Rost in Space von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 7: ----------- „Hey Leute, wir sind da. Das müsst ihr euch ansehen“ dröhnte Taijis Stimme durch die Lautsprecheranlage. Keine vier Minuten später drängten sich vier Männer und eine Chihuahua-große Spinne in einem Cockpit, das ungefähr die gleichen Ausmaße hatte, wie der Innenraum eines zweisitzigen Mini Coopers. Toshi drückte hides Haare ein wenig Seite und sah unter Yoshikis Achselhöhle hindurch. Durch die Scheibe konnte er eine Raumstation von gewaltigem Ausmaß erkennen. Vor ihnen lag Xin Beijing- von der hauptsachlich hannoveranischen Besatzung auch „Neu Peking“ genannt-, die letzte Tankmöglichkeit vor dem Raumsprungtor und gigantisches Vergnügungszentrum in einem, inklusive des größten Casinos innerhalb dreier Sternensysteme. Toshi sah Raumschiffe in allen erdenklichen Formen und Farben um Xin Beijing kreisen. Einige flogen ab, andere kamen, so wie sie, gerade erst an. Wo kamen sie nur alle her? In den sechs Wochen seit ihrem Abflug hatten sie nicht ein einziges anderes Raumschiff gesehen. „Macht Euch fertig, wir landen gleich“ kam es aus dem Mund des Kapitäns. Toshi hätte gerne noch ein wenig die blinkende Station, die ihn mit ihrem Anlegering um den kugelrunden Körper an Saturn erinnerte, beobachtet, aber Pata drehte seinen Kopf nach Links, stieß dabei an Yoshikis Knie, der darauf hin mit dem Arm zuckte und Toshi somit rücklings aus dem Cockpit beförderte. Toshi verstand es als dezenten Hinweis darauf, dass das Beobachten der Station damit beendet war und er sich bereit machen sollte, die große Mission zu beginnen. „Deyama?“ „Ja.“ „Toshiya?“ „Toshimitsu.“ „Hier steht aber Toshiya.“ Der Zollbeamte warf noch mal einen Blick auf den Bildschirm, dann auf seine Unterlagen. „Ich kann sie nicht einreisen lassen. Ich hab nur eine Einreiseerlaubnis für Deyama Toshiya, und da sie das laut ihrem Ausweis das nicht sind, dürfen sie hier nicht rein.“ „Auf gar keinen Fall“ pflichtete ihm sein Kollege bei. „Sieht wohl so aus, als müsstest Du hier warten.“ Toshi merkte, wie Yoshiki mühsam seine Wut unterdrückte. Er wusste, dass Yoshiki nicht auf ihn sauer war und er dankte dem Himmel insgeheim dafür, dass der Anschiss, der sich in im Magen seines besten Freundes zusammenbraute, Taiji treffen würde. Schließlich war er es, der den ersten Auftritt der Band durch einen simplen Fehler verhinderte. Toshi sah seinem besten Freund hinterher, wie er durch die Absperrung zu hide und Pata ging. Taiji ahnte wohl, was ihn erwartete. Er hatte sich verdrückt. Wenigstens die Schlüssel für das Schiff hätte er ihm lassen können, so blieb ihm nichts anderes übrig, als hier auf der Wartebank auf die Rückkehr seiner Freunde zu warten. Er könnte ein wenig an seinen lyrics arbeiten. Toshi warf sein e-brain an und während es hochfuhr, hörte er, wie sich die beiden Zollbeamten unterhielten. „Wieso hast Du ihn eigentlich nicht hineingelassen, seinen Kollegen aber schon und das, obwohl dessen Einreisepapiere auch nicht korrekt waren?“ „Waren sie nicht?“ „Geschlecht weiblich?“ „Ja und? Das war doch eine Frau.“ „Das war ein Mann.“ „Nie im Leben. Das war auf jeden Fall eine Frau. Zwar eine ziemlich hässliche, wenn du mich fragst, aber eine Frau. Heiliger Ignatius, das MUß eine Frau gewesen sein, ich hab in meinem Leben noch nie eine so schlecht gekleidete Transe gesehen.