Feuerproben und Fesselspiele von abgemeldet (Zutara) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Wasserbändiger kommt selten allein ------------------------------------------------- „Onkel, ich verlange auf der Stelle zu wissen, wohin Ihr mich führt!?“ Prinz Zuko, Erbe der Feuernation und Sohn des wohl am meisten gefürchteten Tyrannen aller Zeiten, wollte im Moment nichts sehnlicher tun als diese schrecklich juckende Augenbinde abzunehmen; aber Onkel Iroh hielt seinen Arm fest im Polizeigriff und schubste seinen blinden Neffen durch die belebten Straßen. Die Einwohner des Erdkönigreiches warfen dem wankenden Gespann aus der Feuernation seltsame Blicke zu; und nicht wenige machten einen Bogen um die beiden uniformierten Offiziere mit dem flammenden Emblem auf der Brust. „Würdet Ihr Euch bitte beruhigen, Prinz Zuko!“, grummelte der alte General. „Wir haben es gleich geschafft.“ „Ich hoffe doch sehr für Euch, dass der Zweck dieses lächerlichen Ausfluges nicht beinhaltet, meine Zeit zu verplempern. Ich habe ernst zunehmende Hinweise darauf, dass der Avatar-“ „Der Avatar kann warten, Prinz Zuko. *Das* hier ist bedeutend wichtiger. Vorsicht, Stufen.“ Iroh schubste beherzt seinen Neffen Treppenstufen hinauf zu einer Plattform, die den Eingang eines wohlhabenden Hauses säumte, in dem sich auch ein König heimisch fühlen würde. Iroh gluckste erwartungsvoll, als er der glänzenden Fassade seinen gebührenden Respekt erwies und das Augenmerk auf die verspielten Details der Architektur richtete. Alles genau nach seinem Geschmack. Wie passend. „Soll ich etwa hier Wurzeln schlagen?“, fragte sein blinder Neffe mürrisch und an die Grenzen seiner kurzlebigen Geduld kratzend. Iroh seufzte. „Immer ruhig mit den jungen Pferden. Ihr werdet schon noch früh genug auf Eure Kosten kommen, Prinz Zuko.“ Zwei Wachen, Frauen in dunkelgrüner Dienstuniform, öffneten die weit schwingende Eingangstür. Iroh kam nicht umhin, die auffallende Stirntätowierung zu bemerken, die signalisierte ‘Hey, ich bin eine ausgebildete Erdbändigerin, also sieh dich vor, alter Hund!‘. ‚Wirklich beeindruckend‘, dachte Iroh anerkennend und schubste seinen Neffen rein in die Höhle des Löwen. „Onkel“, mahnte Zuko nachdrücklich. „Haltet Ihr es wirklich für eine gute Idee, mich mit verbundenen Augen durch unbekanntes Terrain zu führen? Bei allem Respekt, aber das ist taktischer Selbstmord. Wir könnten geradewegs in einen Hinterhalt laufen. Der Avatar könnte jeden Moment vor unseren Augen hier auftauchen!“ Iroh rollte entnervt mit den Augen. „Ich höre immer nur Avatar, Avatar, Avatar! Könnt Ihr nicht mal eine Sekunde lang euren Fokus auf etwas anderes richten?“ Zuko schien tatsächlich über eine Antwort nachzudenken. „Nein.“, kam es spröde aus seinem Mund. „Wo zum Teufel sind wir eigentlich? Und was ist das für ein penetranter Gestank?“ Der kleine Schelm in Irohs Augen tanzte frech. „Das, mein lieber Neffe, nennt man *Parfüm*.“ Verblüfft riss Zuko den Kopf hoch. „Sagt das noch mal.“ „Parfüm, mein Junge. Ihr wisst schon, lieblich duftende Wässerchen für zarte Frauenhälse, wenn Euch das Konzept so fremd ist.“ Erst sagte er gar nichts, dann ging ein gewaltiger Ruck durch Zukos Körper. „Mir ist das Konzept durchaus bekannt, danke für Eure überflüssige Lehrstunde, nur frage ich mich: Was bei allen heiligen Glutgöttern hat das mit *mir* zu tun?!“ Iroh schmunzelte und fand endlich Erbarmen, indem er Zukos Augenbinde entfernte. „Tadaaa!“, posaunte er feierlich und mit ausschwenkender Handbewegung. Zuko blinzelte heftig. Vorbildlich, wie es sich für einen anständigen Offizier der Feuermarine gehörte, maß er den Raum aus, suchte nach Fluchtwegen und potenziellen Fallen. Erst dann, nach eingehender strategischer Analyse, kümmerte er sich um den banalen Rest. Aha. Sie standen also in einem Foyer - von der Größe eines mittleren Schlachtschiffes. Der Boden war ausgelegt mit dunklem Edelholz; auf Hochglanz poliert und brannte wahrscheinlich wie Zunder im Falle eines Gefechts. Große Porzellanvasen waren in allen vier Ecken verteilt - wunderbare Wurfgeschosse in Zukos Augen, wenn man erstmal das geschmacklose Blumengestrüpp darin entsorgt hatte. Eine kleine Teelichterkette, sorgsam aufgereiht, leitete den Besucher unmissverständlich ans andere Ende des Raumes, das an einer weiteren großen Schwingtür grenzte. Ein leises Liedchen vor sich her summend schlurfte Iroh zu eben dieser Tür und drehte sich zu seinem fortwährend misstrauischen Neffen um. „Wohin habt Ihr mich nur gebracht?“, fragte der mit gekräuselter Stirn. Iroh strahlte ihn mit hell leuchtendem Lächeln an. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Prinz Zuko!“ Er griff nach der vergoldeten Klinke und stieß die Tür mit einem energischen Schubs auf. Ein sonnendurchfluteter Garten offenbarte sich dahinter, ein Hof ausgelegt mit Steinplatten und kleinen Blumenbeeten, monströsen Springbrunnen und anderen abstrusen Wasserspielereien. Mehrere kleinere überdachte Pavillons mit Tischen und Sitzgelegenheiten erweckten den Eindruck eines exquisiten Restaurants, die Onkel Iroh bekanntlich so huldigte. Zuko, ganz der Militärtaktiker, erspähte auch sogleich die dahinter angrenzenden Flügel, die für ein Herrenhaus dieser Art mit ungewöhnlich vielen Türen ausgestattet waren. Zuko zog missbilligend die Augenbrauen zusammen. Das gefiel ihm gar nicht. Dort konnte sich eine ganze Armee verstecken. Ach was, eine ganze Kaserne mit Kanonengießerei und Katapultmanufaktur. Und natürlich auch ein fliegender Bison. Wie konnte Onkel nur ein solches Risiko in Kauf nehmen? Nun ja, ein Blick auf Irohs Gesicht war Antwort genug. Denn während Zuko, der 24Stunden Soldat, sich mit den örtlichen Begebenheiten vertraut gemacht hatte, war Iroh zum gemütlichen Teil des Tages übergegangen. Zuko verkniff sich ein scharfes Wort. Stattdessen begutachtete er kritisch die illustre Gesellschaft. Ein Dutzend wohlhabend gekleideter Frauen aalte sich auf einer Kissenlandschaft unter einem der Pavillons, schnatterte wild durcheinander und fächelte sich gegenseitig Luft zu. Ein paar junge Männer, sehr opulent und festlich gekleidet, einige standen den Frauen in nichts nach, saßen auf Holzbänke oder angelten sich Blumen aus den Beeten, um sie sich ans Revers zu stecken. Alles in allem machte die Gesellschaft einen sehr gelangweilten Eindruck. Sie schlürften Tee oder Sake, redeten miteinander und zeigten auch sonst keine Ambitionen, dass sie jemals in ihrem Leben etwas anderes machen wollten. Zu seiner eigenen Erleichterung erspähte Zuko zwischen all dem Prunk und den Seidenroben auch hin und wieder eine glänzende Uniform. Wenigstens, so dachte er sich, könne er sich als Spionageagent unters Volk mischen. Ein paar Informationen über den Avatar abgreifen. Dann wurde er sich schmerzlich seiner eigenen Uniform bewusst. Die Leute waren ihm gegenüber meistens nicht sonderlich redselig. ‚Nun ja, alles eine Frage der Methoden‘, dachte Zuko ehrgeizig und ließ seine Finger krachen, nur um sie gleich wieder enttäuscht in den Hosentaschen verschwinden zu lassen. Ein kurzer Blick auf Irohs glückliches Gesicht verriet, dass *gezielte Informationsbeschaffung* heute nicht in Onkels Sinn stand. ‚Was‘, mutmaßte Zuko argwöhnisch, ‘könnte stattdessen in seinem Sinn stehen?‘ Also, wenn das eine Überraschungsparty war, dann war es aber eine ziemlich schlechte. Der Ehrengast war da, und alles, was Zuko erntete, waren ein paar neugierige Blicke. Zuko starrte seinen Onkel bitterböse an. Iroh war der einzige, der sein Starren mit beschämender Regelmäßigkeit ignorierte. Iroh war sich durchaus im Klaren darüber, dass Zukos seinen Geburtstag lieber vergessen als zelebrieren wollte. Was bedeutete es schon für ihn? Nur ein weiteres Jahr in dem es ihm nicht gelungen war, den Avatar gefangen zu nehmen. Nur ein weiteres Jahr, das er würdelos als verbannter Prinz fern seiner Heimat verbrachte. Nun ja, wie schon erwähnt, Iroh ignorierte die Melodramatik des Ganzen und begrüßte mit einem strahlenden Lächeln eine ältere Dame, die quasi aus dem Nichts auf sie zugeschossen kam. Ihre goldene Robe war so reich mit Edelsteinen geschmückt, die bei den raschen Trippelschritten gegeneinander klimperten, dass Zuko unwillkürlich an sein Metallkettenhemd denken musste. „Iroh, es tut so gut, dich wieder zusehen! Willkommen zu Hause!“, säuselte sie mit theatralisch-rauchiger Stimme. Die üppige Parfümwolke, in der sie zu schweben schien, ließ Zuko instinktiv nach Luft schnappen. Versuchte sie etwa, Rauchzeichen an benachbarte Indianerstämme zu schicken? Irohs Lächeln nahm hingegen ungeahnte Dimensionen an und Zukos Misstrauen wuchs exponentiell dazu. Der Drache des Westens sahnte ein paar heftige Wangenschmatzer ab und der verbannte Prinz der Nation erschauderte peinlich berührt bis ins Mark. Natürlich stand er äußerlich wie in Stein gemeißelt, eben durch nichts zu erschüttern. Die stillvolle Würde eines Herrschers. „Und ich armes Ding dachte, du würdest dich viel eher bei mir blicken lassen!“, flötete die ältere Dame. „Verzeih, Ma-Li, aber ich war doch sehr beschäftigt gewesen. Ich möchte, dass du meinen Neffen kennenlernst, Zuko.“ ‚Prinz Zuko‘, wollte Zuko seinen Onkel vorlaut korrigieren, als ihm in den Sinn kam, dass Iroh vielleicht Sicherheitsbedenken hatte. Ma-Li kam ihm ohnehin entzückt zuvor. „Du meine Güte, was ein für gut aussehender junger Mann.“, jodelte sie. Die Würde des Herrschers schwankte erheblich, als zwei dicke roten Lippen Zuko gefährlich nahe kamen. Iroh trat seinem Neffen beherzt auf den Fuß - das internationale Zeichen für „Halt gefälligst still!“ Und während Zuko die Wangenknutscherei über sich ergehen ließ (er versuchte ernsthaft, keinen epileptischen Anfall zu erleiden), warf er einen Blick über die Schulter der Dame - und sah in die durch und durch wachsamen Augen einer Gruppe Bodyguards, die sich plötzlich in diskreten Nischen aufhielten. ‚So ist das also‘, schoss es ihm durch den Kopf, ‚Ma-Li ist kein Kind von Traurigkeit. Gut zu wissen.‘ Ma-Li beendete ihren Kussanschlag und besah sich Irohs entfernten Sprössling eingehend von oben bis unten. „So ein hübscher Junge aber auch.“, surrte sie. Ihre faltige, mit Klunkern behangende Hand ergriff Zukos Bizeps und löste ein katzenartiges Schnurren aus. Ein weiterer Tritt von Iroh vor sein Schienbein erstickte jede Gegenwehr Zukos im Keim. Mit den Blicken der Bodyguards im Nacken, einer ziemlich unmanierlichen Dame und einem offensichtlich geistig verwirrten Onkel, der das alles zu genießen schien, konnte es doch eigentlich gar nicht mehr schlimmer kommen, oder? Happy Birthday, Prinz Zuko! „Seht Ihr, sie findet Euch attraktiv.“ Iroh stupste ihn an. Sollte ihn DAS aufmuntern? Zuko schnaubte verächtlich. Er war sich durchaus im Klaren darüber, dass seine Narbe alles andere als hübsch war. Sie war hässlich und abstoßend. Thema beendet. „Heute ist der siebzehnte Geburtstag meines Neffen, und ich möchte ihm etwas Besonderes schenken.“ Iroh tätschelte beherzt Zukos Schulterplatten und zwei ruhige wissende Augen legten sich auf sein angespanntes Gesicht. Zuko hob zweifelnd eine Braue. Beide wussten sehr wohl, dass Zuko in den letzten zwei Jahren nur einen einzigen Wunsch verspürte - und das war etwas, das ihm niemand kaufen konnte. Ma-Li schaute interessiert zwischen den beiden Offizieren der Feuernation hin und her. Dann blieben ihre Augen abermals an Zuko hängen. Abschätzend nahm sie Maß. „Ich denke, ich habe da was in petto für ihn. Bitte, gönnt euch doch erst einmal ein paar Erfrischungsgetränke und macht es euch gemütlich.“ Mit diesen Worten rauschte sie von dannen und verschwand hinter eine der vielen Türen, die zum Hof hinausführten. „Onkel, auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole“ (und das tat er bestimmt) „Ich brauche kein Geburtstagsgeschenk. Alles, was ich brauche, ist ein ruhiger Abend auf meinem Schiff und-“ „…und den Avatar geknebelt und gefesselt im Kerker hockend, um Eure Ehre wiederherzustellen, bla, bla, bla.“, winkte Iroh ab. Er angelte zwei Schälchen heißen Sakes vom Tablett eines vorbeilaufenden Dieners und drückte eines davon in Zukos Hände. Er prostete dem wenig begeisterten Prinzen zu und leerte sein eigenes Schälchen in einem Zug. Dann packte er Zuko an seinen Schultern und sah ihm ernsthaft in die argwöhnischen Augen. „Zuko, Ihr seid im Begriff, ein Mann zu werden. Ein sehr starker und sehr… ähm ehrgeiziger Mann. Aber Ihr müsst, um Euer inneres Gleichgewicht nicht zu verlieren, einen Ausgleich dafür finden, eine Art Ventil.“, Iroh seufzte schwer. „Seht, als Euer Mentor ist es meine Pflicht, Euch zu leiten und zu beschützen. Aber als mein Neffe ist es Eure Pflicht“, und er stupste Zuko mit dem Zeigefinger auf die Brust, „zumindest an diesem besonderen Tag mich alten Mann zu unterhalten und es mit mir beim Sakewetttrinken aufzunehmen.“ Iroh kicherte vergnügt, die Wangen leicht gerötet, und den Schalk im Nacken. Zugegeben, seinen Onkel so ausgelassen grinsen zu sehen machte Zuko etwas nervös. Er stürzte den Inhalt des Sakeschälchens mit einem Zug hinunter - und unterdrückte nur mit Müh und Not einen heftigen Hustenreiz. Die Flüssigkeit kroch zäh und langsam seine Kehle hinab und hinterließ eine brennende Spur. Tausend Alarmglocken rangen ein schrilles Lied. Das war definitiv gepunschter Sake. Und hier war definitiv etwas oberfaul. Iroh fummelte an seiner Uniform. Entsetzt sah Zuko zu, wie der alte General Schulterplatten, Brustpanzer und die Metallschiene (Schutz vor Heckenschützen) bedenkenlos ablegte. „Onkel, dreht Ihr jetzt völlig durch!“, hisste Zuko scharf. „Was soll das werden, wenn‘s fertig wird?“ Mit der Gemütlichkeit eines alten zahnlosen Braunbär ließ sich Iroh auf ein Meer von Kissen im Pavillon neben ihnen fallen. „Ich mache es mir behaglich, Prinz. Etwas, das Ihr vielleicht auch in Erwägung ziehen solltet.“, Er klopfte auffordernd mit der Hand auf die Kissen. „Mein rechter, rechter Platz ist leer, ich wünsche mir den Zuko her. Hihihi.“ Je lockerer Iroh wurde, desto angespannter wurde Zuko. Um bei der Wahrheit zu bleiben, er war so angespannt wie auf einem Schlachtfeld. Ein Krieger im Kampf, der das lästige Gefühl nicht loswurde, eine entscheidende Information nicht bekommen zu haben. Tiefe Grübelfalten zerfurchten Zukos Stirn, als die goldene Ma-Li wieder in sein Blickfeld trippelte. Im Schlepptau drei Frauen. Oder Puppen, wie man‘s nahm. Sie waren weiß angemalt, mit roten Lippen, schwarz getuschten Augen und gekleidet in roter langer Seide. Sie bewegten sich mit einer Grazie, die jahrelange Übung erforderte, Zentimeter für Zentimeter. Trippelschritt für Trippelschritt. Und sie bewegten sich auf Zuko zu. Zuko warf einen Blick über die Schulter. Nein, da stand niemand hinter ihm. Er war ihr auserkorenes Ziel. Fragte sich nur, wieso? Zuko hob fragend eine Braue. ‚Moment mal‘. Knirschend setzten sich seine Gehirnwindungen in Bewegung. Setzten die Puzzelteile zusammen. Schickes Haus, reiche Männer, hübsche Frauen und seltsame Gerüche… . Der Groschen fiel langsam. Sehr langsam. Und traf den Boden mit der Wucht einer Atombombe. „IHR HABT MICH IN EIN VERDAMMTES BORDELL GEBRACHT???!“, fuhr der ernsthaft bis auf die Knochen erschütterte Prinz donnerlaut seinen Onkel an. Hmm, genauso gut hätte er auch eine Handgranate werfen können. Totenstille legte sich wie ein muffiges Leichentuch über die Gesellschaft. Die drei Frauen erstarrten zu Salzsäulen. Iroh machte Anstalten, winselnd unterm Tisch zu kriechen. Zuko straffte die Schultern. Er war es schließlich gewohnt, dass Wörter auf Lippen erstarben und heftig nach Luft geschnappt wurde, wenn *er* einen Raum betrat. Totenstille war nun wirklich nichts Neues für ihn. Von ihm aus könnten sie auch alle tot umfallen. „Wir bevorzugen den Ausdruck ‚Freuden-Etablissement‘.“, antwortete Ma-Li ruhig und mit einem Lächeln auf den Lippen, das nicht wirklich ihre Augen erreichte. Das allgemeine Zeichen der Entwarnung. Im Augenwinkel beobachtete Zuko, wie die Bodyguards ihre Schwerter losließen und eine Menge Jacken glatt gestrichen wurden. Nur sehr zaghaft nahmen die umstehenden Gäste ihre Unterhaltung wieder auf. Leises Gläserklirren mischte sich mit abwertendem Kopfschütteln und heftigen Blicken. „Wir sind ein exklusives Dienstleistungsunternehmen, junger Mann.“, fuhr Ma-Li fort. Offensichtlich fand sie, dass bei Zuko großer Aufklärungsbedarf vorlag. „Wir richten uns an die Frauen und Männer der gehobenen Gesellschaft. Unserer Service ist absolut konform mit der hiesigen Gesetzgebung. Unsere Mitarbeiter sind darauf spezialisiert, unsere Kunden im höchsten Maße ansprechend zu unterhalten, zu beköstigen, zu besingen, zu betanzen und … vieles mehr.“ Letzteres untermalte sie mit einem bedeutungsvollen Blick, der Zuko gegen seinen Willen die Röte in die Wangen stiegen ließ. Hastig wandte er sich von ihr ab, nur um seinen Onkel mit blitzenden Augen zu maßregeln. „Habt Ihr jetzt endgültig Euren Verstand verloren?! Wie konntet Ihr es wagen, mich hierher zu führen? Das ist nicht die passende Umgebung für mich! Ich bin ein Mitglied der königlichen Familie! Denkt an den Skandal, den wir damit lostreten könnten!“ „Denkt Ihr, dass mich *das* jemals abgehalten hat?“, fragte Iroh unschuldig wie ein Lamm auf der Wiese - und einen Arm um Ma-Li legend. Zuko wurde so blass, dass seine Narbe fluoreszierend zu leuchten schien. Nein. Er wollte, er konnte, er wollte sich nicht vorstellen, dass sein Onkel mit dieser Frau … mit dieser alten Frau … Oh Gott, zu spät. Verdammt. Er schoss Iroh - der mit sich und der Welt im Reinen zu schein - einen Blick zu, der rasende Mammuttiger dazu gebracht hätte, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern. Ma-Li lehnte sich amüsiert zu Iroh vor. „Dein Neffe scheint nicht zu wissen, dass unserem Etablissement die Ehre zuteil ist, auch anderen königlichen Mitgliedern der Feuernation mit unseren Diensten zur Verfügung zu stehen.“ Zukos Gesichtsfarbe wechselte nun vom kreideweißem Entsetzen zum pikierten Rosa. Jetzt war es amtlich. Er war ganz unten auf dem Boden des Abgrunds gelandet. Verbannt, entehrt, belastet mit entwürdigen Familiengeheimnisen und Gast in einem Bordell. Er müsste schon zehn Avatare fangen, um seine Seele von dieser Schande wieder zu reinigen. „Aber bitte, meine verehrten Herren, lasst mich Euch meine bezaubernden Damen vorstellen….“ Zuko lief jetzt leuchtendrot an. Außerdem sah er aus, als wäre er bereit zu morden. „… dann könnt Ihr wählen.“, säuselte Ma-Li entzückt. „Ich habe bereits gewählt, und zwar mein Bett, auf meinem Schiff. Allein!“, wiederholte der Prinz bestürzt, und eine Oktave zu hoch, um wirklich noch überzeugend Herr der Lage zu sein. Iroh schmunzelte. „Nimm es ihm nicht übel, Ma-Li. Es ist, soviel ich weiß, sein erstes Mal, dass er die Gesellschaft einer Dame genießt.“ Zuko sprang beinahe aus seiner Uniform. „Onkel, wie könnt Ihr es wagen!“ Ma-Li klatschte begeistert in die Hände. „Ach nein, wie süß. Meine Damen werden ganz entzückt sein, wenn ich ihnen davon unterrichte.“ Zuko wurde dunkelrot. Nein, dachte er mit tiefer Bitterkeit, soeben ist der Boden des Abgrunds auf mir gelandet. Ihm wurde ja schon einiges nachgesagt, aber ‚süß‘ gehörte ganz bestimmt nicht dazu, und Jungfrau schon gar nicht. Er fragte sich so langsam, wen er wohl alles mundtot machen müsste, damit dieses Geheimnis für immer in den Wänden dieses unehrenhaften Hauses bleiben würde. Iroh tätschelte ihn aufheiternd - und Zuko widerstand nur mit äußerster Willenkraft, den Kopf nicht frustrierend gegen den nächsten Holzpfahl zu rammen, was mit Sicherheit lustiger war als dieses grottenschlechte Schauspiel. Ma-Li winkte die erste Dame heran. Eine junge Frau im rotem Seidenkleid, mit langem schwarzen Haar, das wie ein gezähmter Wasserfall über ihre Schultern fiel. „Das ist Jing-Mei.“, erkläret Ma-Li. „Sie kommt aus der Feuernation und lebt schon seit drei Jahren in meinem Haus. Sie ist besonders begabt im Umgang mit der Mandoline.“ Zuko kniff die Augen zusammen. Das Mädchen war bei näherer Betrachtung kaum älter als sechzehn Jahre, aber es war schwer ihr Alter einzuschätzen. Mit dieser weißen Paste im Gesicht könnte sie auch locker zehn Jahre älter sein, wer wusste das schon so genau? Jing-Mei lächelte Zuko an - dann sah sie seine Narbe, und das Lächeln wurde dünner. Zuko tat ihr nicht den Gefallen und erwiderte ihr Entgegenkommen, sondern starrte eiskalt an ihr vorbei. Das internationale Zeichen für ‚Kein Interesse.‘ Ma-Li registrierte seine Abneigung und schubste Jing-Mei ganz flink aus dem Weg um Platz für Lindo aus dem Erdkönigreich zu machen. Die junge Frau trug ebenfalls eine rote Seidenrobe, dazu ein grünes Haarband, das ihr schwarz gelocktes Haar in Zaum hielt. Anstatt vor Zukos Narbe zurückzuschrecken, schien sie eher neugierig darauf zu sein. „Lindo ist eine ausgezeichnete Sängerin und eine äußerst talentierte Masseurin. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.“, erklärte Ma-Li, während ein Diener eine weitere Runde Sake ausschenkte. „Na, das wäre doch genau das richtige für meinen angespannten Neffen.“, bemerkte Iroh wohlwollend. „Ich frage mich“, bemerkte Zuko trocken, „Ob Ihr das gleiche sagen würdet, mit einem Flammensturm unter Eurem Hintern.“ Iroh brach in schallendes Gelächter aus. „Und hier haben wir Ying-Ying.“, fuhr Ma-Li vor. Beide, Zuko und Iroh verhaarten stehend perplex. Ein großer Schatten gleich einer Sonnenfinsternis baute sich vor ihnen auf. „Du meine Güte…“, entfuhr es Iroh inbrünstig. Ying-Ying überragte selbst den Prinzen um eine ganze Kopflänge und sie sah aus, als könnte sie King Kong locker im Kampf überwältigen - und nebenbei ein Buch lesen. Sie trug die rote Seidenrobe, nur war ihre bei näherem Hinsehen durchscheinend und gab den Blick auf sehr muskulöse Arme und Beine frei. Sehr - wirklich sehr - muskulöse Arme und Beine. Zuko musste seinem Onkel in die Rippen stoßen, damit der wieder die Kinnlade hochklappte. Für sein Alter hatte Zuko einen überdurchschnittlich gut entwickelten und trainierten Körper und stellte viele seiner Alterskameraden in den Schatten, doch neben Ying-Ying kam er sich plötzlich wie ein halbes Hemd vor. Sogar ein wenig unterentwickelt. „Ying-Ying kommt vom Erdkönigreich und ist ähm, gelinde gesagt, hart im Nehmen. Sie wird besonders häufig von hochrangigen Militärangehörigen gebucht, denn sie ist bekannt dafür“ und Ma-Li warf einen Blick auf den schwer zufrieden stellenden Zuko, „auch die nun ja robusteste Nuss zu knacken.“ Iroh prustete in sein Sakeschälchen. Zuko sah panisch zu Ying-Ying auf. Sie leckte die Lippen. Jetzt sah er extrem panisch drein. Das war doch alles nur ein Scherz, oder? Er sah sich hektisch um. Irgendwo hier musste doch der Rest der Schiffsmannschaft hocken, hervorspringen und schreien „April! April!“ Es blieb leider Gottes so still wie bei einer Sonntagspredigt. „Und, junger Herr? Für welche Dame entscheidet Ihr Euch?“, fragte Ma-Li mit der herzensguten Neugier einer Mutter, die fragt, welche Socken ihr Sohn heute anzuziehen gedenkt. Ying-Ying winkte ihm aufmunternd zu. Zuko drückte stolz sein Rückgrat durch, die Entrüstung der Gerechten auf seiner Seite wissend. Iroh stellte sich hinter ihm. „Nun, das sind allesamt bezaubernde junge Damen, Zuko. Euch steht es frei, Euer Geburtstagsgeschenk zu wählen.“ „Steht es mir auch frei, mich einen Abgrund hinabzustürzen?“, fragte er zynisch. Iroh lachte - und überging seinen Einwurf. „Ihr könnt natürlich auch alle drei wählen. Für meinen Lieblingsneffen ist mir nichts teuer genug. Besonders nicht an seinem Geburtstag.“ Das war zuviel. Das brachte das Fass zum überlaufen. Zuko schüttelte die Hand seines Onkels empört von sich. „Ich sage es jetzt nur einmal, Onkel, und ich empfehle Euch dringend, genau zuzuhören: Ich werde unter keinen Umständen das Bett mit einer Hure teilen!“ Er sagte es laut und deutlich. Er sagte das böse H-Wort so laut und deutlich und voller Verachtung, dass sich auch die Prostituierten in Omashu verletzt ans Herz fassten. Die drei jungen Frauen schnappten fassungslos nach Luft. Aus den Augenwinkeln heraus sah Zuko die Bodyguards aus ihren Nischen eilen. ‚Zeit für einen bisschen Action‘, meinte er erwartungsfreudig. Ma-Li, ein Ausdruck auf dem Gesicht wie ein Granitfelsen, gewahrte ihrem Sicherheitspersonal mit einer scharfen Handbewegung Einhalt. Ein bedauernswertes Lächeln stahl sich auf Zukos Lippen. So ein Leben unter der Fuchtel einer Frau musste echt deprimierend sein. Schreckliche Todesblicke sandte Ma-Li ihrem jüngsten Gast zu, doch sie prallten an ihm ab wie Gummibälle. Als Sohn des am meisten gefürchteten Tyrannen auf diesem Planeten, war Zuko Todesblicke gewöhnt. Genau genommen hatte seine Familie den Todesblick erst neu erfunden. Ma-Li wandte sich seufzend an Iroh. „Ich hoffe, dir ist bewusst, dass der einzige Grund, weshalb ich deinen Neffen nicht sofort aus meinem Haus eskortieren lasse, du bist, mein lieber Iroh. Und gerade weil ich deine Gegenwart so sehr schätze, werde ich sehen, ob vielleicht eine meiner anderen Damen noch gewillt ist, deinem Neffen Gesellschaft zu leisten.“ „Ich stehe tief in deiner Schuld, Ma-Li und sei dir gewiss, dass ich ein ernstes Wort mit ihm reden werde.“, beteuerte Iroh mit einer sehr tiefen Verbeugung. Ma-Li rauschte von dannen. Sobald sie außer Sichtweite war, packte Iroh seinen Neffen am Kragen und zog ihn zu sich hinunter. „Hat man Euch als Kind zu heiß gebadet, oder warum seid Ihr nur so ein verbohrter Einfaltspinsel!!! Ihr habt Ma-Li beleidigt, und Ihr habt mich gedemütigt und das Ansehen Euer Familie bespuckt!“ „Und Ihr habt mich vor der ganzen Welt gedemütigt!“, schoss Zuko zurück. „Danke für dieses …dieses unsagbare Geschenk, aber ich ziehe mich jetzt auf mein Schiff zurück!“ Iroh setzte von neuem an, aber Zuko schnitt ihn ab. „Ich will kein Wort mehr darüber verlieren!“ Er machte scharf auf seinem Absatz kehrt und stürmte zum Ausgang. Wie konnte sein Onkel ihm diese Situation zumuten? Welcher verrückte Dämon hatte ihn dabei geritten? Woher hatte er überhaupt die Idee, Zuko könnte bei so etwas mitmachen wollen? Keine Frau vermochte es, einen Mann aus ihm zu machen, solange er seine Ehre nicht wiederhergestellt hatte. DAS zeichnete einen Mann aus. EHRE. Und nicht der Status seiner Liebesaktivität. Ehre war es, die er zum Mann Sein brauchte, und die würde er ganz bestimmt nicht in einem verfluchten Bordell finden! „Zuko!“, rief ihm sein Onkel wütend hinterher - und wurde überrascht. Zuko blieb stehen. Als hätte ihn der Blitz getroffen. Mit voller Wucht. Kurz vor dem Ausgang, langsam, sehr langsam drehte er den Kopf und fragte sich ernsthaft, was dem Sake beigemengt worden war, dass er plötzlich von schrecklichen Halluzinationen heimgesucht wurde. Für eine entsetzlich lange Sekunde hatte er doch tatsächlich geglaubt, Arktisblau zu sehen. Arktisblau. Das klang so subtil, so lächerlich. Doch man musste erst wie Zuko monatelang in arktische Gewässer schippern, um diesem simplen Wort eine besondere Bedeutung zukommen zulassen. Dieses faszinierende Blau in einer unwirtlichen Umgebung aus Eis und Wasser, der Ursprung der Menschheit, die raue Wirklichkeit der Natur übte auf jeden Seefahrer eine unglaubliche Anziehungskraft aus. Arktisblau war nicht etwas, was man in der Wüste fand, oder in einer Seidenmalerei in Omashu - oder in einem ruchlosen Bordell. Es war eine einzigartige Farbe, und Zuko war sich durchaus im Klaren darüber, dass Arktisblau auch die passende Beschreibung für die Augen des Wassermädchens war, mit dem der Avatar zusammenreiste. Katara. Zuko straffte die Schultern - und zollte dem Mädchen, das hinter Ma-Li aus einer der vielen Türen erschien, alarmiert seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Natürlich war es nicht Katara. Doch die Ähnlichkeit war verblüffend. So verblüffend, dass Zuko vergaß, dass er eigentlich im Begriff war zu gehen. Er drehte sich um - natürlich nur, um sicherzustellen, dass dies wirklich nicht das Mädchen vom südlichen Wasserstamm war. Sie war klein und zierlich, gekleidet in einer roten Seidenrobe und einem blauen Tuch über den Schultern. Das dunkelbraune Haar war gebändigt und zu einem eleganten Knoten hochgesteckt. Auf keinen Fall war sie älter als sechzehn Jahre, schätzte Zuko. Und sie hatte arktisblaue Augen. Doch in diesen Augen tanzte kein bissiger Haifisch, kein wilder Piranha, der einem das Fleisch von den Knochen nagen will, nur weil man den Avatar fangen will. Nein, in diesen Augen spiegelte sich völlige Unterwerfung. Dieses Mädchen hatte zwar das Aussehen von Katara, aber nicht ihren Kampfgeist. Diese Mädchen wusste - im Gegensatz zu ihrer schwachköpfigen Doppelgängerin - ganz genau wo ihr Platz in der Gesellschaft war. ‚Das ist … interessant.‘, gab Zuko zu. So interessant, dass seine Füße nicht das taten, was sie eigentlich tun sollten, nämlich davon türmen. Er sah sich außerstande, auch nur eine Winzigkeit von seiner derzeitigen Position abzuweichen. Also stand er wie angewurzelt auf der Stelle und starrte in diese arktisblauen Augen und spürte, wie sich sein gesunder Menschenverstand Stück für Stück verabschiedete. Da … war einfach … irgendwas. „Oh, verdammt“, sagte Zuko mit leiser Stimme. „das kann doch nicht wahr sein.“ Ma-Li schnalzte herausfordernd mit der Zunge und geleitete das Mädchen zu ihrem ‘schwierigen Gast‘. „ Wie ich sehe, habe ich Euren Geschmack letztendlich doch noch getroffen.“, säuselte sie mit honigsüßer Stimme. Tief in Zukos Innerem zerriss ein empfindlicher Nervenstrang. „Das ist Alana vom nördlichen Wasserstamm. Sie ist erst wenige Monate bei uns. Aber sie ist wirklich ein zuckersüßes Ding.“, pries Ma-Li das Mädchen an, als galt es, ein Steak zu verkaufen. Zukos Mund fühlte sich plötzlich an, als hätte er einen ganzen Sandkasten gefuttert. Sein Herz pumpte und pumpte Adrenalin und seine innere Stimme protestierte und schrie, das sei nur, weil sie dem Mädchen so ähnlich sieht und er erwartet, der Avatar komme gleich hinter einer Säule hervorgesprungen, um mit ihm zu kämpfen. Natürlich. Wo sie war, war ein Kampf in greifbarer Nähe und sein Körper bereitete sich darauf vor, nicht wahr? Iroh erschien an seiner Seite - und hob interessiert die Brauen, als er sah, welches Mädchen Ma-Li für Zuko ausgesucht hatte. „Hmm, das nenn ich jetzt aber wirklich mal eine Überraschung.“ Und dabei meinte er weniger die erstaunliche Ähnlichkeit, sondern viel eher Zukos entglittene Mimik, als würde er hier und jetzt zum ersten Mal darüber nachdenken, dass man mit Mädchen vom Wasserstamm auch durchaus andere Aktivitäten unternehmen kann als sich ständig um den Globus zu hetzten und Krieg zu spielen. Der alte General tätschelte beruhigend seines Neffen Ellbogen. Ma-Li gab ihrem Mädchen einen leichten Anstoß. „Alana, das ist Zuko.“, stellte sie ihm vor. „Heute ist sein siebzehnter Geburtstag.“ Alana lächelte. „Meinen allerherzlichsten Glückwunsch, Master Zuko.“ Zuko schluckte schwer. Da stand sie. Sie hatte die gleichen Augen. Sie hatte das gleiche Aussehen. Sie war ihm zu Willen. Er zog die Luft scharf ein. „Onkel…?“ „Es ist in Ordnung, Zuko.“, erwiderte Iroh tröstend. „Es ist alles sogar in bester Ordnung.“ *** Kapitel 2: Eine Küchenmagd auf Abwegen -------------------------------------- Zuko schluckte schwer. Da stand sie. Sie hatte die gleichen Augen. Sie hatte das gleiche Aussehen. Sie war ihm zu Willen. Er zog die Luft scharf ein. „Onkel…?“ „Es ist in Ordnung, Zuko.“, erwiderte Iroh tröstend. „Es ist alles sogar in bester Ordnung.“ „Im Pavillon wird Tee angerichtet.“, meinte Ma-Li wohlwollend. „Kommen Sie, junger Herr, warum schließen Sie sich nicht unserer kleinen Gesellschaft an, hm?“ Anschließen? Sicher doch, aber nur, wenn die Hölle zufriert, und Feuerlord Ozai mit dem Avatar Hand in Hand Schlittschuh laufen geht und kleine Achten in kosmischer Harmonie wirbelt... Mit anderen Worten: ‚Tickt‘s bei Ihnen ganz richtig?! Nie im Leben! Ich verschwinde von hier!‘ Doch bevor Zuko diesen heroischen Akt des Widerstandes in die Tat umsetzen konnte, hakte sich Alana bei ihm unterm Arm ein, und er hörte sich leise krächzen: „Okay.