Children of Elements von chaoticgirl (Buch I - Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 11: Sanduku und Magiza ------------------------------ Jemand stapfte durch den Wald. Aufgeregt lief er hin und her und schimpfte laut. Zwei Paar Drachenaugen folgten Fynn, wie er vor ihnen herlief. „Oh nein, das darf doch nicht wahr sein! Was machen wir jetzt? Ein Drache, woher hat der Fürst einen Drachen?! Wie lang hat er ihn schon? Wie konnte er ihn vor den Bediensteten geheim halten? Wo ist Xankir?! Im Schloss? Woanders? Wo?! Sicher hat der weiße Drache Adui vor uns gewarnt! Bestimmt kommen wir nie wieder in die Burg! Ob er Xankir wohl etwas antun wird? Oh nein, bitte nicht! Alles ist schief gelaufen! Und der Luftdrache…“, Fynn hielt einen Augenblick an und starrte mit leeren Augen auf den Waldboden. Dann drehte er sich ruckartig zu Nexel um. „Wie konntest du ihm das antun?! Er ist doch auch ein Drache!!“, schrie er. Seine Beine gaben nach, er fiel auf die Knie, vergrub das Gesicht in den Händen und sah es wieder deutlich vor sich. Die gleißend helle Flamme, die aus Nexels Maul schoss und dem Kopf des weißen Drachen für ein paar Augenblicke umschloss. In seinen Ohren hallte der Schrei des verbrannten Drachen und er sah noch einmal den weißen Körper fallen. Das war nun schon knapp zwei Stunden her. Die Drachen waren bis eben weitergeflogen, aus Angst, verfolgt zu werden, von wem auch immer. In diesen zwei Stunden hatte Fynn diese schreckliche Szene wieder und wieder durchlebt. Plötzlich richtete er sich wieder auf. „Wir müssen zurück!“ „Was?!“, kam es von seinen Freunden. „Wir müssen zurück! Sofort!“, rief Fynn aufgebracht. „Was redest du da?“, fragte Nexel. „Wir wissen nicht, ob Xankir in der Burg ist und du kommst da sicher nicht noch mal so leicht rein! Am Besten wäre es, wenn wir uns erst einmal beruhigen und schlafen. Die Sonne geht in ein paar Stunden auf, dann können wir-„ „Nein.“ Fynn schüttelte den Kopf. „Ich will doch nicht zurück in die Burg, das würde nichts bringen, da ist jetzt sicher noch die Hölle los. Ich will zurück zu dem weißen Drachen!“ Den beiden Drachen klappten die Mäuler auf, sprachlos starrten sie ihn an, als wäre er verrückt geworden. Genervt knurrte Fynn. „Wir müssen einfach! Vielleicht können wir ihm noch helfen! Vielleicht ist er nicht so schwer verletzt, wie es schien! Vielleicht ist er nur erschrocken und deswegen abgestürzt!“ Jetzt ging Rorax ein Licht auf. „Du machst dir Sorgen?! Er- er hat dich angegriffen! Spinnst du total? Er ist auf der Seite des Fürsten!! Dein Mitleid ist hier völlig fehl am Platz!“ „Fehl am Platz? Wie kannst du sowas sagen?! Klar, er ist unser Feind, aber er ist dennoch ein Lebewesen! Außerdem wissen wir doch gar nicht, ob er wirklich freiwillig auf der Seite des Fürsten ist! Was ist, wenn Adui ihn irgendwie zu Gehorsam zwingt? Wir waren drei gegen einen, wir hätten das anders lösen müssen!“ „Wie denn?“, fragte Nexel. „Du bist im Kampf gegen einen Drachen nicht besonders hilfreich, Rorax hat dich getragen, er konnte nichts tun, sonst hätte er dich gefährdet. Der Einzige, der etwas tun konnte, war ich, und ich habe es nur getan, um euch zu beschützen!“ „Wir hätten fliehen können!