Der schwarze Schatten der Seele von Arcturus ================================================================================ Letztendlich... --------------- 24. Juni 1998 (London, England) Als sie wieder zu sich kam, war es noch immer stockfinster. Sie spürte eine unbändige Kälte in sich, die sie von innen zu lähmen schien. Etwas Schweres lag auf ihr. Ob es kalt war, oder warm, konnte sie nicht sagen. In ihr stieg das ungute Gefühl eines déjà vu's auf. „Professor Greyham?“, murmelte sie. Erschrocken stellte sie fest, wie schwach ihre Stimme war. Der Schmerz in ihrer Unterlippe kündete davon, dass sie aufgeplatzt war. „Nicht ganz. Aber es freut mich, dass du mich für so gutaussehend hältst.“ Die Stimme gehörte Ron. Er klang nicht viel kräftiger, als sie selbst. „Was ... ist passiert? Dein ... Rücken?“ „Ein paar blaue Flecke in Schuhgröße 44. Aber ansonsten ganz gut, denke ich. Was ist mit dir?“ „Alles ... in Ordnung. Was ist passiert?“ Sie spürte eine Bewegung über sich, so als hätte Ron unwillkürlich die Schultern hochgezogen. „Als die ersten Flüche flogen und du geschrieen hast, hab ich mich auf dich geworfen und so getan, als sei ich tot.“ Sie hätte beinahe gelacht. Die ganze Szenarie kam ihr unwirklich vor. Sie, auf dem nackten Boden, vermutlich Beton, dumpfe Schreie und Flüche, die von dieser seltsamen Dunkelheit - eine Stimme tief in ihr drin sagte ihr, dass sich viele Dementoren in der Umgebung befinden mussten - jedoch fast gänzlich geschluckt wurden und zum krönenden Abschluss Ron, der auf ihr lag und der versuchte, die Situation aufzuheitern. Ein Schrei näher bei ihnen als die anderen ließ sie aufschrecken. Im ersten Moment wollte sie dem Gefühl folgen und der Person helfen, doch ihre Vernunft mahnte sie, dass es klüger war, liegen zu bleiben. So kauerte sie sich auf den Boden, in der Hoffnung, weder Todesser noch Dementoren würden sie bemerken ... Diese Dunkelheit machte ihn noch wahnsinnig. Sein Wissen in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass es nicht die Dunkelheit selbst, sondern die dazugehörigen Dementoren waren, die ihm den Verstand raubten. Er hatte wahrlich wenige glückliche Erinnerungen, die ihn hätten beschützen können. Vor allem in letzter Zeit. Er hatte Lupin nicht finden können, war dafür aber über den Körper von Alastor Moody gestolpert. Ob dieser noch lebte, wusste er nicht. Eigentlich interessierte es ihn auch nicht. In Wirklichkeit interessierte ihn gar nichts mehr, außer der Tatsache, dass er aus dieser Hölle fliehen wollte. So schnell wie möglich. Er hatte einiger dieser Situationen bereits erlebt. Er hatte viele Todesser besiegt und ans Messer des Ministeriums geliefert, ohne, dass dieses auch nur erahnte, wer er war. Sie nannten ihn nur ehrfürchtig »den Schatten«. Doch jetzt, in diesem Augenblick war er wieder der Junge von vor einem Jahr, der - seines heutigen Beinamens zum Trotz - seinen eigenen Schatten fürchtete, zumindest hätte er ihn gefürchtet, hätte er ihn denn gesehen. Er war nur froh, das ihn niemand sah. Beinahe wäre er dem Reflex erlegen, sich einfach auf den Boden zu hocken und auf den Tod zu warten. Doch er rang ihn trotzig nieder. Wenn er heute sterben sollte, würde er so viele Todesser mitnehmen, wie möglich. Noch einmal atmete er tief durch und versicherte sich seines Griffs um den Holzstab in seiner Hand, dann marschierte er los, in die Richtung, in der die Schreie am Lautesten waren. Einmal trat er auf etwas Lebendes, dass seinen Unmut mit einem dumpfen Wehlaut kund tat, doch er blieb nicht stehen, um nachzusehen. Dann war er auch schon mitten im Getümmel. Er duckte sich unter einem Fluch weg, den er eher erahnte, als sah oder hörte. Noch im selbem Augenblick feuerte er einen Zauber in die Richtung. Ein Schrei versicherte ihm, dass er getroffen hatte. Wen er getroffen hatte, wusste er allerdings nicht. Vorsichtiger setzte er seinen Weg fort... „Tut's sehr weh?“, fragte Hermine, nachdem sie sich sicher war, dass die Schritte verhallt waren. Dennoch flüsterte sie. „Nicht mehr, als die anderen.“, gab Ron ebenso leise zurück. „Wer das wohl war?“ Ron zuckte nur mit den Achseln, was sie allerdings nicht sehen konnte. Wieder in Schweigen verfallen warteten sie, auf jemanden, der sie fand, auf das Ende der Katastrophe, auf den Tod. