Pirates of the Caribbean von BigLeoSis (True Love) ================================================================================ Kapitel 4: Die Todesklippen --------------------------- Als Elyse das erste Mal wieder aus dem Schlaf erwachte, herrschte ein heilloses Durcheinander an Bord. Sie waren an den Rand einer Sturmfront geraten, welche nun frontal auf sie treffen würde. Ihre Crew versuchte ihr bestes, die Curse sturmfest zu machen. Sie erhob sich schnell, jedoch vorsichtig aus dem Bett, um Matthew nicht zu wecken und stürmte nach draußen. Der Himmel war schwarz und Blitze zuckten durch die Wolken und erhellten die raue See. Ihre Mannschaft versuchte die Segel einzuholen, was sich bei dem bereits sehr starken Wind als schwierig gestaltete. Sie lief zum Steuer hoch und nahm es Mr. Cotton aus der Hand, welchem sie den Befehl erteilte nach dem Commodore zu suchen. Es war nicht leicht, die Curse auf ihrem Kurs zu halten und die Schwarzhaarige hatte alle Mühe damit. Die Welle, die nun von hinten über das Schiff hereinbrach, überraschte Elyse aufs Übelste und sie wäre mit Sicherheit über Bord gegangen, wenn sie nicht plötzlich einen rettenden Arm um ihre Hüfte gespürt hätte. Dieser zog sie fest an sich, als wolle er sie mit aller Gewalt retten, sie nicht vom Meer verschlingen lassen. Elyse schluckte mehr als nur einmal Wasser, bis sich die brachiale Wucht dieser Welle verflüchtigte. Keuchend saß sie nun vom Steuerrad und hustete nach Leibeskräften. Als sie merkte, dass sie vom Kurs abgewichen waren, versuchte sich Elyse aufzurichten, doch sie wurde von einer starken und rauen Hand wieder auf den Boden gezerrt. Nun endlich erkannte sie ihren Retter. Es war der junge Mann, mit der entführten Verlobten gewesen. Schwer atmend sah er ihr tief in die Augen, bevor er leise zu sprechen begann “Wir brauchen Euch noch Captain! Ihr solltet Barbossa das Ruder überlassen ...” “Haltet Ihr mich nicht für stark genug Mr. Turner?” “Nein ... das nicht, aber ich halte Euch für wahnsinnig genug, hier die ganze Nacht zu stehen und die Curse zu lenken!” “Das ist die Aufgabe eines Captains!” “Eure Aufgabe ist es Jack Sparrow zu finden und mir Elisabeth wieder zu bringen!” “Für wen haltet Ihr Euch Turner? Ich denke eine Nacht in der Zelle wird Euch Gehorsam gegenüber Eures Captains lehren! MR. GIBBS!” “Ja Captain?” “Bringt Mr. Turner unter Deck! Sperrt ihn ein, bis Ihr von mir einen anderen Befehl erhaltet, nur Wasser und Brot!” “Aye Captain!” “Jack würde so etwas nie tun!” “Ich bin nicht Jack, Mr. Turner. Ich muss mit Euch und dieser Crew bis ans Ende der Welt segeln.” William stand auf und ging, getrieben von Gibbs unter Deck. Die junge Frau zog sich am Steuerrad hoch und versuchte die Curse wieder auf Kurs zu bringen, was sich allein als sehr schwierig gestaltete. Das konnte sie Turner einfach nicht durchgehen lassen! Es war beschämend, dass er sie so für seine Zwecke missbrauchte, aber taten die anderen dass nicht auch? Ihr Vater, Tia Dalma, Barbossa? Ja, auch sie taten es, doch keiner von ihnen hatte es gewagt, sie so bloßzustellen. Bei einer erneuten, aber schwächeren Flutwelle, verkrampfte sie sich regelrecht am Steuer, als sie endlich bemerkte, dass sich ihr Vater zu ihr vorkämpfte. Mit vereinten Kräften schafften sie es, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen, doch der Sturm dauerte noch länger an und es graute bereits der Morgen, als der Wind endlich nachließ, sowie der Regen aufhörte. Die Crew war bis auf die Knochen durchnässt, erschöpft und zu