“ „Fliehen? Das haben wir getan, wir hatten bestimmt mindestens tausend Schwanzlängen Vorsprung und er hat uns trotzdem eingeholt. Durch ihre Gabe ist es praktisch unmöglich, vor Luftdrachen zu fliehen!“ „Ihre Gabe?“, fragte Fynn verwirrt. „Ich habe dir doch davon erzählt, Fynn“, meinte Rorax. Der Junge erinnerte sich nun wieder an den Tag, bevor sie der Fürsten angegriffen hatte, der Tag, an dem Xankir noch bei ihnen gewesen war… „Stimmt. Du hast mir erzählt, dass die Gabe der Feuerdrachen das Feuerspucken ist. Was ist die Gabe der anderen Drachenarten?“ „Du hast es schon erlebt“, erwiderte Nexel. „Als wir die Männer des Fürsten zusammengetrieben haben, ist Rax neben uns in der Luft gewesen, weißt du noch? Damals hatte er die Aufgabe, die anderen Kiumas, die im Wald versteckt waren, zu fragen, ob schon alle Männer aus dem Wald draußen waren.“ „Ja, stimmt.“ Fynn nickte. „Hast du ihn wegfliegen hören?“, erkundigte sich der Feuerdrache. Fynn dachte scharf nach. Dann schüttelte er den Kopf. „Natürlich nicht“, Nexel grinste und bleckte dabei die Zähne. „Das ist ein Teil ihrer Gabe, sie können völlig lautlos fliegen. Der zweite Teil ist ihre Geschwindigkeit. Wie lang war Rax damals weg, was schätzt du?“ „Hm… nicht lang, nur ein paar Herzschläge.“ „Aber in der kurzen Zeit ist er bis zur Drachenhöhle, zurück und zu den Kiumas, die verteilt im Wald ihre Posten hatten geflogen.“ „Was, echt?“ Erstaunt riss Fynn die Augen auf. „Und was ist die Fähigkeit der Wasserdrachen? Und der Erddrachen?“ „Auch das hast du schon erlebt“, antwortete Rorax. „Wir Wasserkiumas haben uns im Wasser versteckt und dafür gesorgt, dass die Menschen nicht vor dem Wasserfall aus dem Fluss kletterten. Wir können schwimmen und sogar Unterwasser atmen. Und weißt du noch, dass sich Xankir hinter einem Stein versteckt hat? Weißt du noch, was für eine Farbe er hatte?“ Wieder überlegte Fynn. Dann sah er vor seinem inneren Auge, wie Xankir hinter einem, dicht mit Moos bewachsenen Felsen verschwand. „Grün…“ „Genau. Erddrachen können sich praktisch unsichtbar machen, wenn sie wollen und wenn sie sich vor etwas Grünes stellen. Das ist ihre Gabe.“ Fynn war beeindruckt. „Du siehst also“, belehrte ihn Nexel, „es hätte nichts genutzt, zu fliehen. Mir blieb keine andere Wahl.“ „Ist ja schon gut. Aber wir müssen trotzdem nachsehen! Bitte!“, flehte der Junge. Als die Drachen sahen, wie ernst es ihm war, gaben sie auf. „Na gut, steig auf“, seufzte der Feuerdrache und kurz darauf erhoben sich die beiden Drachen samt ihrem Reiter wieder in die Lüfte. Weitere zwei Stunden später sahen sie die Burg wieder, hinter der der Mond bereits schon wieder unterging. „Hier irgendwo muss es doch gewesen sein“, flüsterte Fynn eine halbe Stunde später, während unter ihm und Nexel die kahlen Bäume vorbeizogen. „Da!