The Nightmare before Halloween von Phantom (The Nightmare before Christmas Ⅲ) ================================================================================ Epilog: Der 31. Oktober ----------------------- „Seitdem sind mittlerweile sieben Tage vergangen. Wenn ich mich nun zurückerinnere, dann erscheint alles fast wie ein böser Traum. Dass in Halloween Town auf den ersten Blick keinerlei Spuren mehr von den Ereignissen zu finden sind, trägt zu dieser Illusion bei. Auch auf dem Friedhof sieht es wieder friedlich aus, und der Spiralberg, auf dem ich gerade stehe, als würde ich darauf warten, dass du mich von hinten überraschst, hüllt sich in Schweigen, aber mir ist klar, dass es wirklich passiert ist. Ich weiß es nicht zuletzt deswegen, weil ich seit geraumer Zeit der einzige Besucher jenes geheimnisvollen Ortes bin. Staub hatte sich bereits auf den schmalen Pfad den Hügel hinauf abgesetzt, als ich ihn heute erklommen habe. Der Doktor hat mir die Erlaubnis dazu erteilt. Ja – nun ahnst du es wahrscheinlich schon: In all den Tagen seit deiner Schlacht gegen Oogie Boogie habe ich den Turm meines Schöpfers tatsächlich kein einziges Mal unerlaubt verlassen. In sieben Tagen habe ich meinen überfürsorglichen Erzieher genau null Mal angelogen, vergiftet, überhört, hungern lassen, ausgetrickst, aus dem Rollstuhl geschubst oder auf sonstige Weise aufgeregt. Selbst als ich – seiner Anweisung gehorchend – für ihn einkaufen gegangen bin, lief ich danach unverzüglich zum Labor zurück, ohne mich zum Spiralberg zu schleichen oder auf den Vorhof eines gewissen Hauses… Es hat keinen Grund mehr gegeben, es zu tun…“ Sally stützte sich an die Mauer, während sie dem Stadttor näher kam. Von Weitem schon vermochte man das Schreien und Kreischen der Bürger zu vernehmen. Neben ihr auf die Grabsteine fielen scharf umrissene Schatten. „Kommt mit uns, wir laden Euch ein Kinder hör’n wir unheimlich gern schrei’n Hier bei uns wird nur geschrien Fliehen wir nach Halloween“ Geister stiegen auf und schwirrten um ihren Kopf. „Hier in Halloween! Hier in Halloween! Kürbis kreischt um die Mitternacht Hier in Halloween Spiel’n wir jedem, der’s verdient, Schabernack Und dann fallen sie tot um vor Schreck Halloween! Hier wird nur geschrien! Jeder hier liebt Halloween“ „Siehst du? Sie feiern es, so wie du es gewollt hast. Trotz der zurückliegenden Geschehnisse sind sie voller Elan, als wäre nie etwas passiert. Ich frage mich, ob sie wirklich so fröhlich sind, wie es den Anschein hat, oder ob auch sie noch die Trauer verspüren. Können Monster wie wir überhaupt echte Gefühle hegen?“ „Ich bin das Monster unter Deinem Bett Augen rot, die Zähne gefletscht!“ „Unter der Treppe, da mach’ ich mich rar Finger wie Schlangen und Spinnen in dem Haar!“ „Hier in Halloween! Hier in Halloween! Halloween! Halloween! Halloween! Halloween!“ „Jetzt geht’s rund, wie man sieht Jedermann singt unser Kürbislied“ Sie erreichte den Fallbeil-Platz. Der Bürgermeister, mit dem heiteren Gesicht vorne, stand bereits auf dem Dach seines Leichenwagens. „Jetzt geht’s rund! Heut’ ist Halloween! Jedermann erwartet neuen Schabernack!“ „Um die Ecke, da steckt einer im Mülleimer Jemand lauert, und er stürzt sich gleich auf…“ „…Dich!“ – „Hier in Halloween!“ „Rot und schwarz!“ – „Schleimig grün!“ „Hast Du Angst?“ – „Au, das ist fein! Sag’ es laut, sag’s noch mal Roll’ die Würfel, triff die Wahl Reite den Mond um die Mitternacht“ „Hier wird nur geschrien! Hier wird nur geschrien!“ „Nur bei uns in Halloween“ Während die Kreaturen aus sämtlichen Ecken hervorsprangen, um sich gegenseitig zu erschrecken, und die Hexenschwestern über ihnen hinwegsausten, schwankte der Galgenbaum mit den Gehängten vor. Alle rannten durcheinander, doch niemanden störte das. „Ich bin der Clown mit dem Abreißgesicht Schwupps – ist es da und auf einmal nicht!“ „Ich bin der Wer, wenn Du rufst: "Wer da?"“ „Ich bin der Wind, wehe durch Dein Haar!