“ Zum Pavillon gehen. Gott stehe ihm bei! Über glühende Kohlen zu gehen, erschien ihm in diesem Augenblick sehr viel verlockender. Aber Alana drängte ihn, mit unnachgiebiger Hand, gefolgt von einem zufrieden dreinschauenden Iroh und einer in Gedanken das Geld zählenden Ma-Li. Zuko knirschte mit den Zähnen. Das war doch nur eine kleine dumme Göre, die sich seufzend an seinen Arm gehangen hatte und wild darauf war, ihn zum Teepavillon zu führen. Und er war ein gestandener Krieger. In glänzender Rüstung. Warum also kam er sich nur vor, als würde sie ihn zum Schafott führen? *** Derselbe Tag, nur viele Stunden zuvor… „Ich bin am-“ „Verhungern! Das wissen wir, Sokka. Würdest du endlich deine Fressluke zumachen und anfangen, nachzudenken?“, schnappte Katara. „Unsere Vorräte sind aufgebraucht. Wir haben kein Geld mehr und diese Wälder geben weniger zu Essen her als ein Gemüsemarkt nach einer Dürrezeit.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schielte einen Hügel hinab, zu dessen Fuße eine Stadt thronte. „Hm, uns wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als nach Arbeit zu fragen und unser Essen selbst zu verdienen.“ „Man, ich wünschte ich wär‘ ein Bison. Dann könnte ich den ganzen lieben Tag lang Gras futtern und Blätter von den Bäumen rupfen und wäre immer glücklich.“, maulte der Junge vom Wasserstamm und warf neidische Blicke auf Appa, der grunzend auf der Wiese fraß. Momo hopste fröhlich im Kreis, in jedem Affenhändchen einen Batzen Käfer. Sokkas lautem Magengrummeln folgend, bot er seinem menschlichen Begleiter eine Handvoll zappelnder Insekten an. „Hey, mach dich nicht über mich lustig!“, maulte Sokka und hielt sich den leeren Bauch. Momo rümpfte die Nase und stopfte sich vor seinen Augen eine besonders fette Käferlarve ins Mäulchen. Aang, Katara und Sokka waren in der Nacht zuvor auf dieser kleinen Waldlichtung gelandet, und nun, mit der wärmenden Morgensonne im Rücken starrten sie auf die mittelgroße Stadt, die in den ersten Strahlen des Tages glitzerte. Es war ein malerisches Bild, wenn da nicht der störende Faktor wäre, dass ihnen der Magen in den Schuhspitzen hing. „Leute, ich glaube nicht, dass wir da runter gehen sollten. Ich hab dieses … ungute Gefühl.“, beteuerte Aang. „Wenn wir hier bleiben, werden wir an Ort und Stelle verhungern.“, erklärte Sokka. „Setz einfach deinen Hut auf und deinen Mantel. Wir wollen ja nur einen Tag bleiben und zusehen, dass wir Arbeit finden und Geld verdienen.“ „Sokka hat Recht, Aang. Uns bleibt keine andere Wahl. Wenn ich noch einen Schritt gehen muss, ohne was zu Essen zu bekommen, fall ich tot um noch bevor ich jemals einen Lehrer zu Gesicht bekommen habe.“ Aang seufzte. „In Ordnung, … aber seid auf der Hut. Ich will nicht erkannt werden.“ „Ohhh, *jetzt* willst du nicht erkannt werden. Hätte dir das nicht schon gestern einfallen können, als wir auf dem Feuerfestival waren?“ „Halt die Klappe, Sokka und spar deine Kräfte, bis wir in der Stadt sind. Wir werden‘s dort brauchen.“ sagte Katara und ging voran. Sie war gereizter als sonst, hauptsächlich weil in ihrem Bauch gähnende Leere klaffte. Die kleine Gruppe kletterte den Hügel hinab, während ihre tierischen Freunde zurückblieben und die Welt nicht verstanden. Was war falsch an Grashalmen und Käferbeinen? Aang stülpte sich seinen provisorischen Reishut über die Glatze und einen Umhang, der seine weltbekannten Tätowierungen bedeckte. Nach einem kurzen Marsch hatten sie die Stadt erreicht und fragten bei etlichen Ladenbesitzern und Händlern nach - vergebens. Niemand hatte Arbeit für die drei. Sie fragten sich weiter durch die Innenstadt, und mit jeder erfolglos vorbei streichenden Minute wurden sie hungriger und schwächer. Zur Mittagsstunde hatten sie das Stadtzentrum erreicht und nahmen erschöpft Platz auf der steinernen Umrandung eines Brunnen. „Vielleicht sollten wir uns aufteilen.“, schlug Sokka vor. „Ich könnte mit Aang zum Hafen gehen und fragen, ob jemand Hilfe beim Umladen braucht, oder beim Entgräten.“ Katara runzelte die Stirn. „Und was soll ich machen? Rumsitzen und Däumchen drehen?“ „Wenn‘s sein muss.“, antwortete Sokka und bevor Katara Luft zum Protestieren holen konnte, fuhr er fort. „Schau, wir werden leichter Arbeit finden, wenn wir nicht zusammen auf der Türschwelle aufkreuzen. Die Leute denken, sie müssen uns alle drei bezahlen; und das schreckt sie sofort ab. Vertraut mir, wenn wir uns aufteilen, haben wir bessere Chancen. Wir treffen uns heute Abend auf dem Hügel bei Appa wieder und machen dann eine kleine Party.“ Aang schüttelte beharrlich den Kopf. „Ganz schlechte Idee, Sokka. Ich will nicht, dass wir uns aufteilen.“ „Warum nicht?“ „Ich hab… ich hab einfach dieses miese Gefühl. Und außerdem ist bisher jedes Mal, wenn wir uns getrennt, was schief gelaufen.“ Aangs sorgenvoller Blick ruhte auf Katara, die ihren Kopf in die Hände gestützt hatte und Trübsal blas. Sokka seufzte. „Es ist ja nicht so, dass wir Katara wieder auf einer Gefängnisinsel aussetzen. Wir werden ihr die Bisonpfeife dalassen. Wenn irgendwas passiert, kann sie Appa rufen und abhauen.“ Er steckte seiner Schwester die Pfeife zu und Katara nahm sie nur sehr ungern an. Sie fühlte sich ein wenig wie ein kleines Mädchen behandelt, das einen Dolch nicht von einem Lutscher unterscheiden konnte. Aber es schien die Jungs zu beruhigen, also steckte sie die kleine Holzpfeife in ihre Tasche. „Vielleicht sollte ich besser doch bei Katara bleiben.“, meinte Aang zweifelnd. Katara schoss in die Höhe, nicht unwesentlich genervt von der übertriebenen Fürsorge - also bitte, ein 13jähriger Luftikus, der sich um eine reife 15jährige sorgte! Fein, auch wenn Aang dreimal der Avatar wäre, so war das doch entschieden zu viel des Guten. Verdammt, sie musste ihn immer noch dran erinnern, seine Ohren zu waschen! Mit den Händen in die Hüfte gestemmt, schaute Katara auf dem Mönch herab (kein Kunststück, sie war ja schließlich auch größer). „Keine Sorge, Aang. Ich komm prima allein zurecht. Sokka hat in diesem Punkt recht: Zwei starke junge Männer wie ihr es seid, bekommen im Hafen sicherlich im Handumdrehen einen Job.“ Aang wurde zwei Zentimeter größer und auch Sokka zeigte seine stolz geschwellte Brust. „Yep, wo sie Recht hat, hat sie Recht.“ Katara verdrehte die Augen. Jungs… waren ja so einfach zu berechnen. „Ihr solltet euch sputen. Wir haben schon genug Zeit verplempert.“ Die Gruppe verabschiedete sich voneinander und Katara sah den beiden Jungs noch eine kleine Weile hinterher, ehe sie sich entschlossen umdrehte und die Innenstadt so unter die Lupe nahm wie ein General sein Schlachtfeld. „Hm, wenn ich ein Job wäre, wo würde ich mich verstecken?“, überlegte sie laut. Eine Passantin blieb hellhörig stehen. „Entschuldige kleine Miss, sagtest du gerade, du seiest auf der Suche nach Arbeit?“ Kataras arktisblaue Augen schwebten gen Himmel und ein kleines triumphierendes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Irgendjemand da oben schien sie heute richtig gern zu haben. Katara drehte sich um - und blickte in die schokoladenbraunen Augen einer älteren Frau, die so herzig war wie ein lauwarmer Apfelkuchen an einem kalten Wintertag. Die Dame schob eine gut gefüllte Leibesmasse durch die Straßen, ihre Wangen waren rosa angehaucht, im Arm hielt sie einen Korb mit frischem Gemüse und auf ihrem Gesicht thronte ein gütiges Lächeln, das Katara unweigerlich an Grangran erinnerte. Keine Frage, diese Frau stand sonntagnachmittags am Ofen und backte Plätzchen für die Kinder aus der ganzen Nachbarschaft. Sie brachte einem Suppe ans Bett, wenn man krank war, und las Geschichten vor, wenn man schlafen gehen musste. Katara mochte diese Frau auf Anhieb leiden. Ihr Herz machte einen freudigen Satz. „Ja, ja! Das bin ich!“ Die Dame lächelte zurück. Mit funkelnden Augen. „Eines meiner Küchenmädchen ist krank geworden und ich könnte eine helfende Hand für heute gebrauchen. Kannst du Küchenarbeit verrichten und sauber machen?“ Katara überwarf sich beinahe mit heftigem Kopfnicken. „Natürlich kann ich das. Ich würde liebend gerne bei Ihnen aushelfen. Was immer Sie wollen. Ich bin nicht zimperlich.“ Das war sie wirklich nicht, musste die ältere Dame zugeben. Das Mädchen, das ganz offensichtlich von weit her kam, hatte eine sonnengebräunte Haut, die zeigte, dass sie mehr Zeit im Freien verbracht hatte als unter einem Sonnenschirm, wie es viele junge Mädchen taten, um die modische Blässe beizubehalten. Sie hatte feingliedrige zarte Finger (mit sauberen Nägeln wohl bemerkt), die nicht darüber hinweg täuschen konnten, welche Kraft in ihnen steckte. Sie hatte eine auffallend gerade Haltung und irgendetwas sagte der alten Dame, dass man ihr als Kind kein Buch auf dem Kopf gepackt hatte, um ihr diese Aufrichtigkeit anzutrainieren. Und in diesen unheimlich blauen Augen schwamm etwas, das die Dame furchtbar interessant fand. Es war eine gesunde Aufmüpfigkeit und Entschlossenheit, die sie bisher nur von einer anderen Frau kannte: ihrer Schwester Ma-Li. „Wunderbar. Als ich heute Morgen aufgestanden bin, dachte ich, dieser Tag wird auf eine Katastrophe zusteuern.“, erzählte die ältere Dame und griff leichtherzig nach Kataras Ellbogen. „Doch dann läufst du mir über den Weg und plötzlich habe ich das Gefühl, dass alles sich dem Guten zuwendet. Ich kann dir drei Silbermünzen zahlen. Bist du damit einverstanden?“ Katara musste sich zusammenreißen, nicht der alten Dame um den Hals zu fallen. Sie konnte ihr Glück einfach nicht fassen. Drei Silbermünzen! Drei ganze Silbermünzen!!! Damit konnte sie die Truppe eine ganze Woche lang durchfüttern. Dankbar verbeugte sie sich vor ihrer großzügigen Gönnerin. „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken. Selbstverständlich bin ich einverstanden.“ Und dann sah sie auf, mit einem tatenfreudigen Funkeln in den Augen und die Dame schmunzelte. „Wunderbar. Würdest du mir soeben helfen, die Einkäufe ins Haus zu bringen?“ Katara lächelte breit wie ein Spatz, der einen Wurm gefunden hat. „Ist schon so gut wie erledigt.“ Enthusiastisch sprang sie vor, nahm der Frau die Einkäufe aus der Hand, und drehte sich grinsend zu ihr um. „Welches Haus?“ „Dieses Haus.“ Katara folgte dem Fingerzeig der Dame. Mit Sicherheit würde sie in einem gemütlichen Haus wohnen, mit Windspielen über der Eingangstür und Blumen in den Fensterbänken und Rauch, der aus dem Kamin aufstieg. Katara blinzelte heftig. Oder auch nicht. ‚Wenn das ein Haus ist, wo wohne ich dann? In einem Mauseloch?‘, dachte Katara erstaunt, als sie die wuchtige Mini-Ausgabe eines Palastes vorfand. Und mit Mini meinte sie, dass der Palast kleiner war als König Bumis Schloss, aber trotzdem groß genug, damit sich Flopsi und Appa gleichzeitig darin austoben könnten. „Wow“, raunte Katara. Die ältere Dame nickte belustigt. „Ja, das bekomme ich öfter zu hören.“ „Wow“, sagte Katara mit dem Sprung in der Schallplatte. Neugierig legte sie den Kopf schief und fragte sich, was das wohl sein könnte. Ein Badehaus vielleicht? Hm. Katara beschloss für sich, dass es sie nicht interessierte. Sie wurde für Küchenarbeit bezahlt. Sie würde genug Geld verdienen, um Fleisch und Reis zu kaufen, Gemüse, Milch und Brot. Und Leckerlis für Appa und Momo. Und dann würden sie zum Nordpol weiterziehen können. Katara hatte ein großartiges Gefühl. Dieses Haus hier würde ihr Glück bringen. *** ‚Dieses Haus hier ist mein Untergang.‘, dachte Zuko bitter. Der Prinz saß auf einem rosa Kissen. Er war Gast in einem Bordell. Sein Onkel schäkerte mit einer alten Schnalle. Und er saß auf einem rosa Kissen. Wenn er ein Rennpferd gewesen wäre, man hätte ihn von seinem Leiden erlöst. Düster starrte Zuko in seine Tasse, während die kleine Teegesellschaft um ihn herum sich angeregt unterhielt. Hin und wieder schweifte sein Blick ab und er registrierte die vielen Offiziere verschiedenster Nationen, die in diesem Haus ein und ausgingen. Er registrierte Paare, die sich ungehemmt in der kleinen Gartenanlage küssten. Er registrierte die Sandkörner unter seiner Schuhsohle, nur um nicht das Mädchen anschauen zu müssen, das neben ihm saß und das ihn immer wieder unter ihren langen schwarzen Wimpern hervor anblinzelte. Alana rückte ein Stückchen näher. Zukos Hand krampfte zusammen und seine Teetasse bekam einen Sprung. Heftig stürzte er ihren Inhalt herunter und stellte die Tasse zurück auf ihren Teller. Laut und deutlich. Und starrte seinen Onkel herausfordernd an. ‘Ich bin fertig mit dem Tee. Lass uns endlich abhauen!‘, schien sein Blick zu heulen. Ein leicht gequälter Ausdruck huschte über Irohs Gesicht, bevor er sich entschloss, seinen quengelnden Neffen einfach zu ignorieren und sich seiner ursprünglichen Unterhaltung wieder zuzuwenden. „Dann sind wir also heute zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt gekommen?“, fuhr er fort. „Nein, um Himmels Willen.“, verneinte Ma-Li resolut. „Für dich, mein lieber Iroh, gibt es niemals einen ungünstigen Zeitpunkt. Es ist nur… dieser Grippevirus grassiert unter meinen Angestellten und jetzt hat es sogar mein Küchenpersonal getroffen. Und in der Stadt kann man kaum qualifizierte Aushilfen finden. Meine arme Schwester ist schon ganz mit den Nerven am Ende, wo wir doch zu diesem großen Fest heute Abend geladen haben.“ Iroh setzte sich interessiert auf. „Du hast ein Fest für heute Abend geplant?“ Ma-Li nippte vornehm an ihrem Sake, ehe sie antwortete: „Ja, und du und dein Neffe seid herzlich dazu eingeladen.“ Iroh freute sich ernsthaft. „Das hört sich wunderbar an. Natürlich bleiben … äh, Junge, warum starrt Ihr so fasziniert auf Euer Kuchenmesser?“ „Selbsterlösung“, sagte Zuko „Das ist gnädiger so.“ „Ach was, Ihr malt schon wieder den Teufel an die Wand. Ma-Li‘s Feste sind legendär. Sogar Euer Vater schätzte ihre ähm … Veranstaltungen.“ „Mein Vater schätzt auch Daumenschrauben und Streckbänke.“, schnauzte Zuko zurück. „Trotzdem möchte ich mich nicht auf eine von denen legen.“ Alana verschluckte sich heftig an ihrem Tee und wurde purpurrot. Zuko biss sich auf die Zunge. Verdammt, so hatte er das nicht gemeint. Ma-Li‘s rot gepinselter Mund umspielte ein züngelndes Lächeln. „Eines muss man deinem Neffen lassen, Iroh: er hat zumindest einen ausgeprägten Sinn für Metaphorik.“ „Ja, er überrascht mich auch immer wieder!“, lachte Iroh und warf dabei einen extrem amüsierten Blick auf Alana. „Er ist wie ein stolzer Vogel am Himmel. Erst beobachtet man ihn ganz fasziniert und wenn man glaubt, ihn durchschaut zu haben, pieselt er auf dein Haupt.“, schickerte Iroh, die Nase nun sichtbar gerötet vom Sake. Ma-Li schürzte die Lippen. „Nun, was die bildhafte Sprache angeht, stehst du deinem Neffen in Nichts nach, mein lieber Iroh.“ Augen wie kalte Stahlspitzen ließen Iroh das Kichern jedoch im Hals verrecken. Prinz Zuko konnte sich nur mit äußerster Willenskraft davon abhalten, übern Tisch zu springen, seinen Onkel in den Grund und Boden zu stampfen, ihn niederzubrennen und seine Asche einzutüten. Ach was, er hätte Lust dazu gehabt, diese ganze Hütte abzufackeln und in eine Geisterbude zu verwandeln! Was er wahrscheinlich auch getan hätte, wenn Alana sich nicht in diesem Moment vorgewagt hätte und mit ihren bloßen kleinen Puppenhänden nach seinem Nacken griff. „Eine kleine Massage gefälligst, Master Zuko?“, säuselte sie liebreizend. Nun, sie hätte ihn auch genauso gut mit einem elektrischen Schlag schocken können. Beides ließ ihn versteinern und verstummen, während das Mädchen vom Wasserstamm versuchte, seine ‘harten‘ Muskeln zu erweichen. Sie kämpfte. Sie kämpfte hart. Sie keuchte. „Ihr seid aber wirklich seeehr angespannt, Master Zuko.“, jauchzte sie. Zuko warf ihr einen misstrauischen Blick zu. Ob sie echt nicht Begriff, dass sie Schulterplatten und Metallschienen bearbeitete? Iroh räusperte sich vornehmlich. „Nun, was denkt Ihr, Zuko?“ ‚Ich denke, jemand hätte dem Mädchen hier lieber ein intellektförderndes Buch zu lesen geben sollen statt die Anleitung zum Kamasutra.‘, dachte er höhnisch. Dann begriff Zuko, dass Iroh ihm eine reale Frage gestellt hatte. „Was meintet Ihr?“ „Ich fragte, was Ihr von dem Gedanken haltet, die Nacht hier zu verbringen. Ma-Li lässt Zimmer für uns herrichten und besteht darauf, dass wir heute Abend ihre Ehrengäste sind.“ Zuko widerstand der Versuchung, seinem Onkel den heißen Tee-Krug über den Kopf zu kippen. Statt dessen sagte er: „Ein andermal vielleicht.“ Ja, klar, in einem *anderen* Leben vielleicht. „Aber ich muss jetzt zurück auf mein Schiff.“ Der Prinz der Feuernation wischte Alana‘s Hände von sich, um sich mit kaiserlicher Haltung von seinem rosa Kissen zu erheben. Endlich. Es wurde ja auch langsam Zeit, dass er wieder zur Vernunft kam. Er hatte seine Katara-Schockphase überwunden. Iroh nippte von seinem Tee mit Rum (nun ja, Zuko tippte eher auf Rum mit Tee) und schaute dann leicht bedröppelt zu Boden. Zuko kniff die Augen zusammen. Er kannte diesen bedröppelten Ausdruck zu Genüge. Entnervt riss er die Fäuste hoch. „Um Himmels willen, nun rückt‘ schon endlich mit der Sprache raus, Onkel!“ „Was ist“, begann Iroh vorsichtig, „wenn ich Euch sage, dass unser Schiff gar nicht mehr im Hafen liegt?“ Zuko verschränkte die Arme vor der Brust. „Und“, fragte er mit bedrohlich tiefer Stimme. „warum sollte es das nicht mehr tun?“ „Hm, dass könnte natürlich damit zusammenhängen, dass ich der Mannschaft erlaubt habe, den Abend frei zumachen und im nächsten Stadthafen, der berühmt für seine Kneipen ist, anzulegen. Ich erwarte sie erst morgen Früh zurück.“, sagte er und trank aus seinem Teeschälchen. Zuko ließ das Gesagte sacken. Dann nahm er einen tiefen beruhigenden Atemzug. Dann vier weitere. „IHR HABT WAS??!“, explodierte er und schloss seine Faust um einen imaginären Hals. Iroh schluckte. „Der Mannschaft freigegeben. Sie hatten es nötig. Und warum ihnen nicht an diesem besonderen Tag diese Ehre zukommen lassen, hm?“ „Und wann wolltet Ihr mich davon unterrichten?!“, donnerte Zuko. „Wenn ich in heißer Verfolgung dem Avatar hinterherjage, zum Hafen renne, einem verfluchten Bison nachsehe und frage, ey, verdammt, wo ist mein Schiff??!“ „Nun, das kam ganz darauf an. Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, dann hätte ich es Euch morgen Früh mitgeteilt.“, sagte Iroh seelenruhig und schlürfte aus seiner Tasse. „Ich war mir ziemlich sicher, dass ich Euer Interesse an einem kleinen Jungen heute Abend etwas … zerstreuen könnte.“ Zuko schnitt eine grimmige Grimasse. Dieser wilde Ausdruck, der das Gerücht verursachte, Königs hätten Killerblut in sich. Was nicht wahr war. Wahrscheinlich. ‚Du willst nicht, dass er an seinem verdammten Tee erstickt.‘, grummelte Zuko. ‚dann hast du keine Chance mehr, ihn selbst umzubringen. Und das wäre doch wirklich jammerschade.‘ Zuko drehte sich herum - und schlurfte, sehr zur Freude von Alana, als geschlagener Krieger zurück zum Pavillon. Und das keine Sekunde zu früh. Denn hinter seinem Rücken öffnete sich die Tür, und Katara kam mit großen staunenden Augen herein und folgte brav ihrer neuen Arbeitgeberin auf dem Weg zur Küche. ‚Aha‘, dachte sie neugierig und schnipste mit den Fingern. ‘Also ein vornehmes Restaurant, wusste ich‘s doch.‘ Sie verschwand gemeinsam mit Ma-Li‘s Schwester in einer dieser vielen Flügeltüren, die hinter ihr geräuschvoll zuklappte. Zu leise, um von den übrigen Gästen bemerkt zu werden. Aber definitiv zu laut, um von dem Drachen des Westens ignoriert zu werden. Iroh starrte über die Schulter seines wütenden Neffen hinweg und sah schemenhaft eine vertraute Statur verschwinden. Er blinzelte. Und blinzelte. Und dann fragte er sich, wie viel Gläschen er heute eigentlich schon intus hatte, dass ihm sein Gehirn so lustige Streiche spielte… . Er kicherte. „Zuko, Ihr werdet mich jetzt vielleicht für verrückt erklären, aber einen witzigen Moment lang hab ich doch grad geglaubt, die Gefährtin vom Avatar wäre hier.“ Zuko verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Ach, was Ihr nicht sagt.“, brummte er düster. *** Kapitel 3: Krieg in der Besenkammer ----------------------------------- Die ältere Dame, die Katara auf dem Markplatz vom Fleck weg engagiert hatte, stellte sich als Li-Ma vor und bewegte sich für ihre füllige Figur mit einer erstaunlichen Windigkeit durch das Küchenchaos - während Katara einen Kellner mit Tablett und Gläsern in ernste Schwierigkeiten brachte, indem sie ihm aus Versehen den Ellbogen in den Rücken stieß, als sie über einen Koch hinweg stieg, der ihr hypnotisiert ins Gesicht gestarrt hatte und dann vor ihr auf die Füße fiel und ihr einen Heiratsantrag machte. „Wa-wa-was?“, kreischte Katara, tomatenrot. Li-Ma zog sie weiter. „Keine Sorge Schätzchen, das macht er bei jedem hübschen Rockzipfel, der an seinem Topf vorbeigeht.“, dann warf sie einen giftigen Blick über ihre Schulter. „CHU, DU VERDAMMTER VOLLIDIOT! Hör auf mit dem Quatsch und kümmere dich um deine Eier!“ Das letzte Wort hallte wie ein schlechter Scherz in den Wänden, der die Stopptaste drückte, und dreißig Leute hörten kommandogleich auf, in Töpfen zu rühren und warfen ihrer Vorgesetzten freche Blicke zu. Li-Ma seufzte. „Ihr arbeitet eindeutig zu lange in diesem Etablissement. Alle zusammen! Ich meine natürlich die Eier für das Soufflé.“ Sie schüttelte energisch ihre Pausbacken. „Behämmert, behämmert, behämmert. Komm, Kleines, ich zeig dir deinen Arbeitsplatz.“ Katara nickte abwesend; und ließ zu, dass Li-Ma sie weiter zog. ‚Was für ein ähm lustiges Völkchen hier doch arbeitet…‘, dachte sie perplex und wich einer fliegenden Zitrone aus, die irgendein Heini von einem Ende des Raums zum anderen warf. ‘Aber, wie sagt man so schön, andere Länder, andere Sitten, oder?‘ Blieb nur zu hoffen, dass die Sitten nicht zu sehr aus dem Rahmen fielen. „Das wird deine erste Aufgabe sein.“, erklärte Li-Ma und wies auf einen Tisch, auf dem sorgfältig verschiedenes Gemüse aufgereiht lag. „Draußen stehen Regentonnen mit Wasser und hier hast du einen Eimer. Du musst das alles gründlich waschen, damit die Köche es weiterverarbeiten können, hast du verstanden?“ Katara nickte. „Gar kein Problem.“, sagte sie und begutachtete tatenfreudig die Zucchini, Gurken, Lauchstangen, Spargel, Staudensellerie … ihr fiel etwas Seltsames dabei auf und sie griff nach einer Gurke und drehte sich grinsend zu ihrer Chefin um. „Eure Gäste stehen wohl Stangengemüse?“ Da war er wieder, der schlechte Scherz, der zurück gekrochen kam und die Stopptaste drückte. Amüsierte Blicke flogen Katara zu wie die Motten zu einer Lichtquelle. Li-Ma seufzte schwer. „Noch nicht mal fünf Minuten hier und das Mädel ist verhunzt für die Nachwelt.“ Katara machte ein Gesicht wie ein Schaf, die Gurke in der Hand. „Aber das ist wirklich alles stängeliges Gemüse.“, wiederholte sie trotzig und mit vorgeschobener Unterlippe. Irgendwo brach ein Küchenjunge lachend über seine Kartoffeln zusammen. Li-Ma nickte verständnisvoll und tätschelte Katara die Schulter. „Ich weiß, Kleines, das ist eine Art … Spezialität des Hauses. Und nun, alle Mann an die Arbeit! Wir haben schließlich heute Abend ein Fest auf die Beine zu stellen! Husch! Husch!“ Das geregelte Küchenchaos brach wieder aus und gehetztes Tun mischte sich mit fröhlichem Geschwatze und Löffeln, die in Töpfen rührten, und Messer, die klein hackten. Katara starrte die Gurke vorwurfsvoll in ihrer Hand an. Sie hatte das Gefühl, dass ihr gerade etwas Wichtiges entgangen war. Leicht irritiert schob sie die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit. Am Ende des Tages warteten nichtsdestotrotz drei ganze Silbermünzen auf sie… . *** Und während Katara begann, ihr Stangengemüse zu schrubben, hatte sich nur wenige Meter weiter im Garten unter den Frauen herumgesprochen, dass ein hochrangiger Offizier anwesend war. Nun, genau genommen hatte sich herumgesprochen, dass ein heißer Typ in Uniform wild darauf war, an diesem Tage seine Unschuld zu verlieren - und Prinz Zuko sah sich plötzlich mit etwas konfrontiert, auf das ihn kein Kampftraining dieser Welt jemals hätte vorbereiten können: flirtwillige Frauen, überall, wo er hinsah. Ein paar der Frauen starrten ihn auf eine Art und Weise an, bei der Zuko sich höchst unwohl fühlte. Ying-Ying vom Erdkönigreich beäugte seine Uniform auf eine Weise, die bei ihm ein ausgeprägtes Panikgefühl auslöste. Trotzdem. Zukos Gesicht blieb gefasst und streng. Auf keinem Fall wollte er den Feind wissen lassen, dass der innere Zuko tobte und im Kreis sprang und jedem die Pest an den Hals wünschte. Ein junger Mann zwinkerte ihm zu und warf ihm einen Handkuss entgegen. Zukos Wangenmuskel zuckte. Also schön, was war er hier? Das Lamm, das heute Abend auf dem Altar geopfert wird? Iroh schüttelte den Kopf. „Verstehe einer die Frauen. Mein Neffe beleidigt sie, und sie werfen sich ihm reihenweise vor die Füße.“ Ein raues Lachen entschlüpfte aus Ma-Lis Kehle und sie goss eine weitere Runde Sake nach. „Das ist das berühmte ‚Bad-Boy‘-Image, Iroh.“, klärte sie auf mit der Erfahrung einer abgebrühten Liebesdienerin. „Für Frauen ist der böse Mann aus dem fernen Land immer viel interessanter als der nette Junge von nebenan. Außerdem hilft es, dass dein Neffe eine hübsche Uniform trägt.“ Zuko und Iroh sahen gleichzeitig auf Zukos Uniform, als würden sie sie heute zum ersten Mal sehen. Iroh schielte an seiner eigenen Uniform herab. „Und was trage ich, einen abgelegten Reissack?“, murmelte er in seinen Bart. Ma-Lis Blick flackerte und blieb mindestens eine Sekunde zu lang an Irohs dicken Bauch hängen und Zuko verkniff sich zum ersten Mal an diesem verdammten Tag (was immerhin sein Geburtstag war) ein Grinsen. Er atmete zum ersten Mal richtig aus und die Stahlfeder, die in seinem Inneren bis zum äußersten gespannt war, gab ein wenig nach. Zuko griff nach seinem gefüllten Sakeschälchen. Ma-Li räusperte sich und schenkte Iroh einen effektvollen Augenaufschlag. „Nun, ich meinte, ich habe dir bereits vor zwanzig Jahren erklärt, was man sich so erzählt … über Männer in Uniformen… .“, hauchte sie ihm entgegengehen. Eine vage Erinnerung huschte über Irohs Gesicht und plötzlich fand der alte General die Servietten auf dem Tisch furchtbar interessant. Er schob sie von rechts nach links - und wieder nach rechts. Zuko wurde misstrauisch. „Was erzählt man sich über Männer in Uniform?“, verlangte er zu wissen. Ma-Lis bedeutungsschwangerer Blick richtete sich auf ihren jüngsten Gast - und Zuko biss sich sofort auf die Zunge und bereute, überhaupt gefragt zu haben. „Nun, mein junger Freund“, säuselte Ma-Li extrem amüsiert. „man erzählt sich, Männer in Uniform haben … gewisse ausgleichende Fähigkeiten…“ Zukos Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. „zu einem sehr ausdauerndem…“ Zukos Augenbrauen zogen sich scharf zusammen. „ähm … Salutieren?“, versuchte es Ma-Li. Ein heftiger Lachanfall schüttelte Irohs Körper. Ma-Lis Lippen verzogen sich zu einem süffisanten Lächeln. „Stimmst du mir nicht zu, Alana?“ Ping! Die Stahlfeder war wieder zurück an ihrem alten Platz. Alana nickte unter leichtem Erröten und warf einen hingebungsvollen Blick auf Zukos Offiziersrang, der in der Nachmittagssonne besonders hübsch funkelte. Zuko kniff die Augen zusammen, leise Flüche vor sich hin murmelnd, und wünschte sich ganz dringend ganz weit weg von diesem schrecklichen Ort. Zu seinem Glück ging der gellende Schrei einer jungen Frau durch den Garten und ließ alle Anwesenden innehalten und von dem delikaten Thema wegdenken. Als Sohn des Feuerlord war Zuko mit den unterschiedlichen Nuancen eines Schreis außergewöhnlich gut vertraut. Er konnte Todesschreie sehr gut unterscheiden von Verzweiflungsschreie, Wutschreie und dem klassischen Angstschrei. Dieser Schrei fiel locker in die Kategorie Überraschungsschrei. Nichts Ernsthaftes. Wahrscheinlich eine Maus, die eine Frau auf einem Tisch hopsen ließ. Ma-Li seufzte dramatisch. „Ich erwähnte ja bereits, in meiner Küche herrscht ein mittleres Chaos. Wenn Ihr mich bitte einen Moment lang entschuldigen würdet…“ Sie raffte ihr goldenes Juwelenkleid zusammen und Zuko sah mit wachsender Begeisterung zu, wie sich die ungezogene Frau von seinem Tisch entfernte. Wunderbar. Er nahm einen sehr zufriedenen Schluck Sake und machte sich eine mentale Notiz, der Küchenmagd für ihre Wohltat später einen großen Orden an die Brust zu heften. (Hätte er gewusst, dass jene Küchenmagd Katara gewesen war, er hätte sich die Sache mit dem Orden noch einmal überlegt…). Der Moment der Zufriedenheit währte jedoch nur kurz. Iroh erhob sich und strich seine Kleidung glatt. „Wenn mich meine trüben Augen nicht täuschen, sehe ich dahinten eine traurige einsame Dame, die ein wenig Gesellschaft vertragen könnte.“ Zuko sprang auf seine Füße. „Wagt es nicht einmal, diesen Gedanken zu Ende zu denken!“, sagte er scharf wie eine Rasiermesserklinge. Iroh gluckste und verpasste seinem Neffen einen männlichen Klaps auf die Schulter. „Immer mit der Ruhe, Zuko. Es gibt nichts, wovor Ihr Euch fürchten müsstet. Zwei junge Menschen wie ihr es seid kommen ohne mich alten Mann doch sicherlich viel besser zurecht.“, sagte er und schritt von dannen. Ließ Zuko allein zurück. Zuko ballte die Fäuste. ‚Das werdet Ihr mir büßen, Onkel!‘, wütete er innerlich. ‚Hofverrat! Ich werde alle Teebeutel von meinem Schiff verbannen! Ich werde… werde… irgendwas… Oh!‘ Alana hatte sich neben ihm gestellt. Nein, genauer gesagt, sie hatte sich ihm an dem Hals geworfen und ihre kleinen apfelgroßen Rundungen pressten beharrlich gegen seinen Unterarm, während ihre kleinen Puppenfinger provozierend über seine Schulterplatten strichen. „Ich kann Euch ein wenig im Haus herumführen und Euch unsere Zimmer zeigen, wenn Ihr es wünscht.“ "Tettrnk?" sagte Zuko, ganz der Frauenheld, der die Kontrolle über seine Zunge verloren hatte. Alana lächelte und Zuko versuchte es noch einmal. „Tee trinken.“, spuckte er aus. „Ich würde gerne noch eine Tasse Tee trinken.“ Alana nickte ergeben, aber nicht ohne dabei so etwas wie gespielte Enttäuschung durchblicken zu lassen. Zuko ließ sich wieder auf sein rosa Kissen sinken und sah äußerst angespannt zu, wie die kleinen Puppenhände zärtlich über den Rand seiner Tasse strichen, ehe sie Tee eingossen. Er warf einen flehenden Blick zum Himmel hinauf und fragte sich langsam ernsthaft, womit er diese teuflische Strafe verdient hatte. *** Ma-Li hatte sich vor ihrem Küchenpersonal derweil aufgebaut, die Hände in die Hüfte gestemmt und der misstrauische Blick von Gesicht zu Gesicht wandernd. Verbissen nahm sie die Szene in sich auf. Nicht, weil sie nach verräterische Anhaltspunkte für ein Vergehen suchte, sondern weil sie sich ganz fest versprach, dieses Bild auf immer und ewig in ihre Gedanken einzuschließen. Nur ihre zuckenden Mundwinkel verrieten, dass sie kurz davor stand, lachend auf dem Boden zusammenzubrechen. Da standen sie, dreißig Männer und Frauen, mit dem definitiv unnatürlichsten kollektiven Massenlächeln auf den Lippen. Sie standen vorbildlich wie Soldaten vor ihrem General, ganz besonders die hintere Reihe. Vier kräftige Köche hatten sich zu einer Mauer aneinandergereiht, und wenn Ma-Li einen Trippelschritt nach rechts ging, rückte auch die Mauer nach rechts. Trippelte sie nach links, trippelten auch die Männer nach links. Ma-Li seufzte und sah ihre Schwester Li-Ma an. „Will ich überhaupt wissen, was die Männer hinter ihren Rücken verbergen?“ Li-Ma schüttelte händeringend den Kopf. „Glaub mir meine Liebe, es würde dir nur den Tag ruinieren. Aber lass dir gesagt sein, dass einem Erfolg heute Abend nichts mehr im Wege steht. Wir haben alles im Griff.“ Dreißig Männer und Frauen nickten überschwänglich mit dem Kopf. „Alles im Griff!“ Ma-Li zwinkerte sich eine kleine Lachträne aus den Augen. „Das freut mich zu hören. Wir haben heute Abend nämlich zwei ganz besondere Ehrengäste.“ Sie legte ihre dünne faltige Hand auf den kräftigen Arm ihrer Schwester. „Ich verlass mich auf dich.