Verzweiflung, Trauer und ein klein wenig Hoffnung von Kyo-chi ================================================================================ Kapitel 1: Komm zurück, ich vermisse dich ----------------------------------------- Seufzend setzte er sich auf seine Couch, ließ seinen Blick durch das mit orangenem Sonnenlicht geflutete Zimmer schweifen. Die Sonne ging langsam unter und tauchte jede einzelne Stelle des Raumes in ein angenehmes Orange. Einzig vor ihm war es grau, da er selbst die Sonne daran hinderte dort hin zu scheinen. Er zog an seiner Zigarette, drückte sie jedoch nach wenigen Momenten in seinem schwarzen Aschenbecher aus, seufzte erneut. Wie schön es wäre, wenn du wieder hier wärst. Wenn du mich, wie sonst immer, bei meinem Spitznamen nennst, den du dir selbst vor einigen Jahren ausgedacht hast. Ausgedacht war jetzt etwas übertrieben, wie er feststellen musste. Sein Freund hatte einfach die ersten drei Buchstaben seines richtigen Namens verwendet und ihn so tagtäglich gerufen. Nicht, wie all die anderen, die immer nur seinen Künstlernamen verwendeten. Wie lange hab ich deine wunderschöne Stimme nicht mehr gehört? Einen Monat? Zwei? Nein, es ist schon viel länger her. Fünf Monate, drei Wochen, sechs Tage, neun Stunden, fünfundvierzig Minuten und... zwölf Sekunden, um genau zu sein. Fast sechs Monate in denen er nur in seinem Zimmer gehockt hatte, darauf gewartet hatte, dass sein bester Freund wieder zurückkam. Aber dem war nicht so. Zwar hatten seine Freunde versucht ihn zu trösten, ihn über diese Zeit hinwegzuhelfen, aber es hatte nicht funktioniert. Jede Minute... nein, jede Sekunde hatte er an ihn denken müssen. Ich vermisse dich so sehr. Warum kommst du nicht wieder? Was hab ich getan, dass du mir nicht einmal gesagt hast, warum du gehst? Wie soll ich dich finden, wenn ich nicht weiß, wo du bist? Oder soll ich das gar nicht? Er seufzte erneut, dieses mal klang es traurig. Er erhob sich schließlich wieder von seiner Couch, ging langsam zu seinem großen Panoramafenster, welches er sich vor einiger Zeit zugelegt hatte. Er blickte nach draußen, betrachtete die vielen Autos, die in der Dämmerung alle orangerot funkelten. Du hast es immer geliebt hier zu stehen, tagsüber die Menschen zu beobachten, die ihren Beschäftigungen nachgingen und nachts die vielen Autos zu betrachten, die mit ihren Lichtern wieder einigermaßen die Stadt erhellten. Das große Fenster, welches seit einem knappen dreiviertel Jahr seine kleine, bescheidene Wohnung zierte, hatte er extra für seinen Freund gekauft. Damit er, wenn er hier zu Besuch war, was eigentlich fast jeden Tag vorkam, die Welt außerhalb der vier Wände betrachten konnte. Denn meist mussten sie drinnen bleiben, da sein Freund oft unter Depressionen litt und jedem drohte, der ihm zu nah kam. Nur bei mir warst du immer friedlich, hast fast alles mit dir machen lassen. Ich durfte dich anfassen, umarmen und gelegentlich sogar einen Kuss auf deinen Haarschopf hauchen. Du hast es dir immer gefallen lassen. Nicht einmal Kaoru und die zwei Kleinen durften das, nur ich. Umso mehr verwunderte es ihn, dass er damals, vor knapp sechs Monaten, der Einzige gewesen war, der nichts davon gewusst hatte, dass sein bester Freund weggegangen war. Allen hatte er es gesagt, nur ihm nicht. Er durfte es durch die drei anderen erfahren, die ihn erst einmal verwundert angesehen hatten. Sie selbst wussten nicht, dass der Blondschopf es ihm nicht erzählt hatte. Immerhin waren die Zwei beste Freunde und erzählten sich alles. Warum hast du es mir nicht gesagt? Ich hätte doch gern gewusst, wo du hin verschwunden bist, warum du mich hier allein gelassen hast. Nicht einmal Kaoru, unser Leader, der normalerweise alles weiß, konnte es mir sagen. Nicht einmal ihm hast du es verraten. Tränen bildeten sich in seinen Augen, doch er versuchte sie zu unterdrücken. Zu oft hatte er in den letzten Wochen, Monaten geweint. Stundenlang, manchmal sogar über Tage hinweg. Doch er wollte stark sein. Nur dieses eine Mal. Und doch... irgendwann tropften die ersten Tränen von seinem Gesicht. Schon wieder. Schon wieder weine ich wegen dir. Wenn du nicht bald zurückkommst, drehe ich noch durch. Ich will dich wieder hier haben, bei mir. Dich umarmen können. Mit dir reden und dir ab und zu ein Lachen entlocken, das mein Herz jedes Mal aufs Neue erwärmt. Er wandte seinen Blick von den vielen Lichtern der Autos ab, die ihn ab und zu blendeten, schaute nur noch einmal kurz in den nun schon dunklen Himmel. Er betrachtete die Sterne, die heute so schon leuchteten, den Mond. Dann wandte er sich ganz ab, verließ den Raum, um vielleicht noch einige Stunden Schlaf zu finden. Kapitel 2: Auch wenn du mich hasst: Es tut mir leid --------------------------------------------------- Mit einem tiefen Seufzen, welches zugleich Unmut und Angst widerspiegelte, schob er seine letzte Tasche in den kleinen Wagen, in welchem schon seine drei anderen