A Beginning von abgemeldet (Eine Jack/Ana Story) ================================================================================ Kapitel 16: Handeln ------------------- 16. Handeln Prescott legte den Kopf zur Seite. „Don Antonio hat keinen Sohn.“ Die Worte ihres Bruders zerrten an ihrem Verstand. Natürlich hatte Don Antonio einen Sohn. Sie hatte ihn mit ihren eigenen Augen gesehen. Er hatte in ihrem Haus gestanden, und mit ihr geredet. Er hatte ihr erzählt, dass er wusste, was für ein Monster sein Vater war, und dass er ihr helfen wollte, Jack zu befreien. „Aber er hat mir gesagt, dass Jack festgenommen wurde und dass du ihn in der Festung behältst, damit er Cornado nicht in die Hände fällt…“ Ana legte eine Hand an ihre Stirn. Das war nicht gut. „Er wurde gefangen genommen,“ begann Prescott, mit einem prüfenden Blick in ihre Richtung. „Es wurden Wachen in deinem Haus postiert. Sie haben Sparrow beim Rumschnüffeln erwischt. Ich behalte ihn in der Festung um, nun… So wie er ausgesehen hat, haben Cornados Männer es ihm ordentlich gezeigt, bevor sie ihn abgeliefert haben. Und jetzt sag mir, wie zum Teufel du darauf kommst, dass Don Antonio einen Sohn hat.“ „Ähm.“ In Anas Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander. Hatte Prescott gesagt, dass Jack schon wieder verletzt war? Das war alles ihre Schuld. Warum hatte sie Jack auch aufgefordert die Höhle zu verlassen? Er wäre in Sicherheit, und sie würde jetzt nicht hier stehen, in dem Versuch herauszufinden, ob Miguel Cornado nur eine Ausgeburt ihrer Fantasie war. Miguel war eine reale Person, dessen war sie sich sicher. Offensichtlich hatte er sie angelogen. Er war augenscheinlich nicht derjenige, der er behauptet hatte zu sein. Aber, wer war er dann? Und hatte er sie ebenfalls angelogen, als er versprochen hatte, ihr zu helfen, Jack zu befreien? „Collins!“ Prescott rief den Wachposten, der vor seiner Tür stationiert war. „Geht, und holt Don Antonio. Er ist gerade erst gegangen. Sagt ihm, dass ich ihn sofort in meinem Büro sehen muss.“ „Ja, Sir.“ Anas Augen weiteten sich. Das war definitiv nicht gut. Sie wollte wirklich nicht mehr anwesend sein, wenn der Spanier zurückkehrte. Unwillkürlich legte sie ihre Hand auf ihren Bauch. Wie es aussah, hasste er sie schon genug. Sie hatte wirklich kein Verlangen danach, dieses Tier mit einer Geschichte über einen nicht-existierenden Sohn zu konfrontieren. Sie war gekommen, um einen Piraten aus dem Gefängnis zu befreien. Jetzt sah es so aus, als wäre sie dazu gezwungen die Nacht damit zu verbringen, ihren Bruder davon zu überzeugen, dass sie nicht verrückt war, und dass Cornado durchaus einen Sohn hatte. Und sie war sich nicht sicher, welche dieser beiden Aufgaben schwerer zu erfüllen sein würde. In jedem Fall musste sie aus diesem Büro herauskommen. Sie hatte bereits zu viel Zeit verloren. Was, wenn Miguel es müde war, auf sie zu warten? Und wenn er sein Wort gehalten hatte, und er wirklich im Zellentrakt auf sie wartete, würde er sich sicher fragen, wo sie blieb. Ihr Blick schweifte durch das Büro, auf der Suche nach irgendeiner Möglichkeit, dem hier zu entkommen. Es gab einen kleinen Nebenraum, der von einer Pritsche und einem kleinen Tisch beinahe ausgefüllt wurde. Abgesehen davon, konnte Ana nichts sehen außer Karten, und Diagrammen und anderen nautischen Utensilien, mit denen sie nichts anfangen konnte. Sie seufzte und schloss die Augen. Der Stuhl auf dem sie saß, stand direkt neben einem offenen Fenster. Vielleicht sollte sie einfach raus springen, und die Sache damit hinter sich lassen. „Warum wolltet Ihr mich sprechen, Capitán Tarret?