“, schnurrte sie und überließ die Küche wieder der tüchtigen Li-Ma. Als die Tür hinter ihr zuklappte, wich die Mauer zurück, und dahinter erschien eine ziemlich wütende Katara, die auf allen Vieren ausgestreckt am Boden lag und zwei junge Küchenmädchen auf sich zu sitzen hatte. Sie trommelte mit den Fingern auf dem Boden. „Runter. Von. Mir. Sofort.“ Diesen scharfen Ton hatte sie gut drauf. Damit brachte sie Sokka dazu, seine Socken selbst zu stopfen und Appa, seinen Stall selbst auszumisten. Im Moment brachte er die zwei Mädchen dazu, hastig von ihr aufzuspringen und sich hinter den riesigen Köchen zu verstecken. Katara erhob sich und klopfte sich wütend den Staub aus ihrer Kleidung. Dann sah sie auf und sah in die versteinerten Gesichter der Küchenmitarbeiter. Einer von ihnen zeigte mit dem Finger auf sie und brüllte inbrünstig: „Du bist eine Wasserbändigerin!?“ Und es klang nicht wie die Ankunft einer guten Botschaft, sondern eher wie die Prophezeiung des Weltuntergangs. Katara blinzelte ungläubig. Was lief hier denn verkehrt? Noch vor fünf Minuten hatte sie Gemüse geputzt und sie hatte es sich nicht nehmen lassen, den Vorgang des lästigen Wasserschleppens und Holens etwas abzukürzen, indem sie ihre Kräfte einsetzte. Dann, aus heiterem Himmel, hatten sich diese zwei Mädchen auf sie gestürzt wie zwei Habichte auf eine Maus und Katara war mit einem Schrei zu Boden gegangen. Nun stand sie da, vor einer Mauer der Ablehnung. Li-Ma fasste sich zuerst ein Herz. „Na na na“, schnatterte sie als wenn es galt, eine aufgeregte Horde kleiner Kinder zu beruhigen, „jetzt atmen wir einmal alle tief durch und erinnern uns daran, dass Katara erst wenige Minuten bei uns ist. Bin ich richtig in der Annahme, dass niemand von euch unsere neue Mitarbeiterin über die KB-Klausel informiert hat?“ Katara wurde hellhörig. „KB-Klausel?“, wiederholte sie neugierig. Betretenes Schweigen und ein intensives auf die Schuhe Starren war Antwort genug für Li-Ma. „ Dachte ich‘s mir doch. Also schön, jeder geht zurück an seine Arbeit und vergisst ganz ganz schnell diesen kleinen unerfreulichen Ausrutscher.“, jodelte Li-Ma freundlich und packte Katara bestimmend am Arm und zog sie zur Seite. „Husch, husch!“ In ihren schokoladenbraunen Augen spiegelte sich Bedauern und ehrliche Sorge. „Es tut mir schrecklich leid, dass so etwas passiert ist, aber wer konnte denn schon ahnen, dass du eine Wasserbändigerin bist?“ Katara verstand die Welt nicht mehr. „Wa-Was ist denn so falsch daran, eine Wasserbändigerin zu sein?“ „Oh, gar nichts ist falsch daran.“ Katara atmete aus. Gut. Einen Moment lang hatte sie doch tatsächlich geglaubt, die Hexenverfolgung würde in Li-Ma‘s Küche wieder auferstehen. „Nun ja, es ist nicht falsch, solange du deine Kräfte *nicht* in diesem Haus benutzt.“, fügte Li-Ma eilig hinzu. Katara straffte ihre Schultern und ihr Blick wurde eine Spur härter. Okay… Sie konnte damit leben, dass die Mitarbeiter eine seltsame Art von Humor hatten. Sie störte sich nicht daran, dass die Gäste seltsame Vorlieben hatten, aber wie die Dinge sich jetzt weiterentwickelten, war ihr eine Nummer zu ‚seltsam‘. „Das müssen Sie mir aber genauer erklären.“, verlangte Katara und in ihrer Stimme mischte sich ein leiser Anflug von Misstrauen - und das laute Grummeln ihres Magens. Li-Ma kräuselte die Stirn. „Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen, Kindchen?“ *** 34 Meter bis zum Ausgang, schätzte Zuko. 58 Zacken hatte die Bordüre der Serviette, die Iroh so gepflegt hin- und her geschoben hatte. 9 Löcher zählte der Prinz der Feuernation im Holzpanel gegenüber. Und wie viele Minuten saß er neben der Katara-Doppelgängerin, ohne ein Wort von sich gegeben zu haben? Fünf? Zehn? Zwanzig Minuten des Schweigens? „Ihr seid sehr schweigsam, Master Zuko.“, stellte Alana fest. ‚Und du hast eine bemerkenswerte Auffassungsgabe.‘, dachte er ironisch. Was um alles in der Welt sollte er nur mit diesem Mädchen anfangen? Konversation? Oh ja, er hatte Konversationsunterricht gehabt, nur schien jede Frage, die ihm in dem Kopf herumflatterte, plötzlich so … verfänglich, so doppeldeutig. Er mochte sie nicht nach ihrem Alter fragen. Egal wie die Antwort ausfiele, sie war definitiv zu jung für einen Schuppen wie diesen. Sollte er sie fragen, woher sie kam? Es war ganz offensichtlich, dass sie von einem schlechten Ort herkam, sonst würde sie es wohl kaum bevorzugen, hier zu arbeiten. „Das ist in Ordnung“, sagte das Mädchen vom Wasserstamm. „Viele Menschen sind schweigsam.“ ‚Ich wünschte, du würdest dich ihnen anschließen.‘, dachte er dumpf. „Soll ich Ihnen vielleicht etwas Hübsches vorsingen?“ Ein Ruck wie ein Güterzug ging durch Zukos Körper. „Oh bitte, verschone mich.“, sprühte es aus ihm heraus. Eine Spur verachtender, als er es beabsichtigt hatte. „Ich meine … das ist nicht nötig.“, legte Zuko versöhnlicher nach. „Ich genieße die … ähm … Ruhe.“ Alana nickte. „Ja. Das hier ist ein wunderbarer Ort des Friedens. Natürlich ist es auch ein … Freuden-Etablissement … aber es ist in erster Linie ein friedfertiger Platz. Man kann hier fast vergessen, dass es so etwas wie Krieg überhaupt gibt.“, hauchte sie und schenkte ihm ihr süßestes Lächeln. Zukos Augen wurden einen Deut schmaler. ‚Man kann hier fast vergessen, dass es so etwas wie Krieg überhaupt gibt.‘, wiederholte er monoton in seinen Gedanken. Da war etwas, das ihm schon die ganze Zeit zu Grübeln gab, doch er konnte nicht wirklich seinen Finger darauf legen. Was stimmte nicht an diesem Bild? Dort hinten saßen Offiziere der Erdnation, und zwei Pavillons weiter saß eine Gruppe Geschäftsmänner, die eindeutig aus der Feuernation kamen. Und waren das dort nicht Piraten, die einen Haufen junger Mädchen auf ihren Schößen zu sitzen hatten? Ja, ganz recht. Sie hatten Krieg. Nur scheinbar machte der Krieg einen großen Bogen um diese kleine Hafenstadt. Zukos Augen blitzten. Wieso? Alana fand, die Zeit war reif für einen weiteren Annäherungsversuch. Sie lehnte sich weit zu Zuko vor und gewährte ihm tiefe Einblicke in ein fast nicht vorhandenes Dekolleté. Zuko schluckte schwer - und starrte eisern geradeaus. Wo hatte er aufgehört mit dem Zählen? Beim neunten Holzloch? Alanas kleines herzförmiges Gesicht rückte bis auf wenige Zentimeter an seine Wange heran und ihr zuckersüßes Parfum kitzelte ihn in der Nase. „Habt Ihr schon mal ein Mädchen geküsst, Master Zuko?“, flüsterte sie verführerisch. *** Katara leckte genüsslich den Vanillepudding mit Erdbeeren von ihrem Löffel. „Was hat es mit dieser seltsamen Klausel auf sich?“, fragte sie zwischen zwei Bissen. Li-Ma, die ihrem neuen Schützling am Tisch gegenüber saß, zuckte leichthin mit den Schultern. „Eigentlich nichts Außergewöhnliches.“ Zweifelnd legte Katara ihre Stirn in Falten. „Also ich finde das schon sehr außergewöhnlich, wenn es den Menschen in diesem Haus verboten ist, zu bändigen. Es ist doch eine wunderbare Gabe - und kein verdammter Fluch, für den man sich schämen muss.“ Ein schwermütiger Seufzer entfuhr ihrer neuen Arbeitgeberin und eine Spur von müder Sehnsucht kroch in ihre Schokoaugen. „Unsere Großmutter hat diese Regel vor mehr als achtzig Jahren erlassen, musst du wissen. Wir respektieren ihren Wunsch und würden es nicht übers Herz bringen, ihr Andenken zu beschmutzen.“ Katara schüttelte den Kopf. Diese Regel entbehrte jeder Logik. „Aber wir haben doch Krieg.“, konstatierte sie energisch. „Wie wollt ihr euch gegen die Feuernation verteidigen, wenn nicht mit Bändigen?!“ Li-Ma‘s silbriger Lockenkopf hüpfte auf und ein breites Grinsen kletterte jetzt langsam wie ein alter Bergsteiger auf ihr Gesicht. „Verteidigen?“, wiederholte sie lächelnd. „Wir müssen uns nicht verteidigen. Der Krieg kommt nicht hierher. Er wird niemals zu uns kommen.“ Eine irre Endgültigkeit lag in ihrer Stimme und Katara war irgendwie nur - baff. „Das ist doch Wunschdenken!“, entfuhr es ihr heftig und sie haute mit der Faust auf dem Tisch. Genau, könne mal jemand dieser Frau bitte eine extra Portion Realität einbläuen? Li-Ma hob den Zeigefinger, und ihr sorgloses Lächeln schien Katara noch wütender zu machen. „Kein Krieg in diesem Haus. Das ist unser Gesetz. Und alle halten sich daran.“ Katara sah sich zweifelnd um. Hatte das gerade außer ihr noch jemand gehört? Ein Koch stand summend an seinem Topf. „Kein …Krieg… in diesem Haus… .“. Halb sang er, halb rappte er. „Haus… Haus… Haus… Nein, nein, nein, neeeeiiin….“ Katara biss sich auf die Unterlippe. ‚Okay… wo sind hier die Männer mit den weißen Jacken? Oder die Exorzisten? Vor mir aus auch der Gemüsehändler, nur sollte hier jemand schleunigst ein paar nette Pillen verteilen.‘ Katara seufzte. Nein. So wie es aussah, blieb es wieder einmal an dem Mädchen vom Südpol hängen, diesen naiven Köchen die zu Suppe zu versalzen. Doch bevor sie auch nur ein Wort der unumstößlichen Wahrheit aus ihrer Kehle pressen konnte, schnitt Li-Ma sie ab. „Ich weiß, das ist für Außenstehende schwer zu begreifen. Und bevor du uns zu kompletten Trotteln abstempelst, möchte ich dir wenigstens vorher zeigen, wovon ich rede.“ Sie schnappte nach Kataras Hand und zog die ziemlich skeptisch dreinblickende Wasserbändigerin aus der Küche und in den Korridor des großen Hauses hinein. Kataras Augen brauchten einige Sekunden, um sich an das Halbdunkel in dem gigantischen Flur zu gewöhnen. Li-Ma grabschte nach der Klinke einer Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und streckte ihren Kopf nach draußen. Sie bedeutete Katara, das Gleiche zu tun. Arktisblaue Augen schauten neugierig unter schokobraunen Augen in das Gartenrestaurant mit den vielen kleinen Pavillons. Katara blinzelte. Es hielten sich nun erheblich mehr Gäste dort auf, wahrscheinlich des Festes wegen. „Sieh genau hin, meine kleine Wasserbändigerin.“, säuselte Li-Ma beschwörend. Katara nickte gehorsam. Und ihre wachsamen Augen saugten die Szene in sich auf. ‚Watson, was ist hier falsch?‘, fragte sie amüsiert, nicht wirklich daran glaubend, dass sie heute etwas Neues lernen sollte. Da lachen ja die Hühn- VERFLIXT UND ZUGENÄHT! Wie von einem unsichtbaren Eiszapfen getroffen, zuckte Katara zusammen. Oh nein! Oh nein! Oh nein! In dem Bruchteil einer Sekunde ruckte ihr Körper in Gefechtsbereitschaft. Automatisch war ihre Hand zur Wasserphiole gewandert. Feuernation! Hier und Jetzt nur ein paar Meter von ihr entfernt! Hektisch fummelte sie an ihrer Kleidung. Appa! Pfeife! Wo zum Teufel hatte sie die verflixte Pfeife hingesteckt?! Verdammt! Sie musste weg von hier!!! Katara zuckte einmal mehr zusammen, als sich eine ruhige Hand auf ihrer nervös zuckenden Hand legte. „Sieh genau hin, Katara.“ „Aber-“ „Nein, Katara. Es ist alles gut.“, fuhr Ma-Li mit sanfter Stimme fort. „Niemand wird dir hier etwas antun. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.“ „Ach ja?“, schnappte Katara wild zurück. „Wortwörtlich?! Da sitzen nämlich ein paar fiese -“ Katara bremste sich selbst. Irgendetwas an Li-Ma ließ sie inne halten. Die Lethargie, mit der sie alles hinnahm? Das heilige Lächeln? Diese Freundlichkeit, so unangebracht für jemanden, in dessen Garten sich Feuerbändiger tummelten? Es schien sie nicht im Geringsten zu stören. Ganz im Gegenteil, sie waren sogar ihre GÄSTE. Da wurde doch der Hund in der Pfanne verrückt. Was ging hier vor? Li-Ma trat einen Schritt beiseite und stieß die Tür einen Deut weiter auf. Ein heller Lichtkegel fiel auf Katara, die aus dem Halbdunkeln heraustrat und zögernd die Phiole losließ. Sie trat näher heran, und mit jedem Zentimeter, der unter ihren neugierigen Füßen wich, wurden ihre Augen größer. Die Männer von der Feuernation lachten. Sie hatten sich mit ein paar hübschen Frauen umzingelt und prosteten sich gegenseitig zu. Keine Uniformen, stellte Katara keuchend fest. Das waren keine Soldaten. Nur einfache Zivilisten in einem Restaurant. „Wow!“, keuchte sie, diesmal etwas lauter, als sie Uniformen entdeckte. Soldaten der Erdnation saßen im Pavillon neben der Feuernation - und auf ihren Gesichtern war seliges Grinsen und Zufriedenheit. „Wow! Wow! Wow!“, krächzte sie. ‚Kneif mich einer, ich glaub, ich träume!‘ Da saßen doch tatsächlich Piraten! Li-Ma trat zu ihr. „An einem anderen Ort auf dieser Welt zu einer anderen Zeit würden sich diese Männer ohne zu zögern bekriegen.“, erklärte sie. „Doch hier herrscht Friede. Sie kennen die Regeln, und sie respektieren sie.“ ‚Ein Feuerbändiger, der Regeln akzeptiert? Das ich nicht lache! Was passiert als nächstes? Eine gemeinsame Tombola, und der Gewinner macht Urlaub in Ozais Ferienhütte?‘ Andererseits, war sie mittlerweile so auf den Krieg fixiert, dass sie den Frieden nicht einmal erkannte, wenn er ihr ins Gesicht sprang? Könnte es sein? Ein Blick auf die Männer der Feuernation und Katara wusste, dass sie *diesem Frieden* nicht über den Weg trauen würde. Sie reckte das Kinn. „Was passiert dort hinten?“ Li-Ma folgte ihrem Blick. Eine Gruppe junger Frauen in roten Seidenroben und mit weiß bemalten Gesichtern belagerte einen Pavillon. Neugierig stellte Katara sich auf die Zehenspitzen, doch die Sicht auf dem Pavillon blieb ihr versperrt. „Wie haben heute Abend Ehrengäste.“, erklärte Li-Ma. „Zwei hochrangige Offiziere der Feuernation.“ Kataras Herz rutschte einmal mehr in ihre Hose. „Man erzählt sich, einer der beiden sei ein gut aussehender junger Feuerbändiger. Das macht unsere Mädchen ganz wuselig.“ Katara schnaubte verächtlich. Das war doch lächerlich. Allein die Tatsache, dass Li-Ma Feuerbändiger und gut aussehend in einem Satz verwendete, war schon lächerlich genug. Sie trat zurück und Li-Ma ließ die Tür wieder zufallen. „Bist du in Ordnung, Kleines? Eine Sekunde lang hast du mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ ‚Ich habe Ihnen einen Schrecken eingejagt?! Versuchen Sie mal, ruhig zu bleiben, wenn der Feind neben Ihnen Tee schlürft!!‘, heulte sie wütend. Laut sagte sie jedoch: „Ja, ich gebe zu, ich bin überrascht. Das habe ich nicht erwartet.“ Li-Ma tätschelte ihr den Arm. „Das geht den meisten Leuten so, wenn sie hier zum ersten Mal sind.“ ‚Ja, darauf würde ich sogar meinen linken Arm verwetten.‘ „Na gut, wir haben jetzt lang genug geplaudert. Es wird Zeit, dass ich mich wieder an die Arbeit mache. Und du Liebes, iss erst mal deinen Pudding auf. Danach werde ich dir eine neue Aufgabe zuteilen.“ Katara nickte und verbeugte sich brav. Sie sah dem immer kleiner werdenden Schatten von Li-Ma nach, bis die füllige Frau ganz hinter einer Tür verschwunden war. Die Tür fiel in ihren Angeln und in Kataras sanftmütigen Augen trat ein entschlossener Blick. ‚Kein Krieg in diesem Haus.‘, dachte sie lachhaft. ‘Erzähl das meiner Oma. Ich werde schon noch herausfinden, was hier vor sich geht.‘ Es wurde Zeit, dass jemand das Fundament dieses Hauses ein wenig genauer unter die Lupe nahm. Sie krempelte ihre Ärmel hoch. Sherlock Holmes, zieh dich warm an, hier kommt Katara. *** Zuko musste sich an der Tischkante festhalten, weil er Gefahr lief, vor Entsetzen in Ohnmacht zu fallen. Er wusste, dass er die Feuerprobe eines Tages überstehen müsste. Sein Onkel hatte ihn gewarnt: ‚Dieser Kelch wird nicht an Euch vorbeigehen, Prinz Zuko. Aber schenkt einem alten Mann Glauben, der Euch sagt, es ist alles halb so schlimm, wie es aussieht.‘ Schlimm? Es sah widerwärtig und abstoßend aus, wie der alte Mann sich über das Mädchen im Pavillon neben Zuko hermachte und ihr allem Anschein nach das Leben aussaugen wollte. Urgs, zwei Goldfische auf dem Trocknen, die nach Luft hechelten. Und mit dem Flossenschwanz wedelten. Zuko zuckte zusammen. Nein, das hatte er gerade eben nicht gedacht. Alanas rot angemalte Lippen strichen über seinen Mundwinkel. Zukos Hände krallten sich in den Tisch, um seine unkontrollierbaren Zuckungen in Armen und Beinen zu unterdrücken. Wenn das so weiterginge, würde man ihn nur noch als dauerkrampfenden Pflegefall auf einer Trage zum Schiff transportieren können. ‚Verdammt seid Ihr, Onkel! Möge die Hölle ein warmes Plätzchen für Euch freihalten!‘ Alana schien nicht genug von den krampfhaft zusammengebissen Lippen ihres Gastes zu bekommen. Sie rückte näher, auch wenn das in Zukos Augen gar nicht mehr möglich war, und drückte ihm die volle Breitseite ihrer Lippen auf die seinen. Zuko atmete scharf ein. Doofer Fehler. Ihr extrem süßer Duft kitzelte seine Nase und er schnappte nach Luft. Alana, das kleine Biest, erkannte die Chance ihres Lebens, und knabberte genüsslich an der Unterlippe des wohl begehrtesten Junggesellen des Abends. Zuko riss entsetzt die Augen auf. Roter sirupartiger Lippenstift verteilte sich wie Schmieröl zwischen ihnen und das seltsame schmatzende Geräusch, das sie von sich gab, machte die Sache auch nicht besser. ‚Blutegel‘, schoss ihm durch den Kopf. Als ob ein gieriger Blutegel an ihm rumlutschen würde. Doch so widerlich dieser Gedanke in seiner Natur auch war, es ließ sich aushalten. Es war - zu seiner eigenen Überraschung - nicht zum Kotzen. Tatsächlich würde er mit ‚dieser Sache‘ vielleicht sogar leben können, mutmaßte Zuko. Aber auch nur vielleicht. Im Moment fühlte er sich ein bisschen unter Druck gesetzt. Denn er starrte in rund zehn verschiedene Augenpaare. Frauen, die seinen Pavillon umzingelt hatten mit einer Geschwindigkeit und Geräuschlosigkeit, neben die die Yu Yan Archers neidlos erblasst wären. [Anmerkung der Autorin: Yu Yan Archers; Special Forces der Feuernation] Und jede einzelne von ihnen sah aus, als würde sie sich mindestens ein Bein ausreißen wollen, um mit Alana zu tauschen. Ying Ying sah aus, als wolle sie nicht tauschen, sondern einfach nur mitmischen. Wären da nicht diverse Sehnen und Nerven gewesen, Zukos Augen wären zumindest bei diesem lähmenden Anblick aus seinem Kopf gefallen. ‚Rückzug!‘, schrie der Soldat in seinem Innern. ‚Onkel!‘, heulte das Kind in ihm. ‚Alle bitte in einer Reihe anstellen!‘, lachte eine unbekannte Stimme in seinem Kopf, die wohl seit neuestem die Fraktion der Hormone und animalischen Instinkte vertrat. Die Stimme war aber sehr leise und wurde von dem Kind und dem Soldaten niedergebrüllt. Zuko packte Alana bei den Schultern, um sie von sich wegzudrücken. Vorsichtig, für den Fall, sie würde einfach unter seiner Kraft wie künstliches Porzellan zerbröseln. Alana - typisch Frau - deutete diesen erfreulichen Körperkontakt anders und warf sich ihm an die Brust. Wickelte die Arme wie eine Schlingpflanze um seinen Körper. Zuko - der Überrumpelte - wurde langsam wütend. Alana reizte die Grenzen ihres Glücks ein wenig mehr aus und Zuko zuckte ernsthaft beschämt zusammen, als etwas feuchtes Raues über seine Lippen wischte. Knutschen, okay. Jemanden ungefragt die Zunge in den Hals stecken zu wollen, nicht okay. Vorsichtig, aber diesmal unmissverständlich, wies er sie in ihre Schranken, und schubste Alana zurück auf ihr Kissen. Verdutzt, mit verschmiertem Lippenstift, und fragenden Augen, sah sie ihn an. Zehn Frauen quietschten begeistert und witterten ihre Chance. Zuko strich seine Uniform glatt und warf mit todbringenden Blicken um sich. (der Blick, der ihn besonders cool aussehen lässt… ) Ein Mädchen stürmte auf Zuko zu und warf sich ihm zu Füßen. „Du Halbgott!“, jammerte sie. Zuko wurde knallrot. „Ähm“. „Ich will deine Fußgelenke lecken“, fuhr sie fort. Zuko sah sich panisch um. „Ähm, ich glaube, da fragst du lieber meinen Onkel!“ ‚Wo zur Hölle steckte Iroh?!‘ „Oh, mein lieber Zuko.“, murmelte eine ihm vertraute Stimme belustigt. Ma-Li drängte sich an ihren Frauen vorbei und zog das Mädchen von seinen Füßen fort. „Na, na. Hatten wir nicht abgemacht, ein wenig sachter mit unserem jungen Gast umzugehen? Husch, husch, meine Hübschen. Gibt dem Mann ein wenig Raum zum Atmen!“ Zehn Schmollmünder folgten nur sehr ungern den Anordnungen der Bordellbesitzerin und trippelten von dannen. Und Zuko fühlte sich, als hätte man ihm gerade eine tickende Zeitbombe aus seinen Händen gerissen. Gott, er war sogar beinahe so etwas wie - dankbar. Ma-Li warf ein noch breiteres Grinsen auf ihren Gast. „Wenn ein Trupp junger Frauen in Dessous kommen, sich auf Euer Bett werfen würde und fragen, ob sie irgendwas für Euch tun könnten - ich glaube fast, Ihr würdet sagen ‚Nein, aber warum fragt ihr nicht meinen Onkel?‘“ Zuko wurde dunkelrot. Der Moment der Dankbarkeit war vorbei. Er erhob sich von seinem Kissen und ging auf Ma-Li zu. Mit stechenden Augen und geballter Faust. Ma-Li schluckte. Vielleicht hatte sie es dieses Mal zu weit getrieben. Sie kannte diesen gefrierenden kalten Blick. Sie hatte ihn schon einmal gesehen, vor zwanzig Jahren. Und sie alle wussten, was aus Ozai geworden war. Doch da war noch etwas anderes. Ozai war in seiner Wut und Grausamkeit und seinen niederen Begehren leicht berechenbar gewesen. Es war gut mit ihm umzugehen, wenn man erst einmal wusste, wie der Feuerlord ‚tickte‘. In dieser Hinsicht unterschied er sich von all den anderen machtgierigen und skrupellosen Männern kaum. Zuko war - ‚anders‘, entschied Ma-Li vorsichtig. Sie konnte nicht sagen, warum das so war, aber sie hatte ihn schon den ganzen Tag lang beobachtet. In seinem Gesicht waren mehr Zornesfalten und Narben, als es für einen jungen Menschen gut sein könnte. In jeder Ecke vermutete er einen Hinterhalt. Jeden Gast tasteten seine geschulten Augen nach Waffen ab. Er trank den Sake erst, nachdem Ma-Li von demselben Krug getrunken hatte. Er schritt mit außergewöhnlicher Wachsamkeit und Misstrauen durchs Leben. Im Moment schritt er auf sie zu und sah ihr mit kaltem Blick in die Augen. „Wenn ein Bataillon dreckiger Soldaten an Euer Tür klopfen würde“, begann er mit Gänsehaut-einflößender Stimme, „und Euch fragen würde, ob es irgendwas gäbe, das *Ihr* für sie tun könntet - ich glaube fast, Ihr würdet sagen ‚Aber bitte doch, ziehen Sie eine Nummer.“ Ma-Li erschauderte. Und der Fächer in ihrer klammen Hand zitterte. Sie sah dem Prinzen fest in die Augen. „Sicher würde ich das tun.“, entgegnete sie mit bebender Stimme. „Wenn ich damit meine Familie und Angestellten vor Schlimmeren bewahren kann, würde ich sogar lächelnd die Nummern verteilen.“ Und da war er, dieser Unterschied, den Ma-Li nicht berechnen konnte. Ozai hätte sich bei dieser Aussage wahrscheinlich ein schwaches Lächeln abringen können und ihre ‚Aufopferungsbereitschaft‘ mit einem Nicken gewürdigt. Zukos Augen flackerten. Und sein Gesicht verzog sich zu einer grimmigen Maske. Sie konnte beinahe *sehen*, wie der junge Prinz sich im Geiste vorstellte, diesem fiktiven Bataillon die Hölle auf Erden zu bereiten. „Es tut mir leid.“, presste er trocken aus seiner Kehle heraus. „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“, sagte er und machte auf dem Absatz kehrt. Verwirrt schaute sie dem jungen Prinzen hinterher, der auf dem Weg zu den Toilettenräumen einen Tross weiblicher Groupies hinter sich herzog, die alle entzückt die Hände nach dem ‘Halbgott‘ ausstreckten. Mit hochrotem Kopf, und auch ein wenig angepisst, verschwand er hinter der Tür. Ma-Li drückte ihren Fächer an die Brust. Ja, Prinz Zuko war wirklich anders. *** Zuko trat in den halbdunklen Korridor und schloss die Tür hinter sich. Lehnte sich gegen das kühle Stück Holz und ließ seinen Kopf nach hinten fallen. Das war ein nicht enden wollender Alptraum. Es schien, als ließe er heute absolut kein Fettnäpfchen aus. Und während sich der Prinz der Feuernation in Selbstmitleid badete, sich so richtig tief reinkniete, sah er - ganz plötzlich - in den Augenwinkeln einen vorbeiflitzenden Schatten am Ende des Korridors. Seine Augen wurden zu misstrauischen Schlitzen und er starrte dem Schatten noch drei lange Sekunden verblüfft nach, ehe er mit dem Hinterkopf gegen die Tür knallte. Warum nur glaubte er die ganze Zeit, diese dumme Ziege von Wasserbändigerin würde um ihn herum schleichen? Er schüttelte den Kopf, um diesen lästigen Gedanken wegzuwischen. Dann ging er in das Badezimmer - und schrak im Spiegel vor seinem eigenen Antlitz zusammen. „Was zum -?“ Zuko der Blitzmerker brauchte eine Sekunde, ehe er begriff, dass es kein Blut war, sondern nur Lippenstift, der sich auf seinen Lippen verewigt hatte. Mürrisch wischte er das Zeug am Ärmel seiner Uniform ab. Und starrte. Und starrte. Könnte es sein? Lag es tatsächlich an der Uniform, dass die Frauen ihm in Scharen nachliefen? Iroh hatte sich schon vor geraumer Zeit seiner Sachen entledigt - und niemand wollte seine Fußgelenke lecken. Zuko besah sich seine Uniform im Spiegel. Perfekter Sitz, glänzende Knöpfe, sie schrie nach Autorität und Macht. Und Eroberung. Frauen könnten das missverstehen. Zuko betastete die Metallschiene unter seinem Hemdkragen. So wie es aussah, musste er eher darum besorgt sein von Amors Pfeil getroffen zu werden als von dem Pfeil eines Heckenschützen. Mit einem Plong! sprang der Verschluss auf und die Metallschiene rutschte zu Boden. Zukos Blick wurde entschlossener. Dann wichen auch die restlichen Uniformhartteile. Am Ende stand er da und besah sich das Resultat im Spiegel. Bis auf die eng anliegende schwarze Stoffhose, die glänzenden Stiefel mit dem hohen Schaft, und das rostbraune weite Hemd hatte er alle verräterischen Uniformgegenstände abgelegt. Er blieb skeptisch. Die enge Hose gab ihm zu Denken. So langsam aber sicher kam er dahinter, wie die Frauen ‘funktionierten‘. Enge Hosen waren im Nahkampf vorteilhafter, denn dann bekam der Gegner nichts zwischen den Fingern, woran er sich festhalten könnte. Hier in diesem Etablissement wirkten sie allerdings - unanständig. Zuko zupfte unbeholfen sein Hemd aus der Hose, um so zumindest seinen Hintern vor unerwünschten Blicken zu schützen. Wieso aber auch? Wenn seine Theorie aufgehen sollte, würde sich eh kein Weib mehr für ihn interessieren und er konnte sich entspannt die Sonne auf dem Bauch scheinen lassen. Selbstsicher verließ er das Badezimmer und trat in den Garten hinaus. Er fühlte sich ungewohnt frei und fessellos - ungefähr fünf Sekunden lang, bis ihn eines der Mädchen entdeckte, sich auf ihn stürzte und seine Knie umgrabschte. Zuko wäre beinahe gestolpert. „Du großartiges feuriges Mannsbild!“, schnurrte das Mädchen. „Nimm mich. Ich mach‘s auch zum Spottpreis!“ Ein lang vermisster Verwandter tauchte plötzlich wieder aus der Versenkung auf. Zuko packte das Mädchen an den Armen. „Hierher zu kommen war Eure Idee. Also kümmert Euch darum.“, sagte er und schob sie zu Iroh hinüber. „Ich kümmere mich um Eure Ausbildung, Zuko, nicht um Eure Frauen.“, entgegnete Iroh und schob sie zurück. „Aber Ihr habt mir das hier eingebrockt!“, Zuko schob sie wieder zurück. „Steht endlich Euren Mann und übernehmt die Verantwortung!“ Der General schob sie, dieses Mal mit einen Lächeln, zurück. „Ich tu das hier nicht.“ Zuko schubste sie beiseite. „Hi hi hi“, gluckste Iroh, dem das Hin- und Herschubsen von wollüstigen Mädchen tatsächlich Spaß machte. Zuko stöhnte. Er kam sich langsam vor wie ein Hund, der versuchte, sich in den eigenen Schwanz zu beißen. Wie er sich auch drehte, es funktionierte einfach nicht. *** Katara schob sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht und sah sich in dem Zimmer um. Es sah hier genauso aus wie in den anderen acht Zimmern, die sie sich schon vorgeknöpft hatte. Ein weicher flauschiger Teppich, ein gigantisches Bett, das förmlich dazu einlud, Trampolin drauf zu springen, nette Blumenarrangements. Das Restaurant war also auch ein Hotel. Mehr fiel ihr dazu nicht ein. Katara seufzte. Das erklärte natürlich noch lange nicht, warum in diesem Hotel Schrägstrich Restaurant das Bändigen verboten war. Oder warum anstelle der bunten Vorhänge kein tobendes Schlachtfeld zwischen den Nationen war. Hm, alles sehr merkwürdig. Katara ließ sich auf dem weichen Bett nieder und ihre Hand strich über den zarten Stoff. Irgendwann, versprach sie sich, wenn der Krieg vorbei ist, würde auch sie in einem solchen Bett schlafen, und nicht auf einer feuchten Matte auf dem harten Erdboden. Katara schüttelte unsinnig den Kopf. Nein. Solche Gedanken passten gar nicht zu ihr. Noch vor einem Jahr hatte sie nicht einmal gewusst, dass Menschen überhaupt in Betten schliefen anstatt auf dem Boden, so, wie man es in ihrer Kultur tat. In ihrer Kultur malte man sich auch die Gesichter nicht weiß an und die Lippen blutrot, um den Männern zu gefallen. Man zwang die Frauen nicht, sich ständig vor der Sonne zu verkriechen oder ihre Leiber in Kleider wie Gefängnisse zu schnüren, nur um ein bisschen dünner und zerbrechlicher auszusehen. Welche Frau würde sich das freiwillig antun wollen? Katara lachte leise. Nein. Es gab Dinge in anderen Kulturen, auf die sie getrost verzichten konnte. Nur das Bett. Alles, was sie haben wollte, war das Bett. Sie war schon drauf und dran, sich zu erheben und genauso klug wie vorher aus dem Zimmer hinauszuspazieren, als ihr Blick auf etwas fiel, das auf der Kommode lag. Etwas, das ihr vorher noch nicht aufgefallen war. Eine ordentlich aufgerollte Schriftrolle, die von einem seidenen Band zusammengehalten wurde. Katara langte danach und breitete sie aus. „Preisliste“, las sie laut vor. Durchaus angebracht in einem Hotel. Dann las sie weiter, und ihre Augen wurden ein Stückchen größer. Da waren tatsächlich Preise aufgelistet, aber nicht für eine Übernachtung, sondern es wurde nach Stunden abgerechnet. Und je nach dem, welches Mädchen engagiert wurde. Katara schnappte nach Luft. „Oh. Mein. Gott. Mama, halt dich fest“, und ihr Blick wanderte gegen Himmel, wo sie ihre tote Mutter über sich wachen fühlte. „Ich arbeite in einem Bordell.“ Diese Erkenntnis schlug zu wie ein Goldbarren. Hammerhart. Katara wurde knallrot vom Scheitel bis zur Schuhsohle. Dann fiel ihr ein, worauf sie saß, beziehungsweise, was Menschen darauf machten, und sie schoss auf wie eine Rakete auf und stolperte gegen die Kommode. Eine Schublade sprang auf - und ein Gegenstand fiel heraus. Hastig bückte sie sich, um das Ding wieder an seinem Ort zurückzustopfen - und ließ es wie eine heiße Kartoffel fallen. Es war eine plastische Nachahmung der männlichen Genitalien. Katara schrie leise auf. „Oh nein! Oh nein! Oh nein! Oh nein!“ Sie stopfte sich den Ärmel ihres Kleides in den Mund, um den Schrei zu ersticken. Natürlich wusste Katara Bescheid über die zwischenmenschliche Liebe. Ihr Völkchen ging damit recht freizügig um und verbreitete keine Märchen von Blümchen und Bienchen, zumal es keine Blümchen und Bienchen im ewigen Eis gab, sondern nur Robben und Pinguine, die tagein tagaus ihre Liebe öffentlich praktizierten. Katara wusste Bescheid. Sie hatte oft bei Geburten geholfen und wusste, dass es einen Mann und eine Frau benötigte, um ein kleines Wesen zu zeugen. Nur war sie ziemlich überrascht, wie ‘groß‘ der Mann war, als sie das fragwürdige Stück mit ihrem Taschentuch vom Boden fischte. Es war wie ein Unfall. Sie wollte nicht hinsehen, aber sie musste einfach. Es war total riesig. Damit konnte man jemanden im Ernstfall erschlagen. Ziemlich traumatisiert beförderte sie das ‘Ding‘ wieder zurück in seine Schublade. Das Taschentuch würde sie selbstverständlich einem rituellen Reinigungszyklus unterziehen. Dann würde sie es verbrennen und beerdigen. Sie war in einem Bordell. Diese Neuigkeit musste erstmal sacken. Nie in ihrem Leben hätte sie sich ausgemalt, dass sie überhaupt einen Schritt über diese Türschwelle setzen würde und jetzt *arbeitete* sie hier. Und die Menschen waren sogar … nett. Katara lief auf und ab. „Was mach ich nur! Was mach ich nur! Was mach ich nur?!“ ‚Oh nein, Sokka wird mich totschlagen. Aang wird nie wieder ein Wort mit mir reden. Was ja überflüssig ist, weil ich eh tot sein werde, wenn Sokka davon erfährt!‘ Allmählich verlor sie ihre Fassung. Sie rang um Luft. ‚Okay, Katara, bloß keine Panik. Die Menschen verdienen damit ihr Geld. Es ist eine ganz … normale… Arbeit.‘ Sie stolperte aus dem Zimmer heraus. Solange sie in der Küche arbeitete, hatte sie sich nichts vorzuwerfen, nicht wahr? Nicht wahr? Es war also alles in bester Ordnung. Alles in bester Ordnung. Während sie sich das noch einredete, lief sie nach draußen auf den Korridor - und lief in die offenen Arme von Li-Ma. „Da steckst du, Kleines!“, jodelte sie. „Ich habe dich schon überall gesucht!