Der schwarze Schatten der Seele von Arcturus ================================================================================ London ------ 21. Mai 1998 (London, England) Damals waren sie an einen geheimen Treffpunkt appariert. Das war das letzte Mal gewesen, das sie Magie genutzt hatten. Seitdem reisten sie nur mit Muggelmethoden durch Großbritannien. Sie waren wieder in Godrics Hollow gewesen und hatten William Dragonar besucht und weitere Informationen zum nächsten Horkrux eingeholt. Noch immer vermuteten sie, dass der nächste und somit vorletzte Seelenrest sich in einem der Ravenclawschen Erbstücke verbarg. Der Vampir hatte ihnen sehr weiterhelfen können und so waren sie schließlich über mehrere Umwege wieder in London gelandet. Dort hatten sie sich nun in einem wirklich billigen Muggelhotel eingemietet und schmiedeten Pläne, wie sie auf ihrem Weg weiter kommen konnten. Nachforschungen hatten ergeben, dass weder der Gehstock noch das Buch direkt von Voldemort aus dem Museum in London gestohlen worden waren. Letzteres konnten sie mittlerweile ausschließen, denn es handelte sich um das Tagebuch, dass zuletzt in William Dragonars Besitz gewesen war, der kategorisch verneint hatte, dass es sich um einen Horkurx handeln könnte, denn dann hätte er ihn mit Sicherheit zerstört. So blieb nur noch ein Stab, in dem die Initialen und das Wappen der guten Ravenclaw eingeprägt waren, den sie vermutlich in ihren letzten Lebensjahren als Gehhilfe gebraucht hatte und in dessen Schaft sich auch ihr Zauberstab befunden hatte, der jedoch ebenfalls verschwunden war, das jedoch bereits seit Jahrhunderten. Weitere Hinweise hatten ergeben, dass die Diebe den Stock weiterverkauft hatten, doch in London verlor sich seine Spur. Sie hatten bereits getarnt sämtliche Antiquitätenläden der Winkelgasse aufgesucht, jedoch ohne Erfolg. Heute würden sie es in der Nokturngasse versuchen und das wollte gut geplant sein. „Hat jeder verstanden, was er zu tun hat?“ „Du gehst rein und verwickelst den Besitzer in ein Gespräch. Ron und ich schleichen uns unter deinem Tarnmantel hinter dir rein. Ginny hält Wache.“, fasste sie den Plan noch einmal kurz zusammen. Sie konnte ihn mittlerweile auswendig, so oft hatten sie es die letzte Stunde durchgekaut. Harry nickte zufrieden. „Dann können wir los?“ Auch Ginny und Ron nickten nun. Beide schienen ebenso gelangweilt, wie sie. Alle vier standen sie auf und zogen sich ihre Jacken über. Geschlossen verließen sie das Hotel und machten sich auf den Weg in den Tropfenden Kessel. Auf ihrem Weg musterte Hermine ihre Freunde genauer. Harrys Haare waren in den letzten Monaten genauso gewachsen, wie er selbst, und noch dazu hatte er einen Bart stehen gelassen, den sie und Ginny ziemlich hässlich fanden. Zudem trug er seit neuestem keine Brille mehr, wenn sie unter Menschen gingen, dafür aber braune Kontaktlinsen, die er in einem Muggelgeschäft erstanden hatte. Aber das war nicht die größte Veränderung, die Hermine an dem Jungen seit ihrem Abenteuer aufgefallen war. Er hatte sich charakterlich verändert. Wenn sie darüber nachdachte, kam sie zu dem Schluss, dass diese Veränderung bereits in den Sommerferien eingesetzt hatte. Er war kühler geworden, besonnener, und schien immer genau zu überlegen, was er tat. Manchmal, wenn er allein in seinem Zimmer war, hörte sie ihn anscheinend mit sich selbst reden und sie hatte das seltsame Gefühl, dass er ab und an mitten in der Nacht, wenn sie eigentlich schlafen sollten, verschwand. Einmal hatte sie ihn darauf abgesprochen, doch er hatte nur abgewunken. Er könne einfach nicht schlafen