“ Die Stimme mit dem spanischen Akzent unterbrach ihre Gedanken. Was um alles in der Welt sollte sie diesem Schwein sagen? Der Blick aus seinen kalten grauen Augen ruhte auf ihr. Sie hasste diesen Mann aus tiefster Seele und nun war sie dazu gezwungen, sich wieder mit ihm auseinander zusetzen. Sie fühlte, wie alle Kraft ihren Körper zu verlassen schien. Ana riss die Augen auf. Das war es. Sie war in ihrem Leben nie in Ohnmacht gefallen, aber sie hatte die anderen hochanständigen Damen in Kingston beobachtet. Wenn ein Raum zu stickig war, oder eine Situation zu angespannt, fielen diese Frauen innerhalb weniger Augenblicke um. Sie hatte sogar schon gehört, dass manche Frauen absichtlich in Ohnmacht fielen, nur um Körperkontakt zu einem der Gentlemen herzustellen, für die sie schwärmten. Ana hatte immer gedacht, dass in Ohnmacht zu fallen, nicht nur ein hoffnungsloses Zeichen von Schwäche war, sondern auch noch völlig unangebracht. Aber verzweifelte Situationen erforderten verzweifelte Maßnahmen. „Don Antonio,“ begann ihr Bruder, „ meine Schwester behauptet…“ Noch bevor Prescott seinen Satz beenden konnte, verdrehte Ana die Augen und ließ sich einfach gegen ihn fallen. Genau wie sie gehofft hatte, fing Prescott sie auf, und vergaß augenblicklich, was er hatte sagen wollen. Sie hasste es wirklich, ihm unnötig Sorgen zu machen, und es fiel ihr wirklich schwer, sich vollkommen ruhig zu verhalten, aber sie musste aus diesem Büro heraus, wenn sie Jack noch irgendeine Hilfe sein wollte. „Collins!“ hörte sie ihren Bruder rufen. „Geht, und holt Doktor Roberts.“ „Sir, es ist schon spät. Seine Praxis ist wahrscheinlich schon geschlossen.“ „Dann geht zu ihm nach hause,“ schnappte Prescott. „Ich bin sicher, dass es ihr gut geht, Capitán,“ versicherte Cornado. Er sorgte sich wahrscheinlich, dass der Arzt die Wunde in ihrem Bauch entdecken könnte, und anfangen würde Fragen zu stellen. Prescott antwortete nicht auf Cornados Kommentar, doch Ana war sich sicher, dass sein Gesicht all die Gefühle ausdrückte, die er momentan nicht in Worte fasste. Es tat ihr fast leid, dass sie das verpasste. Sie hörte, wie die beiden Männer sich aus dem Nebenraum zurückzogen, und die Tür hinter sich schlossen. „Was geht hier vor!“ hörte sie den Spanier fragen. „Ich habe absolut keine Ahnung,“ antwortete ihr Bruder aufgebracht. „Sie sagte etwas davon, dass sie Euren Sohn getroffen hätte.“ „Das ist unmöglich.“ „Ist es das? Habt Ihr einen Sohn?“ „Er ist schon vor Jahren gestorben.“ „Oh, das tut mir leid, Don Antonio.“ Der Spanier zuckte mit den Schultern. „Das muss Euch nicht Leid tun. Er ist in Schande gestorben. Wenn er noch leben würde, hätte ich dennoch keinen Sohn mehr.“ Ana schlug die Hände über ihrem Mund zusammen, um ein verräterisches Ächzen zu unterdrücken. Sie bezweifelte ernsthaft, dass jemals ein grausamerer Mann auf dieser Erde gelebt hatte. „Das ist eine harte Entscheidung.