willst mit der Yakuza nichts mehr zu tun haben?“ „Na ja, du bist ne Ausnahme. Ich bräuchte deine Hilfe.“ „Andoh’s Verhaftung?“ „Wie immer gut informiert, typisch Yakuza.“ „Du solltest öfter die Zeitung lesen,“ lachte Saitou, „Die Sache stand am nächsten Tag in den Schlagzeilen!“ „Ganz toll,“ murmelte Makoto sarkastisch, „Aber Takashi ist mein bester Freund. Kann man da nichts machen?“ „Du sprichst mit der Yakuza, natürlich kann man da was machen. Hast du schon einen Plan oder so?“ „Na ja,“ meinte Makoto, „Ich dachte, man könnte ihn vielleicht von einem Psychiater als unzurechnungsfähig erklären und in eine Anstalt umsiedeln lassen.“ „Die Todesstrafe wäre damit sicherlich aufgehoben, aber willst du, dass sie ihn ans Bett fesseln und mit Psychopharmaka zudröhnen?“ „Das sehen wir dann. Ich brauch erst mal den Psychofritzen, dann ist er zumindest aus der Todeszelle raus, weißt du?“ „Und damit ein Psychiater sich überhaupt mit Andoh befasst, brauchst du natürlich Geld, stimmt’s?“ „Ähm...“ Makoto schielte verlegen zur Seite. Wenigstens kam Fujio von selbst darauf und er musste nicht mehr darum bitten. „Und du meinst, das bringt was?“ hakte Fujio noch einmal nach. „Wie..?“ „Ich meine, du kennst ihn besser, aber er macht mir nicht den Eindruck, als ob man mit ihm ernsthafte Gespräche führen könnte. Würde er mitarbeiten?“ „Affe,“ begann Makoto, doch der Adressat unterbrach ihn. „Nenn mich nicht Affe! Willst du unser Geld, ja oder nein?!“ „Es geht hier um sein Leben. Das müsste sogar Takashi langsam kapiert haben. Außerdem...“ „Mh?“ „Außerdem... als ich vorhin bei ihm war, war er kurz davor, wahnsinnig zu werden. Die haben ihn auf dem Boden angekettet und ihn so tagelang ohne Essen und ohne Klo ausharren lassen. Ein zweites Mal hält der das nicht durch.“ „Ich schau, was sich in Sachen Geld machen lässt. Schau du dich schon mal nach einem Psychiater um. Was ist eigentlich mit Hikaru?“ „Hika...“ Das war’s. Makoto hatte einen seiner seltenen Geistesblitze. Der Tiger und das Pferd! „Die müsste doch einen Guten kennen. Schließlich hätte man sie auch wegen Anstiftung zu Mord verknacken können, stattdessen sitzt nur Yamai.“ „Ich ruf dich zurück, ich verlass mich auf dich mit dem Geld!“ Fujio musste schmunzeln als Makoto sich hektisch verabschiedete und auflegte. Er wusste: wenn Makoto plötzlich so hektisch wurde, war es jedes Mal der erste Schritt zu großen Dingen. In dem Moment, wo Makoto auflegte, kamen die Pläne immer erst richtig ins Rollen. Rollen tat er, wie gewohnt in einem dicken BMW, der einst Yokoyama gehörte. Er war unterwegs zu der Psychiatrie, in der Hikaru einsaß. Unterwegs raste er an einigen jener Orte vorbei, an denen er bis vor Kurzem noch mit Takashi die Zeit totgeschlagen hatte. Es war seltsam. Er hatte oft mit Takashi zusammengesessen, sogar wenn er im Dienst war; geredet, dasselbe Brot gegessen und ganz vergessen, dass sie sozusagen Jäger und Gejagter waren. Im Gegenteil, wenn Makoto Wind davon bekam, dass die Polizei wieder einmal etwas gegen die G-Boys plante, erfuhr Takashi es immer sofort. Es hatte sich überhaupt nichts verändert zwischen den beiden. Und Makoto schwor sich, dass es auch so bleiben sollte. In der Psychiatrie angekommen, fragte er sofort nach dem behandelnden Psychiater von Hikaru Shibusawa. Man bat ihn, einen Moment zu warten und Makoto setzte sich auf einen der quietschgelben Stühle im Warteraum, der aussah wie das Wartezimmer eines Kinderarztes. Die Wände waren weiß, die Stühle gelb und die Tische weiß mit roten Tischbeinen. In einer Ecke hing ein Fernseher an der Wand und die großen Fenster waren vergittert. Der Mann, der wenig später vor ihm stand, war nicht nur imposant, er sah sehr intelligent aus und hatte ein charismatisches Gesicht. Makoto wurde anders als er sich an einen ganz ähnlichen Mann erinnerte, der ebenfalls imposant, intelligent und charismatisch war: Yokoyama. ‚Reiß dich zusammen,’ befahl Makoto sich im Stillen, ‚Das is nicht Yokoyama. Das hier is der Typ, der Takashi aus der Scheiße holen soll. Bleib cool. Lächeln. Lächeln, du Idiot!’ „Makoto Majima-kun?