Mein Freund Tetsu von Theia (Eine Geschichte voller Dramen, Geheimnisse und Abenteuer) ================================================================================ Kapitel 1 --------- Als Keiji am Abend von der Arbeit nach Hause kam und das Zimmer seiner Tochter betrat, saß diese bereits im Schlafanzug auf ihrem Bett. Sie hatte ihr Kinn auf die kleinen, verschränkten Hände gestützt und schaute aus dem Fenster. Der Mond war aufgegangen und lugte nun zwischen den Ästen des vor dem Fenster stehenden Baumes hervor. „Nanu,“ sagte Keiji überrascht. „Mama sagte, dass du schon fast am Einschlafen bist und ich dir schnell gute Nacht sagen soll. Warum schläfst du denn noch nicht?“ Er setzte sich zu seiner Tochter auf das Bett. Diese wandte sich vom Fenster ab und blickte ihren Vater traurig an. Keiji wuschelte ihr durch das hellbraune Haar. Er war sehr stolz auf seine vier Jahre alte Tochter und er liebte sie über alles. „Mei, mein Schatz, was ist denn los? Wie hat es dir denn im Kindergarten gefallen?“ „Ach, Papa.“ Mei umarmte ihren Vater und machte es sich auf seinem Schoß bequem. „Papa, die anderen Kinder waren so gemein. Ein fieser Junge hat mich geärgert und an meinen Haaren gezogen. Und als ich dann in meine Gruppe kam, war ich ganz alleine. Keiner wollte mit mir reden und ich war ganz einsam. Ich will da morgen nicht wieder hingehen, Papa. Das macht gar keinen Spaß!“ Mei schüttelte energisch ihren Kopf. Keiji blickte auf seine Tochter hinab und strich ihr übers Haar. „Hast du denn mal versucht, mit den anderen Kindern zu reden?“ Mei drückte den Kopf in seinen Bauch. „…Nein.“ sagte sie leise. „Ich hab mich einfach nicht getraut! Was mach ich denn, wenn sie mich nicht mögen? Und ich keine Freunde finde?“ Keiji lächelte und er musste plötzlich daran denken wie er sich vor vielen Jahren einmal ähnlich gefühlt hatte „Hab ich dir eigentlich schon mal von meinem ersten besten Freund erzählt? Es war am Anfang auch nicht leicht und ich war genau so wie du und hab mich nicht getraut, ihn anzusprechen. Wenn du magst, erzähl ich dir davon." Mei hob den Kopf und setzte sich auf. „Auja, Papa, erzähl mir davon!“ Keiji zog die Decke über seine Tochter, setzte sich neben sie und begann zu erzählen. Es war ein herrlicher Sommertag. Die Sonne schien draußen vor dem Fenster und die Vögel zwitscherten. Eine leichte Windbrise brachte den Duft von Flieder durch das offene Fenster hinein. Zum 100. Mal las ich die Fragestellung meiner Mathe Hausaufgabe durch, doch ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Gedankenverloren blickte ich zum Haus unserer Nachbarn hinüber, als plötzlich etwas meine Aufmerksamkeit weckte. Ein schwarzes Auto hatte vor dem Haus angehalten. Die Türen öffneten sich und drei Kinder, zwei Mädchen und ein Junge, stolperten auf die Straße. Es schien noch ein paar Abschiedsworte zu geben und dann fuhr das schwarze Auto wieder weg. Gespannt verfolgte ich, wie die drei Kinder unschlüssig vor der Auffahrt unserer Nachbarn standen und zum Haus hinüberblickten. Sie schienen kurz zu diskutieren, setzten sich dann in Bewegung und verschwanden somit aus meinem Blickfeld. Mein Herz klopfte schneller. In der ganzen Nachbarschaft gab es keine Kinder in meinem Alter, mit denen ich mich unterhalten und spielen konnte, doch diese Kinder schienen mein Alter zu haben. Ob sie nur zu Besuch da waren oder länger bleiben würden? Aufgeregt ließ ich meine Hausaufgaben Hausaufgaben sein und lief in den Flur zur Haustür. Ich war neugierig und musste unbedingt in Erfahrung bringen, wer das war und wie lange der Aufenthalt andauern würde. Doch gerade als ich die Haustür von innen öffnen wollte, kam mein Vater von der Arbeit nach Hause. „Was tust du hier?