Reisetaschen verstaut waren. Danach schloss er den Kofferraum, hängte sich seine Umhängetasche, die noch immer auf dem kalten Betonboden lag, um und drehte er sich noch einmal herum, betrachtete das große Gebäude hinter sich. Es war schön hier, so relativ. Jedenfalls schöner, als ich es mir vorgestellt hatte. Alle waren nett zu mir und haben sich wirklich um mich gekümmert. Aber es wird Zeit von hier zu verschwinden. Er stieg in das Auto ein und ließ sich auf der Rückbank nieder, rutschte so tief in die Sitze, wie es nur ging. Kurz bevor der Fahrer den Motor startete, blickte der kleine Schwarzhaarige noch einmal zu diesem, nannte ihm nach wenigen Sekunden die Adresse, zu der er wollte. Der Fahrer nickte lediglich, fuhr schließlich los. Was du wohl sagen wirst, wenn ich wieder zurückkomme? Sicher hasst du mich jetzt. Immerhin habe ich dich einfach zurückgelassen und nichts gesagt. Nur den anderen. Aber dir, meinen besten Freund, habe ich gar nichts gesagt, bin einfach abgehauen. Was war er doch für ein Ekel. Nicht ein Sterbenswörtchen war vor fast sechs Monaten über seine Lippen gekommen. Auch nicht, als er sich von seinem Freund verabschiedet hatte, ihm einen kurzen Kuss auf die Wange gehaucht hatte. Und auch nicht, als der Rotschopf ihn mit den Worten „Bis morgen“ verabschiedete. Er biss sich auf die Unterlippe. Ich bin so dumm. Warum hab ich dir nur nichts gesagt? Ja, warum... Weil ich nicht wollte, dass du mir folgst, dass du mich in einem so erbärmlichen Zustand siehst. Es hat schon gereicht, dass du von den Depressionen wusstest. DAS musste ich dir nicht auch noch sagen. Er blickte aus dem Fenster, betrachtete den dunkelroten Himmel und die Sonne, die langsam vom Horizont verschwand. Wie er diesen Anblick doch liebte. Mit seinem Freund hatte er immer die Sonnenunter- und Sonnenaufgänge betrachtet. Nicht jeden Tag, aber so oft es ging. In den letzten Monaten konnte ich das nicht. Und ob du weiterhin jeden Morgen früh aufgestanden bist, um die Aufgänge zu betrachten? Ich denke eher nicht. Das würde dich nur an mich erinnern und das wolltest du sicher nicht. Nachdem ich einfach so weggegangen bin, hasst du mich sowieso. Er blickte auf seine Uhr. Noch eine Viertelstunde, dann würde er wieder zu Hause sein. Jedoch nicht bei sich, sondern bei seinem besten Freund. Oder besser: ehemals besten Freund. Er wollte ihn als Ersten besuchen, sich entschuldigen und hoffen, dass er ihm verzeihte. Auch, wenn er dies nicht glaubte. Er hatte ihn verletzt und das nicht nur einmal. Schon früher hab ich dir nur Ärger bereitet und öfters meine Depressionen an dir ausgelassen. Du hast zwar immer so getan, als würde es dich nicht stören, mich beruhigt und später umarmt, aber das war auch nur geheuchelt. Du kannst mir nicht weißmachen, dass es dich nicht gestört hat. Er wuschelte sich kurz durch seine schwarzen Haare, versuchte sie wieder ein wenig zu richten. Vorhin hatte er kaum Zeit dafür gehabt. Anschließend konzentrierte er sich wieder auf alles, was neben dem Auto geschah. Er betrachtete die anderen Autos, die von ihnen überholt wurden, die vielen Bäume am Straßenrand und den Himmel, der sich langsam dunkelblau färbte. Hoffentlich bist du noch wach, sonst muss ich es mir bis morgen im Wohnzimmer auf der Couch gemütlich machen. Und dir werde ich einen Schock für dein ganzes Leben verpassen, wenn du aufstehst und mich siehst. Er schaute erneut auf seine Uhr. Gleich war er wieder zu Hause, in seinem wirklichen Zuhause. Nicht bei sich, sondern bei seinem Freund. Schon hielt der Wagen an und der Fahrer und er stiegen aus. Für einen Moment tat er gar nichts, außer den Wohnblock vor sich zu mustern, den er mit so viel Gutem verband. Doch schließlich wandte er sich ab, trug zusammen mit dem Fahrer die ganzen Taschen in den zweiten Stock. Ich weiß, du wirst mir nicht verzeihen, aber es tut mir wirklich leid. Ich hätte es dir vielleicht doch sagen sollen. Du hast bestimmt nur von den anderen erfahren, dass ich weggegangen bin und warst danach unendlich verletzt und traurig. Aber jetzt ist es eh zu spät. Nun bin ich wieder da. Er drückte dem Fahrer sein letztes Geld, welches er sich aufgehoben hatte, in die Hand. Der Mann zählte es schnell durch, verschwand danach mit einem glücklichen Lächeln. Er jedoch griff nach dem Zweitschlüssel, den er immer bei sich trug, schloss leise auf und betrat die Wohnung. Kapitel 3: Ich hätte es wissen müssen ------------------------------------- Er schaltete das Licht an und stellte seine Taschen einfach in den Flur. Erst drei nebeneinander, die andere schließlich obendrauf. Anschließend schmiss er noch seine Umhängetasche dazu. Er hoffte, dass sie eine Weile so stehen bleiben würden und nicht ineinander rutschten. Aber auch, wenn dies passierte, war es ihm egal. Heute würde eh niemand mehr hier lang laufen. Es sei denn Daisuke war noch unterwegs und hielt die ganzen Bars, die es in der Stadt gab, am Laufen. Denn das tat