Katja's kleine Gutenachtgeschichten von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Ein regnerischer Tag ------------------------------- Katja's kleine Gutenachtgeschichte Am Nachmittag hatte es begonnen zu regnen. Nun, am Abend, lies der Regen etwas nach. In einer der kleineren Straßen öffnete sich langsam eine Tür. Der junge Mann blickte nach links und rechts, wie ein gehetztes Tier, das hofft seinen Verfolgern entkommen zu sein und doch weiß, dass sie nur ein paar Meter entfernt lauern. Langsam trat der Mann von etwa 25 Jahren aus dem Hauseingang. Er trug ein paar alte Jeans, die aussahen als ob sie an mehreren Stellen gleich durchreißen würden, und eine schwarze Lederjacke. Alles in allem war er nicht der Typ Mensch, den man nach einem Regenschauer zu sehen erwartete. Obwohl der Regen schon nachgelassen hatte, war der Mann schon nach wenigen Metern durchnässt. Langsam, ohne Eile, lief er die Straße hinunter, wie er es fast täglich tat, wenn er aus dem Haus ging. Das Straßencafé an der Ecke in dem normalerweise immer jemand saß, war verwaist. Wie ruhig die Stadt doch bei Regen war. Ein paar Straßen entfernt, konnte er ein Auto hören, das sich durch den Regen über das Kopfsteinpflaster quälte. Wer seine Insassen wohl waren. Vielleicht jemand, den er schon mal gesehen hatte oder jemand, den er kannte. Aber wen kannte er schon? Durfte er es überhaupt wagen zu behaupten sich selbst zu kennen? War es vielleicht einfacher zu behaupten andere Menschen zu kennen als sich selbst oder verhielt es sich genau umgekehrt? Keine dieser Fragen hatte er sich je beantworten können. Er hatte sie verdrängt, vergessen und nun waren sie alle wieder da. Das nichts wissen, zu wissen, dass es fragen gibt die immer unbeantwortete bleiben werden, das hatte ihn schon damals fast umgebracht. Danach hatte er begonnen zu vergessen. Auch in dieser Zeit war er oft spazieren gegangen. Hatte die Nachtluft und die Stille genossen. Ohne es zu merken, hatte er seine Schritte in Richtung Park gelenkt. Es war so ruhig. Die Luft roch nach Regen. Er war in dieser großen, lärmenden Stadt von tausenden Menschen umgeben – und doch allein. Keiner sah ihn oder hatte ihn je gesehen. Keiner sah den traurigen Mann, der den Park betrat. Ein schwerer Tropfen viel von einem Blatt auf seinen Kopf. Wassertropfen hatte er schon immer schön gefunden. Es waren seine persönlichen Diamanten und viel wertvoller. Denn jeder konnte einen Diamanten an einer Kette um den Hals tragen, aber wer besaß ein Kollier aus Wasser. Einer der alten Bäume hatte seine Wurzeln, wie Fallstricke über den Weg gespannt, als wollte er sich für alles Rächen, was Menschen ihm je angetan hatten. Narben von vergangenem Liebesglück erzählende Herzen zierten seine Rinde. Doch wer kann schon sagen, was ein Baum denkt. Er spannt seine Wurzeln nicht, um sich zu rächen. Er versucht in einer Welt zu überleben, die ihm so feindlich geworden ist. Feindlich, ja das war ein gutes Wort. Wie ein Fremdkörper, ein Stock der in einen Ameisenhaufen gestochen wird, so war er sich immer vorgekommen. Und nun hatte er endlich auch einen Grund zum Sterben gefunden. Er hatte bisher alles ertragen, hatte immer weiter gemacht, doch nun war es genug. Er war nicht gläubig, er glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod. Doch das war gut so, denn er war müde. Er wollte schlafen, lange, vielleicht für immer, ewig. Als er den Weg verließ, begann er in seiner Tasche nach dem kleinen Röhrchen zu suchen. Er war gut vorbereitet. Nichts sollte ihn mehr daran hindern, dieses sinnlose Leben hinter sich zu lassen. Nichts und Niemand. Er lehnte sich an einem Baum und glitt langsam an diesem hinunter bis er zwischen seinen Wurzeln saß. Er trank die Flüssigkeit. Das Gift wirkte nicht sofort. Er hörte noch wie ein paar zwitschernde Vögel das Ende des