“ rief er und starrte mich böse an „Warum bist du nicht bei deinen Hausaufgaben? Du weißt genau, dass du das Haus nicht verlassen darfst, bevor du sie nicht fertig hast! Und das wage ich zu bezweifeln. Jetzt los zurück an die Arbeit!“ Von meinem Vater gefolgt trottete ich wieder in mein Zimmer zurück und setzte mich an den Tisch. „Ich komme nachher wieder und kontrolliere, ob deine Aufgaben fertig sind!“ Mit diesen Worten und einem letzten strengen Blick verließ mein Vater das Zimmer. Seufzend blickte ich auf meine Aufgabe hinab und nach einer halben Ewigkeit, so schien es mir, hatte ich sie endlich gelöst. Plötzlich drang Gelächter an mein Ohr. Ich blickte auf und sah die drei Kinder im Garten herumlaufen. Ich rieb mir über die Augen und fasste einen Entschluss. Dann sprang ich auf und verließ leise mein Zimmer. Mein Vater, so wusste ich aus Erfahrung, saß um diese Zeit immer in seinem Arbeitszimmer und kam dort vor dem späten Abend nicht wieder hinaus. Ich hatte also noch ein paar wenige Stunden Zeit. Dennoch schlich ich so leise es ging zur Haustür und hoffte inständig, dass mein Vater mich nicht bemerken würde. Was das für ein Geschrei und eine Strafe geben würde, wollte ich mir gar nicht vorstellen. Erleichtert atmete ich auf, als ich die Haustür hinter mir geschlossen hatte. Vergnügt hüpfte ich den Weg zur Straße entlang und blieb vor einem Loch im Zaun unserer Nachbarn stehen. Das Loch war mir schon einmal aufgefallen, an der Hinterseite des Gartens. Ich beschloss, hindurchzuklettern und den Garten von dieser Seite zu betreten, denn erstens wusste ich nicht, ob unsere Nachbarn diesen Besuch gutheißen würden und des Weiteren fürchtete ich, dass sie von dieser Begegnung vielleicht auch meinem Vater erzählen würden. Nun überkamen mich doch Zweifel. Was sollte ich tun, wenn mich diese Kinder gar nicht mochten oder gar nicht erst mit mir reden wollten? Mich verließ der Mut und ich war bereits kurz davor, umzukehren, als ich wieder lautes Lachen vernahm. Ich schloss die Augen, atmete noch einmal tief durch, kletterte durch das Loch und betrat das Grundstück unserer Nachbarn. Es war ein schöner großer Garten, der zu meiner Beruhigung vom Haus aus nicht so weit einzusehen war. Die Hecke, welche von innen den Zaun säumte, war ordentlich gepflegt und gestutzt. Viele Blumen und blühende Bäume verbreiteten einen angenehmen Duft. Ein schmaler, künstlich angelegter Wasserfall plätscherte in einen kleinen Teich. Die Kinder hatten sich in ihrem Spiel inzwischen dem Loch genähert durch das ich sie beobachtete und ich beschloss, sie nun anzusprechen. „Hallo!“ rief ich und näherte mich den Kindern. Ein kleines Mädchen, welches jedoch mit dem Rücken zu mir stand, schien sich furchtbar über mein plötzliches Auftauchen zu erschrecken und begann zu weinen. Der Junge funkelte mich böse an, lief auf mich zu und gab mir einen kräftigen Schubs der mich mitten in ein Rosenbeet beförderte. Er baute sich vor mir auf und funkelte mich wütend an, während ein älteres Mädchen die Kleine tröstete. Entsetzt rappelte ich mich wieder auf. Zu allem Überfluss war meine neue weiße Hose voller Erde und Schmutz. Ich hasste es, dreckig zu werden. „Was soll das?