“ „Das denke ich nicht.“ „Was ist geschehen?“ Prescotts Worte waren kurz, akzentuiert, und eindeutig weniger höflich, als es für ihn normal war. Ana wusste, dass ihr Bruder diese Konversation nur in die Länge zog, um weitere Informationen aus dem Spanier herauszuholen. Und er schien damit zu kämpfen, sich seine Abneigung nicht anmerken zu lassen. „Er hat ein Duell gefochten. Ich habe ihm selbst beigebracht, wie man mit einem Schwert umzugehen hat. Er war sehr gut.“ „Allem Anschein nach aber nicht gut genug.“ „Aber nein, Capitán. Er hat das Duell gewonnen. Seine Klinge lag an der Kehle seines Gegners, aber er war nicht Manns genug, um ihn zu töten. Sein Gegner hat ihn erschossen.“ „Nun, ich weiß nicht, wie man in Spanien Duelle austrägt, aber in England muss man seinen Gegner nicht töten, um der Ehre genüge zu tun.“ Ana lächelte. Sie konnte Prescotts Abscheu aus seinen Worten heraushören. „Mein Sohn war schwach. Wenn er an jenem Tag nicht gefallen wäre, hätte ihn dieses Schicksal früher oder später ohnehin ereilt.“ Ein kalter Schauer rann über Anas Rücken. Die Stimme des Spaniers war absolut frei von allen Gefühlen gewesen. Er klang nicht im Entferntesten so, als trauere er um den Verlust seines Sohnes. Sie konnte es einfach nicht länger ertragen, dieser Kreatur noch länger zuzuhören. Sie erhob sich von der schmalen Liege, um aus dem Fenster zu sehen. Der Nachthimmel hatte sich bewölkt und das Mondlicht wurde fast vollkommen blockiert. Sie bezweifelte, dass irgendjemand sie sehen konnte. Sie starrte an der Mauer entlang nach unten, und konnte im schwachen Licht das Dach eines weiteren Gebäudes erkennen, das nur fünf oder sechs Fuß tiefer lag. Mit zusammengekniffenen Augen konnte sie gerade so die Umrisse des Bauwerks ausmachen. Es waren zusätzliche Wachposten an der Eingangstür aufgestellt worden, aber die Hintertür war anscheinend unbewacht. Das musste der Zellentrakt sein! Ana trat von dem Fenster zurück. Wenn Miguel sein Versprechen gehalten hatte, dann war diese Hintertür unverschlossen. Sie könnte herein und auch wieder hinausschlüpfen, ohne dass es jemand bemerkte. Wenn Miguel sein Versprechen gehalten hatte. „Entschuldigt mich, Don Antonio, aber ich muss nach meiner Schwester sehen.“ Ana ließ sich wieder auf die Liege fallen, und schloss die Augen gerade in dem Moment, in dem sich die Tür öffnete. „Natürlich, Capitán. Gute Nacht.“ „Annie?“ Sie öffnete langsam die Augen, und gab vor, desorientiert zu sein. „Prescott? Was ist passiert?“ „Du bist in Ohnmacht gefallen.“ „Oh.“ Ana rieb sich die Augen, als würde sie versuchen, sich selbst zu wecken. „Wie fühlst du dich? Ich habe nach dem Arzt schicken lassen.“ „Mir geht es gut. Ich bin vielleicht ein bisschen müde, aber ich brauche keinen Arzt.“ „Ich habe trotzdem nach ihm schicken lassen.“ „Prescott, ich muss mich nur etwas ausruhen. Gerade du solltest doch verstehen, wie anstrengend die letzten Tage gewesen sind.“ Er nickte, doch er schien seine Meinung nicht ändern zu wollen. „Was, wenn ich dir verspreche, Dr. Roberts gleich morgen früh aufzusuchen?“ „Versprochen?“ „Ja.“ Er seufzte. „Na gut. Dann solltest du dich jetzt aber auch hinlegen.