er, wie Tooru wusste, sehr oft und sicher hatte sich daran auch nichts geändert. Vielleicht besuchte er sie jetzt sogar öfter und hatte schon eine Urkunde oder derartiges dafür erhalten, das er die Bars am Leben erhielt. Aber darüber sollte er sich nicht lustig machen. Denn wenn dem so wäre, war es ja seine Schuld. Er war einfach verschwunden und hatte den rothaarigen Gitarristen in ein tiefes Loch gestürzt. Jedenfalls hoffte er das. Nicht, dass es ihm gefiel, dass es Dai so schlecht ging, aber so konnte er sich sicher sein, dass der Ältere ihn noch mochte. Auch, wenn er dies stark bezweifelte. Als er sich von diesen seltsamen Gedanken losriss, zog er auch endlich seine Jacke und seine Stiefel aus. Er stellte die Stiefel ordentlich neben die vielen Schuhe von Daisuke und seine dünne, schwarze Jacke hängte er neben die dutzenden Mäntel seines Freundes. Danach ging er durch den Flur, öffnete leise die Tür zum Wohnzimmer, in welches er auch eintrat. Er ließ die Tür einfach offen stehen und als er weiter in den nur vom Mondlicht beleuchteten Raum trat, musste er feststellen, dass der Rotschopf nicht hier war. Die Couch war leer, der Sessel ebenso. In der kleinen Sitzecke rechts neben der Tür saß auch niemand und an dem großen Fenster, an welchem sie früher immer gemeinsam standen, war auch niemand. Er seufzte leise. Er hätte sich denken können, dass Daisuke schon schlief. Den Gedanken, dass der Gitarrist noch unterwegs war, hatte sich eben schon nicht bestätigt, als Tooru sich seine Jacke und Stiefel ausgezogen hatte. Denn die Lieblingsjacke des Größeren hing an einem der Haken und ohne diese verließ Dai nie die Wohnung. Egal wie warm oder kalt es draußen war. Er schritt nun zu dem Panoramafenster, stellte sich so dicht davor, dass sein Atem die Scheibe beschlagen ließ. Er legte seine rechte Hand an das kühle Glas, strich leicht darüber. Doch als er genug von den nur noch wenig befahrenen Straßen hatte, löste er sich von der Glasscheibe, drehte sich um und ging wieder durch den Raum. An der Couch angekommen, ließ er sich auf dieser nieder, überschlug seine Beine und betrachtete den Tisch vor sich. Irgendwie sah noch alles aus, wie vor sechs Monaten. Der Aschebecher stand noch am selben Fleck, die Zeitschrift, die Tooru selbst auf den Tisch gelegt hatte, lag noch immer darauf - unangerührt. Und auch die vielen anderen Dinge, wie zum Beispiel der Strauß aus unechten, weißen Lilien, standen noch immer an Ort und Stelle wie damals. Hatte Dai überhaupt nichts mehr hier angerührt? War er überhaupt noch einmal in diesem Zimmer gewesen? Der Sänger nickte, um seine Gedanken zu bejahen. Die Zigarettenstummel in dem Aschenbecher waren auf jeden Fall neu. Also war der Rothaarige hier gewesen, hatte stillschweigend geraucht, sonst allerdings nichts angerührt. Weder hatte er auch nur einmal in die Zeitschrift hineingeschaut, noch hatte er die vielen anderen Gegenstände angerührt. Er war wohl nur in dieses Zimmer gekommen, um sich eine Zigarette anzuzünden, diese dann genüsslich zu rauchen und schließlich wieder das Wohnzimmer zu verlassen. Doch als der Schwarzhaarige seinen Blick über die Couch, auf der er gerade saß, schweifen ließ, bemerkte er, dass dem nicht so war. Die schwarze Decke, die Dai immer auf seiner weißen Couch liegen hatte, damit sie nicht allzu dreckig wurde, war mehr als nur verrutscht. Dort, wo Tooru saß, lag schon gar keine Decke mehr, sondern er saß auf dem weißen, weichen Stoff. Die Decke war zu Boden gerutscht und nur noch ein Stück von ihr verdeckte den edlen Stoff der Couch. Also hatte der Rotschopf öfters hier gelegen, sich vermutlich Gedanken darüber gemacht, wann der Sänger wieder kam, sich am Ende noch die Augen aus dem Kopf geheult. Doch irgendwie konnte Tooru sich das nicht so recht vorstellen, weshalb er auch seinen Kopf schüttelte. Wahrscheinlich hatte Dai hier gelegen und sich ausgedacht, wie er ihn am besten bestrafen konnte, weil er ihn ein halbes Jahr allein gelassen hatte. Und sicher war er auch auf eine Idee gekommen ihm alles heimzuzahlen. Wieder schüttelte er den Kopf. Auch das konnte er sich nicht vorstellen. Dai war ein gutmütiger Mensch, der sich wirklich nur selten aufregte. Man musste seine Nerven schon arg strapazieren, damit er lauter wurde und einen anschrie. Und das hatte Tooru sogar öfters hinbekommen. Nicht, weil er ihn so genervt hatte, sondern einfach nur, weil er zu nichts Lust gehabt hatte. Daisuke hatte ihm immer so viel vorgeschlagen, zum Beispiel, was sie tun könnten, aber jedes Mal hatte der Jüngere nur mit den Kopf geschüttelt oder überhaupt nicht reagiert. Und manchmal hatte er Dai so weit getrieben, dass er wütend geworden war, ihn angeschrieen hatte. Jedoch war er nur einige Minuten böse, dann kam er meist wieder angekrochen und hatte sich entschuldigt. Tooru hatte ihn dabei nur mild angelächelt, beteuert, dass es seine eigene Schuld war, was ja auch stimmte. Er hatte ja nie Lust