und ginge deshalb an der frischen Luft spazieren. Auch mit Ginny hatte sie darüber gesprochen, doch diese hatte lediglich abgewinkt und gemeint, sie sähe Gespenster. Daraufhin hatte sie Ron erst gar nicht mehr gefragt und die Sache ruhen lassen. Letztendlich waren diese Veränderungen zu großen Teilen ja auch nicht mal negativ. Er ging nicht mehr bei jeder Kleinigkeit in die Luft und konnte sich sogar in der Winkelgasse bewegen, ohne erkannt zu werden. Sie selbst hatte die Probleme des „Erkannt werdens„ ebenfalls nicht, da sie schlicht und ergreifend gewöhnlich aussah. Braunes Haar, braune Augen, normale Statur - eine Hexe, wie es sie überall gab. Nur Ron und Ginny waren problematisch. Beide waren einfach typisch Weasley. Groß gewachsen (zumindest Ron), rote Haare, Sommersprossen. Die einfachste Methode, sie zu verkleiden war der Tarnumhang, allein schon, weil sie weder Zeit noch Zutaten für den Vielsafttrank parat hatten. Genau deshalb verschwanden die beiden kurz, bevor sie den Tropfenden Kessel erreichten, in einer Gasse und warfen sich selbigen über. Anschließend betraten sie geschlossen den Pub. Selbiger war, wie nicht anders zu erwarten, entspannend leer. Tom der Wirt stand hinter seiner Theke und sah hoffnungsvoll auf, als die Türglocke läutete, und niedergeschlagen wieder auf sein Glas, das er gerade auf Hochglanz polierte, als sie ihm sagten, sie seien nur auf der Durchreise. Ansonsten sah es mit Gästen schlecht aus. Nur zwei weitere Personen waren in der Kneipe. Es durchfuhr sie ein kleiner Schreck, als sie Tonks erkannte, wie üblich bonbonrosa. Der Mann, der ihr gegenüber saß und so Harry und den anderen den Rücken zudrehte, war damit fast einwandfrei als Remus Lupin identifiziert. Als die Frau aufsah und zur Tür blickte, drehte auch er sich um und folgte ihrem Blick. Hermine und Harry nuschelten ein höfliches „Guten Tag„ und beeilten sich dann, durch die Absperrung zu geraten. „Denkt ihr, die haben euch erkannt?“, hörte sie Ron hinter sich flüstern, nachdem sie die Winkelgasse betreten hatten. „Ich hoffe nicht.“, erwiderte Harry düster und ging weiter. Sie sah noch einmal kurz in den Himmel, bevor sie Harry folgte. Das Firmanent zeigte ein strahlendes Blau. Es war der erste schöne Tag seit Wochen. Über Nacht war die Wolkendecke verschwunden und hatte der Sonne Platz gemacht. Wenn das kein gutes Zeichen war, wusste sie auch nicht weiter. Nervös ging sie neben dem Schwarzhaarigen die Winkelgasse entlang, die noch immer furchtbar trübselig wirkte. Seitdem sie sie im letzten Herbst besucht hatten, hatte sie sich nicht verändert. Überall zugenagelte Fenster und Ministeriumsplakate und Steckbriefe von gesuchten Todessern. Passanten waren rar, was ihren Weg vereinfachte. Auf halber Höhe kam Fred - oder war es George? - ihnen entgegen, erkannte sie allerdings nicht. Schließlich ließen sie die Einkaufsstraße hinter sich und bogen in die Gasse der schwarzen Magie ein, die noch verhärmter wirkte, als ihre Schwester. Kein Mensch war in Sichtweite. Zielstrebig bewegten sie sich auf Borgin und Burkes zu - und erlebten eine Überraschung. Die Fensterscheiben waren zugenagelt, wie so viele andere auch. An der Tür hing ein Schild. Closed. „Was in Merlins Namen...?!“, flüstere Ginny, die wie ihr Bruder den Umhang von den Schultern genommen hatte. Ron war weniger zimperlich. „Wir sind zu spät, verdammt!