“ Sie wirkte ein bisschen gehetzt und in ihren Armen schaukelte ein weißes Bündel. „Wir haben einen Notfall. Eine unserer Kellnerinnen ist ausgefallen, und Ma-Li will, dass du für sie im ähm Restaurant einspringst. Meinst du, du passt da rein?“, fragte sie und hob ein kleines weißes Seidenhemd hoch. Kataras Kinnlade fiel herab. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder heulen sollte. Lachen über die Winzigkeit des Seidenhemdes, oder heulen über ihre Beförderung zur Kellnerin. *** Li-Ma schaute sehr skeptisch drein. „Du zählst wohl keine Kalorien, was?“ Katara zog eine Grimasse und versuchte, den Stoff ein wenig mehr in die Länge zu zerren. Li-Ma betrachtete ihre Bemühungen mit zweifelndem Blick. Sie hatte die alte Dienstmädchenuniform von Alana herausgesucht und war sich sicher gewesen, dass die beiden ähnlichen Mädchen einen ähnlichen Körperbau hatten, und Katara wunderbar hineinpassen würde. Falsch gedacht. Alana achtete sehr auf ihr Äußeres und vor allem auf ihre Ernährung. Ein Verhalten, das Katara fremd war. Sie aß, wenn immer sie etwas zwischen die Finger bekam, denn sie konnte ja nie mit Sicherheit sagen, wann sie das nächste Mal sich den Bauch voll schlagen konnte. Das Resultat war - in diesem Fall - nicht zu übersehen. Alanas weiße Seidenhose spannte sich über Kataras Hüften und auch das kleine Seidenhemdchen schien von Kataras Busen an die Grenzen seiner Belastbarkeit getrieben worden zu sein. Dabei war Katara keinesfalls dick. Es war nur offensichtlich, dass sie auf dem besten Weg war, eine Frau mit wohlgeformten Rundungen zu werden. Die Frauen der Erd- und Feuernationen versuchten mit allen Mittelchen und Wegen, ihren kindlichen Körper beizubehalten. Li-Ma seufzte neidisch. Die Frauen vom Südpol schienen sich mit solchen unsinnigen Metzchen erst gar nicht lange aufzuhalten. Die füllige Dame eilte Katara zur Hilfe und zog an dem Oberteil so lange herum, bis es den Bauch bedeckte. Am Ende ließ Katara sich davon überzeugen, ihre Oberkörperbandagen (die Unterwäsche der Wasserbändiger) abzuwickeln. Das Oberteil saß jetzt etwas besser und Li-Ma legte ihren eigenen weißen Seidenschal um Kataras Schulter, um von dem viel zu kleinem Hemd abzulenken. „Ich muss also nur rausgehen und Tee servieren?“, hakte Katara nach. Man merkte ihr die Nervosität an. „Nur Tee servieren. Niemand wird dich ansprechen. Niemand wird dir Beachtung schenken.“, beruhigte Li-Ma. Nun, beim letzteren war sie sich nicht sicher. Kataras haselnussbraune Haut und die weiße Seidenkombination bildeten einen exotischen Kontrast, der vielleicht doch den einen oder anderen Blick auf sich ziehen würde. Li-Ma atmete tief durch. Katara sah zu ihr auf. Es war nicht gerade ermutigend, wenn der eigenen Arbeitgeberin die Zweifel quer übers Gesicht geschrieben standen. Aber es war nett, dass sie sich Sorgen machte. Um eine Wildfremde. Wenn Li-Ma wüsste, wen sie da gerade in eine Dienstmädchenuniform reingequetscht hatte, würde sie wahrscheinlich etwas entspannter reagieren. Katara lächelte sanft. „Das ist ein Freudenhaus nicht wahr?“ Li-Ma nickte. „Dachte ich mir schon, dass wir das nicht allzu lange vor dir geheim halten können.“ Die Schwester der Bordellbesitzerin sah in diesem Moment hilflos aus. Katara spürte, dass die nette Dame hin und her gerissen war zwischen einem ‘Entschuldige, dass ich dir diese wichtige Tatsache verschwiegen habe‘ und ‘Würdest du dich bitte sputen?‘. Stattdessen sagte sie: „Niemand wird es da draußen wagen, dich anzusprechen, Katara. Nur mit den Mädchen in den roten Kleidern dürfen die Herren eine Unterhaltung aufnehmen. Dir wird nichts Zweifelhaftes geschehen. Es ist ein ganz normaler Kellnerjob.“ *** Zuko hatte sich mittlerweile wieder auf seinem rosa Kissen eingefunden. Alanas Kussangriff gehörte zwar der Vergangenheit an, doch sah sich Zuko jetzt mit einem ganz anderen Problem attackiert: kleine Puppenhände wanderten auf seinem Oberschenkel und schienen unaussprechliche Regionen auszuforschen wollen. Er fing diese ungezogene Hand auf und warf sie zurück auf den Schoß ihrer Besitzerin. Alana seufzte missmutig. Langsam gingen ihr die Möglichkeiten aus. Sie winkte eine Kellnerin zu sich heran und bestellte - wie Zuko heraushören konnte - einen ‘Spezial-Tee.‘ „Was hat es mit diesem Tee auf sich?“, fragte er argwöhnisch. Alana zuckte unschuldig mit den Schultern. „Es ist eine besondere Teemischung nach Art des Hauses. Ich bin sicher, dass es Euren Geschmack treffen wird.“ Zuko brummte. *** Katara stand in der Küche und hatte ein silbernes Tablett in die Hände gedrückt bekommen. Irgendwo zwischen Korridor und Küche hatte Li-Ma ihr noch einen halb durchsichtigen weißen Gesichtsschleier in die Haare geheftet, so dass jetzt nur noch ihre arktisblauen Augen ungeduldig auf die Teetassen starrten, die auf ihrem Tablett aufgebaut wurden. Li-Ma stand neben ihr und redete auf ihren Schützling ein. „Es ist der letzte Pavillon auf der gegenüberliegenden Seite. Du trittst an den Tisch heran, kniest dich davor, und servierst den Tee. Und denk daran-“ „- immer schön auf den Boden zu schauen.“, beendete Katara den Satz für sie, den sie in den vergangenen Minuten mindestens hundert Mal zu hören bekommen hatte. Ein heißer schwerer Teekrug wurde ihr in die Hand gedrückt. Ihre Augen blitzten. „Keine Sorge. Ich mach das. Wie schwer kann denn so was sein?“ Damit wandte Katara sich zum Gehen. „Warte!“, Ma-Li kam in ihrem goldenen Juwelenkleid angerauscht. „Ist das die Bestellung für unseren jungen Ehrengast?“ Ihre füllige Schwester nickte. „Ja. Katara wird sie bedienen.“ Ma-Li presste sich an ihrer Schwester vorbei und zog Katara an ihren Ellbogen zurück in die Küche. Sie schenkte Katara keine Beachtung, sondern steckte ihre Nase in den Teekrug. „Der junge Mann ist sehr stur und Alana hat Schwierigkeiten, ihn zu überzeugen. Sie hat unseren Spezial-Tee geordert.“ Li-Ma runzelte die Stirn und eilte zum Regal, wo die Bestellungen des Abends angeheftet wurden. Sie pflückte ein Blatt herunter. „Ich weiß nicht, Schwester.“, murmelte sie. „Er hat schon ziemlich viel Sake getrunken. Unser Spezial-Tee verträgt sich nicht mit Alkohol.“ Ma-Li grabschte sich den Zettel. „Er hat auch genauso viel Tee getrunken, das dürfte ein kleiner Ausgleich sein. Es wird ihn schon nicht umhauen.“, sagte sie und trat an Katara mit dem Tee-Krug heran. Dann zückte sie eine rosa schimmernde Phiole aus ihrem Ausschnitt, öffnete die kleine Flasche und ließ ein paar Tropfen in den Tee fallen. Dass heißt, sie wären in den Tee gefallen, hätte Katara den Krug nicht vorher weggezogen. Sie platschten auf den Boden. Ma-Li zog eine wütende Grimasse. „Was fällt dir ein?“, quiekte sie hysterisch. Katara blieb unbeeindruckt. „Was fällt Ihnen ein, Ihren Gäste ohne deren Wissen irgendwelche Substanzen unterzujubeln?!“ Ma-Li hatte große Lust, die kleine Göre, die gerade ein Vermögen in den Holzboden versickern ließ, hochkant rauszuschmeißen. Doch etwas hielt sie ab. Sie trat näher heran und nahm Kataras Kinn in ihre Hände und hob es an. „Verblüffend.“, säuselte sie. „Einfach nur verblüffend.“ Katara zog die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“, schnappte sie zurück. Ma-Li hatte Erbarmen. Genauer gesagt, sie hatte einen guten Instinkt und ein besseres Gedächtnis. Sie hatte dieses exotische Gesicht schon einmal gesehen. Und damit meinte sie nicht die frappierende Ähnlichkeit zwischen ihr und Alana. Nein, irgendwo … sie klopfte mit ihren Fingernagel gegen die Zähne. Ach, sie würde schon noch darauf kommen. Zu Katara sagte sie: „Das ist Baldrian, Kind. Unsere Ehrengäste sind hochrangige Offiziere der Feuernation. Wünschen wir uns nicht alle, dass sie ein bisschen ruhiger werden?“ Li-Ma machte den Mund auf - und lautlos wieder zu, als sie den warnenden Blick ihrer Schwester spürte. Katara hob eine Braue. „Baldrian? Ein Beruhigungsmittel?“ „Glaub mir, du tust damit nicht nur meinen Mädchen, sondern auch dir selbst einen riesigen Gefallen, denn dadurch wird dein Job auch einfacher, nicht wahr?“ Katara stutzte. „Machen Sie das öfter?“ „Bei der Feuernation? Machst du Scherze, Kind?“, erklärte Ma-Li. „Ohne hätten die Verbrecher unser Haus doch schon längst abgefackelt.“ Der Kandidat gewinnt hundert Punkte. Auf Kataras Gesicht blühte selige Erleuchtung. War das etwa das Geheimnis des Hauses? Es gab keinen Krieg hier, weil die gefährlichen Gäste einfach ruhig gestellt wurden? Mit Baldrian? Ein breites, sehr breites Grinsen, leuchtete durch ihren Schleier hindurch. ‚Katara, du bist ein schlaues Häschen.‘, lachte sie in Gedanken. ‘Du hast von Anfang an gewusst, dass mehr hinter dieser doofen ‚Kein-Bändigen‘-Klausel steckt.‘ Und während Katara ihren innerlichen Triumphzug auskostete, kippte Ma-Li Tropfen der rosa Flüssigkeit in den Krug. Sie tätschelte Kataras Schulter. „Mach deine Arbeit gut, verstanden?“ Katara nickte. Wer war sie schon, dass sie eine hinterlistige Frau davon abhielt, die Feuernation nach Strich und Faden übers Ohr zu hauen? Sie balancierte das Tablett und den Krug zum Ausgang. „Vergiss nicht-“ „immer schön auf dem Boden zu schauen.“, beendete Katara Ma-Lis Satz und ging hinaus in den Garten. Li-Ma trat an ihrer Schwester heran und boxte sie in die Schulter. „Warum hast du ihr nicht die Wahrheit gesagt?“ Ma-Li ließ die rosa Phiole spielerisch in ihren faltigen Händen tanzen. „Was denn? Das diese kleinen Tropfen hier das stärkste Aphrodisiakum sind, das man auf dem Planeten finden kann? Du hast ihr Gesicht gesehen, kleine Schwester. Das war genau die Antwort, die sie hören wollte. Wo sagtest du noch gleich hast du sie aufgegabelt? Auf dem Marktplatz?“ *** Katara starrte pedantisch auf den Boden. Was gar nicht so einfach war. „Verzeihung, der Herr.“ „Bitte vielmals um Entschuldigung.“ „Pardon, kommt nicht wieder vor.“ „Es tut mir so schrecklich leid.“ Wie sollte sie diesen Krug jemals unbeschädigt zum letzten Pavillon bringen, wenn sie nicht einmal einen halben Meter vorausschauen konnte? Gott, war sie nervös. Sie schwor, wenn sie sich nicht zumindest an den Gedanken festkrallen konnte, dass sie mit ihrer Tat den Feuerbändigern das Feuerbändigen in den nächsten Stunden versalzte, sie wäre an Ort und Stelle in den Boden versunken. Immerhin wurden vor ihrer Nase Frauen wie Tiere gehandelt. Sie beobachtete auf halber Höhe, wie eine Männerhand ungeniert einen Frauenpopo betatschte. Und statt diesen Typen nach allen Regeln der Kunst niederzuschlagen, drückte die Frauenhand ermunternd zu. Katara befürchtete, sogar die Haarspitzen würden sich ihrer roten Gesichtsfarbe anpassen. ‚Boden anschauen‘, redete sie sich ein. ‚Nur den Boden anschauen. Nicht die Hände von anderen Leuten, die Sachen mit anderen Leuten machen, die dich nichts angehen.‘ Der letzte Pavillon. Da war er. Sie schaute zu Boden. Sie sah die weißen Holzpfähle, die weißen Stufen, sogar die Löcher in den Holzpanelen. Vorsichtig, damit sie nichts fallen ließ, kniete sie sich vor dem weißen Tisch, als er in ihr Sichtfeld rückte. Sie erkannte den Schoß eines Mannes, der in einer schwarzen Hose steckte und seine Hände hart um eine Sakeschale gefaltet hatte. ‚Starke Hände‘, schoss es Katara durch den Kopf. ‘Hände, die bestimmt wissen, wie man mit Feuerbällen Häuser nieder brennt.‘ Katara hoffte plötzlich inständig, dass er viel Sake getrunken hatte, damit die Wirkung des Baldrians ihn noch härter treffen würde. Katara goss mit akribischer Geduld den Tee ein. Es war ungewöhnlich ruhig in diesem Pavillon. Nein, um ehrlich zu sein, es wurde kein Ton gesprochen. Das einzige Geräusch war Kataras Hantieren mit dem Teekrug. Das Mädchen konnte einem echt Leid tun. Katara beugte sich über den Herrn und stellte die Tasse vor dem Feuersoldaten ab. Wunderbar. War doch alles ein Kinderspiel. Wozu die Aufregung? Natürlich kam kein Wort der Anerkennung über seine Lippen, dafür aber bedankte sich das Mädchen im roten Seidenkleid neben ihn. Sie bedankte sich freundlich und aus einem alten Reflex heraus wollte Katara ihren Dank und ihre Solidarität mit einem aufmunternden Lächeln erwidern. Sie konnte sich in allerletzter Sekunde von ihren Vorhaben abhalten - und starrte wieder stur auf die Tischplatte. Sie kam aber nicht drum herum, die kleinen zierlichen Hände des Mädchens auf dem Tisch zu bewundern. Sie waren kaffeebraun, wie Kataras Hände. Und an ihrem kleinen Finger glitzerte ein unauffälliger Ring mit einem hell leuchtenden arktisblauen Schmuckstein. Katara runzelte die Stirn. Seltsame Ideen schossen ihr durch den Kopf, als sie die zweite Tasse für das Mädchen vorbereitete. Der Herr war unhöflich, und schlürfte seinen Tee ohne auf das Mädchen zu warten. Doch Katara realisierte das nur am Rande. Ihre Gedanken kreisten um diesen seltsamen Ring, den sie schon irgendwo einmal gesehen hatte. Nun, da Katara von Natur aus ein neugieriger Mensch war und GranGran ihr vieles beigebracht hatte, nur nicht absoluten Gehorsam, griff sie zu einer kleinen List. Sie beugte sich über den Herrn und reichte dem Mädchen die Tasse mit dem heißen Tee und riskierte flüchtig einen mutigen Blick auf das Gesicht des Mädchen und - und sah einfach sich selbst. „Was zum-?“ Zukos Gesichtsmuskeln fuhren Achterbahn, als die blöde Kellnerin die heiße Tasse in seinen Schoss fallen ließ. „Oh verdammt!“, fluchte er laut. „Oh mein Gott!“, entfuhr es Katara. „Oh mein Gott! Oh mein Gott! Oh mein Gott!“ ‚Ich hab‘s versaut! Ich hab‘s versaut! Ich hab‘s versaut! Zuko warf den Kopf in den Nacken und blähte die Nasenflügel auf. Atmete heftig, als würden ihn wilde Presswehen schütteln. ‚Verdammt! Verdammt!! VERDAMMT!‘ Katara ließ die Etikette sausen und stand auf. Reflexartig wollte sie den Tee bändigen und den Schmerz lindern, doch sie durfte ja nicht, und weil er ein Feuerbändiger war, wollte sie auch nicht. Sie griff aber nach einem Stapel Servietten vom Tisch. „Oh Herr, es tut mir so leid.“, beeilte sie sich zu sagen. „Es tut mir wirklich schrecklich Leid, Herr. Bitte glauben Sie mir!“ Wenn sie so weitermachte, würde sie sich das noch selbst abkaufen. Zuko litt. Und wie er litt. Und die Beteuerungen der Dienerin halfen ihm auch nicht weiter. Er war ja Hitze gewöhnt, und er war auch weit davon entfernt, ein Weichei zu sein, aber verdammt, das war die empfindlichste Stelle, die sein gestählter Körper zu bieten hatte und sie war absolut hitzeuntauglich! Er atmete durch den Schmerz. Er- „Warten Sie, Herr, ich bringe das wieder in Ordnung!“ ‚Das wirst du ganz bestimmt nicht‘, jaulte Zuko innerlich. Und bevor er es sich versah, drückte die Kellnerin einen Stapel Servietten auf die verbrannten königlichen Kronjuwelen. Zuko sprang einmal mehr auf und grabschte nach der Hand der übereifrigen Kellnerin. „Das lässt du schön bleiben!“, schnauzte er sie an. Und während Zuko körperlich verbrühte, fror Katara in ihrer Bewegung ein. Sie riss an seinem harten Griff und scheiterte an der schieren Kraft seiner Finger. Panik machte sich in ihr breit. „Lassen Sie mich los!“, ächzte sie und schaute das Gesicht des Feuerbändigers giftig an. Und die Welt blieb stehen. *** Er packte ihr Handgelenk - und die Welt blieb stehen. Arktisblau traf Bernsteingold. Haut traf auf Haut. Irgendwo schlug ein Blitz im Ozean ein. Und die Welt blieb stehen. Katara schluckte den fettesten Kloß aller Zeiten in ihrer Kehle runter. ‚Zuko!‘, lärmte ihre innere Stimme. ‚Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut. Das ist sogar verdammt schlecht.‘ ‚Schlecht! Schlecht! Schlecht!‘ ‚Was mach ich nur?‘ Zuko ließ ihre Hand los, als hätte er etwas Unangenehmes anfassen müssen. Dann nahm er - zu Kataras totaler Ungläubigkeit - die Servietten selbst in die Hand. „Ich mach das allein.“, informierte er sie kalt und machte sich daran, den heißen Saft von seinen Lenden zu tupfen. Katara blinzelte. Und blinzelte. Und blinzelte. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. ‚Er erkennt mich nicht.‘ Unbewusst tastete sie nach ihrem Schleier. ‘Er erkennt mich nicht, weil ich dieses Ding trage.‘ Irgendwo auf einer Wolke lachten sich gerade die Götter der Ironie ein Ei aus der Hose. Katara traute sich wieder zu Atmen. Mit zittriger Hand schnappte sie nach dem Krug, erhob sich und verabschiedete sich artig mit einer tiefen Verbeugung. „Ich bitte tausend mal um Vergebung, Herr.“, legte sie nach. Zuko hob gebieterisch die Hand „Ja, ja schon gut. Nerv mich nicht weiter und verschwinde von hier.“ Oh ja, und wie sie von hier verschwinden würde! Mit dem Krug in der Hand floh Katara aus dem Garten, bevor ihm sein Kurzzeitgedächtnis einen Fehlalarm melden würde und er es sich anders überlegte. Sie öffnete wahllos eine der vielen Türen dahinter und verschwand in dem halbdunklen Korridor. Ein irres Gefühl aus ‘Gerade noch mal davongekommen‘ und ‘was für‘n Horror‘ trug sie durch die Korridore. Blind griff Katara nach einer Klinke, schlüpfte in den Raum dahinter, ließ die Tür leise ins Schloss fallen und lehnte sich dann dagegen. Mit rasendem Herzen und noch mehr rasenden Gedanken. Sie rutschte an der Tür herunter und ließ sich auf den Boden fallen. Den Krug immer noch wie ein heiliges Relikt in den Armen. Unsicher starrte sie in die Öffnung hinein. ‚Baldrian‘, hatte die Chefin gesagt, nicht wahr? Oh ja, Baldrian war ganz bestimmt das, was sie jetzt gebrauchen konnte. Katara entfernte den Schleier und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Krug. Und dann noch einen weiteren. Und sie konnte spüren, wie sich ihr Herz wieder langsam beruhigte und sich einer halbwegs normalen Frequenz annäherte. (Autosuggestion, hm?) Dann fing sie an zu lachen. Sie lachte laut und lang und völlig irre. *** Zuko legte seelenruhig die Servietten beiseite. „Du hast nicht zufälligerweise noch eine Zwillingsschwester hier rumzulaufen, Alana?“, fragte er beiläufig. Alana legte den Kopf schief. „Das nicht. Aber ich kenne ein anderes nettes Mädchen, das uns beiden gefallen würde.“ Zuko ignorierte ihren Vorschlag. Seine Lippen formten eine harte dünne Linie. In seinen kalten Augen erwachte der Jagdinstinkt. *** ‚Denk nach, Katara! Denk nach! Nur weil er dich nicht erkannt hat, heißt das noch lange nicht, dass du außer Gefahr bist!‘ Katara hatte den Krug abgestellt und sah sich in dem Raum um. Er war dunkel und schmutzig und wohl so eine Art Besenkammer. Nur größer. Es standen jede Menge Regale herum und nur ein kleines Fenster in großer Höhe ließ die Nachmittagsstrahlen der Sonne herein und ließ die staubigen Partikel tanzen. Sie musste von hier verschwinden. Das lag auf der Hand. Jeder Versuch, länger zu bleiben, wäre verantwortungslos. Wenn Zuko da war, waren seine Männer nicht weit entfernt. Und sie war allein. Da brauchte sie keinen Abakus, um ihre Chancen auszurechnen. Sie klatschte die Hand an die Stirn. Natürlich lagen Wasserphiole und Appa-Pfeife bei ihren restlichen Sachen in ihrer Tasche. Und die lag unter dem Küchentresen. Wunderbar. Wäre sie an Zukos Stelle, das wäre der erste Ort, wo sie nach sich selbst suchen würde - in der Küche. Apropos Wasser. Kataras Blick blieb an ein paar mächtigen Tonnen hängen, die sie heute schon einmal gesehen hatte. Regentonnen. Ihr Herz machte einen freudigen Satz und sie riss die Verdeckung herunter. Sie waren Randvoll gefüllt mit Wasser. „Wenigstens etwas“, murmelte sie. Mit einer flüssigen Handbewegung verschob sie eine Regentonne, so dass sie unter dem Fenster zum Stehen kam. Behände kletterte sie darauf und machte sich an die Fensterverkleidung zu schaffen. Dann fuhr sie schreckhaft zusammen. Was war das gewesen? Ein Geräusch vor der Tür? Zuko? Nervös starrte sie die Tür an. Ihr Herzschlag fiel in einem leichten Galopp. ‚Ach was‘, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. ‚Der ist doch viel zu sehr beschäftigt mit meiner Doppelgängerin.‘ Moment mal. Was zum Teufel hatte Zuko mit einem Mädchen vom Wasserstamm zu schaffen? Kataras Blick wurde düsterer als die Schatten in diesem schmutzigen Raum. Wollte er etwa an Informationen über den Wasserstamm kommen? Ja, das würde ganz sicher zu dem widerwärtigen hinterlistigen komplexbehafteten Prinzenbaby passen. Katara schüttelte angeekelt den Kopf. Wie tief konnte man eigentlich noch sinken? Sie rüttelte heftig an dem Fenster, möge es doch endlich aus seiner verrosteten Aufhängung springen! Tat es dann auch. Es sprang auf. Und Katara entdeckte im gleichen Moment sein Spiegelbild darin. Zukos Spiegelbild. Ihre Kinnlade fiel herunter. Ihre Bewegung versteinerte. Er stand da im Türrahmen gelehnt, hatte die Arme lässig vor der Brust verschränkt und beobachtete fasziniert ihren jämmerlichen Fluchtversuch. Sie fuhr auf ihrer Regentonne herum. Zuko stieß sich vom Türrahmen ab. „In letzter Zeit den Avatar gesehen?“ „Geh woanders hin und fall tot um!“, herrschte sie zurück. Zuko hob eine Braue. Er zweifelte keine Sekunde an ihrem Wunsch. Diese arktisblauen Augen sahen ihn an, als wollten sie ihn tatsächlich in der nächsten Regentonne ersäufen. Und dann brach Krieg in der Besenkammer aus. *** Kapitel 4: Saunastimmung ------------------------ Kapitel 4: Saunastimmung -------------------------------- Was bisher geschah: Um Geld zu verdienen, heuert Katara in einem ‘Restaurant’ als Tagelöhnerin an. Prinz Zuko sieht sich zur gleichen Zeit dazu gezwungen, seinen verhassten Geburtstag zu zelebrieren. Der Schreck sitzt tief, als er feststellt, dass Onkel Iroh dafür ausgerechnet ein Bordell auswählt - ist aber nichts im Vergleich zu dem Schock, den die zwei Erzfeinde erfahren, als sie sich plötzlich als Gast und Kellnerin gegenüberstehen… . Anmerkung der Autorin: Dieses Kapitel ist meiner schärfsten und zugleich hilfreichsten Kritikerin gewidmet: ‘Beelze’. Kein Kilometer war ihr zu lang gewesen, um mich ausreichend zu koffeinieren, mich mit guten Tipps und dem sprichwörtlichen Tritt in den Hintern zu versorgen :-) * Ich weise noch mal darauf hin, dass die Geschichte nach der 16. Folge spielt und Kataras Fähigkeiten im Nahkampf nur auf zwei Bilder einer Schriftrolle basieren und einer Handvoll Begegnungen mit dem Feind. *** Auf das Unerwartete konnte man sich nicht vorbereiten - das galt ganz besonders für böse Überraschungen. Und an Zukos siebzehnten Geburtstag schien es mehr unangenehme Zwischenfälle zu geben als an jedem anderen Tag zuvor. Er hatte es geahnt. Er hatte es erahnt in dem Moment, als Iroh in aller Herrgottfrühe in Morgenmantel und Kuscheltierpuschen an sein Bett herangestürmt kam, bewaffnet mit Tee und Törtchen und an seiner Bettdecke gezupft hatte; da hatte Zuko gewusst, dass er den Kopf lieber in die Kissen vergraben und versuchen sollte, erst am nächsten Morgen wieder aufzuwachen. Nun, einen halben Tag später, hatte Zuko die absolute Gewissheit darüber erlangt, dass Unglücksraben weite Kreise über seinen Kopf zogen. Eine Handvoll Stunden hatte den schwarzen Pechbiestern genügt, um aus dem einst ‘nur’ ehrlosen Prinzen obendrein noch einen schiffslosen Kapitän und eine gejagte Jungfrau zu machen. Zuko schniefte. Von seinem Onkel in ein Nest der ruchlosen Liebe geschleppt. Im Begriff, zu der traumatischsten Feuerprobe seines Lebens gezwungen zu werden. Plus heißer Tee auf seinem Schoß. Verdammt. Wer auch immer für die Welt verantwortlich war, hatte sich ganz offensichtlich den Tag frei genommen und lag nun lachend auf dem Bauch und sah zu, wie der Rest der Welt sich gegen den jungen Prinzen verschworen hatte. Lediglich ein winziger Hoffnungsschimmer glitzerte am Ende dieses verfluchten Unheiltunnels, und Zukos bernsteinfarbene Augen formten sich zu dünnen Schlitzen, als er beobachtete, wie dieser Hoffnungsschimmer in Gestalt einer Wasserbändigerin hinter der Flügeltür verschwand. „Du hast nicht zufälligerweise noch eine Zwillingsschwester hier rumzulaufen, Alana?“, fragte er seine Gesellschafterin auf Nummer sicher gehend. Er wollte sich schließlich nicht schon wieder wie ein Depp ins Bockshorn jagen lassen. Das letzte Mal, als er geglaubt hatte, Katara zu erspähen, endete er auf einem rosa Kissen neben einem Mädel, das ihn ganz dringend unbedingt flachlegen wollte. Zuko bekam einen Hustenanfall. Welch Schande. War anscheinend nur eine Frage der Zeit gewesen, ehe dieser Sündenpfuhl der Schlechtigkeiten auf ihn abfärbte. Allein für diese unsittliche Bemerkung hätte seine Mutter ihn wohl eine Woche mit einem Eimer Wasser auf dem Haupt in der Ecke stehen und Buße tun lassen. Dass er moralisch verkam, war ganz allein Irohs Schuld. Zuko würde ihn liebend gerne statt seiner in der Ecke stehen sehen, darum bettelnd, endlich aufs Klo gehen zu dürfen, zumindest aber den Eimer Wasser abstellen zu dürfen. Man stelle sich das bildlich vor: Der große Drache des Westens, mit einem Blechpott auf der Glatze, wässrigen Augen und beide Beine zusammengekniffen. Es heiterte Zukos Tag irgendwie auf. Jedoch nicht so sehr, wie Alanas Antwort. Als das verdutzte Mädchen seine Frage verneinte, explodierte der kleine Hoffnungsschimmer zu einer blendenden Lichtkugel und ließ den Prinzen schlagartig auf die Füße springen - und das viel zu schnell und unkoordiniert für jemanden, der zusammen mit seinem Onkel zuvor den halben Vorrat eine Sakedestille vernichtet hatte. Der Erdboden verschob sich. Zukos Knie wackelten und er griff mit der Hand haltsuchend nach dem Stützpfahl des Pavillons. ’Oh verdammt!’, grummelte er innerlich. Ausgerechnet das hatte ihm noch zu seinem GLÜCK gefehlt! *Pechvogel*, die vierte Szene, Klappe und Action! Zuko war - gelinde ausgedrückt - leicht beschwipst und sein Gleichgewichtssinn brauchte Sekunden, um den Unterschied zwischen Sitzen und Stehen zu verarbeiten. Zuko stöhnte. Wenn das nicht der heißeste Anwärter auf den Titel ‘Witz des Jahres’ war. Da verschwendete er den halben Tag damit, in einem Puff Trübsal zu blasen und ‘Fang den Avatar’-Pläne zu schmieden, und ausgerechnet *hier* tauchte das Wasserweib auf - die wohl beste Gelegenheit seit Wochen - und es scheiterte daran, weil er sich erinnern musste, wie man einen Fuß vor dem anderen setzt, ohne dabei umzufallen. Nach ungefähr fünftausend Jahren bewegte er sich dann doch endlich vorwärts. Eine religiöse Erfahrung, gleich einem alten Manne, der plötzlich seine Krücken wegschmeißt und anfängt zu hüpfen wie ein junges Reh. Jaah, Zuko konnte gehen. Es erforderte nur mehr Anstrengung als üblich. Mit zusammengekniffenen Augen und die Stirn in größter Konzentration zerfurcht, durchquerte der junge Prinz den Garten und hechtete seiner Beute hinterher. Warmes Blut rauschte dabei in Zukos Adern. Feinste kleine rosa Tröpfchen rasten durch seine Blutbahnen, und mit jedem Schritt, jedem Atemzug, jedem Augenzwinkern durchfloss die wundersame Flüssigkeit seinen Körper, drang in winzige Nervenzellen und ließ seine Fingerspitzen kribbeln. Eine Bombe, die in seinem Körper zu ticken begann. Zu dem Zeitpunkt, als Zuko in dem halbdunklen Korridor trat und die Tür hinter sich geschlossen hatte, bemerkte er die schleichende Veränderung. Unruhe packte ihn. Und der Urinstinkt, sich auf die Brust trommeln zu wollen; aber das stand ja wohl außer Frage. Ihm war, als hätte er eine ganze Wagenladung Brausepulver verdrückt und nun fand in seinem Körper eine Blubberparty statt; und ein schwacher Windhauch, der durch den Korridor streifte, strich über seinen Nacken und ließ an der Stelle hundert Brausebläschen zerspringen. Zuko schauderte. Er konnte nicht wirklich den Finger drauflegen, *was* ihm plötzlich so seltsam vorkam, doch das kühle raue Holz unter seiner Haut und der intensive Geruch von Bambus und Olivenöl ließ ihn merkwürdig überrascht innehalten und die Tür anstarren, als hatte er noch nie in seinem ganzen Leben zuvor eine Tür gesehen. Und nicht nur die Tür verwirrte ihn. Der dunkle Holzboden schnupperte nach Ginseng und Rosenholz. Auf den Panelen lag der süße Mief von unzähligen Frauen, die mit ihren parfümierten Kleidern darüber gewandelt waren. Ölige Lotionen, feiner Puderstaub und menschliche Ausdünstungen hingen plötzlich wie ein neongrelles Reklameschild in der Luft, das Zuko einmal mehr daran erinnerte, wozu die Menschen hierher kamen und was sie hinter den verschlossenen Türen taten. Zuko würgte. Diese Gerüche waren abstoßend und ließen ihm den Magen umkrempeln. Penetrante Ergüsse von Schweiß und anderen Körpersäften und der widerliche Gestank von ungewaschenen Körperregionen krabbelten in seine Nase. Es war, als hätte jemand einen Schalter in Zukos Gehirn umgelegt, und seine Sinne nahmen die Gerüche intensiver und aufmerksamer wahr, als er es je getan hatte. Einfach zum Kotzen. Er versuchte, sich auf die angenehm kühle, raue Oberfläche des Türholzes zu konzentrieren. Das kehlige Lachen von Frauen drang von draußen an sein Ohr. Irgendwo im Haus quietschte in verdächtig rhythmischen Abständen Holz. Alkohol floss in großen Mengen und verflog an der Luft. Der Geruch von Essen mischte sich mit dem von Schweiß, obendrein gepaart mit einer salzigen, leicht fischigen Note. Zuko stieß säuerlich auf und presste angewidert die Hand vor Mund und Nase. Es gab wohl keine bessere Lehrmethode, um einem jungen Mann davon zu überzeugen, die Finger von Alkohol und Frauen zu lassen. Zuko fühlte sich im Moment extrem angeekelt. Es war furchtbar. Selbst wenn er nie wieder über die zwischenmenschliche Liebe nachdachte, würde das immer noch zu früh sein. Wer brauchte schon einen Nachfolger für den Thron? Sollte sich doch Azula um die Fortsetzung ihrer Blutlinie kümmern. Sie war ja schon immer die Frau fürs Grobe gewesen. *Er* würde so eine Frau auf Garantie nicht anfassen. Nicht einmal mit der Keifzange. Zuko zwang seinen Ideenstrom in geordnete Bahnen. Ekeln konnte er sich noch später, jetzt galt es, die Wassergöre zu finden. Der Gedanke an Katara holte hin wieder auf den Boden der Tatsachen. Oder auch nicht. Denn im Moment fragte er sich, wie weit er seinem betrunkenen Körper über den Weg trauen konnte. Unter all den unappetitlichen Gerüchen konnte er einen einzelnen - andersartigen -lokalisieren. Sein Herzschlag legte den nächsten Gang ein. Er duftete nach einer frischen Meeresbrise. Nach jungen lebendigen Bäumen, die von einem klaren Gebirgsfluss genährt waren. Nach etwas Natürlichem. Erfrischendem. Zuko zog die Augenbrauen scharf zusammen. Wasser. Es war der Geruch von reinem, sauberem Wasser. Und er haftete an seiner Hand. Er konnte sie riechen. Er konnte die Wasserbändigerin riechen. Ein gerissenes Lächeln verzog seine Lippen. Er wankte den Korridor entlang. Vielleicht wurde sein Geburtstag ja doch nicht zu einem kompletten Reinfall. *** „Kein Krieg in meinem Haus!“ Ma-Li griff nach einer wertvollen Vase und zerdepperte sie an der nächsten Wand. Sie war wütend. Sie war frustriert. Und sie war hilflos in Anbetracht der Umstände, die sich in ihrem Haus entwickelten. „Es gibt kein Krieg in meinem Haus… „“, protestierte sie schwach und ließ sich in den Sessel hinter ihrem Schreibtisch fallen. Natürlich hatte sie das Schauspiel beobachtet. Die kleine Göre, die unbeholfen zum Pavillon getapst war und die heiße Teetasse statt auf dem Tisch auf Zukos Schoss serviert hatte. Zuko. *Prinz* Zuko. Ma-Li war eine enge Vertraute der königlichen Familie und sie kannte sehr wohl die Geschichte des verbannten Prinzen. Nicht, dass sie deswegen Mitleid mit ihm hatte. Es gehörte zu den Grundpfeilern der royalen Erziehung, den Thronanwärter, sofern er denn Mist gebaut hatte, in die Welt hinauszuschicken, um den Avatar zu suchen. Ozai hatte nach ihm suchen müssen, genauso wie Iroh und Lu-Ten. Früher oder später, nachdem sie sich die Hörner in fernen Ländern abgestoßen hatten, wurden die jungen Männer zum Palast zurückgerufen. Es war eine altbewährte pädagogische Maßnahme. Nur war dummerweise Zuko etwas passiert, was den Königen in spe zuvor noch nie passiert war: er fand den Avatar. Und der Palast konnte ihn nicht mehr begnadigen wegen der Aussichtslosigkeit seines Unternehmens, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Der Avatar war ganz plötzlich wieder auf der Bildfläche aufgetaucht, und Zuko würde nichts anderes übrig bleiben, als ihn vor seinem Daddy auf einem silbernen Tablett zu präsentieren. Ein dummer Streich des Schicksals. Ihre Schwester Li-Ma glaubte darin, ein gutes Zeichen zu sehen. Der jüngste Avatar-Jäger aller Zeiten und der jüngste Avatar aller Zeiten. Das musste doch einfach ein gutes Omen sein. Ma-Li sah das pessimistischer. Sie sah zwei Teenager, die noch weitere sechzig Jahre brauchen würden, um Weisheit und Vernunft anzunehmen. Der endgültige Frieden war in ihren Augen ganz weit weggerückt, und die Tatsache, dass der Krieg in diesen Sekunden Einzug in ihr Haus hielt, bestärkte sie darin. Katara vom südlichen Wasserstamm. Es hatte ein Weilchen gedauert, aber Ma-Li hatte den Steckbrief in ihrem Büro gefunden. Er lag vor ihr auf dem Schreibtisch und sie starrte mit blutleeren Lippen darauf. Das Mädchen war nicht ohne. Sie wurde wegen etlicher Vergehen gegen die Feuernation gesucht. Auf einer Gefängnisinsel hatte sie 200 Erdbändiger zu einer Revolte angestimmt. Und sie war die Gefährtin vom Avatar. Na wunderbar, des Avatars beste Freundin und sein Erzfeind! Unter ihrem Dach! Zusammen! Ma-Li sank in ihrem Stuhl hinein. Unter dem dicken Make-up verblasste sie zu einer leblosen Puppe. Sollte heute tatsächlich der Tag gekommen sein, an dem ihre geniale Strategie den Bach herunterging? Konnte sie denn rein gar nichts unternehmen? Natürlich konnte sie. Sie hatte es schon einmal getan. Vor zwanzig Jahren, als Ozai und Bumi gleichzeitig Gast in ihrem Haus gewesen waren. Doch das waren lendengesteuerte Männer gewesen. Nun hatte sie es mit zwei Teenagern zu tun, die noch Ideale in ihrem Leben hatten. Und ein gewisses Maß an Ehrgefühl. Ehrgefühl. Ma-Li setzte sich plötzlich auf. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren. *** Die Luft knisterte vor geladener Spannung und die Besenkammer schien auf die Größe eines kleinen Weinfasses geschrumpft zu sein. Kataras Herz raste, als galt es, hundert Windmühlen in einem Orkan einzuholen. Ihre Haut kribbelte, und einen Moment lang befürchtete Katara, sie wolle abhauen und sich ins nächste Loch verkrümeln. Sie konnte es ihrer Haut nicht verübeln. Es wäre glatt gelogen, zu behaupten, sie stehe furchtlos dem Feind gegenüber, zucke mit keiner Wimper, und würde cool darauf warten, dass er den ersten Schritt machte, um ihm dann oberlässig zu zeigen, wo der Spatz die Waden hatte. Das klappte nur bei Aang. Sie hingegen hatte butterweiche Knie. Sie schaffte es nicht einmal, das Zittern ihrer Faust zu verbergen, die sie ihm mutig entgegenreckte. Zuko war stark. Unglaublich stark. An dieser Tatsache gab es nichts zu rütteln. Aang bekam immer tiefe Grübelfalten, wenn sie über ihren hartnäckigen Verfolger am Lagerfeuer sprachen. Ihre Konfrontationen mit ihm waren ausnahmslos haarscharfe Angelegenheiten gewesen und sie konnten diesem besessenen Feuerbändiger bisher nur entkommen, weil sie zusammengehalten hatten. Weil sie zu dritt waren. Ein Team. Jetzt war sie allein. Und er war sich dieser Überlegenheit mit jeder Faser seines Körpers bewusst. Zuko stieß sich vom Türrahmen ab - und Katara war entsetzt, dass er kurz wankte und das Gleichgewicht verlor, er aber äußerlich ungerührt von der Tatsache schien, dass er angetrunken in einen Kampf stolperte. Konnte es sein? Fühlte er sich ihr so überlegen, dass sie nicht in einmal in seinem Zustand eine Gefahr für ihn darstellte? Zumindest glaubte er das. Um Zukos Mund kräuselte sich ein gefährliches Lächeln. „In letzter Zeit den Avatar gesehen?“ Kataras Lunge krampfte zusammen. Und tief unter der dicken emotionalen Schicht aus Schreck, Angst und Hilflosigkeit begann etwas anderes in ihr zu brodeln: Wut. Wut über ihr zerstörtes Dorf. Wut über den sinnlosen Verlust ihrer Mutter. Wut über diesen widerlichen Krieg, der nur Hass und Tod säte. Und vor ihr stand einer der Verantwortlichen, mit einem dreckigen Grinsen im Gesicht und dazu bereit, ihr das wenige zu nehmen, das ihr noch geblieben war: Aang. Ihre Fingernägel krallten sich ins Fleisch, als sie ihre Faust heftiger zusammenballte und das Zittern verschwand. „Geh woanders hin und fall tot um!“ Zuko blieb unbeeindruckt. Es war ja nicht so, dass der Sohn des Feuerlords so was nicht jeden Tag zu hören bekam. Zumal es furchtbar lächerlich aussah, wie das Mädchen dort auf ihrer Tonne stand und ihm die Faust wie ein Gossenboxer entgegenstreckte. Zukos böses Lächeln wurde breiter. Erstaunlicherweise machte sie das noch wütender und sie stellte sich herausfordernd in einer stabilen Kampfposition auf. Zuko hob eine Augenbraue - und steckte die Hände demonstrativ in die Hosentaschen. „Lass den Unsinn.“, befahl er im berühmten Zuko-Kommandoton. „Ich kämpfe nicht mit einem kleinen Kind.“ Auch er hatte seine moralischen Grenzen - ganz egal, was der Familienkodex in diesem Punkt sagte. Es war einfach unehrenhaft. Sie entführen und erpressen. Okay. Sich mit ihnen prügeln, nicht okay. Katara sprang von ihrer Tonne und landete weich wie eine Katze auf dem Boden. „Schön für dich. Nur interessiert es mich nicht die Bohne, was du willst oder was du nicht willst.“, warf sie zornig zurück. Präzise wie eine Ballerina schwang sie ihre Arme und Zuko musste kein Hellseher sein, um zu wissen was sie vorhatte. Trotzdem blieb er ruhig wie ein Hai im Karpfenteich „Gut. Reden wir darüber, was *du* willst.“ Katara lachte boshaft. „Nur deinen Kopf auf einem Teller. Das wäre alles.“ „Ich mag meinen Kopf - auf den Schultern. So was nennt man wohl einen Interessenkonflikt.“, stellte Zuko fest. Seine Augen blitzten. „Du willst also nicht, dass dein Dorf Amnestie erhält und zukünftig vor weiteren Angriffen der Feuernation geschützt ist?“ Etwas explodierte in Kataras Bauch. Ein vages Bild von GranGran huschte über ihr geistiges Auge. „Du lügst doch, wenn du nur den Mund aufmachst!“ Zuko zuckte mit den Schultern. Eine Bewegung, die das Zimmer kurzweilig in Schieflage rückte. „Die Möglichkeit besteht natürlich. Es könnte aber auch sein, dass ich als zweithöchster Vertreter meines Landes die Wahrheit sage.“ Er sah ihre wütenden arktisblauen Augen flackern wie ein nächtliches Feuerwerk, und er wusste, dass eine leise Chance bestand, dass sein Plan funktionierte. „Meine schützende Hand könnte deinem Dorf eine Menge Ärger ersparen. Du und dein Bruder könnten für den Rest eures Lebens glücklich und in Frieden leben. Ist es nicht das, was du willst, Katara? Frieden?“ Katara benötigte ein paar Minuten, um zu begreifen, dass das ihr Name war, und es daher eine durchaus angemessene Sache, sie so zu nennen – so unpassend es auch von seinen Lippen klang. Sie schnaufte verächtlich. „Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Glaubst du ich weiß nicht, dass dein ach so tolles Angebot einen Haken hat?“ Zukos Stirn kräuselte sich. „Selbstverständlich hat es einen Haken. Ich bin ja nicht die Wohlfahrt.“ Katara lachte auf - laut und wütend. „Lass mich raten: grenzenlose Unterwürfigkeit und Gehorsam bis in den Tod?“ Zuko antwortete nicht sofort. „Ich dachte eigentlich daran, dass du mich zu dem Avatar führst.“ Sein kalter Blick ruhte auf ihrem zornigen Gesicht. „Aber wenn ich mir das genau überlege, dein Vorschlag ist auch nicht von der Hand zu weisen.“ „Warte noch fünf Minuten, dann unterbreite ich dir einen anderen Vorschlag.“, schnappte sie zurück. „Nämlich dann, wenn meine Freunde eingetroffen sind. Sie müssten gleich hier sein.“, erklärte sie ihm hochmütig. Ein Bluff hatte schließlich noch niemals geschadet. Zuko lächelte anzüglich. „Du meinst, der Avatar ist auf dem Weg hierher?“ Er sah sich müßig in der Besenkammer um. Whoa. Eine Bewegung, die nicht weiter zu empfehlen war. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Der Wächter über Moral und Ethik lässt zu, dass seine Freundin in einem Bordell arbeitet?“ Ein raues Lachen entfuhr seiner Kehle. „Das kannst du deinen Puppen und Plüschtieren erzählen, für mich musst du dir schon was Besseres einfallen lassen.“ Katara biss sich auf die Unterlippe. Verdammt, der Schuss ging nach hinten los. „Was kommt als nächstes?“, höhnte er. „Sind Mummy und Daddy auf dem Weg, um dem bösen Feuerbändiger eins auszuwischen?“ Das war es. Die unsichtbare Grenze, der er überschritten hatte, indem er ihre Eltern ins Spiel brachte. Der Wind schlug um und Katara griff wutgetrieben an. Kataras rechte Hand schnellte vor und Zuko bereitete sich vor. Ihre Wasserpeitschen waren nicht zu unterschätzen. In Erwartung einer scharfen Wasserfontaine mit einschlagender Wirkung erkannte er erst in letzter Sekunde ihre wahre Absicht. ‚Verdammt!‘ Die Wasserpeitsche war nur eine Ablenkung und stattdessen kam der heiße Teekrug von unten auf ihn zugeflogen. Zum Ausweichen war es zu spät und er verfluchte den Alkohol, weil er sich von dem ältesten Trick der Welt hinters Licht führen ließ. ‚Gerissenes Biest!‘ Der heiße Tee prallte auf eine glühende Feuerwand und verdampfte zischend. Kleinste Teetröpfchen flogen in der Besenkammer irr umher, landeten auf Regalen, auf dem Fußboden, und weil sie in unmittelbarer Nähe standen, hauptsächlich auf Katara und Zuko. Und plötzlich wurde es ziemlich warm in diesem kleinen Raum. Katara wischte sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und sah die Personifizierung des Bösen mit zornessprühenden Augen an. „Wag es ja nicht… wag es ja nicht, den ehrenvollen Namen meiner Eltern mit deiner skrupellosen Zunge zu besudeln! Du hast kein Recht dazu, überhaupt an so etwas Edles wie sie zu denken!“, schrie sie. Zuko sah sie von oben herab an. Es war doch immer gut zu wissen, wo der Gegner seinen Schwachpunkt hatte. Dieses Mädchen musste noch viel lernen - und so wie es aussah, wollte sie ihre nächste Lektion unbedingt von ihm erteilt bekommen. Er leckte einen Tropfen Tee von seinen Lippen. „War das etwa alles, was du zu bieten hast?“, fragte er mit schneidender Stimme und einen abschätzigen Blick auf den zerbrochenen Teekrug. Ja, schluckte sie hart. „Nein, ich wärme mich grad auf.“, erwiderte sie trotzig. Zuko ließ spöttisch eine kleine Feuerflamme in seiner Hand tänzeln. „Gib mir eine Minute, ich bin sicher, dass ich dir dabei behilflich sein kann.“ Katara stieß schockiert etwas Luft aus. Verdammt! Sie war noch lange nicht bereit, sich so einem Kampf zu stellen. Alles, was sie wusste, stammte von einer alten zerkratzen Schriftrolle! Und dann wiederum, hatte sie überhaupt eine andere Wahl? Seine Augen durchbohrten sie. „Es ist ganz einfach“, erklärte er ihr ungehalten. „Sag mir, was ich wissen will, und dieser Alptraum hier ist schneller vorbei als du zwinkern könntest.“ „Alptraum?“, blanker Hass glänzte in ihren arktisblauen Augen, als sie seine Worte wiederholte. „Der größte Alptraum ist es, in eine Welt zu leben, in der es keine Hoffnung gibt.“ Sie hob ihre Arme in Deckungsstellung. „Und ich werde nicht zulassen, dass du mir diese eine Hoffnung nimmst.“ Er wandte ihr die Schulter zu, um ihr eine möglichst kleine Angriffsoberfläche entgegenzusetzen. „Überlege dir genau, was du tust.“ Katara ließ eine Wasserfontaine in ihrer Hand ungeduldig tanzen. Mit mildem Spott schüttelte Zuko den Kopf. „Du strapazierst meine Geduld, Mädchen! Lass dir mein Angebot durch den Kopf gehen, bevor du etwas machst, das du noch bereuen wirst.“ Die Wut in Kataras Augen loderte mit dämonischer Kraft. „Du glaubst wirklich, ich bin eine dumme Gans vom Land, nicht wahr? Die Masche hat schon beim ersten Mal nicht funktioniert, warum sollte sie es ausgerechnet jetzt tun?“ Betont gelangweilt sah er zu dem Mädchen herab. „Weil du jetzt allein bist.“ Seine Überlegenheit spornte ihr eigenes Selbstbewusstsein an - das, und die Tatsache, dass sie es langsam satt hatte, von jedem - aber auch von jedem- wie ein kleines Mädchen behandelt zu werden. Kataras Gesichtszüge wurden entschlossener und gaben der Wasserbändigerin ein fast schon wildkatzenähnliches Aussehen. „Du aber auch.“, sagte sie und dann griff sie wieder an. Zugegeben, Zuko war überrascht, als nicht die Peitsche sondern ein halber Ozean betonschwer auf ihn niederstürzte. Woher in Gottes Namen hatte sie auf einmal so viel Wasser? Und warum stand er schon wieder wie ein begossener Pudel mit dem Rücken zur Wand? Langsam kochte auch die Wut in ihm hoch und er befreite sich von diesem drückenden atemluftraubenden Nass mit einem gewaltigen Feuerkegel, der das Wasser zischend und auf einem Schlag verdampfen ließ - und das Bodenholz dort schwarz zurückließ, wo seine heiße Wut es versengte. Die Temperatur in diesem Raum stieg rapide an und die Luftfeuchtigkeit tendierte zu 100Prozent. Kondenswasser begann von der Decke zu tropfen, von den Regalen und sammelte sich zu kleinen Pfützen auf dem Boden. Katara wischte sich Schweißperlen von der Stirn und atmete flach. Ihre ohnehin viel zu enge Dienstbotenkleidung klebte nun klamm und einschnürend an ihrem Körper. Wassertropfen standen auf ihren Unterarmen, rannen ihr den Rücken herunter und zogen feuchten Bahnen zwischen ihren Brüsten. Es hatte etwas Tröstendes. Im Kampf mit einem Feuerbändiger konnte man nie genug Wasser auf der Haut haben, denn ‚Was auch immer jetzt passieren mag, es wird unangenehm.‘ Der Wasserdampf legte sich und gab den Blick frei auf einen Feuerbändiger, der sie kalt taxierte. Zeit, ihr zu zeigen, was ein *richtiger* Bändiger auf dem Kasten hatte. Vorsichtshalber trat sie einen Schritt zurück. Mit einer scharfen Bewegung riss Zuko seine Hand hoch - und erstarrte plötzlich mit schafsähnlichem Gesichtsausdruck. Katara bändigte soviel Wasser wie möglich vom Boden, und zog einen eisharten Schutzwall um sich herum hoch. Mit zusammengekniffenen Augen wartete sie seinen feurigen Angriff ab. Was nicht geschah. Es blieb verdächtig ruhig auf seiner Seite. Sie duckte sich hinter ihrem Eiswall und führte ein intensives Zwiegespräch mit sich selbst. ‘Neugier oder Falle? Neugier oder Falle? Neugier?‘ Katara warf einen mutigen Blick über ihren Eiswall - und legte fragend ihre Stirn in Falten. Der Feuerbändiger stand da - und hielt sich mit eisernem Griff an einem Regal fest. So fest, dass die Fingerknöchel weiß hervorstachen. Er schien furchtbar fasziniert von seinen Stiefeln zu sein. Außerdem schien er kurz davor, einen epileptischen Anfall zu erleiden. Tatsächlich konnte Zuko seinen Körper kaum noch unter Kontrolle halten. Ihm war, als würden seine Muskeln ein erschreckendes Eigenleben entwickeln und seinem Verstand nicht mehr gehorchen wollen. Seine Knie sackten kaum spürbar unter ihm zusammen und ein extrem merkwürdiges Prickeln packte ihn am ganzen Körper. Er würde doch wohl am Ende nicht… … krank werden? Zuko haderte mit sich selbst. Der Pechvogel hatte sich den beschissensten Moment ausgesucht, um wieder zuzuschlagen. Einmal, nur einmal in seinem verdammten Leben wollte Zuko, dass alles nach Plan lief, und eben nicht unplanmäßig den Back runterlief. Besaß die olle Pute denn überhaupt kein Schamgefühl mit so schmutzigen Waffen gegen ihn zu kämpfen? Was sollte er tun? Es gab kein Entrinnen. Er stand beschämt da. Er hatte das Gefühl, als wäre er von oben bis unten mit verschiedenen Schichten Schweiß bedeckt, und er stellte sich vor, dass der Boden unter seinen Füßen lichterloh fackelte, so heiß war ihm plötzlich. ‚Reiß dich zusammen, Soldat!‘, brüllte er sich selbst an. ‚Sie ist doch nur ein verdammter Bauer auf einem großen Schachbrett!‘ ‚Ja, aber ein verdammt nackter Bauer.‘, höhnte er. In einem irrsinnigen Anflug von Selbstüberschätzung und Wahnsinn ließ Katara ihren Eiswall zu Boden gleiten und baute sich rechthaberisch vor ihm auf. Sie erinnerte sich an Ma-Lis Bemerkung, der Prinz habe schon eine ganze Menge Alkohol getrunken und sie begann, ihre Chancen wesentlich realistischer einzuschätzen. „Es ist wohl doch nicht so einfach, die kleine Wasserbändigerin in ihre Schranken zu weisen, hm?“, zickte sie übermütig. Zukos Faust bebte. Er schien mit sich zu kämpfen und hielt seinen Blick weiter gesenkt wie ein reuiger Welpe. Es war komplizierter, als die blöde Ziege dachte. Ein lästiges Ding namens ‘Erziehung‘, eingebläut von seiner ehrenwerten Mutter, knallte wie ein Rohrstock auf seine zuckenden Fingern. Kataras Selbstbewusstsein erlitt einen traumatischen Höhenflug, angetrieben von Endorphinen, die nicht nur von der plötzlichen Action in ihrem Leben herrührten. Ihr inneres Ich war vollauf damit beschäftigt, mit einem Besen seltsame Gedanken aus ihrem Denkapparat zu kehren, die versuchten ihr einzureden, sie könne den männlichen Geruch ihres Kontrahenten bis hierher wahrnehmen. Tz, so ein ausgemachter Unfug! „Wie willst du jemals den Avatar fangen, wenn du es nicht einmal schaffst, an mir vorbeizukommen?!“, fauchte sie. Ha, die Achilles Ferse! Sie traf den wunden Punkt seines Lebens. Zukos Kopf ruckte nun doch auf und er sah ihr mit teuflischem Blick in die Augen - und nur in die Augen. Sein Blick war gewillt, zwei Etagen tiefer zu rutschen, doch der Wille war stärker. Noch. „Du willst dich also wirklich mit mir anlegen, kleine Anfängerin?“ Sie sah seine Faust beben. Sie hob eine Augebraue. Was war los mit ihm? Hatte er plötzlich die Hosen voll? Machte ihm die Feuchtigkeit zu schaffen? Kataras Mundwinkel glitt nach oben. Was auch immer es war, sie würde es zu ihrem Vorteil ausnutzen. „Wir könnten es zumindest auf einen Versuch drauf ankommen lassen, kleines Prinzchen.“ Katara versuchte erstaunt, ihren eigenen Mund anzuschauen. War das wirklich sie, die da so große Töne spuckte? Oder das Baldrian? Zuko verzog das Gesicht zu einer grimmigen Grimasse. „Verdammt! Fang endlich an, nachzudenken, du dumme Göre! Was meinst du wie das hier ausgeht!? Ich bin viel stärker als du!“ Er schien am Rande seiner Selbstkontrolle. „Ich habe dreizehn Jahre unter Aufsicht der talentiertesten Feuerbändiger trainiert. Du hast noch nicht einmal einen Lehrer aus der Nähe gesehen!“ Warum in aller Welt bemühte er sich, sie von der Sinnlosigkeit ihrer Herausforderung zu überzeugen? Einfach reinhauen und aus die Maus. Weiß der Geier, welcher Dämon gerade von Katara Besitz ergriffen hatte, doch das Adrenalin rauschte in Kataras Adern und sie fühlte sich ihm ganz plötzlich ebenbürtig. „Mag schon sein. Aber für dich reicht es allemal.“ Zukos Mundwinkel zuckte. Er hatte sie gewarnt. „Fein. Bringen wir‘s hinter uns.“ Und der Feuerbändiger tat etwas, das Katara in höchstes Erstaunen versetzte. Er begann, an dem Kragenverschluss seines Hemdes zu fummeln. Kataras Augen weiteten sich auf ein ungewöhnliches Maß. „W-was…?“ Er zog sein Hemd aus und warf es ihr im hohen Bogen zu. Reflexartig fing sie das feuchte Stück Stoff auf. Mit offenem Mund starrte sie ihren Todfeind an, der mit nacktem Oberkörper um ein Vielfaches bedrohlicher aussah als angezogen. Es war offensichtlich, dass er viel Zeit mit Trainieren verbrachte. Kataras Augen wurden grimmig. ‚Und wenn schon!‘, sagte sie sich selbst. Sie trainierte schließlich mit dem Avatar. Sollte er doch ruhig mit seinen Muskeln angeben. Wahre Kraft kam schließlich von innen. Ihr Gegenüber blieb gelassen. Nur der Blick in seinen Augen hatte sich verändert. Seine Arroganz ließ ihn spöttisch lächelnd nieder blicken. „Ich hab dir das nicht zum Spaß überlassen.“, sagte er und wies mit gebieterischem Kinn auf das Hemd in ihren Händen. Katara schürzte die Lippen und krallte ihre Finger in das nasse Männerhemd. Sie hatte verdammt viel Lust aus dem Stoff eine Voodoo-Puppe zu schneidern und es mit Nadeln zu Tode zu quälen. „Drück dich gefälligst genauer aus.“, biss sie zurück. Zuko ließ seine Nackenmuskulatur knacken. „Versteh mich nicht falsch, ich bin dafür, dass im Nahkampf alles erlaubt sein sollte, aber sollten wir nicht zumindest versuchen, den Anschein von Fairness zu wahren?“ Katara stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. „Was zum Teufel ist dein Problem, man!?“ Ihre Stimme schraubte sich dabei in ungeahnte Höhen. Zukos Augenbrauen zogen sich scharf zusammen. „Mein Problem ist, dass weiße Seide sich nicht mit Wasser verträgt.“, sagte er, aber nicht, ohne sich im gleichen Moment dabei wie ein kompletter Idiot zu fühlen. Aha. Hatte sich das wirklich so dämlich angehört, wie es sich anfühlte? Kataras Kinnlade klappte herunter. Offensichtlich hatte es das. „Was du nicht sagst.“, keuchte sie ungläubig. „Und mein Problem ist, dass mein Rucksack farblich nicht zu meinen Schuhen passt. Und? Mache ich deshalb einen solchen Aufstand?“ Eine Ader begann energisch in Zukos Schläfe zu pochen. Diese Wasserbändigerin kostete ihm große Willenskraft - besonders um nicht dort hinzustarren, was der Grund darstellte, der seinen gut gezielten Feuerball in der Hand wie nichts verpuffen ließ. Statt zu antworten, starrte er eindringlich in ihre arktisblauen Augen und versuchte, das Unaussprechliche telepatisch zu übermitteln. Sie blinzelte unwissend. Er ließ die Augen rollen und ließ dann seinen Blick bedeutungsvoll über ihren Körper wandern. Katara runzelte die Stirn. Sie folgte seinem Blick - und stierte mit weit aufgerissenen Augen auf den real gewordenen Alptraum einer jeden jungen Frau auf diesem gottverdammten Planeten. Die weiße feuchte Seide auf ihrer Haut gab ihrem Todfeind einen 1a-Logenblick auf etwas frei, das kein Mann bisher sehen durfte. Entsetzt sprang sie auf und hielt sein Hemd in Todesgriff vor ihrem Busen. Ihr Gesicht lief knallrot an. Das war mehr als nur peinlich. Eine leichte Schamesröte legte sich auch auf das Gesicht des Feuerbändigers und er hüstelte etwas verlegen - und starrte angestrengt auf die Spinnweben unter dem Deckenbalken. Es war ein ungeheurer Kraftakt gewesen, nicht auf die ihm dargebotene Pracht zu glotzen. Und es kostete noch mal so viel Energie, die sich daraufhin entwickelnde Phantasie aus seinem Oberstübchen zu scheuchen. Es war der verdammte Sake, grummelte er, der aufgeputschte Sake, der seine Gedanken in ein Gelände abdriften ließ, das er vorher nicht einmal mit einem schützenden Schild aus Metall und Stacheldraht betreten hätte. Wie zum Teufel sollte man(n) sich da auf einen Kampf konzentrieren? Die Erde drehte sich weiter, während zwei Teenager ziemlich unschlüssig in der Besenkammer dastanden, jeder in seiner eigenen Peinlichkeit berührt und weit davon entfernt, den Krieg der Nationen auszufechten. Vielleicht nicht den Krieg der Nationen, aber zumindest den Krieg der Geschlechter. „Du Spanner!“, kreischte Katara hysterisch. Zuko verschluckte sich an seiner eigenen Spucke. „Ich hab nicht hingesehen!“ ‚Das ist unter mir als ein Mitglied der königlichen Familie!‘, sagte er sich selbst voller Würde. ‘Wir mögen erobern, plündern, kämpfen und töten, aber wir sind keine Spanner! ‚Wir spannen insbesondere nicht bei halbnackten Wasserbändigerinnen!‘, fügte er eine Spur entsetzter hinzu. Allein, dass sie überhaupt auf die Idee kam, ausgerechnet *ihm* so ein Verhalten anzudichten, war schon Grund genug, sie unter die Erde zu bringen. Bei der nervtötenden Stimmlage würde ihm der Avatar wahrscheinlich sogar noch zu seiner Tat beglückwünschen und einen Dankesbrief schreiben. Katara mimte das Gesicht einer abgebrühten Lehrerin, die ihrem Schüler nicht abkaufte, der Hund habe die Hausaufgaben gefressen. Der rosa Schimmer auf Zukos Wangen vertiefte sich in glühende Nuancen. Na ja, vielleicht hatte er ein kleines bisschen hingesehen, und der gute Zuko-Engel auf seiner Schulter hielt die Daumen -und Zeigefinger einen Spaltbreit offen; während der böse Zuko-Teufel ganz ungeniert das Gedächtnis auf die Kinoleinwand projektierte und die Standbildtaste drückte. Zuko hatte das Prickeln verflucht, das seinen Körper vorhin so unkontrollierbar erbeben ließ, jetzt wünschte er sich das Prickeln wieder zurück, denn jetzt fühlte er sich kaum noch in der Lage, sich zu bewegen, ohne dabei … … ja was eigentlich? Dem Kitzeln der tausend Insekten, die unter seiner Haut entlang krochen, den Gar auszumachen, in dem er sich wie ein Trottel auf dem Boden wälzte? Warum nur? Warum nur mussten solche Sachen immer nur ihm passieren? ‚Warum nur?‘, heulte Katara innerlich. ‘Warum ausgerechnet vor *ihm*?! Beide Teenager studierten blamiert bis auf die Knochen und mit größtmöglichem empörtem Schnauben die jeweils andere Ecke der Besenkammer hingebungsvoll. (Master Jeong Jeong hebt warnend den Finger: Drehe niemals dem Feind den Rücken zu!) Ein Wettbewerb der Schamesröte bahnte sich an, und es war unklar, welche Nation dabei vorne lag. Bis Zuko einfiel, *wo* er war und dass er sich vielleicht doch nicht schuldig im Sinne der Anklage fühlen musste. Er verschränkte die Arme vor der nackten Brust und fand zu alter Form zurück. „Es ist ja nicht gerade so, dass du dich vor mir versteckt hättest. Und außerdem, in Anbetracht der Umstände hier…“ Katara beäugte ihn argwöhnisch, als er aus seiner Hosentasche etwas hervorfischte. „… bin ich bereit, für die Unkosten deiner Freizügigkeit aufzukommen.“ Hämisch grinsend warf er ihr etwas Blitzendes zu. Aus einem Reflex heraus fing Katara das kleine funkelnde etwas mit einer Hand auf - und schalt sich dafür, dass sie endlich aufhören musste, Dinge aufzufangen, die ihr der Todfeind zuwarf. Ihre Augen weiteten sich in schierer Ungläubigkeit. Eine goldene Münze lag auf ihrer feuchten Handfläche. „Das ist k e i n Ausdruck meines Wohlgefallens an deiner kleinen Showeinlage…“, fuhr er boshaft fort, obwohl er zugeben musste, dass diese Show bei weitem mehr Unterhaltungspotential hatte als die der drahtigen Wie-war-ihr-Name-gleich-noch-mal?‘, „… nur ein kleines Zugeständnis meinerseits.“, beendete er seinen Satz hochtrabend, um die Gefährtin des Avatars vor Schamgefühl in den Boden sinken zu sehen. Sollte sie gefälligst auch. Ihr fassungsloses Gesicht war eine kleine Entschädigung für das, was er heute durchmachen musste. Im Grunde genommen war alles ihre Schuld! Katara klappte den Mund mehrmals auf und zu, ehe die Tragweite seiner ganzen Worte ihr Gehirn erreichte. Glaubte er etwa, sie… würde Geld nehmen für … ? Das sie… tun würde… für…? Geologen haben Seismographen, die ihnen verraten, wann ein Vulkan innerlich brodelt und droht zu explodieren. Zukos Hobbygeologe ‚Iroh‘ hätte längst Alarm geschlagen, als seismische Beben Katara erschütterten, rot glühende Wut in ihren Augen aufstieg und das Wasser auf dem Boden vor ihr anfing zu blubbern. Aber Iroh war nicht da, und Zuko hob nur ahnungslos eine Augenbraue. Und dann brach der Vulkan aus. Ohrenbetäubend und mit einer Wucht, die die kleine Besenkammer in ihren Grundfesten erschütterte. Katara explodierte. „Du bist fällig! Du bist so was von ÜBERFÄLLIG!! Das war das letzte Mal, das du aus deiner Kehle ein Wort herausbekommen hast! Ich werde dir den Hals umdrehen! Ich werde dich kaltstellen! Ich werde dich so was von tief frosten und Gefrierbrand wird das letzte sein, mit das sich dein verkümmertes Hirn beschäftigen darf! WIE KANNST DU ES WAGEN!!! WIE KANNST DU ES WAGEN, SO EINEN GEDANKEN ÜBERHAUPT AUSZUSPRECHEN???“ Jedes ihrer letzten Worte schickte sie eine Salve messerspitzer Eiszapfen nach, die wie kleine Torpedos die Luft durchschnitten und nur ein Ziel hatten: Zukos Kopf. „Whoa!“ Zuko, der ‚Lieber Tod als Rückzug‘-Soldat, wich nach hinten aus, kam heftig ins Straucheln und parierte die Torpedos notgedrungen mit einem gigantischen Flammenwerfer, den er aus einer geschickten Drehung heraus über seine Schulter abfeuerte. Hundert kleine Eiszapfen verdampften zischend in der Hitze. Einer nicht. Und verletzte Zukos Unterarm mit einem tiefen Kratzer. Blut spritzte. Der Prinz der Feuernation verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Katara feuerte weiter wie ein irres tollwütiges Maschinengewehr. Zuko, in Defensivmanöver verstrickt, fragte sich, wann in Gottes Namen sie es geschafft hatte, sein Hemd wie ein Handtuch um ihren Körper zu wickeln. Aber so eine Frage konnte wahrscheinlich eh nur eine Frau beantworten. Ein zweiter Eiszapfen flog haarscharf an seiner Nasenspitze vorbei, und er hatte es auf einmal endgültig satt, sich von einer kleinen dummen Göre vorführen zu lassen. Scheiß drauf, dass sie ein Mädchen war, scheiß drauf, dass sie unerfahren war. Wenn sich ein Eisblock durch sein Herz rammt, würde ihm seine Ehre auch nicht Blut spenden. Und dann griff er an. Er griff an mit der Erfahrung eines Soldaten. Eines Soldaten, der schon einen Sterne-Admiral in die Knie gezwungen hatte. Fein, er war vielleicht nicht ganz Herr seiner Sinne, und eine Krankheit ausbrüten tat er wahrscheinlich auch, aber vor ihm stand die riesige Chance, den Avatar zu fangen, und er würde verdammt sein, wenn er sich die Chance durch die Lappen gehen ließe. Katara schrie auf, als gierige Flammenzungen ihr Wasser verpuffen ließen und an ihrer Haut leckten. Sie schrie auf, als eine Feuerwand drohte sie zu verschlingen und sie schmerzhaft gegen ein Regal presste. Sie schrie auf, als sie sich nur noch ducken konnte, um einer Hitzebrunst auszuweichen. Er ließ nicht nach. Er trieb sie in die Enge. Trieb sie dazu, jeden noch so kleinen Wassertropfen für ihre Verteidigung zu opfern. Das Adrenalin pumpte in seinem Körper und gewann die Oberhand über die vielen sinnesvernebelnden Stoffe. Wie ein verwundetes Tier scheuchte er sie von einer Ecke des Raumes zur nächsten und wieder zurück. Rußgeschwärzte Wände und brennende Holzregale hinterließen eine Schneise der Zerstörung. Katara rang um Luft. Beißender Rauch verbiss sich in ihren Lungen, und die unerträgliche Hitze ließ sie mit jeder Aktion kurzatmiger und erschöpfter werden. Der scharfe Geruch von verschütteten Reinigungsmittel vermischte sich mit feiner Asche und mit einem kräfteraubenden Satz zur Seite um einem Flammensturm auszuweichen, kam sie ins Stolpern, knickte um und fiel mit einem aufbäumenden Schrei gegen die Wand und fiel zu Boden. Heiße Tränen kämpften gegen ihren Willen und kämpften sich in ihre großen Augen, die die Offenbarung widerspiegelten, dass er sie niedergerungen hatte. Frustrierte Seufzer entfuhren ihrer Kehle und wütend ballte sie die Fäuste und presste sie hart auf den Boden. Die großen mandelförmigen Augen sahen zögernd zu dem Feind auf, der schwer atmend über ihr stand und die Hand geradlinig auf sie gerichtet ausgestreckt hielt. Er zitterte. Die feinen Schweißperlen, die in den wenigen Strahlen der Nachmittagssonne auf seiner elfenbeinfarbenen Haut unter seinen gespannten Muskeln tanzten, verrieten die Anstrengung, der er aufwenden musste. Und in Anbetracht der plötzlichen Ruhe in diesem kleinen Raum, wo nur noch das schwere Atmen zweier Menschen in einer drückenden Hitze zu hören war, ließ die Adrenalinausschüttung in seinem Körper nach - und ließ die Wirkung von Alkohol und Aphrodisiakum in zweifacher Geschwindigkeit wie ein Gummiband zurückschnellen. Zuko hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich hinsetzen zu müssen - tat es aber nicht. Zuko hatte sie mit seinen bernsteinfarbenen Augen auf dem Boden festgenagelt. Die Konzentration, die ihn dieses Duell abverlangt hatte, ließ ihn von Kopf bis Fuß in Spannung verharren. Sie war flink wie ein Wiesel gewesen und seine Trefferquote war verschwindend gering. Die Weise, wie sie auf dem Boden hockte, keuchend und am Rande ihrer Kräfte, aber nur mit sehr wenigen Rußflecken bedeckt, zeigte, wie schnell und geschickt sie gewesen war. Er hatte sie nicht getroffen. Er hatte sie lediglich bis zur Erschöpfung gejagt - und das nagte unterschwellig an ihm. Sie gab einen hilflosen Laut von sich. Sein Mundwinkel zuckte. Er spielte mit dem Gedanken, sie gefangen zu nehmen und sie als Druckmittel, zumindest aber als Lockmittel für den Avatar zu benutzen. Spöttisch grinsend gab er seine tödlich drohende Kampfposition auf und sah sich nach etwas in dem Raum um, womit er die Wasserbändigerin fesseln könnte. Als ob sie seinen Gedanken erraten hätte, bäumte Katara sich auf, nutzte die Chance seiner Unachtsamkeit und ließ eine gewaltige Wasserdusche in sein Rückgrat krachen. Er schoss wie ein Raubtier zur Seite und sah mit bösem Blick zu, wie die Fontaine ein Holzregal krachend zerlegte. Das hätten auch seine Wirbel sein können. Zuko fluchte. Das war das letzte Mal, dass er die Wasserbändigerin unterschätzte. Er setzte zum endgültigen Gegenangriff an, als - das Unterwartete geschah. Es war der denkbar ungünstigste Augenblick für Ma-Li, die Tür zur Besenkammer zwischen den beiden Todfeinden aufzustoßen. Zuerst stürzte eine eiskalte Wasserflut auf sie herab, nur um eine Millisekunde später von einem Feuersturm turbo trocken geföhnt zu werden. Beide, Katara und Zuko, blinzelten in größter Überraschung, als die goldene Ma-Li mit neu gestylter Dauerwellenfrisur Marke Afro und einem verlaufenen Make-up und angesengten - noch rauchenden - Wimpern zwischen ihnen stand. Eines musste man ihr lassen, Ma-Li stand äußerst gefasst im Türrahmen, als sie die Worte ausspuckte, die sie hatte sagen wollen, bevor sie tiefgefroren und schockgegrillt wurde: „Kein Bändigen in diesem Haus.