Die letzten Tage meines Lebens von Jim ================================================================================ Kapitel 4: Tag 4 ---------------- Tag 4 Er schrak auf und es brauchte einige Sekunden bis er realisierte, dass es ein Sonnenstrahl auf seinem Gesicht war, der ihn geweckt hatte. Gerade als er sich strecken wollte überflutete ein unbändiger Schmerz seinen gesamten Körper und damit kehrten auch die Erinnerungen an die Geschehnisse der letzten Tage wieder zurück. Mit aller Kraft biss er die Zähne zusammen um nicht zu schreien, dennoch drang ein gedämpfter Schrei hervor. Der Himmel war fast vollständig von Wolken verhangen, aber dennoch gab es ein Loch in der Decke am Firmament durch die die Sonne direkt auf ihn schien. Es war beinahe so als wollten die Götter ihn verspotten. Schwächlich hob er eine Hand und sah sich die kleine getigerte Katze an, welche immer noch zusammengekugelt schlief. Als er jedoch die Decke für ein paar Sekunden gehoben hatte wurde sie wieder wach. Sie streckte sich so gut es ging, blinzelte ihn dann an und mauzte leise. Im Grunde war es gar kein richtiges Miauen, viel mehr ein hohes Quietschen. Er lächelte sie an und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Kein Wunder, seit zwei Tagen hatte er nichts mehr gegessen. Den Schmerz ignorierend drehte er den Kopf zur Seite. Scheinbar war es Schicksal das er in einer Seitengasse gelandet war, in der es einige Mülltonnen gab. Und gleich aus der Ersten neben ihm ragte halb eine Pizzaschachtel heraus. So gut es ging fischte er sie heraus und hatte Glück. Tatsächlich war noch ein Rest der Pizza in der Schachtel zu finden. „Keine Angst Kleine.“, flüsterte er so leise, dass es niemand hätte hören können – lauter konnte er nicht sprechen, „Hier.“ Ein Stückchen Schinken hatte er von dem aufgeweichten Teig abgekratzt und hielt es dem kleinen Tier hin. Zwar hatte sie schon kleine Zähnchen, dennoch fiel ihr das Kauen schwer. Doch die Katze schien das nicht zu stören, denn nach ein paar Bissen schien sie satt zu sein. Auf jeden Fall fraß sie nichts mehr. Er ließ das Stückchen Schinken auf seinem Bein liegen damit sie es später essen konnte und aß selbst den Rest der Pizza, so gut er konnte. Jede Bewegung schmerzte und das Schlucken fühlte sich an, als ob er Kies seine Kehle hinunterzwingen würde. Aber er MUSSTE etwas essen, dass wusste er. Die Katze hatte sich derweil schon wieder hingelegt und war bereits wieder am schlafen. Während der Tag verstrich begann er wieder über sein Leben ins Grübeln zu bekommen. Das einzige was er seit Jahren getan hatte, war die Drecksarbeit für seinen ehemaligen Auftraggeber zu erledigen. Er hatte nie etwas anderes getan und nie etwas anderes gelernt und wenn er ehrlich mit sich selbst war, wollte er es auch gar nicht anders. Diese Arbeit hatte ihn immer versorgt. Sie war gefährlich und schmutzig, aber wenn er sie nicht tun würde, würde es jemand anders. Also warum sollte er nicht derjenige sein der die fünfstelligen Beträge für eine Kugel einsackt? Warum jemand anderen reich werden lassen? Sicherlich würden ihn Viele für sein Leben verurteilen und wenn er jemals vor ein Gericht gestellt werden würde, dann würde er am Galgen hängen – so viel wäre sicher. Aber es gab wenig was er bereute. Das einzige was ihm spontan einfiel war, dass ihm die Einsicht zu der er vor drei Tagen gekommen war, schon viel eher hätte kommen sollen. Etwas kaltes lies sich auf seiner Nasenspitze nieder und er sah nach oben. Kleine Schneeflocken rieselten auf den Asphaltdschungel hinab, in dem er lag. „Hey Kleine… es schneit.“ Wieder hob er die Decke etwas, doch die Katze reagierte nicht. Er stubste sie mit einer Hand – keine Reaktion. Für einige Zeit schaute er das junge Tier in seinem Schos an. Es kam ihm so vor als ob ihm zum ersten Mal wirklich schmerzhaft bewusst wurde, dass ein Lebewesen aus dieser Welt gegangen war. Minutenlang blieb sein Blick auf dem kleinen Tier haften. „Schätze du warst wohl einfach zu jung, huh?“, wisperte er. Er griff nach der Mülltonne neben sich und riss sie um. Laut scheppernd verteilte sich der Müll neben ihm auf dem Boden. Mit einer Hand wühlte er durch den Unrat so gut es ging, bis er schließlich einen verbogenen und leicht rostigen Löffel fand. „Schätze... du warst einfach zu schwach, huh?“ Zitternd aber so behutsam er konnte legte er die tote Katze neben sich auf den Grund, bevor er all seine Kraft zusammennahm und sich ein Stück nach vorne zwang. Dann rammte er den Löffel in den Grund. Immer wieder schlug er ihn in den Boden und vergrößerte das Loch. Es dauerte bis kurz vor dem Sonnenuntergang, bis er so weit war das er die Katze in das Loch legen konnte. „Schätze die Welt war... war einfach zu hart für dich, huh?“ Mit Händen die nun noch viel zerschundener waren als vorher, schob er die kalte Erde wieder auf das kleine, notdürftige Grab. Erschöpft sank er wieder nieder. Sein Blick blieb auf der Stelle haften, die er gerade umgegraben hatte. „Schätze das Leben ist nicht fair... huh?“ Ohne das er es wirklich bemerkte oder wollte, löste sich etwas Wasser aus seinem Augenwinkel und er begann einfach so zu weinen. Er hatte seit Jahren nicht mehr geweint, er könnte nicht mal mehr sagen wann er sich überhaupt daran erinnern konnte geweint zu haben – aber in diesem Augenblick konnte er nichts anderes tun. Zum ersten Mal trauerte um ein Lebewesen das von diesem Planeten gegangen war. Zum ersten Mal war ihm klar wie es sich anfühlte um jemanden zu trauern. Er blickte auf seine blutigen Hände. Wie viele Leben hatte er damit schon beendet? Wie vielen Leuten hatte er das gleiche oder gar schlimmeres Leid beschert als das, was er gerade empfand. „Nein... das Leben ist wirklich nicht fair.“ Seine Augenlider wurden wieder schwer und Stück für Stück, sank er an der Wand nach unten bis er schließlich ganz auf dem Boden lag. Er war müde... er musste schlafen... und lies sich von der Dunkelheit umarmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)