“ Schamlos ließ er seine Wut an der Tür aus, indem er dagegen trat. Anscheinend hatte der Tritt gesessen, denn zur Überraschung aller flog die Tür auf und gab den Weg ins Innere des Ladens frei. Nach einem skeptischen Blickwechsel traten sie ein. Das Gebäude schien noch nicht lange verlassen. Noch hatte sich keine Staubschicht über die Möbel gelegt, nur erkannte man deutlich, dass das Geschäft durchsucht worden war. Viele Regale waren leer, nur wertloser Plunder war zurückgelassen worden. Pergamentrollen, auf denen die Buchhaltung gemacht worden war, lagen achtlos auf dem Boden. „Wie gesagt, wir sind zu spät.“, wiederholte Harry säuerlich. „Vielleicht finden wir noch etwas in den älteren Aufzeichnungen. Lasst uns hinten im Laden nachsehen.“ Schon war Ginny auch schon durch die Tür, die ins Lager führte, verschwunden. Die anderen drei folgten ihr. Doch das Lager glich, wie schon dem vorigen Raum, einem Saustall. Alles war umgewühlt worden, Pergamente lagen über den Boden verstreut zwischen leeren Kisten und umgeworfenen Regalen. Hermine seufzte. „Das ist doch vergebene Liebesmüh. Lasst uns gehen, hier finden wir nichts mehr.“ „Aber wir finden etwas.“, warf jemand hinter ihr in spöttischem Ton ein. Alle vier wirbelten herum. „Und jetzt haben sie uns auch gefunden.“ Zwei Personen standen in der Tür, die sich bis aufs Haar glichen. Und sie hatten rote Haare. Hermine hörte, wie Ron neben ihr leise fluchte. Harrys Miene war zu Stein erstarrt, ebenso Ginnys. „Wir haben euch ...“ „... vermisst.“ „Ihr wisst gar nicht ...“ „... wie Mum sich freuen wird ...“ „... euch wiederzusehen.“ Der Schwarzhaarige war der erste, der wieder zum agieren fähig war. Er zog den Zauberstab. „Ich fürchte nur, sie wird uns so schnell nicht wiedersehen.“ Weder Fred noch George schien durch seine eindeutige Geste verunsichert. „Vergesst es...“ „... Leute. Der Orden ist ...“ „... unterwegs.“ „Der Orden ist schon da, um genau zu sein.“ Ein dritter Mann hatte das Lager betreten, hielt sich aber nicht weiter in der Tür auf, sondern marschierte mit geräumigen Schritten auf Harry zu. Sein Kopf flog zu Seite, als Remus Lupin ihm eine schallende Ohrfeige gab, doch ansonsten reagierte er nur mit einem gelangweilten Blick. Das wiederum schien den Herren zu verunsichern. „Knallen Sie mir ruhig noch eine, wenn Sie sich danach besser fühlen. Aber erwarten Sie nicht, dass ich wie ein kleines Kind um Gnade bettele.“, erwiderte Harry. „Reue würde mir fürs Erste genügen.“ „Und was ist, wenn wir nichts bereuen?“ Ginny hatte leise aufgeschrien, als der Schlag ihren Freund getroffen hatte, doch als sie jetzt sprach, klang ihre Stimme fest. Lupin wandte sich ihr zu, doch der verwunderte Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand so rasch, wie er gekommen war. „Du weißt doch gar nicht, wovon du redest, Mädchen!“ „Nein, Lupin. Sie wissen nicht. Nichts, um genau zu sein. Und Sie werden es auch nicht erfahren.“ Harry griff die Hand, die ihn geschlagen hatte und noch immer auf seiner Wange ruhte, und schob sie samt dem dazugehörigem Körper zur Seite. Dann ging er ohne ein weiteres Wort an dem Mann vorbei, zwischen den Zwillingen hindurch. Erst vor Tonks, die nun ebenfalls hinzugekommen war, blieb er stehen. „Das gilt auch für dich.“ Er war fast einen Kopf größer, als die Frau mit dem bonbonrosanem Haar vor ihm, was ihre Geste irgendwie lächerlich erscheinen ließ. Den linken Arm streckte sie zur Seite, um ihm den Durchgang zu versperren, in der Rechten hielt sie ihren Zauberstab und richtete selbigen auf ihn. Doch er schien noch immer ungerührt, was so gar nicht zu ihm passte. Der Harry von vor einem Jahr hätte getobt, gebettelt und geschrieen - wie ein kleines Kind. „Was willst du jetzt tun Tonks? Mich bewusstlos hexen und entführen? So, wie der Orden es am liebsten so gerne und so oft schon getan hätte? Immer, wenn ihr Kindchen aus der Reihe tanzte? Seht es ein. Ich bin kein Kind mehr. Und ich kann sehr gut auf mich allein aufpassen.