“, kroch über ihre Lippen. Zuko sah ein bisschen ungläubig aus. Sie hätte auch ‘Fröhliche Weihnachten‘ sagen können und es hätte ihn kein bisschen mehr umgehauen. Katara klatschte die Hand an die Stirn. Nichtsdestotrotz nutzte sie die willkommene Unterbrechung und baute sich erneut auf, um Kräfte zu sammeln - und stellte mit einer schnellen Bewegung sicher, dass das Hemd noch sicher an seinem Platz saß. Zuko, immer ein wachsames Auge auf die Wasserbändigerin, raffte sich zu einer Frage auf. „Wie war das?“ Ma-Li drückte in ernster Sorge um ihr Make-up den Ringfinger in ihren rechten Augenwinkel. „Ich sagte, das Bändigen ist in diesem Haus verboten. Per Gesetz.“ „Aha.“, sagte Zuko. Er glaubte ihr genauso wenig wie an dem Weihnachtsmann. Katara, Schutzpatronin aller Schwachen und Leidenden, warf sich schützend vor ihr. „Machen Sie, dass Sie hier wegkommen und bringen Sie die Leute in Sicherheit! Ich versuche ihn aufzuhalten!“ Zuko hob eine Augenbraue. Das war ein Witz, oder? Ma-Li war für den Bruchteil einer Sekunde gewillt, der Wasserbändigerin zu gehorchen, denn die Besenkammer war nur ein Aschehäufchen seiner selbst und es sah ganz danach aus, als war ein Inferno über sie hereingebrochen. Doch das war nicht der Grund, weshalb es die Bordellbesitzerin hierher verschlagen hatte. Ihr Blick wanderte weiter und blieb an dem zerbrochen Teekrug am Boden hängen. Dessen Inhalt schien der Saunastimmung zum Opfer gefallen zu sein. Ma-Li stutzte. Es gab ihres Wissens nach drei effektive Möglichkeiten, das Aphrodisiakum aufzunehmen. Oral, am besten im Tee untergemischt, über die Haut, dem Massageöl untergejubelt oder als Saunaaufguss. Ma-Li versuchte sich an die Menge im Tee zu erinnern, rechnete die vielen Tropfen auf den Krug auf, berücksichtigte die Tatsache, dass die Haut schneller Wirkstoffe aufnahm als der Magen, und sie kam zu dem Schluss, dass in der Luft der Besenkammer genügend libidoreizende Pheromone herumschwirrten, um eine ganze Elefantenherde von einer Orgie mit hässlichen Flugechsen zu überzeugen. Ma-Li trat dezent aus dem Türrahmen heraus und wich einen Schritt zurück in den kühleren Korridor. Dann fiel ihr Blick auf den scheuen aber halbnackten Prinzen und ihr Blick wanderte weiter zur der Wasserbändigerin, die zwar vollständig angezogen war, aber die Art und Weise wie sie sich an ihr Hemd klammerte legte die Vermutung nahe, dass sie zumindest befürchtete, gleich nackt dazustehen. Ma-Li verwarf den Gedanken an eine schnelle Evakuierung und schmunzelte in sich hinein. Zumindest taten sich hier ganz neue Möglichkeiten auf. Sie steckte sich ein Zigarillo an und schob ihn zwischen den Lippen. „Danke für deine Aufopferungsbereitschaft, Katara, aber ein Kampf wird nicht mehr nötig sein. In diesem Haus ist es nämlich gesetzlich verboten, zu Bändigen.“, wiederholte sie mit eindringlicherer Stimme. „Und das ist der Beweis.“ Die Bordellbesitzerin ließ überlegen zwei Schriftrollen in jeder Hand auseinander gleiten. Es war eine stumme Aufforderung an die beiden Kontrahenten, heranzutreten. Zuko weigerte sich. Katara warf einen unsicheren Blick auf Zuko, und weigerte sich dann ebenso. Frei nach dem Motto, wenn er nicht geht, gehe ich auch nicht. Ma-Li stöhnte entnervt. „Kinder…. Gut, dann lasst es mich euch erklären. Das ist etwas, mit den ich nicht hausieren gehe aus Rücksicht auf die Königshäuser, doch ich denke, in diesem Fall hier“, und sie deutete auf ein Regal, das munter weiter fackelte, „werde ich eine Ausnahme machen. Prinz Zuko, erkennt Ihr dieses Siegel dort?“ Nun wurde er aber doch neugierig und der Prinz der Feuernation warf widerwillig ein Auge auf das kreisrunde Emblem. Ein gewaltiger Ruck ging durch seinen Körper und ein dunkler Schatten legte sich auf das vernarbte Gesicht. Mit der unbewussten Grazie eines gesunden Raubtieres, das Lunte gerochen hat, bewegte er sich rasch auf die Bordellbesitzerin zu. Katara hielt den Atem an. Der mit Abstand lächerlichste, absurdeste und abstoßendste Gedanke ihrer fünfzehnjährigen Lebenszeit kroch durch ihre Gehirnwindungen, verursachte eine Synapsenfehlverknüpfung, ließ sie den Kopf schief legen, langsam mit den Augenliedern flattern und den Mund wie ein kleiner Goldfisch öffnen. Zuko bewegte sich und das schwache Nachmittagslicht beleuchtete ihn aus einem anderen Winkel, so dass Schatten und Betonungen entstanden, und so das Spiel zwischen heller Haut, feinen Schweißtröpfchen und angespannten Muskeln faszinierend in Szene setzte. Er war … schön. Dieser haarsträubende Gedanke trieb die vernünftige Katara zur Weißglut. Sie nahm ihr inneres Selbst und würgte es so lange, bis es keuchend zur Vernunft kam und den Namen Zuko ausspuckte. Das war Zuko, der Feuerbändiger. Und Feuerbändiger waren nicht schön. Ein unausgesprochenes Naturgesetz. Das in diesem Haus scheinbar keine Geltung besaß. Während Zuko die Schriftrolle eingehend studierte, ließ die Bordellbesitzerin ihren Blick ungeniert über den jungen straffen Körper vor ihr wandern - und ihre Augen malten sich aus, was sie mit diesem Körper alles anstellen konnte. ‚Igitt!‘, erschauderte Katara. ‘Ich muss mich gleich übergeben!‘ Zuko schien von all den anrüchigen Gedanken nichts mitzubekommen, denn seine Augenbrauen zogen sich mit jedem Schriftzeichen, das er las, energischer zusammen. Es war ein Vertrag. Unterzeichnet von seinem Vater und beglaubigt mit dem königlichen Siegel. Zuko runzelte ungläubig die Stirn. “Mein Vater hat Amnestie auf dieses Haus erlassen?“, seine Stimme schaffte den Balanceakt zwischen totaler Überwältigung und kalter Ernüchterung. Ma-Li nickte. „Nicht nur das. Er hat mit seinem Namen dafür gebürgt, dass kein Bürger der Feuernation jemals in diesem Haus Gebrauch von seinen Bändigungsfähigkeiten macht. Jedenfalls … nicht ungesühnt.“ Zuko schnaubte. „Und was kommt als nächstes? Wollen Sie mir weismachen, der Avatar hätte persönlich die Betten gesegnet?“ Katara verschluckte sich aufs heftigste. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Aang von Zimmer zu Zimmer flitzen und auf jedem Bett mit Räucherstäbchen einen Anti-Baby-Fluch beschwören. Zukos Blick jagte zurück zu der verlegen hustenden Wasserbändigerin. Ihre von der Hitze geröteten Wangen färbten sich dunkler und feine Strähnen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten, klebten an ihrem Gesicht und ihrem Nacken. Zuko zwang seine Augen zurück auf die alte Bordellbesitzerin, deren Gesicht mit Falten und verlaufener Schminke weniger gefährliches Gelände war und von der Tatsache ablenkte, dass zwischen seinem Hemd und dem Körper der Wasserbändigerin nur ein unbedeutendes durchsichtiges Stück Seide war. „Mein Vater würde nie im Leben so einen Wisch unterzeichnen!“, sagte er unwirsch. Ma-Li zog an ihrem Zigarillo und blies den Rauch langsam und provozierend in sein schönes wütendes Gesicht „Da mögt Ihr durchaus Recht haben, Prinz Zuko. Unter normalen Umständen hatte sich der Feuerlord mit so etwas nicht lange befasst. Wie gesagt, unter normalen Umständen … .“ „Wovon zur Hölle sprechen Sie eigentlich?“, zischte Zuko, der völlig im Dunkeln tappte. Zum Glück war da noch Katara im Zimmer. Ihr Gehirn arbeitete ein bisschen schneller. „Ihr habt den Feuerlord im … Schlafzimmer… erpresst?“, stotterte sie und wurde, als sie Zukos entsetzte Blicke auf sich spürte, dunkelrot. Ma-Li kräuselte die Lippen. „Manche Männer würden in … bestimmten Situation … eben einfach alles unterschreiben.“ Zuko atmete zischend aus. Langsam aber sicher gewann die Option, das Haus abzufackeln und dem Erdboden gleichzumachen, an Charisma. Sein Vater würde ihm unendlich dankbar sein, diesen dunklen entwürdigenden Fleck in der Familienchronik ausgelöscht zu haben. Nur, warum hatte er es nicht schon längst selbst getan? Es wäre doch viel einfacher, diese Gegend von der Landkarte auszuradieren, statt umständlich Amnestie zu erlassen. Zuko erschrak ein wenig angesichts seiner eigenen kühlen Kalkulationen. Die Bordellbesitzerin blies kleine Rauchkringel in die Luft. „Da Ihr von diesem doch sehr speziellen Vertrag nichts wusstet, Prinz Zuko, sehe ich Eurer kleinen Raserei nach. Doch solltet Ihr es wagen, noch einmal in diesem Haus zu bändigen, werde ich dafür sorgen, dass Eurer Vater auf schnellstem Wege davon erfährt, dass Ihr auf seinem Namen gespuckt habt. Die Rückkehr an dem heimischen Herd dürfte Euch mit dieser Respektlosigkeit und Ehrenverletzung damit wohl für die nächsten Jahrzehnte versperrt bleiben.“ Sie zog an dem Zigarillo und brachte das Endstück vor seiner Nase zum Glühen. Eine Sekunde lang sah sie mit schreckgeweiteten Augen zu, wie das Endstück gleißend aufbegehrte. Es war eine gefährliche Aktion, einen so unberechenbaren jungen Mann wie Zuko mit dem Rücken zur Wand zu drängen. Alles konnte passieren. Und Ma-Li drückte ihr Zigarillo an der steinernen Wand neben ihr aus, während ihr Tun von ein paar zornesfunkelnden Augen begleitet wurde. „Nun zu dir, kleine Wasserbändigerin.“ Katara, die einfach nur gebannt dem Schlagabtausch zugesehen und insgeheim Wetten darauf abgeschlossen hatte, wann der Feuerbändiger seine Kontrolle verlieren würde, ruckte auf. „Was? Ich?“, wunderte sie. „Was soll mit mir sein?“ Ma-Li schüttelte auffordernd die zweite Schriftrolle. Katara kräuselte die Stirn. Sie hatte das Gefühl, dass sie es nicht mögen würde, was die Bordellbesitzerin zu sagen gedachte. „Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, du seiest auf dem Weg zum Nordpol, um dort nach einem geeignetem Lehrer zu suchen.“, stellte Ma-Li fest. Katara blinzelte verblüfft. Woher in Gottes Namen …? Und warum in aller Welt musste sie das ausgerechnet vor *ihm* preisgeben??? Ihre Gesichtsentgleisung zeigte Ma-Li, dass sie den Nagel ins Schwarze getroffen hatte. „Nun, dann lass dir gesagt sein, dass auch Oberhäuptling Arnook vom Nordpol bei seinem letzten Besuch diesem ähm Standardvertrag sein Siegel untergesetzt hat. Auch er verbürgte sich mit seinem Namen, dass kein Wasserbändiger in diesem Haus Gebrauch von seinen Kräften macht. Ich denke, Häuptling Arnooks Gastfreundschaft wird für dich und dem Avatar erheblich rudimentärer ausfallen, sollte er erfahren, dass Katara vom Schwesterstamm des Südpols seinen Vertrag nicht respektierte.“ Zuko schnaufte sich durch drei Oktaven und stierte seine Todfeindin an. „Arnook ist nicht einmal dein Häuptling. Warum solltest du dich an dieses beschämende Gebot halten wollen?“ Katara blitzte zurück. „Und dein König hat dich verstoßen! Warum solltest du so etwas tun?“ Ma-Li wickelte mit langsamer Präzision die Verträge wieder zusammen. „Warum solltet ihr, nicht wahr? Es ist doch letztendlich nur eine Frage der Ehre.“ Ihr Blick legte sich auf das Mädchen, dass es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Welt zu retten. Und ihr Blick wanderte weiter zu dem Prinzen, der ‘Bordell‘ nicht einmal aussprechen konnte, ohne dabei rote Ohren zu kriegen. Kein Zweifel, beide hatten ein ausgesprochen großes Ehrgefühl. „Kinder, seid so lieb, und räumt das Chaos hier wieder auf.“, sagte Ma-Li, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Auf ihren Lippen legte sich ein wissendes Lächeln. *** Sollte Zuko es erneut riskieren, die Ehre seine Vaters zu beschmutzen? Konnte Katara ihre einzige Chance einem Lehrer zu begegnen, aufs Spiel setzen? Zuko brodelte. Er war fiel zu sehr mit seinen wirren Gedanken beschäftigt, um den Fußtritt zu sehen, der auf ihn zuflog. Kataras Fußtritt war bei weitem nicht so heftig wie der eines Mannes, aber er schlug an der richtigen Stelle ein. Er krachte in Zukos Kniescheibe, so dass der Prinz unter schmerzvollem Ächzen zur Seite kippte und sich an einem Regal festhalten musste. „Sieht so aus, als würden dir deine dreizehn Jahre Training hier drin rein gar nichts nützen.“, höhnte sie. Das Schicksal konnte es gar nicht besser mit ihr meinen. Der Prinz war ihr als Feuerbändiger haltlos überlegen, aber unter diesem neuen Gesichtspunkt sahen ihre Chancen bedeutend rosiger aus. Es wurde Zeit, dass sie den Spieß umdrehte und zur Abwechslung ihn jagte. Wer wusste schon, welche Informationen sie am Ende aus ihm herausholen konnte? Zuko richtete sich ächzend auf. Sein schmerzverzerrtes Gesicht auf die angriffslustige Wasserbändigerin gerichtet. Ihm dämmerte, dass sie den Kampf trotz allem fortsetzen wollte, oder vielleicht auch gerade deswegen. Ein Boxkampf mit einem Mädchen, der Herr stehe ihm bei! Er war sich sicher, sollte er jemals in den Himmel kommen, seine Mutter würde ihm eine Gardinenpredigt halten, die nicht kürzer war als hundert Jahre. Zuko blieb nicht einmal genügend Zeit, um sich von dem Tritt zu erholen, da griff die Wasserbändigerin wieder an. Doch dieses Mal war er vorbereitet. Worauf er allerdings nicht vorbereitet war, war die Flut an Reizen, die ihn plötzlich bei diesem unerwünschten Körperkontakt überwältigte. *** Puh, ist noch irgendjemand wach da draußen? Hat es überhaupt einer über die Ziellinie geschafft?? Wenn ja, lasst es mich wissen :-) Liebe Grüße, NewJade Kapitel 5: Fesselkünstler und Spätzünder ---------------------------------------- Kapitel 5: Fesselkünstler und Spätzünder -------------------------------------------------- *Anmerkung der Autorin: Wieder einmal stehe ich bei meiner Beta-Leserin Beelze in tiefer Schuld.* Zuko blieb nicht einmal genügend Zeit, um sich von dem Tritt zu erholen, da griff die Wasserbändigerin wieder an. Doch dieses Mal war er vorbereitet. Er täuschte einen Fuß-Feger vor, um anschließend einen Handkantenschlag auszuführen, doch sie konterte das Täuschungsmanöver mit einem eigenen Feger, und beide gingen gleichzeitig zu Boden. Katara keuchte, als sie schwer auf ihren Arm fiel und sie sich Hautabschürfungen zuzog. Zukos Wange machte unerfreulichen Kontakt mit dem Holzboden. Verdammt, seit wann brachten arktische Fischweiber ihren Töchtern das Kämpfen bei? Zuko stand schwungvoll auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wer hätte das gedacht? Eine Bruce-Lee-Prinzessin aus dem ewigen Eis. Katara bleckte die Zähne. Sie genoss seine offensichtliche Überraschung trotz der Wundschmerzen. Wie oft in ihrem Leben bekam sie schon ein überrumpeltes Feuerprinzchen zu sehen? Zuko grunzte tief. Soviel war klar, er würde die Wasserbändigerin nicht ohne vorausgehenden Blessurenmarathon auf der Matte flachlegen können. Trotzdem - der Gedanke an einem Nahkampf ließ eigenartigerweise Funken der Vorfreude in seinem Magen tanzen. Beide nahmen wieder ihre Position ein, umkreisten einander. Kataras Nasenflügel bebten leicht beim Atmen. Der Angriff hatte sie weit mehr Kraft gekostet als ihm, doch ihm schmerzte das Knie höllisch. Dafür würde die Möchtegern-Knochenbrecherin büßen müssen. Seine bernsteinfarbenen Augen blitzten entschlossen unter zusammengezogenen Brauen. „Sieht so aus, als hätte jemand ein bisschen Kampfsport trainiert.“, stellte er fest während er sie langsam auf sie zutrat. Sein Mundwinkel hob sich provozierend. „Soll mir recht sein. Ich will nur hoffen, dass deine Fähigkeiten auf der Matte besser sind als die zu Bändigen. Noch so ein Jammerspiel ertrag ich nämlich nicht.“ Katara schnappte nach Luft. ‚Fähigkeiten auf der … Matte?‘ Eine katastrophale Sekunde lang hatte Katara geglaubt, einen doppeldeutigen Unterton in seiner Stimme herauszuhören. Sie wurde dunkelrot. Feuerbändiger verdienten es von Natur aus, dass man sie bis ans Höllentor prügelte - jetzt erst recht. „Mir scheint es eher“, erwiderte sie zähneknirschend; federte in den Knien, „ als hätte jemand ein bisschen Muffensausen.“ Und dann etwas koketter: „Sind das etwa Schweißperlen auf deiner Stirn? Wohl etwas zu feucht hier drinnen für ein Streichholz wie dich.“ Sie lachte höhnisch. In einer überlegenen Bewegung ließ Katara ihre Hand über das Kondenswasser des einzigen noch stehenden Regals gleiten und verteilte die Flüssigkeit provozierend langsam mit den Fingerspitzen. Jaah, das war ihr Element; und es gab ihr Sicherheit und Zuversicht - und kühlte ihren von Anstrengung erhitzten Körper. Einen irrwitzigen Moment lang hatte Katara sogar das unerklärliche Bedürfnis, die Wassertropfen vor seinen Augen Finger für Finger genüsslich abzulutschen. Was natürlich ein absolut schwachsinniger Gedanke war und sie zwang sich zur Konzentration. Konzentration auf den Kampf. Konzentration auf den halbnackten männlichen Feind in diesem Raum, dessen gefährlich schimmernde Augen einzig und allein auf sie gerichtet waren. Und dieses Mal würde er nicht innehalten, um zu schauen, ob der Avatar hinter seinem Rücken sein Schiff inklusive Crew einen Wasserfall herunterpustete; oder wo Sokka mit seinem spitzen Bumerang war. Nein, dieses Mal gab es nur sie und ihn. Katara wusste nicht, ob dieser Gedanke sie beruhigte oder viel mehr ‚entruhigte‘. Zumindest tat ihr Herz einen Satz nach unten und landete irgendwo im Bauch, wo es ein - seltsam - aufgekratztes Gefühl hinterließ. Als könne sie Bäume ausreißen oder so. ‚Nein, keine Bäume.‘, korrigierte sie sich selbst. ‚Nur lästiges Unkraut.‘ Zukos Augenbrauen zogen sich scharf zusammen. Ihre penetrante Zunge würde ihr noch im Halse stecken bleiben, und wenn es das letzte wäre, was er an diesem verfluchten Tag tun würde. Ganz gleich, dass die drückende Feuchtigkeit ihn tatsächlich kurzatmiger werden ließ. „Das kannst du dir natürlich einreden, wenn du meinst, es hilft. Aber Tatsache ist“, höhnte er zurück, „dass *du* mit der Hitze weit aus mehr Probleme hast als ich mit ein paar lächerlichen Pfützen auf den Boden. Du hast nicht den Hauch einer Chance.“ Und wie zur Bestätigung starrte er auf ihre leicht geöffneten Lippen, durch die Katara etwas atemlos nach Luft schnappte. Sie versuchte ihre Erschöpfung zu verbergen, in dem sie ihren Brustkasten zur Ruhe zwang, doch es funktionierte nicht, und Zuko sah irritiert zu, wie ihre Zunge über die glänzenden Lippen fuhr, die sie dann wütend aufeinander presste und zu einem dünnen Strich formte. Zuko blinzelte. Sie stieß einen frustrierten Laut aus und pustete eine klamme Haarsträhne von ihrem Gesicht, bereit, sich dem nächsten Kampfabschlag zu stellen. Doch die Haarsträhne fiel zurück, und Zuko blinzelte einmal mehr, als nervöse schlanke Finger die feuchte Strähne hinters Ohr schoben, wo sie dann an feuchte karamellfarbene Haut kleben blieb… auf der kleine Schweißperlen standen, die einer Linie entlang des Halses rannen… auf dem Schlüsselbein tanzten… im Nachmittagslicht glitzerten… hinabperlten… sich ihre weiblichen Rundungen näherten - und von *seinem* Hemd aufgesogen worden. Oh man. Wo blieben die Daumenschreiben, wenn man(n) sie brauchte? Zuko schüttelte überfordert den Kopf. Was keine Idee war, die einen Orden verdient hatte. Der Teufel Sake und sein bester Freund Rum erinnerten ihn daran, dass Kopfschütteln für einen halb Betrunkenen nicht ratsam war. Er kniff die Augen zusammen, um seinen Blick zu klären, doch das doppelte Bild verschwamm nur sehr langsam zu einem Ganzen und blieb an der Wasserbändigerin hängen. Er fragte sich, ob ihr seltsamer Gesichtsausdruck mit seiner offensichtlichen Lahmarschigkeit zusammenhing. Er blinzelte noch mal und hörte einen überraschten Laut von ihr, als er ins Wanken geriet und versuchte es aussehen zu lassen, als hätte er nur mal kurz einen professionellen Ausfallschritt zur Seite gemacht. Ob sie ihm das abkaufte? Ein Hickser entfuhr ihm unkontrolliert. Wohl eher nicht. “Du hast heute wirklich verdammt tief in den Sakekrug geschaut, was?” Er schnaubte ungehalten. Und wenn schon? Er hatte heute auch in Mädchendekolletés geschaut. War es denn so untypisch für einen 17jährigen, über die Stränge zu schlagen? War es nicht. Es sei denn man hieß Zuko und war der Prinz der Feuernation. Dann war es ein todsicheres Zeichen, dass etwas nicht in Ordnung war. Und Zuko wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Zwei Jahre lang mit ein paar abgehalfterten Soldaten auf einem Schiff hatte ihm gezeigt, was es bedeutete, betrunken zu sein. Sich ernsthafte Gedanken über seinen körperlichen Zustand zu machen, gehörte nicht dazu. Er war klar im Kopf. Seine Gedanken waren so nüchtern wie nach einer reinigenden Meditation. Sein Körper war es, der ihm schreckliche Streiche spielte und seine Sinne schienen ein beängstigendes Eigenleben zu entwickeln - besonders seine Augen, die immer dorthin rutschten, wo die Wasserbändigerin ein Stückchen ihrer karamellfarbenen Haut preisgab. Und bei diesem wasserdurchtrieften weißem Seidenkostüm war das wirklich nur eine Frage dessen, was es nicht preisgab. Zuko rieb sich die Schläfen. Verdammt. Was war los mit ihm? Konnte es eine ernsthafte Erkrankung sein? Sinnesvernebelung, Herzrasen und ein verfluchter Ur-Instinkt, der ihn vor den ungläubigen Augen der Wasserbändigerin seine Brustmuskeln zucken ließ? War das wirklich nur der Alkohol? Kataras Augen fielen beinahe aus dem Kopf. Sie wollte nicht hinsehen, aber sie musste einfach. Der Torso des Feuerbändigers ließ die Muskeln tanzen. Idiot. Wenn er dachte, er konnte sie mit billigen Tricks manipulieren, dann war er aber hinter dem falschen Eisberg hervorgebrochen. Sie reiste schließlich mit zwei Jungs zusammen. Einer davon war der Größte, und der andere hielt sich für den Größten. Dämliches Machogehabe gehörte für sie mit zur Tagesordnung. Allerdings, und Katara zupfte mit den Zähnen an der Unterlippe, hatten weder Sokka noch Aang nennenswerte Muskeln, mit denen sie angeben konnten, ohne dabei wie eine Witzfigur zu wirken. Der Feuerbändiger war alles andere als eine Witzfigur. Soviel musste sie ihm zugestehen. Dieser Körper beherrschte das Feuer wie kein anderer. Katara wusste, in ihren Adern floss Wasser. Ihr Körper war zu 70 Prozent eine Wasserlandschaft. Das Wasser sprudelte in ihr, und plötzlich stellte sie sich die Frage, ob in seinen Adern Glut züngelte. Ein Gedanke, der sie extrem nervös werden ließ. Zuko wurde ebenfalls nervös. Lag es an ihm, oder schnupperte es in diesem Raum nach Vanille… und … Erdbeeren? Und warum in Agnis Namen kamen ihm lauter Süßigkeiten in dem Sinn? Er sollte besser über Strategien nachdenken. Folter zum Beispiel. Oder Einschüchterung. Die totale Erniedrigung auf ganzer Linie. Als er seine bernsteinfarbenen Augen schlagartig wieder öffnete, musste Katara den Drang unterdrückten, einen Schritt zurückzuweichen. Etwas loderte darin. Etwas, das ihr Angst machte. Die Flamme des Wollens, des Habens. Sie züngelte wie ein Tier in seinen Pupillen. Und plötzlich wusste sie nicht mehr, ob der Alkohol in seinem Blut für oder gegen sie arbeitete. Was ist, wenn es ihn hemmungsloser und skrupelloser werden ließ? Sie ballte die Fäuste. Treffsicherer machte es ihn auf keinen Fall. Zuko ließ seine Nackenmuskulatur knacken. “Was hast du in den Tee getan, du hinterhältige Ziege?” Seine Stimme klang dunkel und rauchig, und in dem Raum, der mehr Asche war als Holz, wirkte er umso einschüchternder. Kataras Kinnlade klappte herab. Wie bei allen Mondgeistern hatte er-? Zukos Kiefer mahlten bedrohlich. “Raus mit der Sprache!” Die Stirn der Wasserbändigerin legte sich frustriert in Falten. “Keine Sorge. Es wird dich schon nicht gleich ins Gras beißen lassen.”, fauchte sie zurück. Bersteinfarbene Augen spießten sie auf wie zwei glühende Pfeilgeschosse. Katara schluckte. Ihr Feind gab keinen Ton von sich, doch sie konnte förmlich *hören*, wie er seinen Racheschwur ableistete. “Du wirst nur etwas müde werden, das ist alles.” Sie hatte keine Ahnung, warum sie das sagte. Vielleicht wollte sie einfach klarstellen, dass sie keine hinterhältige Mörderin war. Vielleicht wollte sie auch nur sichergehen, dass ’Mord’ nicht das war, was er für sie im Sinn hatte. “Müde?!”, Zuko lachte. Das Lachen war laut und kalt und keineswegs komisch. Er konnte das Pochen seines rasenden Blutes in den Ohren hören. Die Stahlfeder in seinem Inneren war bis zum äußersten gespannt. Er war drauf und dran, die Wände hochzugehen, und er schwor, noch ein bisschen mehr Spannung, und Rauchwolken würden ihm aus allen Körperöffnungen schießen. Er war alles andere als müde. “Ich bin vielleicht müde von deiner ewigen Laberei. Du willst einen Kampf? Dann sollt du deinen Kampf bekommen. Fang endlich an!” Katara prustete wild. “Und ich dachte schon, du kommst nie zur Sache!” Die Faust flog auf ihn zu, doch statt seine Arme zur Deckung hochzureißen, ruckte er mit dem Kopf zur Seite und die Faust schlug dort in der Wand ein, wo sein Nasenrücken keine Millisekunde zuvor gewesen war. Katara zögerte überrascht, aber der Schmerz, der ihre Faust durchfuhr war nicht annähernd so lähmend wie der eiserne Griff seiner Finger um ihr Handgelenk. Sie zerrte daran und seine Finger gruben sich schmerzhafter in ihr Fleisch. Sie trat nach seinem Schienbein, doch es brachte sie mehr aus dem Gleichgewicht als ihn und keinen Atemzug später stand er dicht hinter ihr und hatte ihren Arm in einem brennenden Winkel auf dem Rücken verdreht. Seine Körperhitze belastete sie. Sein heißer Atem strich ihre Wange. Der Geruch von Alkohol ließ sie das Gesicht verziehen und sie rammte ihren Ellbogen in die Magengegend des Feindes. Zuko, dessen Nase unvermeidlich den blumigen Duft ihres Haares aufnahm, kam die Galle hoch. Sie entwand sich geschickt aus seinem dominierenden Griff, konnte aber ihr Handgelenk aus seiner Klaue nicht befreien. Das nächste, was Katara sah, war Zukos Fuß, der scharf auf ihr Genick zielte. Sie wich mit einer halben Linksdrehung aus, erkannte aber im gleichen Moment die Falle, als er plötzlich genauso schnell hinter ihr stand und ihre rechte Hand mit seiner linken Hand fest im Griff hielt, die Finger schmerzhaft eingegraben in ihr Fleisch. Es war eine gute Ausgangsposition für einen Schulterwurf. Doch damit rechnete er. Stattdessen drehte Zuko sich schnell in seinem Griff ein und überspannte sich für einen für die Wasserbändigerin qualvollen Seitwärtswurf. Katara tat das einzige, was ihr in den Sinn kam. Sie biss in den Unterarm. Da riss er seinen Arm weg und fuhr herum, unterdrückte einen Fluch und widerstand der Versuchung, der Furie ins Gesicht zu schlagen. Er nahm sie hart ins Visier. In Ordnung, du willst es nicht anders, dachte er wütend. Er vollführte probeweise abwechselnd einen Hand-Fuß-Schlagabtausch, provozierte sie dazu, nach seinem Arm zu greifen und ihn in die Position für einen Schulterwurf zu drängen. Sobald sie den Griff hatte, packte er ihren Arm und warf den Kopf nach hinten, traf sie hart unterm Kinn, riss sie aus ihrem Gleichgewicht und zwang sie in Halbhocke, wo sein rechter Arm in ihre linke Achselhöhle stieß. Dann waren sie auf dem Boden. Er hatte den Arm hinter ihrem Rücken schmerzhaft gestreckt. Bis zur Grenze der natürlichen Beweglichkeit. Katara wehrte sich, und schrie qualvoll. Ihr Zappeln ließ ihn ungewollt mehr Druck auf ihren Arm ausüben, doch sie wollte nicht aufgeben. Zuko wusste, es fehlten nur noch zwei Millimeter und ihr Arm wäre völlig überdehnt. Vier Millimeter, und ihr Arm würde brechen. Sogar Profis wussten, dass es töricht war, gegen einen gut angesetzten Armhebel anzukämpfen. Zu dumm, dass sie kein Profi war. „Gib auf!“, zischte Zuko, beugte den Kopf vor, um sie anzusehen. Sie verzog vor Schmerz das Gesicht und war kreidebleich. Große Krokodilstränen füllten ihre arktisblauen Augen, doch sie hörte nicht auf ihn. Sie startete einen erneuten Versuch, sich zu befreien, und die erste Träne rann der höllischen Schmerzen wegen ihre Wange herab. Sofort ließ Zuko sie los. Er ließ seinen Frust an der Wand aus, in dem er sie mit einem heftigen Schlag bearbeitete. Sie kämpfte mit unfairen Mitteln. Erst ihr Striptease, und jetzt auch noch Tränen. Verdammt! Er war nicht abgebrüht genug. Er musste professioneller werden. Katara rollte sich auf die Seite, geblendet von den Schmerzen, die ihr Körper erfahren hatte. Ihre Schulter fühlte sich an, als hätte ein Alligatorhai daran gezerrt. Nichtsdestotrotz rappelte sie sich auf und fixierte ihren Gegner aufs Neue - mit noch mehr Wut und Trotz, als sie es ohnehin schon verspürte. Würde sie Aang jemals wieder sehen, sie würde ihm ganz dringend empfehlen, nicht nur Ozai, sondern auch Zuko auf den Mond zu schießen! Zuko, der ihr jetzt wieder lässig gegenüberstand, durchbohrte sie mit seinen Blick. Der Blick wurde eine Spur schärfer, als er sah, was sie in der anderen Hand hielt. Trotz ihrer wahnsinnigen Schmerzen musste sie es irgendwie geschafft haben, auf dem Boden nach einer scharfkantigen Tonscherbe zu greifen. Sie hielt die scharfe Seite von ihrem Körper weg, und die Art und Weise, wie sie sie hielt, verriet ihm, dass sie nicht zum ersten Mal mit einer Waffe kämpfte. Er ging locker in die Knie. Zeit für einen Griff in die Trickkiste. Er starrte ungeniert auf ihren Busen. (So viel zum Thema Professionalität.) Katara, die Augen schreckgeweitet, befürchtete das Schlimmste und tastete nach dem Hemd. Er schmunzelte innerlich. Tz, Mädchen. Mehr Ablenkung brauchte er nicht. Während sie um ihre Kleidung besorgt war, zischte seine Handkante auf ihre Kehle zu. Sie schaffte es kaum, den Schlag rechtzeitig abzuwehren. Ein weiterer Handkantenschlag auf ihr Handgelenk und sie ließ die Scherbe fallen. Dafür konnte er gerade noch ihr Knie mit dem Oberschenkel auffangen, während sie ihm den Kopf gegen seinen Unterkiefer rammte. Ein Schlag von ihm auf ihr Zwerchfell lähmte sie fast völlig und nahm ihr den Atem, doch sie blendete den Schmerz aus und zielte mit ihren Fingern auf seine Augen. Es entstand ein harter schneller Kampf und Zuko ging sie in einem ungeachteten Moment von unten an, scherte die Füße unter ihr weg und drückte sie nach unten, bis sie flach unter ihm auf dem Boden lag. Sie landete hart und blieb nach Luft schnappend liegen. Er wog mindestens eine Tonne und presste der ohnehin atemlosen Katara jeden Fünkchen Sauerstoff aus ihren Lungen. Sein Körper war heiß, verschwitzt und roch nach Sake. Katara kämpfte keuchend, wild, gebrauchte jeden Trick, den sie von den Männern in ihrem Stamm gelernt hatte. Vergeblich. Zuko konterte ihre Schläge mit seiner größeren Kraft und Geschicklichkeit und hinderte sie so daran, ihn zu verletzen. Sie bemerkte bald, dass sie ihre Kraft verschwendete. Sie verhielt sich völlig bewegungslos und wartete darauf, dass er irrtümlich ihre ruhige Haltung für eine Niederlage hielt. Zuko schmunzelte siegesgewiss. Er konnte ihren wilden Herzschlag spüren, ihr schwerer Atem unter seinem ganzen Gewicht, die schiere Erschöpfung, die ihr die Arme bleiern nach unten auf dem Boden sinken ließ, statt nach seiner Kehle zu greifen. Er spürte auch ihren weichen gut gepolsterten Körper, und einen witzigen Moment lang hang er der Verschwörungstheorie nach, dass es von Anfang Plan der Wasserbändiger gewesen war, ihre schönste Tochter mit Robbenfett zu füttern, um ihn in der entscheidenden Sekunde den Verstand verlieren zu lassen. Er schmunzelte innerlich, und schob dann diesen Gedanken weit von sich. Ihm blieb auch gar nichts anderes übrig, denn in dem Moment, als er sich schon als Gewinner sah, spürte er einen scharfkantigen Gegenstand, der sich beharrlich an seine Halsschlagader presste. Katara hatte unbeobachtet nach der Tonscherbe auf dem Boden gegriffen und hielt sie ihm nun drohend an den Hals. „Keine … Bewegung…“, keuchte sie. Zukos Lippen formten einen lautlosen Fluch. Wann zum Teufel hatte er vergessen, die Waffe aus der Reichweite des Gegners zu befördern? Ein unverzeihlicher Anfängerfehler. Es musste an diesem verdammten Tee liegen. Katara versuchte ein selbstbewusstes Grinsen, doch die Wahrheit war, dass sie kaum noch Energie hatte, nicht einmal zu so einem simplen Muskelspiel. Sie musste um jeden Preis die Oberhand behalten. „Du rollst dich jetzt ganz langsam zur Seite… langsam… und keine schnellen Bewegungen… Verstanden?!