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, doch dann begann Ron erneut zu sprechen. „Habe nur ich das Gefühl, dass es kälter wird?“, flüsterte er. Zum ersten Mal war er der Angst, die ihn beherrschte, nicht mehr Herr. „Das bildest du dir...“ Doch auch Hermine spürte die Dementoren, die sich langsam auf sie zu bewegten. Stumm bedeutete sie Ron, sich von ihr hinunter zu begeben. Dabei tastete sie nach ihrem Zauberstab und suchte in ihren Erinnerungen nach etwas Positivem. Sie fand nicht viel und die Kälte in ihren Gliedern erschwerte die Suche obendrein. Schließlich hatte sie etwas halbwegs Erfreuliches (den Tag, an dem sie erfuhr, dass sie eine Hexe war, mit dazugehörigem Besuch in der Winkelgasse) entdeckt, auf das sich konzentrierte. „Expecto Patronum!“, murmelte sie und deutete den Zauberstab dabei in die Richtung, aus der die Dementoren kamen. Ein silbriger Nebel entstieg ihrem Zauberstab, doch er nahm keine feste Form an. Harry hatte Recht gehabt, im fünften Schuljahr, als er der DA diesen Zauber beigebracht hatte: Da sie nicht unter realen Bedingungen hatten proben können, waren sie nicht in der Lage, ihrem Patronus seine Form zu geben. Ein Blick zu Ron sagte ihr, dass es ihm nicht besser erging. Die Schritte, die hinter ihnen auf sie zu kamen, bemerkte keiner von beiden, doch die Stimme, die in festem Ton „EXPECTO PATRONUM!!!“ donnerte, schon. Verwirrt blickte sie über ihre Schulter, und sah zu ihrer Faszination einen riesigen silbernen Hirsch, der auf sie zu galoppierte, dann jedoch über sie hinweg setzte, ohne sie zu berühren, und sich den Schattenwesen entgegen warf. Noch im selben Moment glitten diese verängstigt zurück und verschwanden in der Dunkelheit. Der Hirsch jedoch blieb, genauso, wie sein Besitzer. „Das wird sie nicht ewig fernhalten, fürchte ich.“, murmelte er düster und beugte sich zu den beiden am Boden liegenden hinab. Zuerst half er Hermine auf die Füße, dann Ron. Als sie zu ihm aufsah, erkannte sie ihn als den Mann wieder, der vorhin an ihr vorbei gegangen war. Er hatte seine Jacke abgelegt, und in seinem Hemd, das ihm ebenso zu groß war, wie bereits das andere Oberteil, befand sich ein großer Riss. Dennoch sah er entschlossen auf, den Blick in die Ferne gerichtet und nach Gefahr Ausschau halten, die Stirn vor Anstrengung in Falten gezogen und den Zauberstab fest umklammert. „Wer sind Sie?“, fragte sie, obwohl sie das dumpfe Gefühl hatte, die Antwort bereits zu wissen. Der Fremde schüttelte nur den Kopf. „Das ist jetzt nicht wichtig. Hier ist nichts mehr zu retten. Ihr müsst hier weg.“ „Und was ist mit den anderen? Mit meinen Eltern? Lupin? Ginny?“ Ihr Gegenüber senkte den Blick, unfähig, die beiden anzusehen. „Entweder, sie bringen sich selbst in Sicherheit, oder sie werden diese Nacht nicht überleben. Ihr könnt ihnen nicht helfen. In diesem Chaos findet ihr sie nie ... Ihr müsst in diese Richtung laufen, sie führt vom Kampfzentrum weg. Verschanzt euch am Besten in einem Muggelhaus. Vielleicht seit ihr dort sicher.“ Mit dem freien Arm deutete er auf die Dunkelheit hinter Ron. „Wenn Merlin will, sehen wir uns wieder, sobald diese Katastrophe vorbei ist. Viel Glück.“ Er verschwand in den Schatten. Hermine spürte Rons verunsicherten Blick auf sich ruhen. „Wir werden keine andere Wahl haben, als seinem Rat zu folgen. Auch wenn mir die Idee nicht gefällt.“ „Und Ginny?“ „Er hat Recht, fürchte ich.“ Ron ließ den Kopf hängen und sagte nichts mehr. Nach kurzem Schweigen kamen sie stumm überein, dem Rat zu folgen. Die Zauberstäbe in den Händen machten sie sich auf den Weg durch das Nichts. Trotz des Lumos-Zaubers sahen sie kaum etwas. Die Dunkelheit der Dementoren schluckte das Licht, bevor es den Boden erreichte. Ein paar Mal glaubte sie, über einen menschlichen Körper zu stolpern, doch sie blieb nicht stehen, um herauszufinden, wer es war. Herauszufinden, dass es vielleicht ein Freund war, dem nicht mehr zu helfen war, hätte ihr vermutlich die letzte Hoffnung genommen. „Was ist das?