“ „Das hat man bei eurem kleinen Abenteuer mit den Todessern ja gesehen.“, knurrte Lupin hinter ihm. „Wir haben unerwartet Hilfe bekommen. Wieso hätten wir handeln sollen, wenn andere die Drecksarbeit verrichten?“ Ohne Tonks weiter Beachtung zu schenken, drehte er sich um. „Aber nun gut. Wir werden mit Ihnen gehen, wenn sie darauf bestehen. Aber erwarten Sie nicht zu viel von uns. Wir wollen Sie ja nicht enttäuschen, nicht wahr?“ Ohne weitere Gegenwehr hatten sie sich von den Erwachsenen - obwohl Hermine die Zwillinge nur ungern zu den Erwachsenen zählte - aus der magischen Straße bringen lassen. Nun befanden sie sich in einem Haus, irgendwo in London, das der Orden anscheinend für Versammlungen gebrauchte, jedenfalls gingen Ordensmitglieder ein und aus. Harry hatte sich auf Befehl von Tonks hin in eines der Bäder zurückgezogen und rasierte sich. Als er frisch gewaschen, wieder mit grünen Augen und nicht mehr so zottelig herauskam, schien die Frau doch erleichtert. „Gefalle ich dir so besser?“, fragte er spöttisch, als er ihren Blick bemerkte. Tonks jedoch nickte nur fröhlich und Ginny stimmte ihr zu. „Oh ja. Du weißt gar nicht, wie eklig es ist, wenn du nen Kaktus küsst!“ „Dann muss ich mich wohl entschuldigen?“, lächelte er und drückte der Rothaarigen einen sanften Kuss auf die Lippen, die diesen sofort erwiderte. Das fand dann allerdings auch Tonks belustigend. „Ihr scheint ja in eurer Abwesenheit nicht untätig gewesen zu sein, hum? Was wohl Mrs Weasley sagen wird, wenn du dich ihr als zukünftiger Schwiegersohn vorstellst?“ „Sie fällt vermutlich in Ohnmacht. Das macht sie doch immer. Sie ist übrigens gerade K.O. gegangen. Wir haben ihr soeben mitgeteilt, dass ihr hier seid. Dad meint, er würde sie bis zur Versammlung morgen schon wieder wach kriegen. Bis dahin habt ihr also noch Schonzeit.“, grinste Fred, der gerade von einem Kamingespräch zurückkehrte. Ginny kicherte. Ihr Bruder war nicht so verzückt. Er verzog den Mund, als hätte er herzhaft in eine Zitrone gebissen. „Ist das jetzt gut oder schlecht?“ „Kurzfristig ist es vermutlich nicht schlecht. Habt ihr gesagt, morgen findet eine Versammlung des Ordens statt?“ Harry setzte sich neben Tonks auf die Couch und zog dabei seine Freundin auf seinen Schoß. Den Blick nahm er jedoch nicht von dem Rothaarigen, der nun Verstärkung durch seinen Bruder erhielt. George, der nur den letzten Teil mitbekommen hatte, nickte. „Ja. Morgen Abend um Acht. Remus versucht gerade Moody zu überzeugen, euch auch daran teilnehmen zu lassen. Na gut, vielleicht will er auch nur vor gesammelter Mannschaft zeigen, dass ihr zurück seid.“ „Hat er zumindest vorhin angedeutet. Letztes Mal gab es nämlich ziemliche Gerüchte unter den Mitgliedern, das hat uns ziemlich in Schwierigkeiten gebracht.“ „Wie stehen die Sicherheitsvorkehrungen?“ „Der Ort der Versammlung wird erst morgen bekannt gegeben. Wir wechseln jedes Mal. Spart den Geheimniswahrer. Uns sterben die Leute weg.“ Der Schwarzhaarige nickte versonnen. Doch das Aufblitzen unverholenem Triumphs in seinen Augen, als er erneut zu den Zwillingen blickte, bemerkten nur zwei Leute im Raum. Ginny und Hermine sahen sich kurz an, zuckten dann jedoch nur mit den Achseln, da sie sich keinen Reim darauf machen konnten. Die Rothaarige wandte sich wieder ihrem Freund zu. Doch zumindest Hermine würde dieser Blick noch länger beschäftigen. Viel länger... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)