“, befahl sie mit keuchender Stimme. Zuko knurrte. Das gefiel ihm gar nicht. Katara gefiel es nicht, dass er sich rechts und links von ihr aufstützte und sein heißer Atem über ihr Gesicht strich. Ihr gefiel es nicht, dass seine nackte feuchte Haut auf ihr lag und sie durch die Kleidung hindurch verbrannte und, als er sich hoch drückte, sie sich merkwürdig kühl und beraubt anfühlte. Es gefiel ihr überhaupt nicht, dass sie an ihm dranbleiben musste, um diesem Teufel ja keine Chance zu geben, die Waffe an sich reißen. Also rollte er sich murrend auf dem Rücken. Und Katara setzte sich, nicht ohne dabei gehörig rot zu werden, auf ihn drauf, und stemmte ihre Knie hart auf seine Schulterblätter, eine Hand fest um die Scherbe gekrallt und in sein Fleisch drückend. Zuko biss die Zähne fest zusammen. Sie hatte sich auf die für einen Mann wohl denkbar ungünstigste Stelle gesetzt. Und zum ersten Mal in seinem Leben sah Zuko sich der Erfahrung ausgesetzt, ein vor Erschöpfung zitterndes schwitzendes schnell atmendes Gör auf seinem Schoß sitzen zu haben. Kleine elektrische Stöße fingen an, sein Nervensystem zu überlasten und ließen ihn die Augen in den Höhlen rollen. Licht panisch begann er, ein Bild von Iroh heraufzubeschwören, in Plüschpantoffeln und fluffigem Morgenmantel, so wie der alte General gewohnt war, zum Frühstück zu erscheinen. Katara sah sich zaghaft in dem Raum um, was das Drehen ihres Kopfes einschloss, das Drehen ihres Oberkörpers und die leise Bewegung ihrer Hüften. Es musste doch irgendwas geben, womit sie ihn fesseln könnte. Feuchte weiße Seide klebte nun auch auf seiner Haut. Ihre kraftvollen Beine zitterten vor Anstrengung an seinem Körper. Schweißtropfen, die auf ihrem Unterarmen standen, perlten an ihrer haselnussbraunen Haut herab, kitzelten auf ihrer Handfläche, die krampfhaft die Scherbe hielt und fielen in seine empfindliche Halsbeuge, wo sie einen seltsamen Phantasierausch auslöste. Zuko atmete scharf aus. Sein junges Leben wurde bedroht, und alles was ihm dazu einfiel war, ob sie nicht ein kleines Stückchen mehr nach links rutschen könnte. Katara nagte an ihrer Unterlippe. Das, was sich zum Fesseln eigenen würde, war zweifelloses während ihres Kampfes in Asche verwandelt worden. Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen. ‚Denk nach, Mädchen! Denk nach!‘ Sie verlagerte ihr Gewicht ein wenig nach vorn um einen Blick auf das Regal zu werfen, das nur wenige Zentimeter von Zukos Kopf entfernt war und als einziges in diesem Raum unversehrt geblieben war. Zuko kniff die Augen zusammen. Ihr Atem lenkte ihn ab. Ihr Geruch schien sich mit ihren unanständigen Hüften verbrüdert zu haben und ihn von innen heraus besiegen zu wollen. Er konnte nicht glauben, dass ihm das ausgerechnet *jetzt* passierte. Die Wasserbändigerin schien es sich häuslich auf ihm einrichten zu wollen, und wenn sie ihre hyperaktiven Hüften nicht bald still hielt, würde sie das volle Ausmaß seines Unbehagens zu spüren bekommen. Zuko rollte mit den Augen. Er wusste nicht, was peinlicher war. Von einem Mädchen besiegt zu werden oder eben… ach verdammt, er wollte diesen Gedanken noch nicht einmal zu Ende denken. Katara fand nichts im Regal, Erleichterung trat aber dennoch in ihr Gesicht. Sie erinnerte sich daran, das ideale Fesselzeug an ihrem Körper zu tragen. Zukos Augen versuchten verzweifelt einen Punkt über ihrer Schulter zu fixieren, und der Soldat in ihm wehrte sich und schrie, er solle den Feind gefälligst im Auge behalten. Katara nestelte mit einer Hand an ihrem weißen Seidenschal, den sie von Li-Ma bekommen hatte. Eine Bewegung, die Zuko in die tiefsten Abgründe der Hölle verfluchte, denn sie löste ein leichtes Auf und Abwippen aus und er wollte sie nur noch anschreien, damit es einfach ‘AUFHÖRT‘. Doch das Mordwerkzeug an seiner Kehle ließ kein Wort, keine Silbe über seine Lippen kommen. Nicht einmal ein Grunzen. Er überlegte kurz, ihre unanständigen Hüften mit seinen Händen festzuhalten, doch das löste noch ganz andere Fantasien aus, und er warf den Gedanken in den Mülleimer und ließ es einfach schweigend über sich ergehen. Sie konnte ja schließlich nicht ewig auf ihm sitzen bleiben. Heißes Blut schoss ihm in die Wangen. Konnte sie, doch. Und ein kleiner Teil in ihm fand diese Idee äußerst angenehm. Zuko kniff die Augen zusammen, damit die Wasserbändigerin seine wirren Hirngespenste nicht ins Auge fassen konnte. Iroh, betete er herunter, Iroh an einem heißen Sommertag in Shorts und Flipflops. Immer noch eine Hand fest die Tonscherbe in seinen Hals pressend, bemühte sich Kataras andere Hand, den feuchten Schal von ihren Schultern zu zerren, ohne dabei den Knoten seines rostbraunen Hemdes zu lösen. Zuko betete inbrünstig, es möge ihr gelingen. Ein kleines ‚Huch‘ aus ihrem Mund ließ ihn die Augen fester zusammenkneifen. Was war das hier? Eine verdammte Peepshow? Katara vollbrachte das Wunder zu Zukos unendlicher Erleichterung und er blickte lediglich auf nackte kaffeebraune Schultern und feine Muskeln, die ihre Oberarme durchzogen. Zuko rief sich zur Vernunft. Mit gehobener Braue beobachtete er ihr Tun. „Es ist schwer jemanden zu fesseln, wenn man nur eine Hand frei hat.“, sagte er in einem Versuch, sie abzulenken. „Vielleicht für einen tollpatschigen Prinzen. Nicht aber für ein cleveres Mädchen vom Südpol.“, verbesserte sie ihn hochmütig. Zugegeben, es war ein tolles Gefühl, ihm so überlegen zu sein. Sie verlagerte ihr Gewicht erneut um nach seinem linken Arm zu greifen, und die Art und Weise, wie er scharf die Luft einzog, ließ sie noch besser fühlen. Sie hatte geglaubt, ihm im Kampf kaum Treffer zugefügt zu haben, doch jetzt schien er von einigen Schmerzen gepeinigt zu sein. Wunderbar. Leide nur, du dummer Bastard. Katara griff entschlossen nach seinem Arm und legte ihn auf seinem nackten Bauch ab, was natürlich das Berühren seiner nackten Haut mit sich brachte, und mehr Körperkontakt bedeutete, als sie je mit Zuko hatte haben wollen. Außerdem weckte es alle möglichen verstörenden Gedanken über Haut, die sich über Muskeln spannte, sanft gleitende Hände, feine Härchen – aber diese Gedanken schob Katara auf den Stress des Augenblicks. Es war schon nervenaufreibend genug bei dem, was sie gleich vorhaben würde. Zuko kräuselte angespannt die Stirn. Sie wurde rot. Sie wurde krebsrot und sah extrem nervös aus. Zuko begann sich richtig unwohl in seiner Haut zu fühlen. Wurde sie sich etwa seiner unpassenden … Reaktion… bewusst? Zuko stöhnte tief. Er wünschte sich auf einmal inständig, sie würde endlich diesen verdammten Schnitt in seine Arterie hinter sich bringen. Dann wäre er von dieser peinlichen Schmach erlöst. Tat sie aber nicht. Dafür begann sie, mit leicht zitternden Fingern den Seidenschal mit der freien Hand geschickt um sein Handgelenk auf dem Bauch zu wickeln, so dass sie den Knoten nur noch fest zuziehen musste. Im Normalfall brauchte man dafür tatsächlich eine zweite Hand, aber Katara hatte nicht viel Auswahl und sie nahm zu Zukos ehrlichem Entsetzen ihre Zähne. Seine Fingernägel scharten tiefe Rillen in das Holz. Von allen Weibern auf diesem gottverdammten Planten musste ausgerechnet sie … Oh nein, bitte nicht! In totaler Ungläubigkeit sah er zu, wie ihr dunkelbrauner Haarschopf sich runter beugte. Ihre Haarsträhnen waren das erste, das über die empfindliche Haut seiner Bauchmuskeln strich, dann folgte ihr warmer feuchter Atem und dann wäre er beinahe an einem Herzinfarkt krepiert, als er für den Bruchteil einer Sekunde ihre weichen Lippen spürte und Zähne, die nach dem Schal auf seiner Haut griffen. Sie tauchte von ihrem irrwitzigen Unternehmen auf, mit dem Schal zwischen den Zähnen. Das war Folter, stöhnte Zuko innerlich. Die Geschichtsbücher gaben nicht mehr viel her über die Kriegstaktiken des Südpols, doch Zuko war sich sicher, gerade eben Zeitzeuge ihrer grausamen Foltermethoden geworden zu sein. So ungefähr musste es sich anfühlen, wenn der Feind einem die Füße in Salzlake tauchte und Schafe stundenlang daran lecken ließ. Katara zog den Schal mit den Zähnen fest zu. So unglaublich fest, weil sie ihn dafür bestrafen wollte, dass er sie in so eine peinliche Lage gebracht hatte. Weil sie sich zusammenreißen und gegen das unterirdisch dämliche Verlangen ankämpfen musste, seine winzigkleinen Schweißperlen, die nun an ihren Lippen klebten, kosten zu wollen. Zuko war ungemein dankbar für den Schmerz, der sein Handgelenk durchzuckte. Schmerz war eine gute Therapie, um seinen Verstand wieder Stück für Stück in die Realität zurückzuholen. Ihr glänzender Blick fasste das Regalbein ins Auge, das in greifbarer Nähe war. Zuko durchschaute ihren Plan. Sie wollte ihn also an das Regal fesseln. Wie um ihn zu bestätigen lehnte sie sich weiter vor, um den Schal um das Regalbein herum zu fädeln. Er spürte, wie ihr Körper sich bemühen musste, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während sie die Scherbe an seinem Hals hielt und sich auf ihn abstützte, und gleichzeitig mit der anderen Hand nach dem schweren Regal zu greifen. Sie streckte sich mehr, und Zuko hielt den Atem an, als er die feinen Schweißperlen auf ihrem Dekolleté zählen konnte, so nah war sie. Zuko tat etwas, für das ihn jeder Kampflehrer, jeder, doch nur einen Hauch Ahnung von Selbstverteidigung hatte, verurteilen würde. Er tat etwas völlig unüberlegtes; doch es war so naheliegend, dass er es einfach nicht ignorieren konnte. Er ruckte an dem Schal. Sie verlor das Gleichgewicht und krachte mit einem überraschten Seufzer auf ihren Gefangenen herunter. Und begrub sein Gesicht unter ihrem Oberkörper. Zuko wollte gar nicht darüber nachdenken, worin sich seine Nase gerade verloren hatte, sondern nutzte die Situation für sich. Mit einer geschickten Bewegung hatte er ihr die Tonscherbe abgenommen und dann über den Boden ganz weit weg von seiner Todfeindin schliddern lassen. Die verdatterte Wasserbändigerin wusste nicht, wie ihr geschah, als sie plötzlich den harten Holzboden unter ihrem Rücken spürte und ihre Hände schmerzhaft über ihren Kopf hochgerissen wurden. Er drückte sie hinunter - schnappte heftig nach Luft und musste sich notgedrungen mit seinem ganzen Gewicht auf sie herablassen. Nur sehr langsam senkte sich ihr Knie zwischen seinen Beinen. Schwer keuchend lag sein Gesicht neben ihres. Sein schneller Atem streifte ihren Hals, in seine Nase stieg der Duft von zarten Frühlingsblumen und ihm wurde klar, dass ihr langes Haar sich aus dem Zopf gelöst hatte und nun unter ihr wie ein breiter Fächer lag. Es lenkte ihn ab. Jedoch nicht so sehr wie das schnelle Heben und Senken ihres Brustkorbes unter ihm. Sie versuchte, sich unter seinem harten Griff aufzubäumen und er entschloss, dass es auch nicht für ihn gut sein konnte, auf ihren weichen zappelnden Körper zu liegen, ihr Bein zwischen den seinen. Er stand auf und gab ihr - zu ihrer sichtlichen Verwunderung - Zeit, um sich ebenfalls aufzurichten. „Gib endlich auf.“, sagte er mürrisch und wischte sich das Blut von seinem Unterarm. Der Faustschlag, der von ihr geflogen kam, war nicht mehr annähernd so kraftvoll und Zuko fing ihn mühelos ab. Er packte sie an den Schultern und presste sie schonungslos gegen die Steinwand. Sie keuchte. Mit einer Hand an ihrem schmalen Hals, musterte er die Wasserbändigerin genau. Er hatte selten eine so wütende Person gesehen und dann auch nur in den wenigen Momenten, wenn er sich selbst in dem Spiegel betrachtete. Das Arktisblau ihrer Augen funkelte ihn boshaft an, und doch spiegelte sich auch hoffnungslose Enttäuschung darin. Sie startete einen letzten, halbherzigen Versuch, sich aus seinem Griff zu befreien, doch er kam ihr zuvor und fing ihr Knie ab, ganz einfach, in dem er sein Bein zwischen ihren drängte. „Der gleiche Trick zwei mal?“, fragte er verächtlich. „Das ist jämmerlich.“ Ein frustrierter Seufzer entwich ihrer Kehle. Sie ließ beinahe ohne Widerstand zu, dass er ihre Arme über ihren Kopf gegen die Wand mit einer Hand festnagelte, während seine andere Hand sich fester um ihren Hals legte. Er war überrascht, ihren rasenden Puls unter seiner Haut zu spüren, ihren Schluckreflex und die grazile Sehnen, die gegen den Druck von Außen ankämpften. Er war überrascht, dass er es überhaupt wahrnahm. „Es ist vorbei.“, sagte er rau. Er wusste, dass es vorbei war in dem Moment, als er ihren großen traurigen Blick entdeckte, der auf etwas fixiert war, das neben ihnen auf dem Boden lag. Aus den Augenwinkeln heraus entdeckte er, dass es sein Hemd war, das den Boden bedeckte. Zuko unterdrückte einen Fluch. Katara wand sich wimmernd unter seinem Griff, die Augenlieder beschämt zu Boden gesenkt. Ihr langes dunkles Haar fiel über ihre Schultern und berührte seine Hand, in der ihr zierlicher Hals beinahe verschwand. Mit rot glühenden Wangen sah sie unsicher zu ihm auf und versuchte, seine Absichten zu erraten. Zuko schluckte. Ihre großen arktisblauen Augen füllten sich mit Tränen und er musste sich in seiner eigenen Hilflosigkeit eingestehen, dass er noch nie etwas Schöneres gesehen hatte. Trotz des verloren Kampfes, trotz ihrer eigenen Blöße, hatte sie immer noch die Würde einer Kriegerin und reckte stolz das Kinn und sah ihm fest in die Augen mit einem traurigen, aber wütenden Funkeln. Ihre vollen Lippen bebten. „Ich hasse dich!“ Ihr Körper schien eine andere Sprache zu sprechen. Er lockerte den Griff um ihren zierlichen Hals und sah fasziniert zu, wie sein Daumen ein Eigenleben entwickelte und über die weiche Haut strich. Kurz. Flüchtig. Aber es genügte, um sie unter seiner Berührung erschaudern zu lassen. Zuko hob eine Braue. Die Wasserbändigerin knurrte ihn an. „Ich wünschte, du wärst tot!“ Zuko schmunzelte. „Es ist doch immer schön zu wissen, dass man geschätzt wird, nicht wahr?“ Plötzlich biss sie zu. Ihre Zähne gruben sich schmerzhaft in seine Halsbeuge und ließen ihn heftig nach Luft schnappen. Er riss seine Hand hoch, griff in ihr volles Haar und zerrte ihren bissigen Kopf hart in den Nacken zurück, so dass sie das Stück Fleisch zwischen ihren Zähnen freigeben musste und ihn nun schwer atmend von unten herauf anfunkelte. “Großer Gott”, murmelte er. “Und ich dachte, wir hätten eurem Volk schon vor hundert Jahren gezeigt, was es heißt, aufzugeben.” Sie fuhr mit der Zunge über ihre Lippen, sah ihn mit wilder Intensität an und schluckte hundertundeins Flüche runter. Zuko wurde sich schlagartig klar darüber, dass es der Geschmack seiner Haut sein musste, den sie in sich aufnahm. Er nahm ihren Gesichtsausdruck unter die Lupe. Erstaunlicherweise musste sie nicht kotzen, sondern blinzelte nur eine ungehorsame Träne fort. “Alles, was ihr uns gezeigt habt, ist, wie grausam und barbarisch Menschen sein können.”, erwiderte sie flach. “Wenn ich so grausam wäre, wie du behauptest, wärst du längst tot.” Sie wollte laut auflachen, so ironisch kamen ihr seine Worte vor, denn während er das sagte und sie mit einer Hand ihre Arme weiterhin schmerzhaft über ihren Kopf gegen die Wand genagelt hielt, legte sich die andere provozierend um ihren Hals und ließ sie heftig schlucken. Einen Moment lang war Katara gewillt, ihm einfach noch einmal ins Gesicht zu beißen, nur damit er endlich diesen arroganten Blick in seinen Augen verlor. Tatsächlich ruckte ihr Kopf vor und schnappte nach ihm, doch Zukos beharrlicher Griff um ihren Hals machte ihr einen würgenden Strich durch die Rechnung. „Tz, tz.“, Zuko schüttelte leicht missbilligend den Kopf. „Ein echter Krieger weiß, wann er den Kampf verloren hat. Letztendlich bist du wohl doch nur ein kleines Mädchen.“ Ihr Herz klopfte bis zum Hals. In einem Anflug von neu aufkeimender Wut bäumte sie sich auf, lockte Zuko eine Verwünschung von den Lippen und führte letztendlich dazu, dass er ihre Hände noch fester gegen die Wand drückte, ihre Handgelenke unter seinen starken Fingern anfingen zu brennen und er noch ein Stückchen näher rückte, um sie mit seiner unmöglichen Kraft besser unter Kontrolle zu halten. Leise keuchte Katara auf, als sie einen tiefen beruhigenden Atemzug nahm und voller Beschämen feststellen musste, dass ihre Brüste dabei zaghaft über seine nackte Haut strichen. Da war es wieder, dieses seltsame ihr unbekannte Schauderm, das durch ihren Körper strömte und sogar ihre Fingerspitzen kribbeln ließ. Diese unmögliche Gefühl, das ihren Kopf blockierte. Er war so nah. Warum musste er nur so verdammt nah sein und sie mit seiner Körperhitze bedrängen? Sie legte den Kopf fragend in den Nacken - und war überrascht, in ebenso fragende bernsteinfarbene Augen zu blicken, die über leuchtend rote Wangenknochen saßen. Es war nur eine leichte flüchtige Berührung gewesen, so leicht wie ein Windhauch. Ein elektrisch geladener Windhauch. Zuko glaubte immer noch, sein Blut pulsieren fühlen zu können, dort wo sie ihn berührt hatte. Mittlerweile hatte Zukos Gehirn ein recht großzügiges Bild zurechtgebastelt, das Iroh in seiner unbedeckten Glorie nackt auf einer Blumewiese und händchenhaltend hüpfend ließ mit seinem ersten Offizier Leutnant Jee, ebenfalls im Adamskostüm. Und der alte zahnlose Schiffskoch winkte ihnen lächelnd mit rosa Schürzchen hinterher. Nur zu dumm, dass dieses Bild so grau und blass war im Vergleich zu der in allen Facetten schimmernden Farbe vor ihm. Zuko hielt die Luft an, während ein Teil seines Bluts mit doppelter Geschwindigkeit unter die Gürtellinie absackte. Große arktisblaue Augen schauten ihn forschend an. Lange feuchte Haarsträhnen umrahmten ihr schönes Gesicht. Wo die wenigen Strahlen der Sonne darauf fielen, brannte es blutrot. Ihre Haut besaß in diesem Winkel einen goldenen Schimmer und ihre Augen leuchteten mit einer Kraft, die Zuko auf ewig mit der Schönheit des Eises verbinden würde. Ob sie wusste, dass ihre rosig glänzenden Lippen leicht geöffnet waren? Ob sie wusste, dass sie ihn förmlich einlud, sie zu -. Zuko wandte entnervt den Blick von ihr ab und schaute zur Decke. Noch heute früh hatte er keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, sich einem Mädchen zu nähern und jetzt, nur ein paar Stunden später, dachte er ernsthaft darüber nach, ein zweites Mädchen zu küssen. Er sah auf seine Gefangene herab, deren Lippen so viel weicher und voller und süßer zu sein schienen als die des Mädchens, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte. Sie wollte etwas sagen, doch es kam kein hörbares Wort über ihre Lippen. Ihre Augen weiteten sich und ein seltsamer verklärter Blick lag darin. Lag es daran, dass seine Hand wieder einem Verlangen nachgab, ohne vorher mit seinem Gehirn darüber zu sprechen, und sein Griff sich lockerte…, und dann provozierend langsam über die weiche haselnussbraune Haut strich… und so einen faszinierenden Kontrast zu seiner eigenen Hautfarbe bildete? Lag es daran, dass er über ihren Nacken fuhr, die kleinen weichen Härchen entdeckte und dann in ihr volles seidiges Haar griff? Er schaute auf sie herab und schaute sie an wie Mann, der gerade am Abgrund balancierte. Ein leiser Seufzer entwich ungewollt ihrer Kehle. Beschämt senkte Katara die Augen zu Boden, nur um gleich wieder unter dichten schwarzen Wimpern zu ihm aufzusehen, mit einem rosigen Schimmer auf den hohen Wangenknochen. Er konnte nicht anders als die Finger durch ihr duftendes Haar gleiten zu lassen und zu sehen, wie die dunkle Pracht auf seiner von Verbrennungen rauen Handfläche glitt. Er zögerte, als sein Daumen die empfindliche Stelle zwischen Ohrläppchen und Halsansatz traf und dann langsam die Weichheit dieser Haut ausforschte. Sie fröstelte unter seiner Berührung und er ahnte aus einem uralten Instinkt heraus, dass es nicht neu erzürnende Kampfeslust war, die sie erzittern ließ. Er fuhr die Linie ihres Kiefers nach, langsam, als würde er befürchten, sie könne zubeißen, doch nichts dergleichen geschah und als er ihr Kinn sanft mit zwei Fingern anhob, war es, als hätte sie ewig darauf gewartet, dass er ihren verklärten Blick auf sein Gesicht zog. Was auch immer sie in seinen Augen sah, er vermochte es selbst nicht zu sagen, aber es ließ sie mehr denn je erröten - jedoch nicht wegschauen. Ihre Stirn legte sich in Falten. „Hör … auf damit… .“, protestierte sie schwach und erschrak selbst über ihre wenig überzeugende Stimmelage. Sie focht denselben Kampf aus, den auch sein Innerstes austrug. Es war falsch, was er tat. Es war falsch, dass sie sich nicht wehrte. Es war falsch, dass der Drang ihn zu berühren, von ihm berührt zu werden, überwältigend war. Es war nahezu beängstigend, zu spüren, wie die jungen unberührten Knospen ihrer Brüste hart worden und sich gegen den Stoff lehnten. Sie biss sich auf die Zunge und versuchte, nicht mehr zu atmen. Zweifel zerfurchten seine strengen Gesichtszüge. Unverständlichkeit über die eigenen Taten ließen seine Augen aufblitzen. Er war beinahe wütend darüber, dass er etwas tat, das sich seiner körperlichen Steuerung entzog. Es war, als würde der richtige vernünftige Zuko neben ihm stehen und laut anbrüllen, während der unvernünftige Zuko sich fragte, wie sich das wohl anfühlte, ein Mädchen zu berühren. Die grimmigen Falten um seine Augen herum gruben sich tiefer - und trotzdem legte sie ihren Kopf seufzend in den Nacken, als seine starke Hand den Weg dorthin zurückfand und sein flackernder Blick sich auf ihre Lippen heftete, diese weichen einladenden Kissen, leicht geöffnet und so verstandesraubend. Als würde ihn ein unsichtbares Band führen, beugte er sich langsam, sehr langsam, zu ihrem Gesicht hinab. Katara sah erschrocken in seine Augen. Sie starrte in ihr eigenes Bild, reflektiert in geschmolzenem Bernstein. Er sah nervös aus, ein bisschen atemlos und verdammt unsicher. Er sah schön aus. Allein der Gedanke daran, was er, so unglaublich und widersinnig es sich auch anfühlte, gleich - vielleicht - tun würde, ließ Katara ein Gefühl durch ihren Körper schießen wie ein kitzelnder Speer bis zu den Knien und ließ ihren Atem beschleunigen. Sie wollte, dass er es tat. Sie wollte es, wie ein Lachs entgegen allen Widrigkeiten, entgegen allen Hindernissen, den Fluss hinauf schwimmt, um zu seinem Ursprungsort zurückzukehren. Sie hätte ihn dafür schlagen können, sie war wütend darüber, dass er - der Erbe des Mannes, der so viel Leid über die Welt gebracht hatte - sie mit einer einzigen sanften Berührung wehrlos machen konnte. Etwas hielt ihn jedoch zurück. Nur wenige Zentimeter trennten sein Gesicht von ihrem, und etwas hielt ihn zurück. Nichts geschah. Nur ein zartes verlockendes Streichen von Wärme an Kataras Lippen, als Zuko ausatmete. Die Wahrheit war, dass er keine Ahnung hatte, wie man ein Mädchen küsste. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Sein Herz pumpte das Blut überall hin, nur nicht dort, wo er es jetzt am meisten brauchte, in seinen Denkapparat. Und dann war da noch ihr Duft, ihr blumiger Duft, und wenn er sich nicht täuschte, roch sie tatsächlich nach Erdbeeren und einem Hauch Vanille. Wie zum Teufel sollte er sich da einen Plan austüfteln? Wie sollte er sein weiteres Vorgehen abstimmen, wenn er nicht einmal entscheiden konnte, wo oben oder unten war? Fragend sahen Kataras mandelförmigen Augen zu ihm auf, und er wusste, dass er sich keinen Plan machen wollte. Alles, was er wollte, war, herauszufinden wie diese Lippen sich anfühlten. Er spürte, wie sich ihr Körper anspannte, als er die letzten Zentimeter überbrückte. Er spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen schoss. Katara hielt die Luft an. Die erste Berührung seiner Lippen war so exquisit, so neuartig und überraschend sanft, dass tiefe Enttäuschung sie ausfüllte, als er sich nach diesem ersten flüchtigen Kontakt zurückzog. In seinen Augen flackerte Unbeschreibliches. Katara sah beschämt zu, wie er mit der Zunge rasch über seine Lippe fuhr. Was auch immer er schmeckte, es schien ihm zu gefallen, denn er kam zurück für mehr. Seine Hand griff fester in Haar und zwang sie, sich ihm entgegenzulehnen. Seine Lippen fanden den Weg zu ihren und entlockten ihr ein peinliches Geräusch. Es war ein unbeholfenes Anstupsen und Streichen seines Mundes auf ihrem, gepaart mit zwei böse dreinschauenden Augen, die nicht verstanden. Das Streichen war so sanft und zögerlich, kaum mehr als eine Berührung ihrer Mundwinkel, und trotzdem reichte es, um ihr die Sinne zu verwirbeln und die Augen instinktiv schließen zu lassen. Es tat beinahe körperlich weh, zuzusehen, wie sie unter seiner Berührung dahin schmolz. Aus seinem unbeholfenen Streifen wurde ein fast zögerliches Zupfen, und noch ehe er darüber nachdenken konnte, hatte sie ihre volle süße weiche Unterlippe zwischen seinen eigenen Lippen geschoben und einen Sturm kitzelender Impulse sein Rückenmark entlang gescheucht, so dass er etwas tat, das er siebzehn lange Jahre für widerlich und eklig gehalten hatte und das er unter keinen Umständen jemals ausprobieren wollte: er schob die Zungespitze vor, um dieses kleine vorwitzige Praliné zu kosten. Die Spitze von Zukos Zunge folgte langsam dem empfindlichen Rand von Kataras Oberlippe. Im ersten Moment gab sie einen kleinen Laut von sich. Die gleitende Berührung war so unerwartet, so anders als alles, was sie je erfahren hatte, dass sie drohte, in die Knie zu sacken. Doch seine Kraft hielt ihre Hände über ihren Kopf fixiert und verhinderte, dass sie zu Boden glitt. Er wiederholte die zärtliche Berührung, folgte der Linie ihres ganzen Mundes, genoss die schüchterne Zärtlichkeit des ersten Kusses mit einer Intensität, die selbst ihn überraschte. Als Katara seine Zungenspitze auf ihrer Unterlippe spürte, erzitterte sie. Sie konzentrierte sich nur auf die Gefühle, die seine Berührung in ihr auslösten und sie wie ein rauschender Fluss durchströmten. Während Zuko langsam wieder und wieder ihre Lippen kostete, fing alles um sie herum an, zu verblassen, er gab nur noch die Wärme seiner Berührung. Als Katara die straffe Haut seines Oberarmmuskels unter ihren Handflächen spürte, wurde ihr erst bewusst, dass er sie losgelassen hatte, dass sie die Hände ausgestreckt hatte und sich an ihm festhielt. Diese intime Berührung, das überraschende Zusammentreffen von Haut auf Haut, ließ sie tief erschüttern und ließ sich unwillkürlich nach Luft schnappen. Zuko atmetet scharf ein und irgendwo in seinem Innern schien etwas loszureißen, als sich Kataras köstliche Lippen unerwartet unter seiner forschenden Zunge öffneten und ihm Einlass gewährten zu einer Welt, die er noch nie betreten hatte. Zögernd, beinahe ängstlich nahm er die Einladung an und berührte mit der Vorsicht eines Unerfahrenen ihre Zungenspitze mit der seinen. Katara seufzte selig und atmete tief seinen Geruch ein, nahm ihn in sich auf. Und dann brachen tausend Dämme gleichzeitig. Eine Flut stürmte über sie herein, die sie mit bloßen Händen aufzuhalten versuchten - und vorhersehbar scheiterten. Ihre Lippen fühlten sich an, als stünden sie unter Feuer. Ihre Zungen trafen sich und verschmolzen und schwemmten verbliebene Zweifel mit sich wie kleine haltlose Holzstückchen. Ihr anfangs scheuer Kuss entwickelte sich schnell zu heißer Lava in ihren Mündern. Lava so heiß, dass ihnen der Schweiß ausbrach, und Lava die so brennend flüssig war wie es feucht wurde. Zukos Hand presste sich hart gegen die Steinwand, als ihre weiblichen Formen, nur bedeckt durch nasse der Phantasie nicht mehr viel übrig lassende Seide, über seine nackte Haut strich. Eine Welle unglaublichen Verlangens packte ihn und seine Zunge drang beherrschend in ihren Mund. Er tauchte in die Hitze und Beschaffenheit ihres Mundes mit einer sinnlichen Intensität, die für ihn ebenso unbekannt war wie für sie. Die Neuheit dieser Empfindung faszinierte ihn. Er erkundete ihre Zunge, tauchte in die Hitze und Weichheit darunter, schmeckte sie, wie er im Leben noch nie jemand geschmeckt hatte, bis er das Gefühl hatte, als ende jeder Nerv seines Körpers in seiner Zungenspitze. Er spürte, wie er immer weiter abzudriften drohte von einem imaginären Punkt, wo eine Rückkehr nicht mehr möglich war. Er spürte ihre unerfahrene zitternde Hand, die über den Tonus seiner Bauchmuskeln strich, weiter herab glitt und eine brennende Spur hinterließ, bis sie zögernd an seinem Hosenbund zum Ruhen kam, eine ängstliche Kehrtwendung machte und ihn an seiner Hüfte näher zu sich zog. Katara wischte jeden Gedanken an Irrationalität fort. Sie atmete schnell und aus ihrer Kehle drangen bei jedem tiefen unbeherrschten Streichen seiner Zunge kleine Laute. Bei jedem Herzschlag, jedem Atemzug verband sie ihren Mund fester mit Zukos. Langsam begannen ihre neugierigen Hände, seine Arme auszuforschen, von den kräftigen Handgelenken bis zu harten Wölbung des Bizeps und der überraschenden feinen Weichheit der Haut unter seinen Armen. Jede ihrer Entdeckungen kostete Katara eine Weile aus. Sie ließ ihre Finger auf seiner harten angespannten Brust kreisen, streichelte und massierte die Haut und Muskeln darunter, und erklärte ihm damit ohne Worte, wie sehr sie seine Formen und seine Kraft genoss. Sie entlockte ihm ein beinah geräuschloses Ächzen. Er würde bald die Kontrolle verlieren, wenn er sich jetzt nicht bremste. Schwer atmend und mit allergrößter Willensanstrengung wollte er sich von ihr lösen, doch es war hoffnungslos. Es war von Beginn an ein hoffnungsloser Gedanke gewesen. Ihre feingliedrigen Hände hatten sich um seinen Nacken gelegt und ihn zu sich heruntergezogen. Hielten ihn in ihren Armen gefangen. Ihr knappes weißes Seidentop war seiner Natur gefolgt und hatte sich hochgezogen und einen breiten Streifen verlockender kaffeebrauner Haut entblößt. Sie stöhnte entzückt in seinem Mund, als seine Hand nach dieser bloßen Haut zitternd tastete, sie packte, sie gegen die kalte Steinwand drückte und sie dann mit seiner eigenen warmen Haut verwöhnte, als er sich an ihrem weichen Körper presste. Ihre Hände hielten sich an seinem Rücken fest, begannen, die Linien seiner Muskeln zu erkunden, fuhren über die feinen Härchen an seinem Nacken, massierten seine Oberarme, mit der er sie fest gegen die Wand gepresst hielt. Was als vorsichtiger, tastender Kuss begonnen hatte, wurde schnell zu einem atemlosen Spiel. Er konnte spüren, wie sie sich an ihm drängte, wie ihre weichen Rundungen bei jedem Atemzug an seiner nackten Brust ein Stückchen mehr von seinem Verstand kosteten. Und sie war weich. Überraschend sanft. Er hätte sich niemals vorstellen können, dass eine Kämpferin, die aus einer rauen unwirtlichen Natur wie dem Südpol kam, so samtig sein konnte. Als er hungrig dazu überging, die sensible Haut ihres cremigen Halses genauso zu erkunden wie ihren Mund, gruben sich ihre Hände in sein Haar und hatten geschickt den Zopf gelöst, so dass langes rabenschwarzes Haar auf lange kastanienbraune Wellen fiel. Zuko löste sich notgedrungen von ihr, um ein wenig Luft zu holen. Andernfalls würde er bald tatsächlich eine Mund-zu Mundbeatmung benötigen. Er sah auf die Wasserbändigerin herab. Ein bedauerndes Flackern huschte über ihre Gesichtszüge. Ihre arktisblauen Augen waren halb geöffnet und sie zupfte verlegen mit den Zähnen an der Unterlippe. Kleine Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn. Ihr Haar war zerzaust und ein roter Schimmer prangerte auf ihren Wangen. Er hätte diesen Raum niemals verlassen können, ohne sie berührt zu haben, dämmerte ihm langsam. Es war unvermeidlich gewesen. Schon immer. Ihre schlanken Arme schlangen sich um seinen Hals und er ließ sich bereitwillig zu ihr hinabziehen. Nicht, dass er noch eine weitere schriftliche Einladung gebraucht hätte. Sauerstoff war eh nur was für Verlierer. Von einem gewissen Punkt an wusste eben auch der König der Unerfahrenen, in welche Richtung der Hase lang lief. Alles um Katara herum verschwamm zu einem wahnsinnigen Wirbel aus berauschenden Empfindungen und das verwirrende Gefühl, dass sie nicht vollständig war, so wie sie jetzt war. Sie wurde knallrot, als seine zitternden Hände ihre Seite entlang rutschten, immer tiefer rutschten, tiefer und erst zum Stehen kam, als sie fanden, wonach sie gesucht hatten und hingebungsvoll anfingen, ihren Po zu kneten. Sie wusste, sie hätte aufschreien sollen, irgendwo in ihrem Innern braute sich ein Proteststurm zusammen und verzog auch genauso schnell wie er gekommen war. Es fühlte sich gut an. Es fühlte sich verdammt gut. Sie warf den Kopf an die kalte Steinwand und ihr Atem kam nur noch in unregelmäßigen Schüben. Sie wollte nicht, dass er aufhört. Sie wollte mehr davon. Ein kurzes Schmunzeln huschte über ihre Lippen, als er unkontrolliert an ihrem Hals aufstöhnte über ihre überraschende Eigeninitiative. Sie hatte ihr Bein leicht angewinkelt und ihre unanständigen Hüften suchten die Nähe seiner warmen Männlichkeit. Sie hätte erschrocken sein müssen, sie hätte schreiend davonlaufen müssen, doch die Wahrheit war, dass sie das alles mehr als nur genoss. So genoss, dass ihre Hände lasziv der Rundung seines Hinterns folgte, zupackten und ihn näher zog. Ein leiser, tiefer Laut erklang aus seiner Kehle und er atmete einmal, zweimal, dreimal tief durch. Nein, das war kein Spiel, bei dem es darum ging, wer zuerst die Fassung verlor. Wenn es so wäre, dann wäre er verdammt noch mal aufgeschmissen. Er fühlte den Druck ihrer weichen Rundungen, er konnte sie fühlen durch den Stoff an seiner nackten Brust und er wurde sich plötzlich unangenehm bewusst, dass das auch in zwei Richtungen funktionierte. Sie *musste* seine Härte spüren und die Art und Weise wie sie ihre Hüften an ihm presste und es ihr in kehligen Laut entlockte statt dass sie ihm eine scheuerte, ließ ihn beinahe wahnsinnig verlieren. Er glaubte, sich vage daran zu erinnern, ruhig bleiben zu müssen. Zuko hatte viele so genannte ‘Männergespräche‘ mit Iroh geführt, der ihm eingebläut hatte, die Kontrolle zu bewahren und sachte mit der Frau umzugehen. Ruhig bleiben. Kataras Hand streichelte über einen empfindsamen Punkt seiner Haut und ließ ihn scharf die Luft einsaugen. ‚Von wegen ruhig bleiben. Ich wette, das hier ist dir noch nicht passiert, alter Mann…‘ „Zuko…“ Er hörte sie seinen Namen keuchen. Mehr brauchte er nicht. Das und ein Kurzschluss in seinem Kopf ließ ihn zu Boden gleiten, mit der Wasserbändigerin in den Armen. Ruhig bleiben konnte er auch ein Andermal. Er würde sie zu seinem ganz persönlichen Geburtstagsgeschenk an sich selbst machen. Er würde sie sich nehmen, weil er sie wollte, hier und jetzt, auf diesem staubigen verrußten Holzdielen. Und weil er es verdammt noch mal verdient hatte, Glück zu haben. Natürlich half es, dass sie ihn mehr schubste, als dass er sie drängen konnte. Katara schwindelte es, als sie plötzlich auf dem Rücken lag und zwei ungeduldige Hände an ihrem Oberteil zerrten. Katara half nach und das Stück Stoff hielt dem Ansturm vier ungeduldiger Hände keine zwei Sekunden stand. Noch bevor sie überhaupt Zeit hatte, sich wegen ihrer Blöße zu schämen, lag er schon auf ihr, Haut an Haut, und verschloss ihren Mund mit seinen Lippen. Voll und ganz, frontal Zuko. Jeder Zentimeter seiner Vorderseite berührte jeden Zentimeter ihrer Vorderseite. Und sie fühlte sich, als wenn das noch zu wenig wäre, obwohl es ein irres Feuerwerk in ihrem zitternden Körper auslöste. Gott, wie er schmeckte, wie er sich anfühlte. Ein seltsames Ziehen baute sich in ihr auf und sie ertappte sich bei dem Wunsch, er möge sie küssen. Überall. Wie es wohl wäre, wenn sein Mund tiefer wandern würde? Wenn- „Bitte…Zuko“, wimmerte sie mit belegter Stimme. „Was?