“, rief Rorax im selben Moment. Der Junge beugte sich gefährlich tief an Nexels Hals hinab und da erkannte auch er die abgebrochenen Spitzen und Äste mehrerer nebeneinander stehender Bäume. Die beiden Drachen setzten zum Sinkflug an und kurz darauf peitschten Fynn Äste ins Gesicht, zerkratzten seine Haut und zogen an seinen Kleidern. Doch als sie durch die letzten Äste gebrochen waren und – mit einigen Schwierigkeiten – zwischen den eng stehenden Baumstämmen gelandet waren, sahen sie, dass der weiße Drache fort war. Sie betrachteten stumm die vielen weißen Schuppen, die dort zwischen abgebrochenen Ästen und dem Moos lagen. Immer noch schweigend rutschte Fynn von Nexel herunter und bückte sich nach den Schuppen. Er steckte ein paar davon ein, während seine Freunde nur verständnislos zusahen und drehte sich dann zu ihnen um. „Hier ist nirgends Blut“, sagte er leise und die drei wussten nicht, ob sie darüber froh oder nicht sein sollten. Als die Sonne aufging, landeten die Drachen weit entfernt von der Burg auf einer kleinen Lichtung. Müde und erschöpft legten sie sich nieder um auszuruhen; diese Nacht war sehr anstrengend gewesen. Auch Fynn war total fertig und glitt steifbeinig von Rorax’ Rücken direkt auf den Boden, wo er sitzen blieb. „Was machen wir jetzt?“, fragte Fynn leise. Rorax, der bereits kurz davor war, einzuschlafen, schreckte auf und hob den Kopf. Nexel blickte in Richtung der Sonne, doch hier zwischen den Bäumen war sie noch nicht zu sehen. „Meint ihr, er ist noch in der Burg? Irgendwo versteckt?“ Es dauerte einen Moment, bis er eine Antwort bekam. Dann erklang Nexels feurige Stimme, ebenso leise. „Es ist schwer, so ein großes Wesen vor den neugierigen Augen von Menschen zu verstecken.“ Wieder herrschte einen Augenblick Schweigen. „Aber Adui hat es geschafft, den weißen Drachen geheim zu halten.“ „Das stimmt“, meinte auch Rorax. Stille. „Ich schlage vor, wir kehren erst mal zum Clan zurück. Dann können wir uns einen neuen Plan ausdenken.“, meinte Nexel. Die Drachen sahen Fynn an, der nachdenklich auf die ersten, grünen Blätter des neuen Jahres starrte. Dann nickte er, wenn auch schweren Herzens. Bald darauf schliefen die drei ein und erholten sich von den jüngsten Ereignissen – zumindest körperlich. Doch durch ihre Träume geisterten zwei Drachen, ein weißer und ein grüner… Sie verschliefen den ganzen Tag und brachen in der Abenddämmerung erneut auf. Es wurde ein ruhiger Tag, obwohl sie sich ständig in der Luft umdrehten, in der Erwartung, einen weißen Fleck am Horizont zu entdecken, der auf sie zuflog. Doch niemand verfolgte sie und sie kamen unbehelligt am Höhleneingang des Clans an. Der Mond schien und so fanden sie schnell den Eingang, wo sie bereits von Rax freundlich knurrend begrüßt wurden. Weiter ging es, den Gang hinab zur Großen Höhle. Doch auf dem Weg dorthin, konnte Fynn einfach nicht die Finger bei sich behalten, ging neben einer Sanduku-Pflanze in die Hocke und berührte sie sanft. Die Blätter glühten auf und reckten sich wollig unter seinen Fingern. Plötzlich taten sie etwas Seltsames. Eine Pflanze streckte sich nicht seinen Fingern entgegen, sondern löste sich zum Teil von der Wand und schwang in Richtung seines Halses. Bevor er zurückschrecken konnte, hatte die Pflanze Fynn am Hals berührt und er fühlte einen Tropfen warmes Wasser (er glaubte zumindest, dass es Wasser war), seitlich seinen Hals hinunterlaufen, bis es in der Kuhle ankam, die sein Schlüsselbein bildete. Dort wurde der Tropfen mit einem Mal sehr heiß. „Autsch!“, rief Fynn und presste sich die Hände auf die Kuhle. Erschrocken traten Rorax und Nexel näher, die die Szene bisher nur beobachtet hatten. „Was ist los?