“ „Furcht, Angst und Schrecken bescher’n wir Dir gleich An Deiner Tür spiel’n wir Dir ’nen Streich!“ „Hier in Halloween! Hier in Halloween! Halloween! Halloween! Halloween! Halloween!“ „Halloween! Halloween!“ „Ich wollte nicht zuschauen, wie alle hastig die Vorbereitungen für Halloween zu Ende bringen, ohne dass du prüfend und korrigierend über den Platz stolzierst. Ich wollte sie nicht singen hören, wenn nicht deine Stimme jedem Lied den Ton angibt. Ich wollte nicht durch die Fenster deines Turms spähen, hinter denen alles dunkel und leer ist. Ich wollte nicht herausfinden, wie miserabel sich der Bürgermeister in deiner Rolle als Festtagsvorsitzender schlägt. Für sie mag es immer noch dasselbe sein, aber für mich ist Halloween nicht länger Halloween ohne dich…“ „Leichen pflastern unseren Weg Schrecken ist hier Privileg“ „Ob in Wien“ – „Oder in Berlin“ „Nichts ist schöner als Halloween“ „Jetzt geht’s rund! Heut’ ist Halloween!“ „Jedermann erwartet neuen Schabernack!“ „Skellington Jack, der König, bringt Dich um vor Schreck Springt Dir ins Genick, und dann hörst Du ihn schrei’n!“ „So schnell wie mir möglich bin ich, den schweren Einkaufskorb an beiden Händen, zurück nach Hause getaumelt, ließ ihn noch im Eingangsbereich fallen, als ich Zero bellen hörte, eilte die Fluchtrampe hinauf in mein Zimmer und konnte Seine Majestät, unseren verehrten König der Kürbisse, der gerade gleichzeitig versuchte, Zero zum Schweigen zu bringen als auch aus meinem Fenster zu klettern – beides ohne Erfolg – wieder ins Bett drücken, wo er gefälligst zu bleiben hatte während seiner Genesung! Nein: Ich hatte mich in dieser Zeit wirklich kein einziges Mal danach gesehnt, den Turm zu verlassen.“ Sally lächelte; dann hob sie den Blick wie alle anderen gespannt in den Himmel. Fledermäuse flatterten hinab und durch das Publikum, ehe eine vermummte Gestalt mitten im Kreis des Mondes erschien. Zwei große Flügel hielten sie dort, deren zerfetzte Flughaut im Herbstwind wehte. „Hier in Halloween! Hier wird nur geschrien! Bitte macht jetzt Platz für ’nen wirklich feinen Kerl!“ Sie riss sich die Kutte herunter und wirbelte sie um sich her, fast als ob sie einen Augenblick lang mit ihr tanzen würde. Dann ließ sie sie los, und der geschmeidige Stoff glitt sanft hinab auf Sallys Arme. Diese konnte ihn nicht lange bewundern, denn erschreckend dicht flog der geflügelte Akrobat daraufhin über die Köpfe der Zuschauer und landete auf dem Brunnen zwischen ihnen, um den sich plötzlich ein lichterlohes Feuer in die Höhe hob, welches die dürre Gestalt scheinbar verschlang. „Unser Jack ist König der Kürbisse Jedermann grüßt unser’n Kürbiskönig Hier in Halloween! Hier in Halloween! Halloween! Halloween! Halloween! Halloween!“ Erwartungsvoll lugten die Anwohner in das Feuer. Auch Sally beugte sich, den Stoff an ihre Brust drückend, vor. Kürbiskönig Jack Skellington stelzte elegant aus den Flammen. Wie auf einen Befehl hin erloschen eben diese abrupt mit einem einzigen Schlag seiner Schwingen. Schützend spannte er sie über alle seine Freunde aus, bevor er sie wieder zusammenfaltete, bis sie hinter seinem Rücken wie durch einen Zaubertrick verschwanden. „Jetzt geht’s rund, wie man sieht Jedermann singt unser Kürbislied“ Man begann zu schreien, zu applaudieren und zu jubeln. Jack genoss seinen Ruhm und verneigte sich tief. Wieder hatte er eine schrecklich eindrucksvolle Performance hingelegt. Und wieder hatte Halloween am Ende doch stattfinden können. „La! La! La! Lalala! La! La! Lalala! La! La! Lalala! Lalala! Wieeeh!