keiner weiteren Tat mehr in der Lage. Doch als sie sahen, dass sich ihr junger Captain auch noch keine Ruhe gönnte, rafften sie all ihre Reserven zusammen und brachten die Curse wieder auf Vordermann, sodass sie wenigstens für den Vormittag über ihre Ruhe hätten. Am späten Verlauf des Morgens übergab Elyse das Steuer wieder an Mr. Cotton. Sie war mit ihren Kräften wahrlich am Ende und ging unter Deck, in die Kombüse um sich etwas Brot und einen Apfel zu holen. Beim Anblick des trockenen Stücks Backware in ihrer Hand, fiel ihr der junge Mr. Turner wieder ein und sie suchte die Zellen auf. Es war niemand zu sehen, als sie den schmalen Gang mit den sechs Verließen betrat. Die Curse war wahrlich für eine große Reise gebaut worden. In der letzten Zelle saß William und starrte aus dem Bullauge. Das Verließ war nur mit einem einfachen Schließmechanismus geschlossen. Als Elyse diesen öffnete, wandte Turner den Kopf zu ihr, sah jedoch gleich wieder zum Fenster hinaus. Hinter sich machte die junge Frau die Tür wieder zu und ließ sich zu Füßen der Pritsche nieder, auf der Turner lag. Schweigend reichte sie ihm den Apfel, welchen er nahm und still aß. “Ihr wisst, warum ich das getan habe, nicht wahr Mr. Turner?” “Ihr müsst Euch beweisen ... die Crew vertraut nur Jack als Captain und jetzt setzt ihr ehemaliger Anfüher statt seiner Euch an die Spitze des Schiffs... gewiss keine leichte Situation für Euch.” “Nein, wahrlich nicht. Aber ich habe bereits auf zwei Piratenschiffen gedient Mr. Turner, es war keine schöne Zeit und ich vermisse sie sicher nicht, doch muss ich hier eben hart durchgreifen. Diese Reise ist wohlmöglich ohne Wiederkehr und das möchte ich verhindern. Jeder der auch nur den Gedanken an eine Meuterei verschwendet, soll einen Tag am Großmast hängen ohne Nahrung oder Wasser.” “Das ist hart.” “Aber nur so werden wir diese Reise überleben Mr. Turner.” Elyse strich sich die langen Haare, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten, hinter die Ohren, während sie von ihrem Brot abbiss. Will wurde somit auf ihre Narben aufmerksam, die die Knöchel und Finger übersähten. Was zum Teufel hatte dieses Mädchen bereits durchgemacht? “Ihr seid so still?” “Es ist nur ... Eure Arme ... wer seid Ihr?” Er war der Erste der Crew, der ihr diese Frage stellte. Alle hatten es hingenommen von einer Frau geführt zu werden, doch nur zwei an Bord kannten ihre ganze Geschichte ... nein, nur einer kannte ihre ganze Geschichte und zwei jeweils einen Teil davon. “Wer ich bin? Das ist eine kluge Frage Mr. Turner ...” “William, nennt mich Will.” “Nun ... Will, ich bin Elyse Norrington. Die Tochter des Schrecken der Meere und einer edlen englischen Lady. Vom Vater verlassen, die Mutter ermordet, schiffte ich nach Port Royal über, jedoch wurde mein Reiseschiff gekarpert, ich getötet, doch ich fand den Weg zurück, an Bord eines Piratenschiffes und vor fünf Jahren wurde ich an den Strand von Tortuga gespült. Von Mr. Caine wurde ich aufgenommen, er lehrte mich das Schmieden von Waffen und so einiges über die Seefahrt. Es gibt nicht viel über mich zu sagen, außer das ich vielleicht etwas anders bin.” “Ihr seid Norringtons Tochter? Ihr seht gar nicht so aus.” “Wie sehe ich in Euren Augen aus?” “Ihr könntet eher als Jack Sparrows Tochter durchgehen, als die von Commodore ... nein, dem ehemaligen Commodore James Norrington.” “Er hat seinen Posten aufgegeben? Wann?” “Er war mit Jack und Elisabeth auf der Such nach der Truhe von Davy Jones. Er stahl das Herz und überbrachte es Cutler