geäußert irgendetwas zu tun. Und nachdem sie sich wieder vertragen hatten, hatten sie sich meist vor das Fenster im Wohnzimmer gestellt, welches der Gitarrist irgendwann gegen das Panoramafenster ausgetauscht hatte, und die Welt außerhalb beobachtet. Aber das war schon lange her und sicher würde es auch nicht mehr so werden, wie zu dieser Zeit. Er hatte es kaputt gemacht, alles zerstört. Wieder entrann ihm ein Seufzen und er zog eine Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche, nahm sich einen der Glimmstängel und zündete ihn an. Er zog genießend daran, setzte sich dabei breitbeinig hin und lehnte sich ein wenig nach vorne. Er blätterte gelangweilt in der Zeitschrift, in der ein Interview über sie drin stand. Er las sich einige der Textpassagen durch, musste unwillkürlich lächeln, als er Dai's Foto sah und er neben ihm. Nur sie Zwei waren auf diesem Foto und er wusste noch genau, wie aufgeregt er damals gewesen war. Und das, obwohl sie nur nebeneinander saßen. Schließlich schlug er die Zeitschrift wieder zu und drückte seine Zigarette in dem Aschenbecher aus. Er lehnte sich wieder leicht zurück, schloss müde die Augen. Gerade als er sich ein wenig hinlegen wollte, vernahm er plötzlich eine Stimme. „Tooru...?“, hauchte sie leise und er öffnete abrupt seine Augen, blickte auf die Person, die im Türrahmen stand. Kapitel 4: Erinnerungen an dich ------------------------------- Dai lag schon einige Minuten in seinem Bett und versuchte zu schlafen. Jedoch gelang es ihm nicht. Er drehte sich immer wieder von einer Seite zur anderen, mummelte sich tiefer in die Decke, damit die Kälte nicht zu sehr an ihm riss. Denn er hatte sein Fenster offen gelassen, damit endlich einmal frische Luft in seine Wohnung kam. Nur war es Mitte Oktober und nicht gerade warm. Dazu kam, dass es eine sternklare Nacht war und diese waren ja bekanntlich noch kälter als Nächte, in denen kein Stern zu sehen war. Er drehte sich erneut um, hielt seine Augen dabei geschlossen. Am besten nicht mehr öffnen, das half sicher. Wenn er sie öffnete würde er wieder in das helle Mondlicht blicken, da er mit seinem Gesicht genau in Richtung Fenster lag. Das Licht würde ihm sicher auch nicht helfen besser zu schlafen. Eher im Gegenteil. Wahrscheinlich wäre er dann munterer, als er es jetzt gerade war und das wollte er nicht. Er wollte schlafen, einfach nur mal eine Nacht durchschlafen. Schon lange hatte er das nicht mehr gekonnt. Um genau zu sein, seit Tooru weg war. Und falls er wirklich einmal einige Stunden durchgeschlafen haben sollte, lag das meistens daran, dass er so erschöpft war, weil er die Tage und Nächte davor nur geweint hatte und nicht schlafen konnte. Also an richtigen und erholsamen Schlaf war nicht zu denken. Als er sich schließlich erneut umdrehte, versuchte er es mit Schäfchenzählen. Er stellte sie sich bildlich vor, wie sie langsam, eines nach dem anderen, über einen kleinen braunen Zaun sprangen, dabei leise Geräusche von sich gaben. Erst ein weißes Schaf, dann ein schwarzes, danach wieder ein weißes. So ging es einige Zeit lang, bis er bei dreiunddreißig ankam. Denn genau dieses Schaf war weder weiß noch schwarz. Es war gelb! Oder eher gesagt blond, wenn man von einer Haarfarbe ausging. Er schreckte auf, raufte sich kurz seine feuerroten Haare, bevor er sich wieder zurückfallen ließ und versuchte sich zu beruhigen. Jetzt dachte er schon beim Schäfchenzählen an Tooru. Wie weit war es schon mit ihm gekommen? Was hatte bitte ein Schaf, was der Sänger hatte? Blonde Haare, in diesem Fall. Aber deshalb sah ein Schaf noch lange nicht aus wie er. Er knurrte leise, doch verstummte er sofort, als er ein Geräusch vernahm. Es klang, als würde seine Haustür aufgeschlossen. Als würde jemand eintreten, irgendetwas ablegen und schließlich in einem anderen Zimmer verschwinden. Doch das konnte nicht real sein. Wer bitte sollte in seine Wohnung kommen? Niemand hatte einen Schlüssel. Nur der kleine Blonde besaß einen. Doch er konnte nicht wieder da sein. Und selbst wenn, was sollte er bitte hier? Warum sollte er zu Dai kommen? Zu demjenigen, den er noch nicht einmal erzählt hatte, wo er hingegangen war? Er stöhnte genervt auf, vergrub sich wieder tiefer in seiner Decke und versuchte nicht mehr daran zu denken. Jetzt halluzinierte er schon, oder wie sollte er sich das erklären? Niemand konnte einfach so in seine Wohnung ohne Schlüssel. Und ein Einbrecher würde nicht gerade hier einbrechen. Hier, in einem der heruntergekommensten Wohnblöcke, die es in der Gegend gab. Nicht, dass Dai es störte, dass er hier wohnen musste. Er hatte sich damals, vor gut drei Jahren, als er mit zwanzig von zu Hause ausgezogen war, diese Wohnung ausgesucht. Und das nicht, weil sie so billig war - gut, deswegen auch -, hauptsächlich wegen dem tollen Ausblick. Eigentlich hatte er sich ja vorgenommen gehabt hier auszuziehen, wenn er genügend Geld hatte, was schon nach einem Jahr der Fall