“ Toshi grinste und wandte sich seinem e-brain zu. Vielleicht hatte Ayaka ja mal geschrieben. Insgeheim hoffte er sogar auf eine Liste voller Vorwürfe á la „Wie konntest Du nur einfach so weggehen und mich alleine lassen“ oder „Ich bin schwanger, wo sind die Alimente?“ Aber nichts, nicht ein Wort von ihr. Seine Kündigung und ein Haufen Werbung waren alles, was sich im Briefkasten befand. Die Süße schien ihn nicht so sehr zu mögen, wie er sie. Er hätte Yoshiki bitten sollen, für ihn eine e-card an Ayaka zu senden. Ihre Adresse kannte er nicht, aber wahrscheinlich arbeitete sie immer noch in der kleinen „Allerlei-Welt-Süigkeiten“- Filiale, in der sie sie sich kennen gelernt hatten. Damals hatte er vor dem Schaufenster gestanden und sich überlegt, ob er sein letztes Geld lieber für eine Anglerzeitschrift oder süße, mit rotem Bohnenpüree gefüllte Reisbällchen verschwenden sollte. Als er Ayaka hinter dem Tresen erblickt hatte, fiel seine Wahl auf die Reisbällchen. Und so süß und verführerisch duftend die Reisbällchen an diesem Sommernachmittag auch gewesen sein mochten, Ayaka schlug sie um Längen. Beinah einen halben Monatslohn hatte er in der Confiserie gelassen, bevor sie mit ihm zum Bowling ging. Er hasste Bowling und er hasste es, dass er sich dafür extra von Yoshiki hatte Geld leihen müssen, aber er liebte Ayakas Danke-schön-für-diesen-bezaubernden-Abend, das erst am nächsten Morgen um vier ein Ende fand. „Herr Deyama?“ Der Zollbeamte, der Toshi eben noch die Einreise verweigert hatte, sah ihn über den Tresen hinweg an. Was denn nun noch? Wollte er Toshi vielleicht für den Versuch zur illegalen Einwanderung verhaften lassen? „ Ich habe hier anscheinend ein Paket für sie. Ist schon vor ein paar Tagen gekommen.“ Toshi stand aus seinem Plastiksessel auf und ging zum Tresen. „Wenn ich sie auch nicht hier hineinlassen darf, ihre Post soll ihnen nicht verwehrt bleiben.“ Wie schon vorher zog Toshi sein Handgelenk über den Scanner. Seine persönlichen Daten erschienen auf dem Bildschirm. Der Zollbeamte ließ sich den Empfang quittieren und drückte Toshi ein blaues Standartpaket Größe drei in die Hand. Toshi setzte sich zurück in seinen Sessel. Wie konnte das Paket nur eher hier sein als sie? Anscheinend war Taijis Raumschiff nicht das Flinkste. Vielleicht wären sie schneller und billiger hier angekommen, wenn sie sich selbst verpackt und als Paket auf die Raumstation geschickt hätten. Mit der Einreise hätte es vermutlich auch funktioniert und das Limettenschleppen wäre ihm erspart geblieben. Im Großen und Ganzen wäre diese Art zu Reisen nur von Vorteil gewesen. Vielleicht sollte er später mal hide seinen Ideen unterbreiten. Toshi wand sich wieder seinem Paket zu. Kein Absender. Vielleicht von Ayaka? Aber woher hätte sie wissen sollen, dass er hier war? Er verwarf den Gedanken und öffnete den Karton. Ein dunkelgrüner Umschlag mit roten Mohnblüten fiel ihm direkt ins Auge. Mit zierlichen aber energischen Strichen waren die Kanji seines Namens darauf gemalt- Die Handschrift seiner Großmutter. Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken und ein Klumpen Unwohlsein wuchs in seinem Magen auf eine beachtliche Größe heran. Trotzdem zog er den Brief heraus und begann zu lesen. Mein lieber Enkel, sieh mal einer an. Nun bist Du also schon in Xin Beijing angekommen. Wärst Du wie alle anderen, hättest Du nie im Leben getan, worum ich Dich gebeten, beinah schon gezwungen habe. Wahrscheinlich würdest Du Deine Zeit immer noch mit uninteressanten Jobs vertun oder - schlimmer noch- versuchen, in den Club der unbegabten Unkreativen(oder wie Du sie nennst- Gene-S-Gedächtnisschule) aufgenommen zu werden. Aber nein, Du -mein liebster Enkel- bist wahrscheinlich der letzte Mensch Tokyos, der den Anweisung anderer Menschen ohne Einspruch oder Diskussion nachkommt und dieses extremes Harmoniebedürfnis ist exakt das, was jetzt gebraucht wird. Ich hätte sicherlich auch einen Deiner Brüder oder Cousins überreden können, aber kannst Du Dir auch nur einen dieser Streithähnen dabei vorstellen, wie er versucht, den Menschen eine Botschaft von Liebe und Harmonie vermittelt? Vielleicht Eiji, aber seien wir ehrlich, Du siehst bei weitem besser aus (was ein nicht ein ganz unwesentlicher Faktor ist, wie Dir Dein Freund Yoshiki garantiert bestätigen wird). Yoshiki ist übrigens der dritte Grund, warum ich Dich gewählt habe. Er hat Talent und ein starkes Durchsetzungsvermögen. Er wird Dir helfen. So einen Freund wie ihn wirst Du wohl schwerlich ein zweites Mal finden. Hör auf ihn und vertraue ihm bedingungslos. Und vertraue auf Dich, mein lieber Toshimitsu, vertraue darauf, dass alles so laufen wird, wie es laufen soll. Du wolltest doch immer die Menschheit „aufwühlen“ (waren das nicht Deine eigenen Worte?), oder nicht? Das kannst Du aber nur erreichen, wenn Du anders bist als all die Anderen. Vergiss den Alltag, vergiss die Normalität. Du kannst es, ich weiß, dass Du es in Dir hast. Sei mutig- ES WIRD GUTGEHEN! (auch wenn Du es wieder anzweifelst) Ich habe Dir einen Pullover eingepackt. Du hast Deinen sicherlich vergessen. Des Weiteren findest Du in dem Paket noch ein paar Süßigkeiten und einige Tüten fenjiu-Pulver. Die Süßigkeiten sind für Dich alleine. Das Pulver musst Du mit Wasser anrühren, der daraus entstehende Schnaps soll fast wie das Original schmecken. Teile es mit Deinen neuen Freunden. Die Senf-Dill-Sauce und den Kräutermeerrettich hat Arthuro für Dich mitgesendet. Für Thekla habe eine Dose von ihrem Lieblingsfutter eingepackt. Grüß hide und die anderen von mir. Und nun mein lieber Enkel HAB SPAß! Ich liebe Dich Großmutter P.S. Öffne die kleine blaue Dose erst im absoluten Notfall. Toshi faltete den Brief wieder zusammen, begann, das Paket genauer zu untersuchen und fing an, nachzudenken. Das alles klang nicht sonderlich nach seiner Großmutter. Aber vielleicht machte er sich wirklich zu viele Sorgen. Er fischte einen Karamel-Cranberry-Schokoriegel aus dem Paket. „…vertraue darauf, dass alles so laufen wird, wie es laufen soll…“ wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen. Warum in aller Welt sollte er sechs Wochen durch das Weltall düsen, nur um dann in einer zugigen Wartehalle zu versauern? Weil das alles eine dumme Idee war, sagte die Stimme in seinem Kopf. Und bevor er sie zum Schweigen bringen konnte, plapperte die Stimme schon weiter. Weil es dumm ist, einen Auftritt zu planen, wenn man als Band noch nicht harmoniert; weil es dumm ist, wenn man eigentlich gar nicht so genau weiß, was man überhaupt genau tun soll und wie und weil es ganz besonders dämlich ist, dass alles auf einer schwer bewachten Station zu tun, wenn man keinen Fluchtplan hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)