Beckett, der ihm den Posten wieder anbat, doch er lehnte ihn ab ... mit welcher Begründung weiß ich nicht.” “Was bedeutet Euch Eure Verlobte Mr. ... Will?” “Ich liebe sie und das ist mir Grund genug, sie wieder zu befreien.” Elyse schwieg ob dieser Worte. Er liebte sie und das allein war ihm Grund genug vielleicht sogar zu sterben. Er hatte einen Antrieb für diese Reise, doch was war es bei ihr? Der Wunsch nach Beachtung, der Drang zur Selbstzerstörung oder endlich wieder in die wunderbare Leichtigkeit nach dem Tod einzutauchen und nie wieder daraus zu erwachen? Sie konnte einfach keinen vernünftigen Grund finden, wieso ihr bisheriges Leben aufgegeben hatte und jetzt ihren Freunden folgte. Will reichte Elyse einen Becher, indem sich Wasser befand. Vorsichtig trank sie einen Schluck. Schweigend saßen die beiden nun wieder in der Zelle und beobachteten den strahlend blauen Himmel, der an ihnen vorüberzog. Erneut fiel Wills Blick auf die Arme der jungen Frau. Sie war also Schmied, wie er. Doch war es einer Frau überhaupt erlaubt, solch schwere Arbeit zu vollrichten? Sein Captain war sicher nicht schwach, dass hatte sie gestern eindrucksvoll bewiesen. Doch wie konnte sie in nur fünf Jahren das alles erlernen, für was er fast zehn gebraucht hatte? Und sie hatte ihren Meister gemacht, was noch nicht einmal er geschafft hatte. Diese Frau steckte wahrlich voller Rätsel. Der leichte Druck an seinem Arm ließ ihn nun nach unten Blicken und Will stellte fest, dass Elyse eingeschlafen war. Sie wirkte so friedlich, nichts von ihrer vorherigen Härte war mehr zu erkennen. Der junge Schmied nahm den Becher mit Wasser wieder an sich, lehnte sich ebenfalls zurück und schlief ein wenig. Ein sanftes Schaukeln weckte Will und Elyse. Es schien schon Nachmittag zu sein, denn die Sonne schien nun ungehalten in die Zelle. Vorsichtig erhob sich die junge Frau und bat den Schmied, sie zu begleiten. Als die beiden wenige Augenblicke später das Deck betraten, kam ihnen bereits ein aufgeregter Gibbs entgegen, immer wieder vor sich hin fluchend und wild gestikulierend. Elyse betrachtete ihn skeptisch, doch bemerkte sie, dass nicht nur Gibbs verstimmt war, auch der größte Teil ihrer Crew sah nicht minder besorgt aus. Jedoch konnte sie keinen Grund dafür erkennen. Die Sonne strahlte und keine Wolke störte den Himmel, also kein Anzeichen für einen weiteren Sturm. Die Schwarzhaarige entschloss sich erst einmal umzuziehen, da ihre Kleider vom Salz des Meeres etwas unangenehm zu tragen waren. In ihrer Kajüte fand sie eine schwarze knielange Hose, ein weißes Hemd und Schnürstiefel, welche sie anzog. Die Tätowierung an ihrem Knöchel war nun bestens zu erkennen, was ihrem Vater sicher nicht gefallen würde. Die langen Haare bändigte Elyse in einem Pferdeschwanz und legte sich ein rotes Tuch um den Kopf, wie es Jack wohl auch immer zu tragen gepflegt hatte, nur dass ihres schmäler war, wohl mehr dazu diente ihren Pony im Zaum zu halten. Ihren Degen legte sie wieder an, als wäre es selbstverständlich für sie, ihn an ihrer Seite baumeln zu lassen. Als sie wieder an die Sonne trat, wartete Gibbs bereits ungeduldig auf sie und er redete hastig auf Will ein. Die Curse hatte währenddessen an Fahrt verloren, was Elyse sehr wunderte. Das Hauptsegel war eingeholt worden ... sie hatte keinen Befehl dazu gegeben, sie waren doch auf den besten Weg gewesen, die Todesklippen zu erreichen! “Captain!” “Aye Mr. Gibbs!” “Unser Navigator ...” “Ihr meint sicher Barbossa.” “Aye Captain... Er hat von uns verlangt, an