“ Prescott war gegangen, und hatte die Tür leise hinter sich geschlossen. Ana saß auf und stützte ihren Kopf auf ihre Hände. Sie hatte sich etwas Zeit verschafft, aber sie hatte noch immer keine Ahnung, was sie als nächstes tun sollte. Wenn Miguel sein Wort gehalten hatte, und die Hintertür des Gefängnistraktes unverschlossen war, dann käme sie zwar herein, aber sie wäre nicht in der Lage, die Tür zu Jacks Zelle zu öffnen. „Captain Tarret, Sir?“ „Ja, Collins?“ „Captain Norrington lässt Euch bitten, ihn an Bord der Interceptor zu treffen.“ „In Ordnung. Schickt ihm eine Nachricht, dass ich mich sofort auf den Weg machen werde.“ James! Er war mit Miguel an den Docks gewesen. James würde ihre Geschichte bestätigen. Er würde Prescott erzählen, dass Miguel ein wirklicher, lebender, atmender Mensch war. Wenn Prescott diese Information erhielt, würde er natürlich auf der Stelle zu ihr zurückkommen, um die ganze Geschichte zu hören. Sie hörte, wie Prescott sich erhob und sein Büro verlies. Die Zeit lief ihr davon. Wenn sie Jack aus dem Gefängnis befreien wollte, musste sie rasch handeln. Wieder sah sie aus dem Fenster. Wenn ihr Bruder zurückkam und sie und Sparrow verschwunden waren, würden die Männer sich alles zusammenreimen können. Und Prescott würde nicht mehr in der Lage sein, sie zu decken. Dieser Wachposten, Collins, hatte gesehen, wie sie das Büro betreten hatte. Wenn er sie nicht gehen sah, würde er das melden. Sie atmete tief ein. Die Schuld, die sie auf sich lud, wenn sie Jack befreite, war bei Weitem nicht mit der Schuld zu vergleichen die sie spüren würde, wenn sie den Piraten jetzt im Stich ließ. Die Bilder aus La Cerradura und die Erinnerung an den Schmerz, der in seinen Augen gestanden hatte, würden sie für den Rest ihres Lebens verfolgen. Und das wäre weitaus schlimmer. Noch einen tiefen Atemzug nehmend, setzte Ana sich auf die Fensterbank, und schwang ihre Beine nach draußen. „Na gut,“ flüsterte sie. „Chris, du hast mir immer gesagt, dass mein Herz mich nicht in die Irre führen würde. Also…“ Ana schloss die Augen und stieß sich von der Fensterbank ab. Sie landete etwas tiefer, auf dem schiefergedeckten Dach des Gebäudes, ohne all zu viel Lärm zu verursachen. Vorsichtig schob sie sich zur Rückseite des Bauwerks. Sie rollte sich auf den Bauch, den stechenden Schmerz ignorierend, und rutschte langsam, mit den Füßen voran, über die Kante des Dachs. Als sie endlich wieder Boden unter den Füßen hatte, verbarg sie sich im Schlagschatten des Zellentraktes. Vorsichtig näherte sie sich der Tür. Anas Herz machte einen freudigen Sprung, als sie entdeckte, dass der schwere Riegel zurückgezogen worden war. Miguel hatte seinen Teil erfüllt. Sie drückte die hölzerne Tür nach innen, und konnte fühlen, wie sie nachgab. Unverschlossen! So langsam sie konnte, öffnete Ana die Tür und betrat den Zellentrakt. Das schmuddelige Gebäude wurde von nur einer einzigen Fackel erhellt, die im Zentrum des Raumes angebracht worden war. Nur eine der Zellen war belegt und Anas Hoffnungen zersplitterten zu unzähligen kleinen Scherben, als sie sah, in welchem Zustand sich der Insasse befand. „Jack?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)