“ rief ich verärgert. „Schau dir meine Hose an. Du hast meine neue Hose schmutzig gemacht!!“ Vergeblich versuchte ich den Dreck abzuklopfen. Der Junge lachte jedoch nur höhnisch. „Das tut mir aber leid!“ sagte er. „Selber Schuld! Was schleichst du dich hier auch an und erschreckst meine Schwester zu Tode?“ Aufgebracht funkelte ich mein Gegenüber an. Was bildete er sich eigentlich ein? Ich war zu ihnen gekommen um ihnen "Hallo" zu sagen und was macht er? Gerade als ich etwas erwidern wollte, kam das ältere Mädchen auf mich zu. „Entschuldige bitte. Ich glaube das war alles ein Missverständnis. Du wolltest meine Schwester sicher nicht erschrecken. Und das Verhalten meines… Bruders tut mir sehr Leid.“ Von der Höflichkeit des Mädchens milde gestimmt, fingen wir an, uns stockend zu unterhalten. Ich erfuhr, dass die drei Geschwister waren und nun, nachdem die Eltern zu einer Weltreise aufgebrochen waren, bei Tante und Onkel wohnen sollten. Yumiko und die kleine Keiko würden erst in 4 Tagen auf eine private Mädchenschule gehen, doch darüber wussten sie noch nichts Genaueres. Tetsu jedoch, das hatte die Tante bereits angekündigt, würde morgen schon zur Schule gehen. Er erzählte mir, dass er dieselbe Schule wie ich besuchen würde und so verabredeten wir uns, am Morgen gemeinsam zur Schule zu gehen. „Es hat mich gefreut, euch kennen zu lernen.“ sagte ich, als ich mich wieder auf den Heimweg machen musste. Bald würde mein Vater auch mit seiner restlichen Arbeit fertig sein und meine Aufgaben kontrollieren wollen. „Ja, bis morgen!“ rief Tetsu mir nach, als ich wieder durch das Loch verschwand und nach Hause lief. Ich war glücklich. Die Drei würden länger bleiben und ich glaubte, gute Freunde in ihnen gefunden zu haben. Natürlich machte mir Tetsu immer noch ein wenig Angst und meine schmutzige Hose, welche ich schnell im Schrank versteckte, damit Vater sie nicht etwa entdeckte und unangenehme Fragen stellte, hatte ich auch noch nicht vergessen. Aber die Drei schienen wirklich nett zu sein, auch wenn sie mir sehr Leid taten. Sie mussten sich schrecklich einsam ohne ihre Eltern fühlen. Und darüber hinaus war ich sehr stolz auf mich, dass ich meine anfängliche Angst überwunden, die Drei angesprochen und so vielleicht gute Freunde gewonnen hatte. „Das war aber eine schöne Geschichte“, murmelte Mei. „Du und Tetsu seid ihr wirklich gute Freunde geworden?“ Keiji strich über Meis Haar. „Weißt du, mein Schatz, das werde ich dir ein andermal erzählen, denn um diese Uhrzeit solltest du schon längst schlafen. Mama schimpft wenn sie hört, dass ich dich so lange wach gehalten habe.“ „Och, Papa.“ Doch Keiji ließ nicht mit sich reden. Er stand auf und deckte seine Tochter zu. „Weißt du was, Papa? Ich werde morgen das eine Mädchen fragen, ob sie mit mir spielen will. Sie stand auch ganz einsam in einer Ecke.“ Keiji lächelte stolz. „Ja, mein Schatz, tu das. Aber nun musst du erst mal schlafen! Gute Nacht.“ Nachdem er seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte und zur Tür gegangen war, drehte er sich noch einmal um. Der Mond schien weiter durch das Fenster und ließ das Gesicht seiner Tochter hell glänzen. Keiji verließ den Raum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)