“, fragte Ron nach einer Ewigkeit. Er deutete mit der leuchtenden Spitze seines Zauberstabs in eine Richtung. Zunächst konnte sie nichts erkennen, doch es gelang ihr schließlich, einen schwachen Lichtball ein paar Meter von ihnen entfernt auszumachen. Sie trat näher und erkannte, dass es sich um einen Lumos-Zauber handelte. Die Person, zu der er gehörte, stand stumm vor ihnen und starrte sie an. Sie konnte nicht viel erkennen, nur, dass es sich um einen Mann zu handeln schien. Das weiße Licht des Zaubers spiegelte sich unheimlich in seinen grünen Augen. Vorsichtig trat Hermine noch einen Schritt näher - und erkannte ihn schlagartig. „Harry?“ Sie erhielt keine Antwort. „Harry?“, fragte nun auch Ron, ungläubig. Wieso antwortete er nicht? Er musste sie doch erkannt haben! Gerade, als sie dachte, er sei gar nicht wirklich bei Bewusstsein, hob er den Zauberstab. Die Frage, was das werden solle, hallte nur durch ihren Kopf, aber erreichte ihre Lippen nicht mehr. „STUPOR!“ Endlich sah er einen seiner Gegner. Er wusste nicht, wer der Mann vor ihm war, aber das war ihm auch nicht wichtig, denn er trug einen schwarzen Umhang und verhüllte sein Gesicht. Wie viele Todesser er bereits auf Gutdünken ausgeschaltet hatte, wusste er nicht, er hatte nur ihre Schreie gehört, manchmal, wie sie zu Boden gestürzt waren. Gesehen hatte er sie nie. Doch nun stand er vor einem und sah ihn. Sein Gegenüber sah ihn auch. Und genau dieser Umstand brachte beide dazu, nicht wie die Kopflosen um sie herum, Flüche blindlings in die Nacht zu feuern, sondern sich genauestens zu belauern. Seine Angst war verschwunden. Er hatte erkannt, dass er sich jetzt nicht fürchten durfte. Dafür würde später Zeit bleiben. Vielleicht. Er hob den Zauberstab, um einen Fluch zu sprechen. Mit einem markerschütternden Knall explodierte etwas in seinem Rücken. So laut, dass er für einen Moment dachte, sein Trommelfell würde bersten. Er wollte sich gerade umdrehen um nachzusehen, doch da riss ihn die Schockwelle der Explosion bereits zu Boden. Alles um ihn her wurde schwarz... Als sie zu sich kam, war alles um sie herum still. Kein Kampflärm war mehr zu hören und, was sie noch mehr verunsicherte, auch keine Schreie. Dunkel erinnerte sie sich an den Angriff auf Bills Hochzeit. Damals hatten die Menschen geschrien. Noch lange, nachdem die Todesser verschwunden waren. Doch nun war alles still und eine grausige Ahnung stieg in ihr hoch. Etwas Schreckliches musste geschehen sein. Plötzlich drangen die gedämpfte Laute von Schritten an ihr Ohr. Sie war noch zu benommen, um festzustellen, wie viele Personen es waren, und erst recht, um aufzustehen und zu ihnen zu gehen. Einen Augenblick später, als sie die Stimmen der Personen hörte, dankte sie Merlin und allen Göttern dafür. „Hier lebt doch niemand mehr. Lass uns verschwinden.“, murmelte die erste Stimme, scheinbar ein Mann. Hermine wagte kaum, zu atmen. Sie wusste nicht, wie nah ihr die Todesser waren, doch sie wusste, dass sie sterben würde, würden sie bemerken, dass sie noch lebte. „Er hat uns befohlen...“, erwiderte eine Frau, doch der Mann viel ihr unwirsch ins Wort. „Er hat uns befohlen, nach Überlebenden Ausschau zu halten und sie zu ihren Freunden ins Jenseits zu schicken, ich weiß! Aber sie dich doch mal um, Bella! Hier ist alles tot! Das, was wir nicht getötet haben, hat sein kleines Feuerwerk erledigt.“ „Und mit diesem verdammten Phoenixorden auch ein paar unserer besten Männer.“, murmelte ein weiterer Mann. „Ich frage mich, warum er uns nicht zurück beordert hat.“ Der andere grunzte verächtlich. „Weil wir nichts wert sind, deshalb. Erinnerst du dich noch, was er mit den Malfoys gemacht hat? Er hat sogar Lucius Cousine ermordet, obwohl sie nun wirklich nichts mit der Sache zu tun hatte, so groß war sein Zorn.“ „Hört auf, so von unserem Meister zu reden! Lilian war eine Blutsverräterin! Und das wisst ihr beide!“, herrschte Bella - Bellatrix Lestrange, wie Hermine vermutete - die beiden an. „Aber wenn er doch Recht hat.“ „Lasst uns gehen.“ „Aber der Befehl!“ Bellatrix schrie nun fast. In der Stille um sie herum dröhnte ihre schrille Stimme. „Der Befehl ist doch wohl erledigt. Sieh dich doch mal um!“ Die Frau gab einen frustrierten Laut von sich, doch dann war sie die erste, die apparierte. Die beiden Männer folgten ihr, beinahe lautlos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)