Regens verkündeten, hörte in der Ferne die Stadt erwachen und sah verschwommen die Bunten Farben eines Regenbogens. Vielleicht, wenn das Leben sinnlos ist, vielleicht, ist dann der Tod noch viel sinnloser. Kapitel 2: Das Ende einer Beziehung ----------------------------------- Katja's Gutenachtgeschichte (2) Er fuhr herum, als er das Knacken eines zerbrechenden Zweiges hörte. Das Knacken, das eindeutig auf einen Menschen schließen ließ. Sie stand neben einem alten Eichenbaum, dessen Rinde eine Jahrhunderte lange Geschichte erzählte. Doch er sah den Baum nicht, erkannte ihn nicht als Eiche, nicht als Zeugnis der Geschichte. Er sah nur die Waffe in ihrer Hand. Die kleine, silberne Pistole, die das Licht der letzten Sonnenstrahlen, die noch durch das Blätterdach drangen, reflektierte. Wie in Zeitlupe sah er, wie sie den Abzug betätigte, wie sie schoss. Und im selben Moment fühlte er einen tödlichen Schmerz. Am Herzen? In der Lunge? Er konnte es nicht zuordnen. Er spürte nur, dass die Stelle tödlich sein würde. Er sah in ihr Gesicht. Warum lächelte sie und sah zugleich so traurig aus? In allen Filmen die er gesehen hatte, in allen Büchern die er gelesen hatte, gab es so etwas nicht. Die Hauptperson starb dramatisch. Sie hätte mit ihm reden müssen, ihn fragen müssen warum alles so gekommen war. Vielleicht hätte sie ihn auch anschreien und mit der Waffe wild umherfuchteln müssen. Aber sie hatte ihn nicht einmal angesprochen. Nur das Knacken des Zweiges hatte sie verraten. Sie hatte ihm nicht einmal mehr ins Gesicht gesehen, hatte nur dagestanden, gezielt und ihn erschossen. Und jetzt stand sie immernoch dort, wo sie abgedrückt hatte. Die Waffe auf den Boden gerichtet, ob sie sie wieder gesichert hatte?! Es schmerzte den Kopf zu drehen, aber er wollte ihr in die Augen sehen, sehen, dass sie die Tat bereute. Das sie es bereute ihn getötet zu haben. Sie hatte auf ihn gezielt, ihn erschossen, ihn ermordet. Sie hatte ihn umgebracht! Nein! Er wollte nicht sterben. Er hatte noch soviel vorgehabt im Leben. Wieso sollte er für etwas, für das er nicht mal etwas konnte, sterben? Er hatte doch versucht alles richtig zu machen. Niemanden zu verletzen. Warum sollte er dafür sterben? Es war so unfair. Oder war es nur ein böser Traum und er würde gleich in seinem Bett aufwachen?! Genau, gleich würde ihn seine Mutter wecken, damit er nicht zu spät zur Schule käme. Aber der Schmerz war zu real. Ein Windstoß erfasste die Baumkronen über ihm, die Blätter raschelten und auch ihre Haare bewegten sich im Wind. Sie sah ihn immernoch mit diesem traurigen Lächeln an. Warum konnte er keine Reue in ihrem Blick erkennen. Es war Schmerz, aber auch Erleichterung, als hätte sie sich von einer schweren Last befreit. Sein Blick trübte sich. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht mehr erkennen. Schwarze Schatten tanzten vor seinen Augen, als er diese wieder auf das Blätterdach richtete. Die Bäume begannen schon sich in Herbstfarben zu kleiden. Ein einzelnes, rotes Blatt tanzte herunter. Rot. Rot wie ihr Haar. Rot wie Blut. Die schwarzen Schatten vernebelten seinen Blick nun vollständig. Er hörte nur das leise Rascheln der Blätter, die vereinzelten Motorgeräusche der Autos, die auf der Bundesstraße fuhren, welche sich ihren Weg durch den Wald kämpfte. Er spürte auch noch, dass sein T-Shirt von einer klebrigen Flüssigkeit durchnässt war, die es an seinen Oberkörper klebte. Und noch etwas, etwas feuchtes, dass auf sein Gesicht tropfte. Es schmeckte salzig. Ein letztes Mal nahm er all seine Kräfte zusammen und öffnete die Augen. Er sah ihr Gesicht. Weinte sie? Er sah nur noch wie sie ging. Sich umdrehte und ging ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen. Bald würde ihn die Welt vergessen haben. Er war Statist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)