gewesen war. Allerdings gab es ja noch Tooru, der die Wohnung so sehr liebte, vor allem den tollen Ausblick. Der Blondschopf war damals überglücklich gewesen, als Daisuke von zu Hause ausgezogen war. Denn Dai's Eltern konnten den Kleineren nicht leiden. Weil er eben anders war, unter Stimmungsschwankungen litt und auch Depressionen ihn ab und an heimsuchten. Ohne Daisuke's nervige Eltern, ging es dem Sänger sogar besser und er besuchte den Rotschopf fast täglich. Bei diesen Gedanken, Erinnerungen musste Dai leise seufzen. Er kannte Tooru nun seit fast vier Jahren. Er hatte ihn damals mit den anderen kennengelernt. Der Blonde saß allein auf einer Parkbank und irgendwelche Spinner fanden es lustig ihn mit allen möglichen Sachen zu bewerfen. Dreck, Müll und was sie noch so fanden. Tooru hatte sich nicht gewehrt, saß nur total verstört auf der Bank und hatte es über sich ergehen lassen. Kaoru, Toshiya und Shinya hatten nur zugesehen, doch Dai war zu ihm gegangen, hatte ihm geholfen. Schließlich hatte er ihn von dem ganzen Dreck befreit und ihn in den Arm genommen. Der Kleine hatte gezittert wie Espenlaub, obwohl es Mitte August und nicht gerade kalt gewesen war. Nachdem er sich von seinen Freunden verabschiedet hatte, hatte er ihn mit zu sich genommen, ihn etwas aufgewärmt und ausgefragt. Zwar dauerte es einige Zeit, aber irgendwann antwortete Tooru ihm, wenn es auch nicht viel war. Die war damals noch achtzehn gewesen, der Kleine gerade mal fünfzehn. Doch das hatte ihn wenig gestört und Tooru scheinbar auch nicht, denn nach einiger Zeit wurden sie beste Freunde. Er riss sich von seinen Erinnerungen los, wollte einfach nicht mehr daran denken und erhob sich, schaute sich ein wenig im Raum um. Es war wirklich recht hell. Und das verdankte er dem Mond, der mal wieder Lust hatte in seiner vollen Größe zu posieren. Dai schüttelte bei diesem irrsinnigen Gedanken den Kopf, verließ mit leisen Schritten den Raum. Es wunderte ihn, dass auf dem Flur Licht brannte. Hatte er das vorhin nicht ausgeschaltet? Er zuckte kurz mit den Schultern. Vielleicht hatte er es ja vergessen. Er verschwand im Badezimmer, stellte sich dort vor den Spiegel. Dai betrachtete sich eine Weile, wandte seinen Blick jedoch wieder ab. Er sah grausig aus. Sein Gesicht wirkte abgemagert, da er in letzter Zeit kaum etwas gegessen hatte und seine vielen Augenringe waren auch schon lange nicht mehr normal. Nachdem er noch schnell auf der Toilette war, lief er müde durch den Flur, kratzte sich am Hinterkopf. Schließlich fiel sein Blick auf einige Reisetaschen, die mitten auf dem Flur lagen. Wirklich begreifen konnte er es nicht, denn sein Gehirn war schon längst abgeschaltet und versuchte zu schlafen. Das Einzige, was er noch zu Stande brachte, war den Weg zum Wohnzimmer einzuschlagen, obwohl er eigentlich in die Küche wollte. Doch irgendetwas sagte ihm nicht dorthin zu gehen. Er lief noch einige Schritte nach vorn, schaute dann nach rechts durch die geöffnete Wohnzimmertür, genau auf eine kleine Person, die auf seiner Couch saß und rauchte. Und plötzlich fuhren seine Gedanken Achterbahn. War es möglich? Konnte es sein? Saß wirklich ER da? War er wieder zurück? War Tooru wieder da? Er musterte die Person kurz. Ohne es zu wollen, entkam ihm eine leise Frage, die nur einen einzigen Namen enthielt. „Tooru...?“ Kapitel 5: Hoffnung gepaart mit ein klein wenig Glück ----------------------------------------------------- „Tooru...?“ Der Angesprochene blickte nur stumm auf die größere Person, die noch immer im Türrahmen stand, ihn verwundert musterte. Er schluckte leise, senkte seinen Blick und spielte nervös mit seinen Fingern. Jetzt, wo Dai vor ihm stand, waren all seine Worte der Entschuldigung und des Verzeihens verschwunden. Sein Kopf war wie leergefegt und er wusste nicht, was er sagen sollte. „J-ja...“, entwich es ihm jedoch zögerlich und er blickte scheu wieder zu der anderen Person, die sich nun regte und auf ihn zukam. Er versteifte sich augenblicklich, hatte Angst vor der Reaktion, die folgen würde. Hatte Angst davor, dass Dai ihn anschreien oder schlagen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Der Rotschopf setzte sich lediglich neben Tooru, legte vorsichtig eine Hand an die Wange des Jüngeren und drehte das hübsche Gesicht mit den großen, dunkelbraunen Augen, die er so sehr vermisst hatte, zu sich. Er betrachtete ihn eine Weile, versank für einen Moment in den Augen, die ihn ängstlich musterten, dann strich er durch die weichen, nun schwarzen Haare. Tooru's Herz schlug schneller, denn er wusste nicht, was er davon halten sollte. Er hatte gedacht, dass Daisuke sauer war, ihn anschrie oder derartiges. Aber damit hatte er überhaupt nicht gerechnet und erst recht nicht damit, dass der Gitarrist ihm so liebevoll durch die Haare strich. „Sie sind schwarz...