“, fragten sie gleichzeitig und Rorax fügte besorgt hinzu: „Tut dir etwas weh?“ „Nein… schon gut…“, kam die Antwort zögerlich. So plötzlich, wie die Hitze gekommen war, war sie auch schon wieder verschwunden und der Junge zog langsam die Finger zurück. „Seltsam…“, murmelte er. Er strich sich noch mal über die Stelle, doch sie war trocken. „Fynn!“, schrien die beiden Drachen schockiert. Der Mensch zuckte zusammen. „Wa- was ist?!“ „D…dein…“, stotterte Rorax. „Dein Hals glüht plötzlich an der Stelle, auf die du die Hände geschlagen hast“, vervollständigte Nexel den Satz erstaunt. Fynn spürte angenehme Wärme an besagter Stelle, die sich den Hals entlang ausbreitete. „Was passiert mit mir?“, fragte er die Drachen. „Da… da wächst eine Sanduku-Pflanze aus deinem Hals heraus!!“, flüsterte Nexel überwältigt, während Rorax nur dastand und mit offenem Maul seinen Freund anstarrte. „Sie schlingt sich um deinen Hals und Blätter treiben aus“, berichtete Nexel weiter. Fynn konnte es spüren. Jedes Blatt, das die Sanduku-Pflanze auf seine Haut legte, spürte er durch die angenehme Wärme, die diese abgab. Die Wärme wanderte über seine Haut, die Pflanze schlang sich zweimal um seinen Hals, bis sie sein Gesicht erreichte, über seinen Kieferknochen kroch und ein großes Blatt auf seine rechte Wange wuchs. Dann kam die Pflanze zur Ruhe. „Bei allen Göttern“, hauchte Rorax heiser. „das müssen wir Rynd zeigen!“ Während die drei im Eiltempo den Gang hinunterliefen, strich sich Fynn immer wieder über die Wange, doch er konnte – außer der Wärme, die auch langsam abklang – keinen Unterschied fühlen zwischen Pflanze und Haut. In der Großen Höhle herrschte wie immer gemütliche Unruhe. Gespräche erklangen von allen Seiten und die warme, etwas stickige Luft nahm sie in Empfang. Kaum waren die drei Freunde ein paar Schritte in die Höhle hineingegangen, ertönte auch schon eine vertraute Stimme: „Fynn! FynnFynnFynnFynnFynn!!“ Jani stürzte sich begeistert auf den Jungen. Sie war in der kurzen Zeit, in der er weg gewesen war, sehr gewachsen. Bevor er aufgebrochen war, hatte sie ihm noch bis kurz über die Knie gereicht, doch jetzt konnte sie ihm schon, wenn sie auf allen vier Tatzen stand in den Gürtel beißen, wenn sie den Hals etwas streckte. Natürlich war sie auch schwerer geworden und so fand sich Fynn – ehe er noch kapierte, was geschah – auf dem Boden wieder. Jani drückte ihm fast die Luft ab, während sie ihn genüsslich von oben bis unten das Gesicht ableckte wie ein Hund. „Haaaaaaah“, keuchte der Junge und schnappte nach Luft. Doch schon war Janis Mutter zur Stelle und packte ihre Tochter mit dem Maul im Nacken. Die Erdkike schüttelte Jani zur Strafe sanft durch und ließ sie dann wieder runter. Sofort stand das Kijana wieder neben dem Menschen und schmiegte den Kopf an dessen Hose. „Man, bist du groß geworden, Jani!“, wunderte sich Fynn. „Ist das normal?