den Klippen entlang zu segeln!” “Ja und?” “Wisst Ihr um die Geschichten, die sich um diese Klippen ranken?” “Aye ... und ich sehe kein Problem darin, sie zu umschiffen.” “Kein Prombelm?! Captain ... niemand hat es je überlebt, die Todesklippen zu umfahren!” “Und wer sollte dann die ganzen Geschichten erzählen Mr. Gibbs? Ich habe es überlebt, Barbossa und wir werden es erneut überleben! Teilt die Mannschaft in zwei Gruppen ein, sie sollen im halbtäglichen Wechsel, Wache schieben. Lasst die Waffen nicht unbesetzt.” “Aye Captain!” “Wo ist Barbossa?” Gibbs zuckte mit den Schultern, was ihr wohl zeigen sollte, dass er es nicht wusste. “Ich übernehme mit dem Commodore, Mr. Turner und Tia Dalma die erste Schicht. Teilt mir noch ein paar Männer zu Mr. Gibbs. Das Kommando über den anderen Teil habt ihr, jedoch rate ich Euch, die navigatorischen Anweisungen von Barbossa zu befolgen. Wenn es Euch jedoch trotz allem seltsam vorkommt, verständigt mich.” Gibbs nickte und verschwand. Elyse machte sich auf die Suche nach Barbossa und fand ihn auf dem Krähennest. Lange war es her, dass sie sich selbst hier oben befunden hatte, doch bei ihrem Weg zurück vom Ende der Welt, war sie einst selbst der Späher gewesen. Ihr damaliger Captain hatte ihr den Spitznamen “Crow” verpasst, wofür sie ihn heute noch hasste. Geräuschlos ließ sie sich neben den alten Mann sinken, der seine blauen Augen sofort auf sie wandte. Er hatte gewusst, wenn jemand ihn finden würde, hier auf diesem Schiff, dann war es ganz sicher die junge Tochter des Commodores. Und er war nicht enttäuscht worden. Ihre Augen suchten nun die seinigen und was er darin sah, ließ ihn erschrecken. Sie hatte keine Angst, keine Furcht, dem Tod erneut zu trozen. Ganz anders als er ... Barbossa fürchtete nichts mehr, als erneut zu sterben und diesen Kampf nocheinmal aufnehmen zu müssen. Für keinen Schatz dieser oder der nächsten Welt, wollte er diese Erfahrung erneut machen. Doch auch Fragen drängten sich in ihrer grünen Iris, welche sie nur ihm stellen traute. “Habt ihr das Hauptsegel einholen lassen?” “Mr. Gibbs weigerte sich weiterzusegeln ... es schien mir angebracht zu warten, bis ihr die Situation erfasst hättet.” “Ich habe eine Frage an Euch. Wie kommt Ihr zu der Annahme, ich wäre in der Lage ein Piratenschiff zu führen? Ich war nur zweimal in meinem Leben auf See ... einmal bin ich gestorben, das andere Mal bin ich davor geflohen. Also ... warum?” “Ich zweifle nicht an deinen Fähigkeiten, wenn du das meinst ... nein, im Gegenteil, ich denke du bist durchaus in der Lage noch mehr Männer zu befehligen, als diese Handvoll dort unten. Sieh sie dir an Elyse ... ohne Führung sind sie nutzlos, nur ein Haufen Männer, der nicht weiß, was er tun soll ... na ja, nicht alle von ihnen ... der Commodore und Mr. Turner bilden die Ausnahme, aber der Rest? Ragetti und Pintell sind bereits unter meiner Flagge gesegelt und sie waren Idioten. Mr. Gibbs stand unter dem Kommando deines Vaters ...” “Woher wisst Ihr ...?” “Deine Augen und dein Auftreten Missy. Auch wenn du ihn nie gekannt hättest, du hast mehr von ihm, als du ahnst. Aber was ich dir sagen will ist, dass sie eine starke Hand brauchen und das was du mit Mr. Turner gemacht hast, war sehr klug. Zeig ihnen, wer hier das sagen hat. Es ist in keinster Weise leicht, doch du bist in der Lage und schaffst es.” “Ihr?” “Ich bin nur Zuschauer in diesem Schauspiel und warte auf meine Chance, erneut ein eigenes Schiff zu führen... bis dahin unterstehe ich deinem Kommando.” Elyse schloss