“ fragte der Arzt und streckte Makoto, der mangels Übung eher furchteinflößend dreingrinste, die Hand entgegen. „Yamashita mein Name, ich bin für Fräulein Hikaru Shibusawa zuständig. Sie erzählt viel von Ihnen. Sie hatten nach mir gefragt?“ Kühl wie Yokoyama war er auch noch. „Ähm...“ Makoto räusperte sich und nahm erneut Anlauf. „Macht Hikaru irgendwelche Fortschritte? Ich meine, sie ist hier nun schon seit einem Jahr, oder?“ „Aller Anfang ist schwer,“ antwortete Yamashita, „Aber das Wichtigste ist, dass sie sich öffnet und über das Problem redet. Dann kann ich auch überlegen, wie ich ihr helfen kann. Und das tue ich, sie redet mit mir.“ „Können Sie auch...“ „Hm?“ „Nein, das ist so, mein Freund hat da ein Problem...“ „Warum kommt er dann nicht direkt zu mir? Dann könnte ich ihm viel besser helfen. Oder hindert ihn eben dieses Problem daran?“ „Ähm ja... ist etwas lästig... das ist so, wie Sie sehen bin ich bei der Polizei...“ „Sehe ich,“ nickte der Arzt. „Und?“ „Und ich musste ihn vor Kurzem verhaften.“ „Aha. Und warum?“ „Na ja, er hatte da einen Rivalen, und der hatte ihn wieder mal provoziert... denk ich mir... is das lästig...“ „...und?“ „Na ja, ihm ist die Hand ausgerutscht. Und der andere, na ja, er ist leider seinen Verletzungen erlegen...“ Hier musste Yamashita einmal tief durchatmen. Mit so einem „Problem“ hatte er nicht gerechnet, obwohl Makotos Freunde es ja so an sich zu haben schienen, gelegentlich Leute umzubringen. War Makoto die Quadratwurzel allen Übels? „Und jetzt, wo ist dieser Freund jetzt?“ „Im Knast,“ seufzte Makoto und lehnte sich so weit in seinem Stühlchen zurück, dass sein Hintern beinahe abrutschte. „In der Todeszelle.“ „Ach,“ staunte Yamashita, „War es kein Totschlag?“ „Nein, ich war dabei, es war volle Absicht... Na ja, aber Kyoichi hat ihn halt schon seit Jahren provoziert und...“ „Kyoichi? Der Name sagt mir was.... Der war doch vor Kurzem in der Zeitung... Ja stimmt, Kyoichi Ozaki, Chef der Black Angels, vom Chef der G-Boys getötet! Nein! Jetzt sagen Sie nicht, dieser Chef der G-Boys, King oder wie der sich nennt, ist besagter Freund?“ „Mann, is das jetzt lästig,“ murmelte Makoto und kratzte sich am Hinterkopf, „Öh, ja, doch, genau der... Takashi Andoh... Aber wissen Sie, eigentlich ist der ganz okay!“ „Aber sicher doch. Und wie soll ich ihm helfen?“ „Wissen Sie, er ist eigentlich nicht bösartig. Er hat nur solche Momente, wo er einfach durchdreht. Ich dachte, vielleicht will er das ja gar nicht. Also...“ „...kommen Sie zu mir, damit ich ihn für unzurechnungsfähig erkläre und ihn so vor dem Tod bewahre?“ „Ähm... ja, also nein, also... ja ungefähr so, ja!“ „Also, wissen Sie...“ „Ich weiß,“ unterbrach Makoto ihn lauter als gewollt, „Ich weiß, da könnte ja jeder kommen, aber Takashi ist wirklich, na ja, wie soll ich sagen, ein großes Kind... Wir bezahlen Sie natürlich auch! Ich hab draußen nen BMW stehen und...“ Yamashita verzerrte gequält das Gesicht. BMW gut und schön, doch er hatte diesen Takashi bereits in den Medien gesehen und wirklich bösartig sah der tatsächlich nicht aus. Er hatte eher etwas von einem Welpen, der mit unschuldigem Blick die teure Ledergarnitur zerpflückte. Aber war das genug, um einen Mörder aus der Schlinge zu ziehen? Wollte Yamashita das überhaupt? So unschuldig dieser Takashi auch dreinschauen mochte, er war ohnehin kein unbeschriebenes Blatt, die Medien berichteten von Diebstahl, Kontakten zur Yakuza, Körperverletzung – mal mehr, mal weniger schwer – Wiederstand gegen die Staatsgewalt, Behinderung von Ermittlungen, Beleidigung, Erpressung, Folter, Freiheitsberaubung, Vandalismus, Entführung, Oyajigari*, Bandenkriege, Schlägereien, die Liste war endlos lang – und nun auch noch Mord. Mit so viel Dreck am Stecken brauchte der Bengel keinen Psychiater sondern die Freundschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Mindestens. Und Letzteres sagte er auch Makoto, bevor er ihn hinausbegleitete. “Tut mir leid, aber ich fürchte, ich kann Ihnen hierbei nicht helfen.“ ----- *Jagd auf ältere Männer um diese zu verkloppen und auszurauben. Traurig, dass es dafür schon ein Wort gibt.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)