“ Die Kike lachte leise und nickte. „Ja, bei uns Drachen werden die Kijana schnell groß“, meinte sie. Fynn zog sich das Herz schmerzhaft zusammen. Die Stimme der Kike war zwar leiser und melodischer, sie ähnelte Xankirs dennoch genug, um die Sehnsucht nach seinem Freund in Fynn heiß und quälend aufflammen zu lassen. Schnell stand er auf und versuchte den Kloß in seinem Hals los zu werden. „Ich muss sofort mit Rynd sprechen“, sagte er rau und wandte sich ab. Er lief zu den Zee-Drachen, die sich in derselben Ecke versammelt hatten, wie schon letztes Mal. Als er nach Rynd fragte, klang seine Stimme wieder ruhig, doch die Flamme in seinem Innern war nicht erloschen. Der Ring aus Zee-Drachen öffnete sich und er sah sich dem blinden Drachen gegenüber. Der Drachenälteste atmete tief ein und sagte: „Hallo, Fynn, hallo, Nexel, willkommen zurück.“ Erst jetzt bemerkte der Junge, dass der Feuerkiuma ihm gefolgt war. „Also, was kann ich für euch tun, was gibt es so Dringendes?“ Fynn drehte sich wieder zu dem Clanältesten um. „Rynd! Gerade eben, im Gang den Berg hinunter, habe ich eine Sanduku-Pflanze berührt und sie hat einen Tropfen… Wasser oder so etwas auf meinen Hals fallen lassen. Jetzt ist eine dieser Pflanzen aus meiner Schulter gewachsen!“, erzählte er aufgeregt. Der alte Drache schien zu überlegen. „Hm… wurdest du mal von der Erdgottheit berührt?“, wollte er dann wissen. Fynn erinnerte sich zurück, an die beiden Male, als er Ardhi getroffen hatte. „Nein…“, antwortete er zögernd. „Ich glaube nicht.“ „Oder hast du mal etwas von Ardhi geschenkt bekommen?“ Wieder dachte der Junge scharf nach. „Nein. Nein, er hat mir nie… Augenblick! Meinst du so etwas wie Pilze vielleicht?“ „Hat er sie dir gegeben?“ „Nicht direkt, aber er hat sie für mich wachsen lassen, weil ich Jani all meine gesammelten Pilze gegeben hatte.“ Der Drache horchte auf. „Hast du sie gegessen?“, fragte er scharf. „J-ja, meine Mutter hat mir daraus ein Abendessen gemacht“, stotterte der Junge, überrascht von Rynds Ton. Plötzlich merkte er, dass ihn manche Drachen, die dem Gespräch gefolgt waren anstarrten. Dann fiel ihm auf, dass es nur die Erddrachen waren, während die Restlichen nur verwirrt von ihm zu Rynd und wieder zurück blickten. „W-wieso? Stimmt… denn etwas damit nicht?“, fragte Fynn erschrocken. „Du hast tatsächlich ein Geschenk von Ardhi bekommen!“ Rynd war sehr aufgeregt, doch er schien nicht zornig, sondern freudig überrascht zu sein. „Das ist unglaublich!“ „Was? Wieso denn? Erklär’s mir!“ Der Alte beruhigte sich wieder etwas. „Ardhi hat diese Pilze mit seiner… Kraft…? Magie…? Hm…, nein. Mit seinem Willen wachsen lassen. Ja, das ist das richtige Wort. Er hat sie in sekundenschnelle wachsen lassen, richtig?“ Rynd wartete nicht auf die Antwort, sondern sprach schnell weiter. „Der Legende nach, kann er alle Pflanzen beherrschen, aber Pflanzen sind nun mal nur Pflanzen. Es hätte keinen Zweck ihnen zu befehlen, schneller zu wachsen, sie können ihre Wachstumsgeschwindigkeit ebenso wenig kontrollieren, wie wir. Also muss er, wenn er eine Pflanze schnell wachsen lassen will, ihr etwas von sich geben, damit es ihr möglich wird. Und wenn du diese Pilze gegessen hast, dann ist nun etwas von der Gottheit in dir!! Das haben die Sanduku-Pflanzen sicherlich sofort gespürt und deshalb sind sie nun deine… ich würde es als ‚Freunde’ bezeichnen. Verstehst du?“ Fynn hatte Rynd, als alten und ruhigen Drachen kennen gelernt, doch nun hatte der Alte eher etwas von einem aufgeregten Kijana, denn er war hibbelig, kratzte unruhig mit den Pfoten über das Moos und den Felsen und redete wie ein Wasserfall. „Ja, ich verstehe. Und was hat es jetzt mit den Pflanzen auf sich? Kann ich sie nun auch als Verbündete an meine Seite rufen?