ihre Augen. Das alles war so surreal. Je länger sie darüber nachdachte, umso mehr kamen ihr Zweifel, warum sie diese wahnsinnige Reise überhaupt angetreten war. Schön langsam glaubte sie wirklich, sie müsse sich selbst zerstören um überhaupt frei leben zu können. “Die vier Lords der Weltmeere müssen sich verbünden zu einem letzten Kampf ... für die Ehre der Piraten und ... für unsere Freiheit!” sprach Barbossa plötzlich leise. Vier Lords ... es gab nur noch drei. Mit Jack war der Vierte gestorben und er würde von den anderen nicht mehr anerkannt werden, wenn er wirklich zurückkehren sollte. Mohammed Abdul Rashid, herrschte im persischen Golf und im Mittelmeer. Sao Feng, der Schrecken des Pazifik und der Fluch von Singapur, seinem Heimathafens. Lars Ingström, herrschte über die Nord- und Ostsee, sowie dem Polarmeer. Jack hatte die Karibik beherrscht, doch niemand konnte sich bis jetzt dieses Titels mehr rühmen, außer ... “Ihr spracht von Vier Lords! Wer ist der Vierte, jetzt wo Jack nicht mehr lebt?” “Nun ... ich sagte, dass Sao Feng nur mit dir in Verhandlungen treten würde, es sind nur noch drei Lords und eine Lady.” “Ich?” “Ja, Tia Dalma ließ ihr ganzes Geschick spielen, um deine Geschichte zu verbreiten. Es gelang ihr ziemlich schnell und sie reiste um die ganze Welt, von einem Lord zum nächsten.” “Welche Geschichte?” “Die von deiner Überfahrt von London und deiner Flucht. Das ganze Krimskrams zwischendrin ließ sie aus und brachte dich erst wieder ins Spiel, als Davy Jones angegriffen wurde. Die Tochter seiner verlorenen Liebe seist du, hat sie gesagt. Ein wahres Märchen, findest du nicht?” “Ja, vermutlich. Entschuldige mich, aber ich muss meine Schicht jetzt antreten.” Die junge Frau erhob sich und kletterte zurück auf Deck. Sie ... die Tochter von Davy Jones verlorener Liebe. Wie sehr Tia Dalma wohl wusste, dass sie recht hatte? Es stimmte, Davy Jones hatte Claudia McLaughlin einst den Hof gemacht, bis ihre Eltern sie mit ihrem Vater verheiratet hatten. Sie gab Pintell und Ragetti das Kommando das Hauptsegel wieder zu hissen, damit sie wieder an Fahrt gewannen. Sie selbst kehrte zum Steuer zurück und übernahm es von Mr. Cotton. Der alte Mann schien nie müde zu werden, was Elyse doch sehr erstaunte. Gibbs und er mussten doch die ältesten Mitglieder ihrer Crew sein, doch zeigten sie nie ein Anzeichen von Müdigkeit. Sie war froh, solch tüchtige Männer an Bord zu haben, die ihr so viel Arbeit abnahmen, doch gleichzeitig hatte sie ein schlechtes Gewissen, sie in diese Lage zu bringen. Sie gewannen an Fahrt und holten die verlorene Zeit schnell wieder auf. Bei Sonnenuntergang erreichten sie die ersten Ausläufer der Todesklippen, die sich am Nachmittag nur als schwache Schemen am Horizont abgezeichnet hatten. Sie gab den Befehl, die Augen offen zu halten, die Kanonen zu besetzen und sich so ruhig wie möglich zu verhalten. Die Menschen, die hier lebten waren mehr mit Dämonen zu vergleichen, sie töteten wahrlos und ergötzten sich an den Leichen der Toten. Manchmal pflegten sie sie auch zu schänden. Elyse führte die Curse mit ruhiger Hand und ein stetiger, doch sanfter Wind trieb sie an den Klippen entlang. Es war bereits kurz vor Mitternacht, als die junge Frau am liebsten aufgeschrien hätte, zu Tode erschreckt, von der kalten Hand, die sie an der Schulter berührt hatte. “Schht Elyse, ich bins nur!” Einzig keuchte sie erschrocken auf, als sie nun Tia Dalmas Stimme vernahm. Die Frau hatte schon immer einen Hang zum dramatischen gahabt, wie Elyse fand. Auch als