“ Anstatt zu antworten, nahm sie seine Hand und legte sie auf ihre Brust. Im ersten Moment der Berührung erstarrte sie. Instinktiv drückte sie sich ihm entgegen in dem Versuch, ihr überwältigendes Bedürfnis nach Berührung zu stillen. Völlig benommen stellte Zuko fest, wie perfekt sich die samtigen Halbkugeln in seine Handfläche schmiegten, sie perfekt füllten. Ihre Knospen besaßen eine zarte braun-rosa Farbe. Und wie seidig ihre Haut war im Vergleich zu seiner verhornten Pranke. Zuko spürte die Veränderung in ihr, als sein Daumen sachte das Neuland erkundete, und die Macht seiner Reaktion darauf brachte seine eigene Hand zum Zittern. Schlanke karamellfarbene Finger schlossen sich ermutigend über den seinen, aber nicht, um ihn wegzuschieben. Er starrte fasziniert auf die Knospe. Starrte sie an wie ein General einen Hügel, den er unbedingt einnehmen musste. Wagemutig wanderte sein Daumen über die harte Erhebung. „Oh Gott!“, entfuhr es Katara unmittelbar. Er grinste leicht hinterhältig. „Ich schwöre, so hat man mich bisher noch nie genannt.“ Seine Stimme war tief und rau. Sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Halt einfach die Klappe und mach weiter.“ Sein Grinsen wuchs in die Breite. Die Situation war einfach zu absurd. Er lag auf der halbnackten Wasserbändigerin, seiner ausgemachten Todfeindin, und hatte ihren hübschen kleinen extrem verführerischen Busen in der Hand. „Willst du mir etwa Befehle erteilen?“, fragte er herausfordernd, mit leiser vor Lachen vibrierender Stimme. Ihr Kopf ruckte hoch und sah ihn ungeduldig an. Zuko lächelte. „Klappe halten und weitermachen. Aye, aye, Madame!“ Nicht, dass man ihn dazu überreden musste. Er fand tatsächlich umgehend einen Weg, um seine Klappe zu schließen - um die zarte Spitze seiner neuen Errungenschaft. Und er schwor, er hatte noch nie etwas Köstlicheres in seinem Leben genießen dürfen. „Uhh…“ Katara hielt sich an seinem Rücken fest, während sein Mund unvorstellbare Dinge mit ihrem Körper tat. Ihr verschwommener Blick driftete zum Fenster, wo einzelne Sonnenstrahlen hereinfielen, während das vorsichte Zupfen seiner Lippen zu einer spielerischen Attacke seiner Zunge überging. Das war wie ein nicht enden wollender Traum. Alles schien so weit weg. Nichts war real und doch hörte sie sich selbst vor Sehnsucht seufzen. Zuko schloss die Augen und unterdrückte einen Laut, als die Wasserbändigerin instinktiv ihre muskulösen Beine um seine Hüfte wickelte und ihn dort positionierte, wo er in seinen kühnsten Träumen nicht gewesen war. Er spürte ihre Hitze, spürte diese verlockende Tiefe unter ihm, ihre Finger, die sich in seinen Rücken krallten und er spürte, wie ihn langsam der Wahnsinn übermannte. Kleine Sterne tanzten vor seinen Augen. Sein Herz raste und ließ das Blut mit unmöglicher Geschwindigkeit in seinem Körper rasen. Das Bild verschwamm vor seinen Augen, während er zum ersten Mal seine Hüften an Katara drängte und sie zum leisen Stöhnen brachte. Es war das schönste, was er je gehört hatte. Dann explodierten die Sterne. Er verlor die Besinnung und nächtliche Schwärze umfing ihn. „Bitte, Zuko“, wimmerte sie. „Hör nicht auf… Zuko… Zuko?“ Katara brauchte einige Atemzüge, ehe sie begriff dass Zuko leblos auf ihr lag. Sie glaubte zunächst an einem Scherz, doch sein ruhiges entspannt atmendes Gesicht und seine geschlossenen Augen neben ihr ließen sie realisieren, dass er ohnmächtig war. Und dann begriff sie. Als ob die richtige vernünftige Katara plötzlich aus ihrem Unterbewusstsein hüpfte wie ein Frosch aus einem Tümpel. ‚Bist du noch ganz dicht, Katara??? Was in drei Teufelsnamen machst du hier?!?‘ Sie versuchte panisch, den leblosen Körper des Feuerbändigers von sich zu schubsen, doch bei diesem neuerlichen Kraftakt kapitulierte auch ihr Kreislauf und die Welt um sie herum löste sich in Seifenblasen auf. *** Die Tür wurde mit einem leisen Ächzen vorsichtig aufgestoßen. Zwei Gestalten, eine groß und hager, die andere klein und dick, tapsten auf Zehenspitzen in die Besenkammer - oder in dem, was von dem Raum noch übrig geblieben war. “Meine Güte, was für eine Hitze!” Li-Mas Stimme war nur gedämpft zu hören hinter dem Taschentuch, das sie sich vor Mund und Nase hielt. “Pass auf, dass du durch den feuchten Stoff atmest!”, raunte Ma-Li durch ihr Taschentuch. “Ich will nicht hinterher mit ansehen müssen, wie du einen Striptease auf der Theke veranstaltest und unsere Kunden vergraulst.” “Tz, wenn die Herren dein Klappergestell ertragen können, dann können sie einen Wonneproppen wie mich -OH!” Li-Ma unterbrach sich selbst, denn hinter dem einzigen noch stehenden Regal entdeckte sie ein Bild, das sie für den Rest ihres Lebens nie wieder loslassen würde. “OH. Mein. Gott.”, keuchte sie. “Deinen Gott kannst du hier drin vergessen. Ist Begierde nicht eine Todsünde?” “Das meine ich doch gar nicht. Sieh sie dir doch nur an! Sie sind ohnmächtig. Sollten wir nicht einen Arzt rufen?” Ma-Li raffte ihren langen Rock zusammen und beugte sich zu den beiden Gestalten am Boden herunter. “Nein. Die Hitze, die Feuchtigkeit, das Aphrodisiakum und obendrein noch Alkohol. Ihr Kreislauf hat das nicht lange mitgemacht, aber es ist nichts, was ein paar Stunden Schlaf nicht wieder richten können.” Li-Ma schaute neugierig über die Schulter ihrer Schwester. Dann errötete sie. Die Bordellbesitzerin kicherte leise. “Ach du liebes Lieschen, vierzig Jahre in einem Freudenhaus und du wirst immer noch rot, wenn du Brüste siehst?” Li-Ma verkniff leicht pikiert das Gesicht. “So ein Unsinn. Es sind nicht die Brüste, die mich irritieren, sondern die Männerhand, die darauf liegt.” Das wiehernde Lachen von Ma-Li ließ den Raum erhellen. “Ja, unsere zwei Hübschen hatten hier eine Menge Spaß. Nichtsdestotrotz müssen wir Romeo und Julia jetzt trennen, denn wenn sie aufwachen und realisieren, *was* sie getan haben, dann wird wahrscheinlich kein Gesetz der Welt sie davon abhalten können, dieses Haus abzufackeln, die Asche einzutüten und im Hafenbecken zu versenken. Los, fass mal mit an!” Ma-Li machte sich daran, die ungezogenen Hände von Prinz Zuko beiseite zu schieben und die Wasserbändigerin an den Schultern zu packen. “Warte, Schwester! Wir könne sie doch nicht so … in diesem entblößten Zustand durchs Haus schleppen.” “Warum nicht?” “Weil sie ein nettes anständiges Mädchen ist, und keine unserer Angestellten.” Ma-Li schniefte. “Dein nettes anständiges Mädchen hatte gerade ein Schäferstündchen mit dem Sohn des Feuerlords. Ozais Sohn, falls du das vergessen haben solltest. Das entspricht nicht gerade der Definition von einem Engel, wenn du mich fragst.” “Ja, aber doch nur, weil sie von dem Aphrodisiakum berauscht waren.” Ma-Li sah ungeduldig zu, wie ihre Schwester der Wasserbändigerin das Hemd von Prinz Zuko über den entblößten Oberkörper stülpte. “Ohne diese Tropfen wäre das nie passiert.”, murrte sie und Ma-Li konnte einen leisen Vorwurf in der Stimme ihrer Schwester heraushören. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ließ die vielen Goldarmbänder klirren. “Papperlapapp. Prinz Zuko hatte schon von Anfang an eine Schwäche für die Wasserbändigerin gehabt oder warum wohl hatte er sich mit unserer Alana abgegeben, hm? Wir haben nichts unrechtes getan und jetzt beeil dich gefälligst, bevor sie wieder zu sich kommen.” *** Ein paar Stunden später… . Katara fuhr panisch aus dem Schlaf. Eine Bewegung, die in ihrem Kopf eine wahnsinnige Schmerzwelle auslöste und durch den ganzen Körper vibrierte. “Uh” Stöhnend griff sie mit der Hand nach ihrem pochenden Schädel und begann mit kreisenden Bewegungen an der Schläfe den Schmerz zu lindern. Sie fühlte sich an, und sah wahrscheinlich auch genauso aus, als hätte Riesenbison Appa sie aus Versehen als Schlafunterlage benutzt und irgendwie wollte der Nebel um ihre Gedanken nicht so richtig verschwinden. In der Tat, sie versuchte, sich an etwas zu erinnern, das erklärte, warum sie sich so verdammt mies vorkam. Aber ihre Erinnerungen blieben stumm. Nur vage Bilder kamen zum Vorschein, die wie einzelne Puzzelteile einfach kein Bild ergeben wollten. “Argh” Sie schwang die Beine über die Kante und bemerkte erst jetzt, dass sie auf einer unbequemen Couch gelegen hatte. Mit ungläubigen Augen erfasste sie ihre Umgebung und Panik brodelte langsam in ihrem Bauch. “W …wo um alles in der Welt bin ich hier?” Sie war in einem Zimmer, in dem sie noch nie zuvor gewesen war. Soviel war schon mal klar. Zwei Kerzen leuchteten schwach auf einem riesigen Schreibtisch und warfen bedrohliche Schatten hinter gepolsterten Möbel und Bücherregalen. In einer Ecke lag eine zerbrochene Vase. Katara sprang auf ihre Füße. Das Geräusch wurde von einem dicken flauschigen Teppich verschluckt. Sie versuchte, sich zu erinnern, wie sie hierher gekommen war, doch alles, was ihr Gehirn zu dieser Frage ausspucken konnte, war ein Tisch voll mit Stangengemüse. Gemüse. Sellerie. Der Nebel lichtete sich. Hatte sie nicht in einem Restaurant gearbeitet? Und hatte sie nicht einen Wahnsinnshunger gehabt? Sie wird doch wohl am Ende… keinen Schwächeanfall erlitten haben? Katara sah sich um - und ihr entfuhr ein leiser Schrei, als sie ihre Sachen auf dem Schreibtisch entdeckte. Ihr kleiner brauner Beutel, die Appa-Pfeife, ihre Wasserphiole, ihre Kleidung… Kleidung? Entsetzt sah Katara an sich herab und fragte sich, wann sie die weiße Seidenhose und dieses übergroße rostbraune Hemd angezogen hatte. Hastig stopfte sie ihre Sachen in den Beutel und verdrängte die sich daraufhin entwickelnde Panik in ihrem Kopf. Aber das funktionierte nur solange, bis sie ihren eigenen Steckbrief auf dem Schreibtisch fand. “Oh nein!” Das war nicht gut! Gar nicht gut! Wenn man wusste, wer sie war, dann war es klüger, den Rückzug anzutreten. Und zwar mit fliegenden Fahnen. Auf Knien, die so weich waren wie Wackelpudding und mit einem Kopf, der so schwer war wie eine Kanonenkugel, öffnete sie die Tür und schlich in den dunklen Korridor. Ein kurzer Blick durchs Fenster dort verriet, dass es schon nachts sein musste und ihre Freunde sich vor Sorge um sie wahrscheinlich die Fingernägel abgekaut hatten. Wenn sie nur wüsste, wie lange sie geschlafen hatte? Oder warum ihre Haut klebte, als hätte Appa sie von oben bis unten abgeschleckt. ‘Was zum…?’ Ihr drängte sich der Verdacht auf, einen Filmriss zu haben. Sie vermisste entscheidende Details. Sie konnte sich noch vage daran erinnern, Teetassen auf einem Tablett getragen zu haben und dann … verschwand alles hinter dieser ominösen Nebelwand. Katara schlich den Korridor entlang. Sie hatte keine Ahnung, weshalb sie das tat, aber ihr Instinkt sagte ihr, leise zu sein. Sie schlich um die Kurve - “AH!” “Uhh!” - und rannte Iroh über den Haufen. Iroh hob seine Laterne ein Stückchen höher und leuchtete in Kataras Gesicht. “Oh Verzeihung, Alana. Ich hab dich gar nicht kommen gehört. Ich suche meinen Neffen. Hast du ihn vielleicht gesehen?” Katara rieb sich die schmerzende Stirn und es dauerte ein Weilchen, ehe die Doppelbilder verschwammen. “A-Alana? Wer soll das sein?”, schnappte sie gereizt zurück. Iroh verstummte und hob die Laterne höher. Eine tiefe Furche grub sich in seine Stirn. Die Doppelbilden vereinigten sich zu einem Ganzen, und Katara hielt die Luft an. General a.D. Iroh. ‘ACH DU SCHRECK!’ Dann lachte sie übertreiben. “Ach so, Alana!”, kicherte sie laut und versuchte nicht zu hyperventilieren. “Ja, so nennt man mich hier… .Hahaha, nein, ich habe diese Missgebur…” Die Furche wurde tiefer. “… missgeleiteten … Prinzen nicht gesehen. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden. Ich muss noch… Kartoffeln schälen.” Katara klemmte ihren Rucksack vor die Brust und rannte davon. Iroh sah ihr mit merkwürdigem Gesichtsausdruck hinterher. Dann *sah* er, dass die davonlaufende Schönheit mit den gehetzten Augen ein ihm sehr vertrautes Kleidungsstück trug. Oi. Zwei Sekunden später erschütterte ein gellendes Lachen das Bordell. Es war so laut und tief und klingend, sogar Tote erwachten aus ihrem Ewigkeitsschlaf im Umkreis von fünfzig Metern. Und erst recht Halbtote. Prinz Zuko schlug in seiner Besenkammer die Augen auf. Und kam sich sogleich ein wenig nackt vor. *** Sobald Katara das Haus verlassen hatte und ins Freie gestürmt war, hatte sie wie eine wahnsinnige Trompeterin in die Pfeife gepustet. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit kam Appa aus dem dunklen Nichts geschossen und in seinem Sattel saßen Sokka und Aang, die wild mit den Händen winkten, für den Fall, Katara würde das riesige Bison übersehen. Die vier Hände hoben Katara in den Sattel und während Katara alle Mühe hatte, ihr offenes Haar im Wind zu bändigen, schrie sie ihre Freunde an: “Feuernation! Wir müssen von hier verschwinden!” Das war ein Befehl, den sie nicht wiederholen musste. In Sokkas und Aangs Gesicht waren tausend Fragen geschrieben, doch die mussten erst mal warten. Mit der Feuernation im Nacken war nicht zu spaßen. *** Sie warteten. Sie waren geduldig. Sie schauten zu, wie Katara ihr Haar zu einem Zopf flocht. Dann brach es aus Sokka heraus: “WO ZUM TEUFEL BIST DU GEWESEN?!” Seine Stimme segelte wie ein Vorschlaghammer auf ihren immer noch schmerzenden Kopf nieder. “Uhh, Sokka, ein bisschen leiser bitte… .” “Leiser? LEISER?”, schraubte Sokka sich in ungeahnte Höhen. “Ich bin krank vor Sorge um dich gewesen!” “Sokka, ich glaube…” “Jetzt nicht, Aang! Ich habe ein Hühnchen mit meiner Schwester zu rupfen!” Der Gedanke an Hühnchen ließ Katara den Magen umdrehen und erinnerte sie daran, wie schlecht es ihr ging. “Aber siehst du denn nicht…” “Ich sagte JETZT NICHT, AANG!” Katara kippte mit dem Kopf zur Seite und sah über den Sattel hinaus den dahinfliegenden Hauserdächern zu. “Urgs.” “WO bist du gewesen, junge Dame!”, schimpfte Sokka. Katara sah müde zu ihrem Bruder auf, und als sie ihn da so sitzen sah, mit erhobenem Zeigefinger und den ’Womit habe ich diese schreckliche Verwandtschaft nur verdient’-Blick im Gesicht, wurde ihr klar, dass ihr ziemlich schlecht war. “Ich höre, Katara!” Ungeduldig trommelte Sokka mit den Fingern. Dann fiel ihm etwas auf. “Katara?” Sokka und Aang schossen zu ihr und packten sie an den Armen, als sich die Wasserbändigerin über den Sattel lehnte und sich über die Dächer der Stadt übergab. *** Ein hagerer Mann schob eine Holzkarre durch die verlassen dunklen Straßen der Stadt. Er wollte der erste sein, der seinen Stand auf dem Gemüsemarkt in den Morgenstunden aufbaute. Nur der frühe Wurm fing den Wurm, nicht wahr? Nicht wahr??! Er schob die Karre mit seinen besten Kohlköpfen stolz voran. Und dann, einer seltsamen Eingebung folgend, schaute er nach oben in den Nachthimmel. Seine Augen weiteten sich. Eine hässliche braune Brühe klatschte auf seine polierten Kohlköpfe. Der Kohlkopfhändler hüpfte heulend um den Wagen herum. Dann reckte er die Faust gegen den Himmel, wo er den Gott vermutete, der ihm diesen Mist einbrockte. “Hey, du Depp! Als ob ich nicht auch so wüsste, dass du meine Kohlköpfe zum Kotzen findest!” Wütend trat er das Wagenrad. *** Sonnenstrahlen kitzelten Katara und sie schlug widerwillig ihre Augen auf. Der vertraute Geruch von Laub, Erde und Grundwasser verriet ihr, dass sie, wie schon sooft zuvor, im Wald übernachtet hatte - und zwei Atemzüge später bestätigte ein ziehender Schmerz in ihren Schultern, dass sie tatsächlich auf dem harten Waldboden geschlafen hatte. Sie zog die Decke über den Kopf und wünschte, sie könne zur Abwechslung mal in einem richtigen weichen Bett schlafen. Momo zupfte auffordernd an ihrem Kopfkissen. Da Katara aber absolut keine Lust hatte, den quengelnden Burschen zu füttern, zupfte sie stattdessen an Aangs Mönchskutte, der neben ihr im Gras schnarchte. “Aang, du stehst auf, es ist dein Affe.”, murmelte sie schläfrig. “Rfffl… er ist aber auf deiner Seite, also fütterst du ihn.”, widersprach Aang. Nachdem er gestern Abend die völlig erschöpfte und offensichtlich kranke Katara zugedeckt und an ihrer Seite die halbe Nacht gewacht hatte, stand ihm jetzt überhaupt nicht der Sinn nach so was lästigem wie Aufstehen. Im Moment könnte ihn nicht einmal die Feuernation vom Fleck bewegen. Und schon gar nicht Kataras stupsende Hand. Nach ein paar Minuten hob Katara schlagartig den Kopf. “Aang!”, rief sie alarmiert. “Hm?” Der Avatar öffnete nicht einmal ein Auge. “Aang!”, Katara schüttelte ihn, “Es riecht nach Rührei!” “Wasserbändiger! Ständig denkt ihr nur ans Essen!”, murmelte Aang und drehte sich wieder um. “Aang, es riecht aber *wirklich* nach Rührei!” Katara schwang die Beine aus dem Schlafsack. Sie hatte einen Mordshunger. Aang setzte sich seufzend auf. Er wusste, dass er mit Momos Patschepfötchen auf seinem Schädel keine Ruhe mehr finden würde. “Kataaara, es riecht nicht nach… “, er verstummte, als er vertrautes Klappern hörte. “Es riecht wirklich nach Rührei.” Sokka kreischte wie ein Mädchen, als er von der Pfanne über dem kleinen Lagerfeuer aufsah und ganz plötzlich in die Gesichter seiner Gefährten starrte. Wenig später saßen die drei zusammen und genossen das wohl beste Frühstück seit langem. Eins musste man Sokka lassen, an ihm war echt ein Topflappen verloren gegangen. “Geht es dir wieder besser, Katara?”, fragte der Meisterkoch in spe zwischen Happen Schinken. “Wie neugeboren. Hab nur noch ein Brummen im Schädel, aber ansonsten bin ich quickfidel. Wo habt ihr eigentlich das ganze Essen her?” “Ja, Sokka”, sprach Aang mit vollem Mund. “Wo haben wir das ganze Essen her?” Katara senkte den Löffel. “Was soll das wieder bedeuten? Warst du denn nicht mit ihm einkaufen?” “Nein. Wieso auch. Ich wusste gar nicht, dass wir Geld haben.” Katara sah Aang fragend an. Sie hatte plötzlich einen fahlen Geschmack im Mund. “Jetzt erzählt mir bloß nicht, ihr hattet kein Glück am Hafen.” Das große Seufzen ihres Bruders ließ sie zu ihm blicken. “Wir hatten so viel Glück wie ein Eiswürfelverkäufer in der Arktis. Als uns niemand anheuern wollte, sind wir zurückgelatscht und mussten feststellen, dass *du* wieder einmal nicht da warst, wo du hättest sein sollen!” Katara streckte ihrem leicht säuerlichen Bruder die Zunge raus. Aang nahm einen Schluck Orangensaft. “Aber wo hast du das Essen her, Sokka? Als ich gestern Abend schlafen gegangen bin, hing mir der Magen noch in den Schuhspitzen. Und als ich heute morgen aufwachte, lagen hier Türme von Futter!” Sokka verschränkte triumphierend die Arme hinterm Kopf. “Jaaa, was soll ich sagen, nennt mich einfach… den großen Houdini vom Wasserstamm.” “Eher den kleinen Pinocchio vom Lügenland.”, verbesserte ihn Katara. “Rück schon raus mit der Sprache, Sokka! Was hast du angestellt?” Sokka kam sich plötzlich vor wie im Kreuzverhör. Er legte sein Käsebaguette beiseite und entschloss sich dazu, die Unwissenden zu erleuchten. “Als ob das jetzt wirklich so ein großes Rätsel ist. Ich habe natürlich deinen Lohn genommen, Katara und bin dann einkaufen gegangen.” Katara verschluckte sich an ihrer heißen Milch. “L-lohn?” “Ja, Schwesterherz. Ich habe heute Morgen deine Sachen gewaschen, weil du ja bei deiner nächtlichen Kotztirade unbedingt deinen Beutel einsauen musstest.” Katara zog den Kopf schuldbewusst ein. “Danke.”, piepste sie kleinlaut. “Ach, Schwamm drüber”, winkte Sokka ab. “Ich hab’s im Fluss ausgewaschen und beinahe wäre mir auch die nette kleine Goldmünze weg geschwommen, die zwischen deinen Sachen lag.” Kataras Kopf ruckte wieder hoch und ließt ihren Zopf wippen. Goldmünze? Was für eine verdammte Goldmünze? Hatte sie nicht auf ihre Bezahlungen zugunsten der Sicherheit verzichtet? “Sag mal, was sind das eigentlich für Sachen, die du anhast?”, löcherte Aang weiter. “Sag mal, ist das nicht ein Männerhemd?” Tz, Sokka nahm die Sache mal wieder ein bisschen zu genau. Katara fuhr sich nervös durchs Haar. “Wisst ihr Jungs, vielen Dank alles, aber ich glaube, ich werde erst mal ein Bad nehmen. Wir reden später.” Dann ließ die Wasserbändigerin ganz Ladylike ihre Freunde mit offenen Mündern stehen. Aang zuckte gleichgültig mit den Schultern. Nur Sokka hang einen Moment lang einem merkwürdigen Gedanken nach - den er aber bald wieder verwarf. Nein unmöglich, dass er dieses Hemd schon einmal gesehen haben könnte. *** Katara lehnte an einem nackten Felsen, während das klare Flusswasser ihren entblößten Körper spielerisch umgab und sie wohltuend erfrischte - und heilte. Sie hatte eine kleine Grotte gefunden, in der die Strömung gering war und hatte nun die Arme auf dem Felsen verschränkt und ihren Kopf darauf gelegt. Nachdem sie sich ausgezogen hatte, hatte sie erschrocken feststellen müssen, dass ihre Verspannungen nicht von dem harten Waldboden herrührten, sondern, weil sie am ganzen Körper blaue Flecken und Hautabschürfungen hatte. Was zur Hölle war in diesem Restaurant passiert? Ihr Blick galt nun dem rätselhaften Hemd, das wie ein Beweisstück auf dem Stein thronte. Sie schüttelte es, als würde es dadurch preisgeben, woher es kam. Natürlich blieb es stumm, doch Kataras Augen erfassten etwas anderes. Etwas, das sie bisher noch gar nicht beachtet hatte. Das Etikett im Innensaum. Ihre Hand streckte sich danach aus. Fingerspitzen berührten das weiße Zettelchen, das plötzlich so bedrohlich wirkte wie eine Waffe. Sie hatte so eine seltsame Ahnung. Wollte sie überhaupt wissen, was passiert war? ‘Natürlich willst du das, du dumme Nuss!’ Sie drehte das Zettelchen um. Sie blinzelte. In feinen goldenen Nadelstichen prangerte dort das Wappenzeichen der Feuernation. Katara tauchte unter. Sie ließ einen Höllenschrei los, der aber lediglich ein paar Schildkröten in ihrer Nähe schneller das Wasser treten ließ. *** Raue Seeluft wehte um Prinz Zukos Nase, als er sich am nächsten Morgen über die Reling seines Schiffes lehnte und dem immer kleiner werdenden Antlitz der Stadt am Horizont nachsah. Auf dem ersten Blick sah er aus wie der tragische Held eines Romans. Das goldene Glitzern der Morgensonne im Rücken. Die glänzenden Stiefel, wobei er einen Fuß auf die untere Relingstange aufgestellt hatte. Das frische Hemd, das lose um seinen Körper flatterte. Der Wind, der mit seinem schwarzen Haar spielte. Der leere Blick aufs Meer und den Kopf auf seine Arme gestützt. In Wahrheit aber hatte ihn der Schiffskoch persönlich dort abgestellt, nachdem Prinz Zuko zum wiederholten Male den liebevoll zusammengekochten Fraß erbrochen hatte. Der Schiffskoch wechselte nun die Bettlaken und bestand darauf, dass seine Hoheit derweil den Kopf übers Meer hielt. Prinz Zuko hatte einen Mordskater. Ihm war, als hätte ihm jemand mit einem Goldbarren eins übergebraten. Leutnant Jee kam herangeschlurft und blieb neben ihm stehen. “Guten Morgen, Prinz Zuko.”, sagte er fröhlich. Zuko kratzte sich geistesabwesend über ein paar Bartstoppeln in seinem Gesicht. Sein trüber Blick sah nur kurz auf. “Ach, ist es ein guter Morgen? Das habe ich bis jetzt noch nicht bemerkt.” Jee runzelte die Stirn. “Ihr seht krank aus.” “Das bin ich auch.” Zuko zuckte zusammen. “Mein Kopf fühlt sich an, als habe irgendein Idiot ihn benutzt, um seinen Faustschlag zu trainieren.” Zuko sah misstrauisch auf und sah dem für Ungehorsam und Antipathie bekannten Leutnant an. Der las den Gedanken seines Vorgesetzten und hob abwehrend die Hände. “Ich gebe zu, ich hätte gegen ein kleines Duell gegen Sie nichts einzuwenden, aber wenn Sie betrunken sind … nah, das ist wie kleine Enten in den Teich zu schubsen. Sir, ich schwöre beim Leben meiner Mutter”, und er legte theatralisch die Hand aufs Herz. “Dass ich Sie schon in diesem ramponierten Zustand am Hafen aufgegabelt habe. Sie und den General.” “Mrrr.”, stöhnte Zuko. Wie er überhaupt zum Hafen gekommen war, blieb ihm schleierhaft. Genauso wie die Tatsache, dass Onkel Iroh ihn quasi aus den Überresten einer Besenkammer zerren musste, von der er sich nicht einmal erinnern konnte, dass er sie betreten hatte. “Ist es wahr, dass Ihr einen totalen Blackout habt, Hoheit?” Konnte man so sagen. Und obendrein noch einen mörderischen Kopfschmerz. “Nrrr.” Jees Augen funkelten vor Schadenfreude. “Und dass Ihr bei Madame Ma-Li gewesen seid?” “Fuh.” Das war ein Thema, das besser beerdigt wurde. “Man hört da so seltsame Gerüchte über den Avatar…” “Leutnant, müssen Sie nicht mal ganz dringend … ein paar Segel setzen oder so?” “Nicht, seitdem wir eine Dampfmaschine haben. Aber ich kann ja mal nach dem Maschinisten sehen, wenn es das ist, was Sie wünschen, Hoheit.”, erklärte Leutnant Jee breit grinsend. Zuko winkte ihn hoheitlich ab. “Tun Sie das.” Jee salutierte zackig und schlug laut die Hacken zusammen. “Aye, Aye, Sir!” Zuko verzog qualvoll das Gesicht. “Gehen Sie! Aber gehen Sie *leise*, verdammt noch mal!” ‘Memo an Hirn. Kotzbrocken Jee unbedingt einem Disziplinarverfahren unterziehen.’ Aber im Moment war Zuko zu sehr mit seinem Schmerz beschäftigt. Und mit seinen verlorenen Erinnerungen. Obwohl. Er war Gast in einem Bordell gewesen und er war sich nicht so sicher, ob die Erinnerungen daran nicht besser verloren bleiben sollten. Aber es gab ja da diese Ungereimtheiten… . “Zuko, mein Lieblingsneffe! Wie geht es Euch?”, trällerte eine wohlbekannte Stimme. Zuko riss entnervt die Arme hoch. “Zum Tausendsten mal, Onkel! Ich habe keine Ahnung, warum die Wasserbändigerin in meinem Hemd davongelaufen ist!” Der Drache des Westens trat schmunzelnd heran. In seinen Augen lag etwas beunruhigend Wissendes. Er reckte sein Näschen. “Und warum klebt Parfüm auf Eurer Haut?” Zukos Blick wurde seltsam glanzlos und er wandet seinen Kopf wieder Richtung Stadt. “Sicher, weil mir diese lästige ‘Ich hab ihren Namen vergessen’ - Ziege auf die Pelle gerückt ist.”, versuchte er halbherzig zu erklären. Iroh wühlte in seinem Morgenmantel (er trug auch die berühmten Kuscheltierpuschen), und fischte ein Stückchen makelloses Büttenpapier hervor. “Wer auch immer Euch auf die Pelle gerückt war, mein lieber Neffe, war mit Sicherheit nicht Alana. Nachdem Ihr sie im Pavillon sitzen gelassen habt, hat sie sich einen anderen Gast geschnappt. Das hier ist Ma-Lis Rechnung. Sie hat sie mir mit den geheimnisvollen Worten überreicht, sie könne es dem Sohn des Feuerlords wohl kaum in Rechnung stellen, wenn er sich mit einer ihr unbekannten Dame im Hinterzimmer amüsiert.” Zuko rieb sich die stärker pochenden Schläfen. “Das ist doch lächerlich. Ich habe nichts dergleichen getan.” “Und weil Ihr nichts getan habt, habe ich Euch auch halb entkleidet in einer verwüsteten Besenkammer gefunden. Und wegen diesem Nichts hat ausgerechnet Katara, die Freundin des Avatars, mit der anderen Hälfte Eurer Kleidung in einem ziemlich desolaten Zustand das Haus verlassen, hm?” Zuko stützte seinen Kopf in die Hände - zum Teil auch, um seine roten Wangen zu verbergen. Allein der Gedanke, dass er vielleicht… Oh Gott. “Ich weiß nicht, wovon Ihr redet.”, sagte er gepresst. Iroh seufzte schwer. “Hach, ich wünschte dieses kleine Ding da könnte reden.” Zuko folgte dem Fingerzeig seines Onkels, der auf Zukos Hals deutete. Zuko zerrte an dem Kragen seines halb aufgeknöpften Hemdes. “Was meint ihr?” “Den Knutschfleck natürlich, Casanova.” Zuko wurde knallrot. Er hatte plötzlich eine seltsame Vision von glitzernden Perlen auf karamellfarbener Haut, und als er leicht atemlos aufs Meer starrte, blickten zwei arktisblaue Augen zurück und weiche Lippen formten seinen Namen. Zuko räusperte sich laut. Dann streckte er sein Rückgrat durch. “Ich habe keine Zeit für diesen Hokuspokus, Onkel. Der Avatar ist ganz in der Nähe. Ruft die Männer zu einer Lagebesprechung zusammen - und wenn ihr schon mal dabei seid, bringt mir auch gleich ein paar Aspirin und eine Tasse Tee.” Iroh wandte sich seufzend ab. Schlurfte mit seinen Puschen über den Metallboden, als “Onkel!” Iroh blieb stehen und drehte sich um. “Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich möchte nie wieder darüber reden.”, machte Zuko zweifellos klar. Eine Möwe kreischte über ihren Köpfen. “Ich hoffe doch”, sagte Iroh traurig, “Euer Geburtstagsgeschenk hat Euch wenigstens ein bisschen gefallen.” Und dann sah Iroh etwas Seltsames. Hatte der Mundwinkel seines Neffen gerade eben wirklich gezuckt? *** The End. Wirklich? Na ja, fast. Es folgt ein Epilog, in dem auch die letzten Gedächtnislücken einer radikalen Erinnerungskur unterzogen werden. PS: Ob Prinz Zuko wohl ahnt, dass er seinem Erzfeind den Trip zum Nordpol finanziert hat? PPS: Ihr kennt den Spaß ja. Wer mir was Nettes hinterlassen will (Feedback jeder Art inklusive Schimpftiraden und Heulorgien), darf das jederzeit tun. Vielen Dank fürs Lesen, NewJade. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)