“ Rynds Aufregung hatte den Menschen angesteckt. „Verstehst du denn nicht? Das hast du bereits unbewusst getan! Die Sanduku-Pflanze ist nun auf deiner Seite! Du trägst das Licht mit dir, mein Junge!“, rief der alte Zee-Drache. „D-das Licht?“, wiederholte Fynn verwirrt. „Die Pflanze heißt ja nicht umsonst auch ‚Die Lichtpflanze’ und sie ist es doch, die unsere Höhle erhellt.“ Fynn blickte den Alten traurig an. „Aber wie soll mir eine einzelne Pflanze durch Licht helfen, mich in eine Burg zu schleichen, einen Drachen zu finden UND auch dort rauszuholen? Zumal sie ja auch noch an meinem Hals wächst.“ „Da gebe ich dir Recht, Licht allein hilft dir nicht gegen deine Feinde. Doch in Verbindung mit Magiza, dürfte dir das bei deinem Vorhaben ein großer Vorteil sein!“ „Magiza?“ Nexel horchte auf. „Ja, Magiza. Und nur ein Feuerdrache wie du kann dem Menschen dabei helfen, sie zu bekommen. Und jetzt beeilt euch, Xankir wartet schon lang genug“, damit verabschiedete Rynd seine Besucher. Fynn wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Wer oder was ist „Magiza“ und wie sollte ihm das einen Vorteil verschaffen? Er rannte Nexel nach, der bereits schon wieder bei Rorax war und zum Aufbruch drängte. Doch Jani war ganz und gar dagegen, dass sie ihr Lieblingsmensch schon wieder verlassen wollte. Sie jaulte herzzerreißend. Fynn kniete sich neben sie und strich ihr über den schuppigen Kopf. „Du musst das verstehen, Jani, Xankir ist nun schon so lange fort. Ich muss ihn endlich zurückholen! Und wenn ich das gemacht habe, dann komme ich – mit Xankir! – wieder zurück und dann spielen wir den lieben langen Tag lang, einverstanden?“ Jani nickte, nun wieder fröhlich. „Bis baaaald!“, quietschte sie ihnen hinterher. Nexel war sehr aufgeregt und hatte es ziemlich eilig, wieder an die frische Luft zu kommen. „Was ist denn ‚Magiza’?“, rief Fynn ungeduldig, während sie am erstaunten Rax vorbeihasteten. „Gleich“, brummte der Feuerkiuma nur. Der Junge blickte fragend Rorax an, der ihn ebenso ratlos anblinzelte. Draußen ging gerade der Mond unter und hinter den Berggipfeln wurde der Himmel schon wieder heller. „Beeilung“, drängte Nexel. „Es funktioniert nur, solange es noch dunkel ist.“ „Was denn?! Sprich mit uns!“, maulten Fynn und Rorax. Doch der Feuerdrache spreizte schon die Flügel und schwang sich in die Lüfte. „Hey! Warte auf uns!“ Fynn kletterte hastig auf Rorax’ Rücken, der sich auch in die Lüfte erhob. Nexel hielt auf einen großen Felsvorsprung zu und landete auf diesem. Dort wartete er auf seine Freunde, die er zur Eile antrieb. „Was ist denn eigentlich los?“, fragte Fynn verärgert, nachdem Rorax gelandet und er von seinem Rücken runtergerutscht war. „Ich kann ihn nur rufen, wenn es noch dunkel ist“, murmelte Nexel und stellte sich, mit dem Rücken zu seinen Freunden nahe an den Abgrund. Er holte tief Luft, hielt für einen Augenblick den Atem an und blies dann den größten Feuerball, den Fynn je gesehen hatte, in die Nachtluft. Die Flammen waren so heiß, dass sie blau waren und der Feuerball löste sich auch nicht auf, sondern brannte IN der Luft weiter. Dann färbten sich die Flammen erst rot-orange und wurden schließlich weiß. Eine Gestalt bildete sich aus ihnen und Fynn erkannte den Elementargott des Feuers. „Moto“, flüsterte er und beobachtete fasziniert, wie die Gottheit in der Luft stand und auf seinen Schützling hinabblickte. „Du hast mich gerufen, weil du deinem Menschenfreund dabei helfen willst, Magiza, die Dunkelheit zu finden.