“, stellte der Rotschopf nach einiger Zeit fest, streichelte dabei weiter über das weiche Haar. Warum hatte sein Freund schwarze Haare? Und warum war er nicht fähig ihn anzuschreien? Er war doch so verzweifelt und wütend gewesen. Doch jetzt kam kein Laut des Missfallens über seine Lippen, sondern er strich dem ehemals Blonden weiterhin durch die schwarze Mähne, genoss es. „J-ja...“, kam es wieder zögerlich von Tooru. Er verstand noch immer nicht, was das alles sollte. War Dai gar nicht sauer? Warum schrie er ihn nicht an oder schlug ihn? Verdient hatte er es. „Bist du denn gar nicht wütend auf mich?“ Es klang schüchtern, fast ängstlich. Daisuke lächelte leicht, löste seine Hand aus den weichen Haaren. „Bis eben schon.“ Dann lachte er leise, zog seinen Freund zu sich und umarmte ihn. „Und... jetzt nicht mehr?“ Tooru war noch immer verwirrt, verstand einfach nicht die jetzige Reaktion des Rothaarigen. Doch er erwiderte die Umarmung sanft, schlang seine Arme um den Körper des Älteren und drückte sich ein wenig an ihn. Dai schüttelte einfach den Kopf und als der Schwarzhaarige leicht nickte, wusste er, dass er es als Antwort auf die Frage angesehen hatte. Er war ihm wirklich nicht mehr böse. Auch wenn er nicht verstand warum. Im Moment war er einfach nur glücklich, wollte die Wärme, die von dem kleinen Körper ausging, nie wieder missen. Dennoch löste er sich nach einigen Minuten von Tooru, blickte ihn eingehend an. Noch immer war eine Frage unbeantwortet. Wo war er gewesen? Und das fast sechs Monate lang. „Wo warst du?“, fragte er ruhig, strich sanft durch das Gesicht des Sängers, wollte ihn ein wenig beruhigen, da er bei der Frage leicht zusammengezuckt war. Er hatte wahrscheinlich gehofft, dass Dai nicht fragte. „Beantwortest du mir danach auch eine Frage?“ Seine Stimme war leise, doch trotzdem konnte Daisuke sie deutlich vernehmen. Sie ließ ihn erschaudern und eine Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus. So lange hatte er diese tiefe Stimme vermisst, die derartige Reaktionen bei ihm auslöste. „Ja... aber erst antwortest du.“ Es war kein Befehl, eher eine sanfte Aufforderung, der Tooru nach einem Nicken auch nachging. „Therapie“, hauchte er leise, drückte sich wieder an den Älteren und vergrub sein Gesicht in dem weiten Shirt, welches mit Dai's so unverkennbaren Geruch getränkt war. Mit dem Geruch, den er sich so sehr gewünscht hatte, ihn zu riechen. Und nun konnte er es wieder. „Therapie? Weshalb?“ Er war wirklich verwirrt. Er wusste ja, dass sein Freund unter Depressionen litt, aber dass er sich deshalb gleich therapieren ließ? Immerhin hatten sie es vorher auch immer zusammen gemeistert, allein. „Nicht nur wegen den Depressionen, auch wegen meinen Selbstverletzungen, von denen du bis jetzt nichts wusstest.“ Tooru wurde bei jedem Wort leiser und er schluchzte auf, vergrub sein Gesicht weiter in dem Stoff des Shirts, ließ seinen Tränen freien Lauf. So lange hatte er sie die letzten Monate zurückgehalten, doch jetzt wollte er weinen, allen Kummer loswerden. Dai nickte nur leicht, umschloss Tooru fester mit seinen Armen, da er die vielen Tränen bemerkte, die sich in seinem Shirt verfingen. Er musste zugeben, dass er wirklich nichts davon gemerkt hatte. Nie war ihm etwas Derartiges bei dem Sänger aufgefallen. Er musste es gut versteckt haben, immerhin hingen sie fast jeden Tag zusammen. Aber er war ihm deswegen nicht böse. Im Gegenteil. Er war eher froh, dass der Schwarzhaarige sich von allein helfen lassen wollte und das hatte er ja auch getan. Sechs Monate lang. Aber warum hatte er Daisuke nichts gesagt? „Und warum durfte ich das nicht wissen?“ Tooru schluchzte erneut, löste sich ein wenig von dem Älteren und wischte sich die Tränen fahrig aus dem Gesicht. Allerdings folgten sofort die nächsten. „Ich wollte nicht, dass du mich so siehst, so erbärmlich.“ Den letzten Teil des Satzes hatte er nur geflüstert. Er konnte ihn nicht laut aussprechen. Daisuke schüttelte leise lachend den Kopf, zog den Jüngeren auf seinen Schoß. „Ach Tooru-chan, Freunde sind doch zum helfen da.“ Er küsste ihn auf den Haarschopf, strich ihm die Tränen aus dem Gesicht und schließlich unaufhaltsam über den Rücken. Der Kleine war aber auch dumm. Sie waren doch Freunde, damit sie einander halfen, um sich gegenseitig zu beschützen und sich aufzubauen. Hatte er etwa Angst gehabt, er würde über ihn lachen, sich von ihm abwenden und einfach verschwinden? Tooru hatte wirklich eine blühende Fantasie. „Magst du mich?“, durchbrach Tooru's leise Stimme plötzlich die Stille und Dai wurde aus seinen Gedanken gerissen. Jedoch hatte er die Frage nicht ganz mitbekommen. „Wie bitte?“, fragte er freundlich, da er wollte, dass sein Freund die Frage noch einmal wiederholte. Das Einzige, was er eben verstanden hatte, waren die Worte ‚du’ und ‚mich’. „Magst du mich?“, wiederholte der Sänger die Frage noch einmal, schaute den Rotschopf dabei schüchtern an. Er versank für einen Moment in den braunen Augen des Gitarristen, löste seinen Blick jedoch wieder von ihnen, wartete weiterhin auf die Antwort. „Sicher, du bist doch mein Freund, warum-“ „Nicht in dem Sinne“, unterbrach Tooru ihn. „Ob du mich liebst...