“ ("Hier in Halloween") ⁂ Die Nacht war kühl. Während weit entfernt das Volk noch immer enthusiastisch die Vergabe der Preise feierte, hatte Jack sein Ziel endlich erreicht. Der Wind zog an den zerrissenen Schößen seines Nadelstreifenanzuges, piekste auf seinem blanken, weißen Skelettgesicht. Vielleicht wollte er ihn aufmuntern, doch wenn, dann gelang es ihm nicht. Vor den hohen, gagatgrauen Steinen begab er sich nieder und legte behutsam den Blumenstrauß ab, welchen er mitgebracht hatte. Auch an dessen Blättern und Blüten zupfte der Wind, aber – ein Glück – er ließ ihn liegen. Schwarze Rosen. Etwas anderes hatte er nicht auftreiben können. Seine Welt kannte nicht viel Farbe. Er seufzte. „Ist das dein… wahrer Name gewesen?“, fragte eine unheimlich liebliche Stimme. Jack sah sich um. Es war Sally. Über einer Schulter hielt sie ihr kastanienbraunes Haar zusammen, damit die Brise nicht damit spielen konnte. „Und diese anderen Namen, die den deinen tragen… Wer waren die Personen dahinter?“ „Das ist nicht mehr wichtig.“ Er lächelte, widmete den steinernen Monumenten einen letzten, wie um Verzeihung bittenden Blick und stand dann auf. „Alles, was wichtig ist, habe ich nun stets um mich: Halloween, meine Freunde… und dich.“ Ihre kleine Hand auf seiner langen, knochigen wirkte wie ein blauer Schmetterling. Ohne diesen zu verschrecken, glitt er langsam vor ihr auf ein Knie. „Sally…“ „Jack…“ „Du hast mir wieder einmal bewiesen, wie verloren ich ohne dich wäre. Wenn du mir nicht in Oogies Verlies gefolgt wärest, obwohl ich dich zuvor sehr verletzt hatte, dann hätte ich meinen Mut nicht wiedergefunden. Damals konnte ich es dir nicht zeigen, aber ich war unbeschreiblich froh zu erfahren, dass du in diesem Moment… da gewesen bist. Es hat diesen Raum weniger finster erscheinen lassen.“ „Du… bist mein Freund, Jack… Ich würde dir… immer helfen…“ „Vor dir hatte ich nicht daran geglaubt, dass Gefühle wie diese Teil einer Welt wie der unseren sein könnten. Aber dann ist mir klar geworden, dass Halloween mehr ist als bloß Spuk und Schauer: Es ist die Nacht, in der man, wenn man erschrickt und Angst hat, sich an jenen wendet, bei dem man sich sicher und geborgen fühlt. Du hast die Liebe nach Halloween Town gebracht, Sally, und die Leere in mir zugenäht. Und du weißt, dass ich dir ganz Valentinstag zu Füßen legen…!“ „Oh, Jack… Lieber nicht…“ „Keine Bange! Ich meine natürlich: Ich werde Cupido dir ganz Valentinstag zu Füßen legen lassen! Doch bis es soweit ist…“ Auf einmal sprach er nicht mehr weiter. „Was ist mit dir?“ „Ich weiß nicht recht. Es ist seltsam! Als ob ich vor einer Mauer stehen würde, die ich nicht so einfach überwinden kann.“ „Fürchtest du dich?“ „Ich?“ „Sei tapfer, Jack.“ Es belustigte sie, dass er Luft holte, die er doch längst nicht mehr nötig hatte. „Dr. Finkelstein habe ich bereits um seinen Segen gebeten und sein Einverständnis erhalten. Nun muss ich nur noch dir die Frage stellen…“ Ihre Augen weiteten sich. Ihr Herz begann zu tanzen. „Was für eine…? Seinen Segen? Jack, was hast du…?“ „Sally…“ „J-j-j-ja, Jack…?“ „Willst du meine Reise dieses Mal begleiten?“ „Was?“ „Meine Reise! Ob du mich begleiten willst! Ich verspreche dir: Es wird aufregend! Da draußen gibt es soooo viele fremde Dinge zu erforschen, und wenn wir wiederkommen, werden wir das nächste Halloween noch hundertmal – ach, was sage ich! – tausendmal schrecklicher gestalten als das diesjährige! Komm schon! Wir haben immerhin noch ganze 364 Tage bis dahin!“ Erst war Sally noch ganz neben der Spur, während sich das nervöse Trommeln in ihrem Inneren allmählich beruhigte; aber dann schmückten Glück und große Zuneigung ihr Antlitz, als sie verstand, was der Herr und Hüter von Halloween ihr soeben tatsächlich angeboten hatte. „Ja, Jack“, antwortete sie gerührt. „Ich möchte dich unbedingt begleiten! Nichts auf der Welt würde ich je lieber tun…“ Gemeinsam verschwanden die beiden in den nächtlichen Schatten. In der Ferne hatten sich die Bewohner Halloween Towns allem Ohrenschein nach zur Ruhe gelegt. Allein der Wind säuselte noch um die grauen Grabsteine, um den schwarzen Rosenstrauß, der davor platziert worden war. Sie würden ihn festhalten. IN MEMORIAM. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)