“ Das war keine Frage, sondern eine ruhige Feststellung. Moto sah Fynn an. „Du willst einem Drachen helfen, also helfe ich dir“, prasselte die Stimme des Feuers. Er öffnete seine feurige Hand und legte sie auf Nexels Kopf. Der Drache schloss die Augen und das Rot seiner Schuppen wurde heller, bis sie weiß zu sein schienen. Die Hitze, die von dem Gott und dem Drachen ausging, ließ den Wasserdrachen und den Menschen zurückweichen, das Weiß blendete sie und so standen sie da, mit geschlossenen Augen und warteten darauf, dass die Hitze verschwand, die ihnen auf Haut und Schuppen brannte. Schließlich verschwand sie, die Haut der beiden kühlte sich ab und es wurde wieder dunkel. Sternchen blitzen vor ihren, immer noch geschlossenen Augen. Sie öffneten sie und sahen… Nexel. In seiner ursprünglichen, feuerroten Farbe. Moto war verschwunden. Der Feuerdrache lächelte. „Lasst uns gehen.“ Sie flogen über Flüsse und Seen, über große Wälder und Felder, Dörfer und Städte, in denen die Menschen wie Ameisen umherwuselten. Sie flogen zu hoch, als dass sie von ihnen als Drachen erkannt worden wären. Die Sonne ging vor ihnen auf, wanderte rechts über ihnen vorbei und ging schon langsam hinter ihnen unter, als Nexel zum Landeanflug ansetzte. Sie landeten in den Bergen vor einem großen Höhleneingang. Fynn fror, als er hineinsah, denn obwohl die Sonne direkt hätte rein scheinen müssen, war es, als wäre er blind, wenn er versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen. „Was ist das?“, fragte Rorax nervös. „Magiza“, antwortete Nexel. Während dem Flug hatte er erklärt, dass Magiza das Gegenstück zu Sanduku war – eine Pflanze, die Dunkelheit ausstrahlte, die kein Feuerschein, kein Blitz und auch nicht die Sonnenstrahlen vertreiben konnte. Doch kaum jemand wusste, wo sie wuchs, weshalb er auch den Feuergott gerufen hatte. Moto wusste, wo diese Pflanze wuchs, da er sie oft verwendete, um mit ihr für die Menschen unsichtbar zu werden, eine Weile unter ihnen zu wandeln und sie zu beobachten. Jeder Feuerdrache konnte Moto rufen, sobald es dunkel genug war. Doch dazu musste man die Flammen, mit denen man ihn herbat so heiß machen, dass man für einige Zeit kein Feuer mehr spucken konnte. Moto hatte ihm durch den Kontakt den Weg gewiesen. Nexel beschrieb es so: Es war, als hätte Moto aus ihm einen Magneten gemacht, der ihn zu seinem Ziel zog. So hatte er den Weg hierher gefunden. „Du musst hinein und eine Pflanze bitten, dir einen Ableger zu schenken, wie es auch die Sanduku-Pflanze getan hatte“, sagte der Feuerdrache. „Was?“, kam es von Rorax. „Aber wie soll er denn eine in dieser Dunkelheit finden? Wer weiß, wie groß diese Höhle ist?“ Doch Nexel lächelte zuversichtlich. „Du hast Fynns Sanduku-Pflanze vergessen. Dadurch, dass sie das Gegenteil voneinander sind, heben sich ihre Wirkungen auf, sobald sie aufeinander treffen.