“ Er schaute ihn unsicher an und ein leichter Rotton zierte seine Wangen. Daisuke schaute ihn irritiert an, konnte noch nicht einmal antworten. Ob er ihn liebte? Warum fragte der Schwarzhaarige das gerade jetzt? Und warum wurde er rot dabei? Oh Gott, was sollte er jetzt antworten?! „Ich liebe dich...“, wurde ihm schließlich die Antwort von Tooru abgenommen. „Schon seit damals, als du mir geholfen hast...“ Er schaute wieder in Dai's Augen, sah die Verwunderung. Also empfand er nicht das Gleiche. Der Gedanke daran schmerzte und er löste sich etwas von Dai. „Tut mir leid. Ich gehe besser.“ Er wollte sich erheben, jedoch schlangen sich Daisuke's Arme fester um seinen schmalen Rücken. Der Gitarrist konnte zwar noch immer nicht fassen, was der Jüngere eben gesagt hatte, aber wenigstens taten seine Arme noch das, was sie sollten beziehungsweise wollten. Denn eigentlich hätte er noch lange nicht reagiert. Gut, dass seine Arme scheinbar ein eigenes Gehirn besaßen. Und dann, nach einigen weiteren Sekunden, in denen Tooru ihn stumm angeblickte und mit den Tränen kämpfte, kam auch wieder Leben in seinen Kopf. Es ratterte wie wild in ihm und sofort kamen einige Worte über seine Lippen. „Ich liebe dich auch.“ Danach küsste er den Sänger einfach, drückte seine Lippen gegen die weichen und samtigen seines Gegenübers. Schließlich ließ er seine Zunge leicht über die Lippen tanzen, erst über die Unterlippe, danach über die Oberlippe. Und als sich Tooru's Mund einen Spalt weit öffnete, glitt er mit seiner Zunge hinein, erkundete gierig die warme Mundhöhle, bis er seinen Gegenpart spürte und diesen leicht massierte. Danach spielte er sanft mit der anderen Zunge, saugte kurz an ihr, nur um sie wieder mit seiner eigenen Zunge zu liebkosen. Eine ganze Weile taten sie nichts anderes, als sich gegenseitig zu verwöhnen, dann lösten sich Tooru's Lippen schließlich von Dai's. Er sah ihn mit einem leichten Lächeln und einem dunkelroten Farbton im Gesicht an, doch dieser verschwand nach einigen Sekunden und das Lächeln wurde ein wenig breiter. „Dai, ich bin glücklich“, hauchte er zufrieden, küsste den Rothaarigen erneut, der sich mit einem Nicken und einem glücklichen Lächeln im Gesicht auf den Kuss einließ, dabei mit seinen Händen unter den Pullover das Kleineren fuhr. Kapitel 6: Gedanken ------------------- Mit einem leichten Lächeln betrachte ich dein schlafendes Gesicht. Du siehst schön aus, einfach einmalig und perfekt. Du bist das Wertvollste, was ich in meinem Leben habe und ich will dich nie wieder verlieren. Ich möchte, dass du immer bei mir bleibst, mir immer wieder und mein ganzes Leben lang sagst, dass du mich liebst. Dass du mich nie allein lässt und mich beschützt. Dass du mir immer zuhörst, egal was für einen Schwachsinn ich wieder von mir gebe, egal, ob du mir Recht gibst oder ganz anderer Meinung bist. Ich streiche dir ein paar deiner roten Haarsträhnen aus dem Gesicht, lächele dabei weiterhin. Du hast schöne Haare. Aber nicht nur deine Haare sind schön. Alles an dir ist einfach wunderschön. Dein Lächeln, das jeden, der es sieht, ebenfalls lächeln lässt. Dein Grinsen, das oft ziemlich verdorben aussehen kann, als würdest du nur an das Eine denken. Deine Nase, deine braunen Augen, die so ein Strahlen in sich haben, deine weiche Haut und deine vollen Lippen. Ich liebe dich. Ich liebe einfach alles an dir. Und selbst, wenn du nicht so aussehen würdest, wie du es tust, würde ich dich lieben. Schon allein bei deinem Charakter wäre ich schwach geworden, bei den Dingen, die du tust. Und es ist schön zu wissen, dass du dasselbe für mich empfindest. Dass du mich auch liebst, obwohl ich nicht verstehe, warum. Was findest du an mir schön? Ist es mein kleiner, mit Narben übersäter Körper? Mein hässlicher Charakter? Ich verstehe es nicht. Ich finde nicht eine gute Eigenschaft an mir, aber du liebst mich trotzdem. Muss ich das verstehen? Ich fahre mit meinen Fingern deine Gesichtszüge nach, deine Nase, deine weichen Lippen. Es fühlt sich so schön an. Ja, du bist schön. Aber ich nicht. Schon seit Jahren nicht mehr. Seit ich mit den Selbstverletzungen angefangen habe, bin ich hässlich. Aber es war gut, dich zu treffen, denn in deiner Nähe habe ich mich weniger verletzt und nun, dank der Therapie, ganz aufgehört. Ich beuge mich ein wenig zu dir, hauche dir einen federleichten Kuss auf die Lippen. Dann schaue ich dich einfach nur an. Minutenlang. Bevor schließlich leise einige Worte über meine Lippen kommen. „Wie kannst du mich lieben? Ich versteh es nicht. Wie kannst du mich... wollen?