sie noch in den Diensten ihrer Mutter gestanden hatte. “Was ist Tia Dalma?” “Nichts, ich wollte nur sehen, wie es dir geht. Aber anscheinend habe ich dich erschreckt, das tut mir Leid.” “Was musst du dich auch so anschleichen. Fast hätte ich gedacht, einer dieser verfluchten Dämonen hätte sich auf die Curse gewagt.” “Sie beobachten uns ... ich sehe ihre gierigen roten Augen, in den schwarzen Frazen ... ich kann ihren Durst nach Blut förmlich spüren ... aber sie haben Respekt ...” “Vor was?” “Vor denjenigen, die es wagen, ihr Land ein zweites Mal zu durchqueren! Ich denke nicht, dass sie uns Schwierigkeiten machen werden. Doch sollten wir wachsam sein.” Elyse nickte schweigend. Es waren keine weiteren Worte nötig ... Tia Dalma hatte sie beruhigt, wie schon so oft. Erneut trug die Dunkelhäutige ein wunderbares Kleid, das ihre Figur und ihre Autorität betonte. Manchmal wünschte sich Elyse, in solchen Kleidern auch so zu wirken. Doch bei ihr bewirkte es oft das Gegenteil, sie wurde beschützt und bemuttert, was sie nicht wollte. Leise Schritte kamen nun die Stufen nach oben und wenige Augenblicke später betrat William die Kommandobrücke. Er schenkte den beiden Frauen ein freundliches Lächeln und entzündete die Laternen, die hier aufgehängt waren. Wenigstens das bisschen Licht vermochte die Dunkelheit zu vertreiben, die das Schiff umgab, da der Mond völlig von Wolken verhangen war. Kein gutes Zeichen wie Elyse fand. Doch die nächsten Stunden verliefen ruhig, die Curse kam zügig voran und als Elyse schon glaubte, sie hätten das Ende der Klippen erreicht, ragte vor ihnen plötzlich ein gewaltiges Schiff auf. Eilig gab die junge Frau das Kommando, die Segel einzuholen und dem Schiff die Fahrt zu nehmen, um den unvermeidlichen Zusammenstoß zu vermeiden. Es gelang ihnen nur knapp und einige der Piraten bemerkten die Enterhaken, die plötzlich überall auftauchten, sich an ihrem Schiff festkrallten. “Alle Mann auf Gefächtsstation! Wartet auf mein Kommando! Mr. Cotton übernehmen Sie das Steuer!” Elyse verliess eiligst die Kommandobrücke und gesellte sich zu Tia Dalma, Barbossa, Will und ihrem Vater. Der alte Pirat stand an der Spitze der Fünf und wartete auf das Ankommen ihrer Gäste. Es dauerte nicht lange, bis verhüllte Gestalten die Curse betraten und sie umstellten. Elyse erkannte die filligrane Arbeitsweise ihrer Waffen. Die harten Klingen, die selbst ohne Licht schimmerten, die meist bis zu einem Meter langen Klingen ... ihr größter Wiedersacher! Die Umstellten teilten sich an einer Seite des Kreises, eine weitere Gestallt betrat diesen, ebenso verhüllt wie die anderen. Er trat vor Barbossa und nahm die Kapuze ab ... Sao Feng. “Wen haben wir denn hier ... auf dem Weg ans Ende der Welt? Captain Babossa und seine kleine Crew von Versagern?” sprach er in perfektem Englisch. “Wohl kaum Sao Feng ... dies hier ist nicht mein Schiff, nicht meine Crew, ich bin jeglich ein Mitglied dieser “Versager”, wie Ihr uns nanntet.” “So so ... wo ist euer Captain! Ich will ihn sprechen ... sofort!” “Ich denke, dass sie nicht gewillt ist, mit Euch zu sprechen!” antwortete Tia Dalma. “Eine Frau ... Miss McLaughlin, wenn ich nicht irre. Wo ist sie?” Elyse trat vor und sah dem Asiaten fest in die dunklen Augen. Ein leichtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. “Ah hier seid ihr ja, Captain McLaughlin.” “Norrington ... Captain Norrington, ich bestehe darauf Sao Feng. Ich will schließlich meiner Familie nicht untreu werden! Was ist Euer Begehr?” “Ihr segelt in Gewässern, die ihr nie hättet betreten sollen!” “Es ist unumgänglich für unsere Reise ... wir müssen hier durch! Was verlangt Ihr von mir und meiner Crew ... Captain?” “Was ich von Euch verlange? Eine gute und berechtigte Frage ... ich verlange nur eines, legte Euren Titel als Lady der Weltmeere ab und ihr könnt hier durchsegeln, ohne irgendwelche Schwierigkeiten.” “Ihr wisst, was Ihr von mir verlangt? ... In meiner Kajüte, nur wir beide ... ich denke eine kleine Unterredung würde vieles aufklären. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt Captain?” Sao Feng nahm ihre Einladung mit einem Kopfnicken an. Die junge Frau entfernte sich von dem Teil ihrer Mannschaft, bei dem sie gestanden hatte, gleich den Weg zu ihrer Kabine einschlagend. Sao Feng folgte ihr in einem gewissen Abstand, als wollte er für seine Sicherheit sorgen, falls Elyse einen hinterhältigen Angriff starten würde. Oh ja, der Gedanke war ihr bereits gekommen, ihm einfach den Degen ins Herz zu rammen, doch was würde ihr das bringen? Eine wütende Mannschaft voller Asiaten, ein paar Probleme mehr und vor allem keinen Spaß. Schnell öffnete sie die Tür und ließ dem Mann den Vortritt. Vorsichtig schloss sie diese auch wieder, als sie sich beide in dem Raum befanden. Sie deutete Sao Feng, platz zu nehmen, was er auch tat. Elyse jedoch blieb in der Türe stehen und beäugte den Asiaten skeptisch. Dieser Mann also hatte Williams Verlobte entführt, sehr seltsam ... vor allem was brachte ihm dieses Mädchen? “Nun Miss Norrington, ich weiß was ich von Euch verlange! Schließlich bin ich nicht den ganzen weiten Weg hierher gesegelt, um mit Euch Tee zu trinken. Legt den Titel ab und Euch und Eurer Mannschaft wird nichts geschehen.” Ein siegessicheres Lächeln umspielte die Lippen des Mannes. Er glaubte jetzt schon, gewonnen zu haben? “Was von den Geschichte, die man über mich erzählt habt Ihr nicht geglaubt Captain? Den, dass ich bereits einmal hier gewesen bin? Das Davy Jones der Verehrer meiner Mutter war? Was hat Euch dazu veranlasst, mich bis hierher zu verfolgen?” “Wohl war ... es war die Geschichte mit Eurer Mutter. Wie könnte ein Monster wie Davy Jones in der Lage sein, eine solch edle Lady zu lieben, wie es Eure Mutter zu sein schien? Sie heiratete schließlich den ehemaligen Commodore von Port Royal.” “Habt Ihr Euch nie gefragt, wer oder was der Grund war, warum er sich das Herz aus der Brust geschnitten hat? Eine verlorene Liebe war es ... und es ist die Wahrheit, es war meine Mutter. Mit ihrer Hochzeit, wollte er nicht mehr leben und verschrieb sich der See und mit ihrem Tod starb ein Teil von ihm. Fragt Jack Sparrow, er weiß wo sich die Truhe befindet, in der sein Herz aufbewahrt worden war.” “Jack Sparrow ist tot ...” “Und doch ist er es, den Ihr begehrt! Zu diesem Zweck habt Ihr auch die junge Verlobte von William Turner entführt nicht wahr? Um einen Tauschhandel vorzuschlagen ... und ich wäre einverstanden, wenn ich Sparrow nicht selbst brauchen würde. Für mich ist er mehr wert, als dieses Mädchen.” “Sie verlangt freigelassen zu werden.” “Dann lasst sie frei. Sie ist kein Mitglied meiner Crew, ich sehe mich nicht als Verantwortliche für sie. Sie war es, die Jack Sparrow in den Tod schickte und ich bin mir sicher, sie würde es wieder tun.” “Für was benötigt Ihr Jack Sparrow Miss Norrington? Um mit ihm das Bett zu teilen? Die Welt zu erobern?” “Ich brauche Jack und sein Schiff. Die Pearl ist das schnellste Schiff in der Karibik ... ich habe geschworen, Rache an denen zu nehmen, die meine Mutter