“ „Echt?“, fragte Fynn. „Ist ja klasse! Na dann, geh ich mal“, meinte er freudig erregt. „Hey!“, rief Rorax. „Pass bloß auf dich auf, verstanden?“ „Ja, ja, bin gleich wieder zurück“, sagte Fynn und ging sicheren Schrittes auf den Eingang und die Dunkelheit zu. Kaum hatte er den ersten Schritt in die Dunkelheit getan, fühlte er ein leichtes Prickeln auf der Haut, dort, wo sich die Sanduku-Pflanze an sein Gesicht schmiegte und schon erhellte sich seine Sicht. Es war ein seltsames Gefühl. Es war zwar taghell und er konnte alles deutlich sehen, doch es gab keine Lichtquelle. Keine Schatten waren vorhanden. Fynn blieb stehen und blinzelte ein paar Mal. „Fynn? Fynn? Alles in Ordnung? Wir können dich nicht mehr sehen!“, ertönte Nexels beunruhigte Stimme hinter ihm. „Alles in Ordnung!“, beruhigte ihn der Junge und sah sich um. An den nackten Felsen wuchsen graue Pflanzen. Sie hatten keine großen Blätter, wie die Sanduku-Pflanzen, sondern ihre Stängel endeten in schwarzen Knospen. Er ging den felsigen, breiten Gang entlang, bis er nach etwa fünfzig Schritten am Ende angekommen war. Dort, an der rückwärtigen Felswand, wuchs die größte Magiza-Pflanze aus dem Boden bis zur Decke empor. Zögernd stellte sich der Junge etwa zwei Schritte von ihr entfernt vor sie. Er dachte an das, was Nexel gesagt hatte: „… eine Pflanze bitten, dir einen Ableger zu schenken…“ „Ähm…“, begann er unsicher. „Äh, könnte ich… ich meine… dürfte ich einen Ableger von dir haben?“ Er kam sich unsagbar blöd vor, wie er da alleine in der Höhle stand und mit einer Pflanze redete. Doch da kam Leben in die Magiza-Pflanze. Die unteren Knospen, die so groß waren, wie Fynns geballte Faust, reckten sich nach ihm und die Spitze, die nach oben immer dünner wurde und nur fingernagelgroße Knospen trug, löste sich vom Fels und beugten sich zu ihm hinunter. Die oberste Knospe berührte ihn im Gesicht und plötzlich wurde die Sanduku-Pflanze auf seiner Haut kurz warm und kühlte sich dann wieder ab. Daraufhin beugte sich die Knospe noch tiefer und tippte auf Fynns Ärmel auf Höhe des rechten Unterarms. Verdutzt hob der Junge den Arm und schob den Ärmel hoch. Die Knospe ließ einen Tropfen schwarze Flüssigkeit auf die Ellenbeuge fallen. Kälte breitete sich unter der Haut aus und Fynn beobachtete gebannt, wie der Tropfen in seiner Haut verschwand, unter ihr aufleuchtete und eine Magiza-Pflanze aus seinem Arm wuchs und sich um ihn schlang. Die graue Pflanze trieb, wie die anderen Pflanzen auch, schwarze Knospen auf seiner Haut und endete, an der Innenseite seines Handgelenks in einer Knospe, die kleiner war, als sein kleiner Fingernagel. Dann verschwand die Kälte wieder aus seinem Arm. Vorsichtig strich der Mensch den grauen Stängel entlang, doch ebenso wie bei Sanduku, konnte er keinen Unterschied zwischen Haut und Pflanze spüren. Leise und ehrfürchtig bedankte er sich bei der großen Magiza-Pflanze, die sich wieder auf den Felsen gelegt hatte und konnte den Blick nicht von seinem, plötzlich so anders aussehenden Arm wenden. Nun, mithilfe von Sanduku und Magiza, konnte er endlich Xankir retten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)