“ Flashback Er fuhr mit seiner Hand weiter unter den Pullover des Schwarzhaarigen, liebkoste die warme Haut mit seinen langen, angenehm kühlen, wenn auch etwas rauen Fingern. Tooru ließ es sich gefallen, keuchte leise in den Kuss, den sie daraufhin beendeten. Der Kleinere lehnte seinen Kopf an Dai's Schulter, genoss die hauchzarten Berührungen, die Daisuke ihn spüren ließ. Es gefiel ihm wirklich. Aber er fühlte sich noch nicht soweit, es mit dem Rotschopf zu tun. Und dennoch konnte er sich nicht gegen die Berührungen wehren, akzeptierte es sogar, als Dai ihn auf die Couch drückte, sich leicht über ihn beugte. Er schloss die Augen, konzentrierte sich einzig auf die feuchte Zunge, die über seinen Hals leckte. Er keuchte unterdrückt, als Dai mit seinen Händen unter den dunklen Pullover glitt, die Brustwarzen des Schwarzhaarigen sanft, aber dennoch verlangend massierte. Und es dauerte nur wenige Sekunden, in denen Tooru immer wieder leise keuchte, dann erhärteten sie sich zwischen den Fingern des Gitarristen. „Dai...“, stöhnte Tooru leise, als der Rotschopf seine Hände tiefer wandern ließ, über den Stoff zwischen Tooru's Beinen strich, ihn weiter stimulierte. Doch er war wirklich noch nicht so weit. Er hatte Angst. Nicht davor, dass es schmerzhaft werden würde. Nein, davor nicht. Er hatte Angst vor Daisuke's Reaktion, wenn er seinen Körper sah, über welchen sich vereinzelt kleine Narben zogen. Er wollte nicht, dass Daisuke diese, aus reiner Dummheit entstandenen Narben, auf seinen Armen und auf seiner Brust sah. Es reichte schon, dass er vorhin kurz über sie gestreift hatte. Jedoch bekam der Ältere nichts von den Gedanken des Sängers mit, streichelte weiterhin mit einer Hand Tooru's Oberschenkel, mit der anderen den Schritt. „Hör auf...“, entkam es nach einigem Zögern den Lippen des Schwarzhaarigen und er kniff seine Beine zusammen, ehe er sich auf die Seite drehte und sich ein wenig zusammen rollte. Es ging nicht. Er konnte nicht mit ihm schlafen. Dai blickte ihn besorgt an, beugte sich nach unten und drehte mit einer Hand behutsam Tooru's Gesicht zu sich. Er blickte in die braunen Augen, aus denen erneut Tränen flossen. Er seufzte unmerklich, küsste dem Kleineren vorsichtig die Tränen weg. „Es ist okay“, hauchte er leise, erhob sich und nahm Tooru auf den Arm. Der Sänger krallte sich sofort an ihn, vergrub sein Gesicht weiter an der Brust seines Liebsten. „Es tut mir leid, Dai...“, hauchte er leise, schniefte dabei kurz. „Es ist okay“, wiederholte Daisuke noch einmal und trug Tooru in sein Schlafzimmer, legte ihn auf das Bett. Er kroch langsam zu ihm, deckte sie schließlich beide zu. Danach legte er seine Arme um den kleinen Körper und zog ihn an sich. „Schlaf...“ Flashback ende Zwar habe ich meine Augen geschlossen, aber ich schlafe noch lange nicht. Ich mache mir Sorgen um dich. Warum wolltest du vorhin nicht mehr? Lag es daran, dass wir erst wenige Minuten zusammen waren? Nein, daran sicher nicht. Immerhin kennen wir uns schon so lange und vertrauen uns. Lag es daran, dass ich dich hätte sehen können? Dass ich die vielen Narben hätte sehen können, die du dir zugefügt hast? Du bist doch so dumm. Ich liebe dich. Mir ist egal, wie du aussiehst. Mir ist es egal, ob dein Körper mit Narben übersät ist. Ich liebe jede einzelne davon. Sie gehören zu dir. Sie sind du, sie machen dich aus. Sie zeigen, wer du bist. Sie sind ein Merkmal von dir, das vielleicht einige anekelt, weil sie es nicht verstehen. Aber ich liebe dich, ich verstehe es. Wahrscheinlich hätte ich dasselbe getan. Wäre auch ich immer so misshandelt worden, von jedem gemobbt und terrorisiert, hätte ich das Gleiche getan. Aber deswegen musst du dich doch nicht schämen. Du hast mir doch schon so viel von dir gezeigt. Deine Macken, die dich erst so liebenswert machen. Deine Depressionen, die zeigen, wie schwach du bist, obwohl du dich immer so stark gibst. Dein Lächeln, das dich so schön aussehen lässt und zeigt, wie du wirklich bist. Und diese Narben, die zeigen, wie hilflos du dich gefühlt hast, willst du mir nicht offenbaren? Ach, Tooru. Denkst du, ich lache dich aus? Ich liebe doch alles an dir. Deine Haare, die nun deine wirkliche Haarfarbe zeigen, deine Zähne, die ein klein wenig schief sind, deinen kleinen, zierlichen Körper, der dich so unwahrscheinlich niedlich, aber gleichzeitig auch total erotisch aussehen lässt, deine langen Beine, die dich so groß wirken lassen. Ich liebe dich so, wie du bist. Auch wenn du das nicht verstehst und dir gerade, während du mir sanft durch mein Haar und über mein Gesicht streichst, deinen hübschen Kopf zerbrichst. Danke, dass du mich jetzt auch noch küsst. Da ist nämlich noch etwas, was ich vergessen habe. Deine Lippen sind einzigartig. Weich und samtig, einfach perfekt. Innerlich muss ich seufzen, als ich deine leise gehauchten Worte vernehme. Du zerbrichst dir wirklich deinen hübschen Kopf über Dinge, die du nicht verstehst, wenn du mich nicht fragst. Ich ziehe dich zu mir, küsse dich nun auch, behalte meine Augen allerdings geschlossen. Dann antworte ich dir. „Weil du das bezaubernste Geschöpf auf dieser Welt bist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)