getötet haben und das heißt, ich muss die Flying Dutchman einholen, um an ihren Befehlshaber zu kommen!” “Ihr wollt Jones töten?” “Nicht Jones ... Sein Herz befindet sich nicht mehr länger in der Truhe. Lord Cuttler Beckett hält es in seinen Häden und ich werde nicht Ruhen, bis ich es nicht wieder an seinem Platz weiß. Ihr versteht das sicher, nicht wahr Captain?” Sao Feng schwieg. Er hatte seinen Kopf auf die verschränkten Hände gestüzt und schien zu überleben, über die Worte einer solch jungen Frau, wie sie es war, nachzudenken. Die Augen hatte er geschlossen, sodass sie keine Reaktionen ablesen konnte. Ein stürmisches Klopfen an der Tür, ließ Elyse den Blick von Sao Feng abwenden. Es waren ihr Vater und William Turner, die eintraten. Der junge Mann schien äußerst wütend zu sein, den Ausdruck ihres Vaters konnte sie nicht deuten. Der ehemalige Commodore winkte Elyse zu sich. Sie trat zu den beiden Männern, ohne den fremden Captain aus den Augen zu lassen. Ihr Vater flüsterte ihr etwas ins Ohr und sie sah ihn entsetzt an. Das konnte nicht ihr Ernst sein! Er wollte sich für diese Verlobte eintauschen? Das würde sie nicht zulassen. Sie hatte ihn erst einen Tag lang zurück und wollte ihn nicht jetzt schon wieder hergeben. Nie im Leben. “Captain?” “Nein ... du bleibst an Bord der Curse und du auch Will! Keiner wird dieses Schiff ohne meine Zustimmung verlassen! Schon gar nicht als Geisel!” flüsterte sie wütend. “Aber ...” “Ich sagte nein!” “Sie ist seine Verlobte!” “Ich werde sie gehen lassen! Sie macht mir sowieso nichts anderes als Scherereien! Sie haben sich eine stürmische Liebe ausgesucht junger Mann, passen Sie auf, dass sie nicht weggeweht wird!” Sao Feng hatte sich erhoben und war hinter Elyse getreten. Ihn jetzt so aus der Nähe zu betrachten, warf ein ganz anderes Licht auf ihn. Seine dunklen Augen sahen einsam aus, er selbst war nicht größer als die junge Frau und er wirkte schmächtig. Die Narben die sein Gesicht zierten, gaben ihm jedoch etwas grausames und hartes. “Miss Norrington, meine Hochachtung. Meine Herren, wenn sie mich nun durchlassen würden.” “Captain!” “Ja ... Miss?” “Ich möchte, dass Ihr und Eure Mannschaft euch uns anschließt, wenn wir je von dieser Reise zurückkommen. Es ist ein aussichtsloser Kampf, doch wir möchten ihn bestreiten, egal zu welchem Ende es für die Piraterie führen wird. Wir wollen nicht ohne ein letztes Aufbäumen untergehen.” “Ich bin mir nicht sicher, Miss Norrington, zu welchem Ende es mich geleiten wird, doch ich werde an Eurer Seite stehen, dass ist sicher. Ihr habt mehr Mut, als die anderen Lords ihn je haben werden. Ich werde da sein, wenn ihr mich braucht ... Ich sende Miss Swann zurück auf Euer Schiff.” Elyse nickte und der Captain verließ die Kajüte, anschließend mit seiner Crew die Curse. Elyse trat wieder auf das Deck und sah sich in ihrer Mannschaft um. Unglauben spiegelte sich in den meisten Gesichtern wieder. Niemand wollte glauben, konnte glauben, dass Sao Feng sich kampflos wieder zurückzog. Schweigend verfolgten sie den Rückzug und waren noch mehr erstaunt, als eine asiatisch gekleidete Elisabeth Swann auf ihr Schiff zurückkehrte. Überglücklich lief sie zu ihrem Verlobten, welcher sie auch freudig in die Arme schloss. Ihr Blick wandte sich dann von Will, auf James und schließlich auf die junge Frau, die noch immer im Schatten der Tür stand. Elisabeth bemerkte nur das gefährliche funkeln in den grünen Augen, bevor sich die Tür zur Kajüte wieder schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)