Änderungen, die das Leben bringt von Mamitasu ================================================================================ Kapitel 5: Schmerzen und Linderung ---------------------------------- Er drehte sich von einer Seite auf die andere. Man konnte es beinahe als herumwälzen bezeichnen, denn die Zeit, welche er auf einer Seite verbrachte, war geschwindend gering. Er hielt es weder in der einen noch in der anderen Position lange aus, was wahrscheinlich an dem lag, was sich in sein Köpfchen geschlichen hatte. All die Gedanken, die ihn Nacht für Nacht in seinen Träumen heimsuchten. Sie gefielen ihm allesamt nicht. Doch konnte er sie nicht aussperren, denn er war sich ihrer Existenz nicht sicher und so verschwendete er am Tag keine Sekunde für diese. Nur nachts konnte er nicht vor seinen Problemen davonlaufen, da holten sie ihn ein. Er drehte sich erneut und diesmal blieb er auf dem Rücken liegen. Seine Hände verkrampften sich in der Decke, welche nur noch zur Hälfte auf ihm lag. Die Tortur während der Stunden ‚erholsamen Schlafes’ waren nicht spurlos an ihr oder dem Laken vorbeigegangen. Dieses hatte Falten über Falten und sah damit schlimmer aus als das Gesicht einer alten Frau. Seine Finger krallten sich noch mehr in den Stoff. Seine Knöchel traten fast weiß hervor. Sein Atem kam stoßweise und unkontrolliert. Er war kurz davor die Nerven zu verlieren. Die rechte Hand ließ die Decke frei und hielt stattdessen Haare in ihrem Griff gefangen. Der Atem beschleunigte sich und kam nun in einem rasanten Rhythmus, auch wenn er immer noch stoßweise war. Ein Zittern befiel den Körper. Schweiß trat auf seine Stirn. Er schwitzte. Der Schweiß lief ihm wie Wasser den Rücken herunter. Die Decke klebte ihm am Körper. Er schreckte hoch, saß kerzengerade im Bett, ließ seine Hand sinken. Er atmete immer noch schnell und in Stößen. Er konnte sich nicht beruhigen. Irgendetwas fehlte. Er sah sich um und konnte nichts erkennen. Langsam und bedächtig stand er auf, ließ sein Bett und den Albtraum hinter sich. Vorsichtig machte er die Tür seines Schlafzimmers auf. Langsam durchschritt er diese und ging den Flur Richtung Wohnzimmer entlang. Es war nicht weit und trotzdem kam es ihm so vor. Er hatte das Gefühl eine Ewigkeit würde vergehen, ehe er das Holzbrett erreicht hatte. Zögernd griff er nach der Klinke und wartete einige Augenblicke, bevor er diese herunter drückte und dann mit dem Mut der Verzweiflung die Tür aufschob und seinen Wohnraum betrat. Dieser war dunkel und leer. Bis auf die Einrichtung befand sich nichts weiter in dem Raum und da wurde es ihm klar. Er war allein. Schluchzend rutschte er an der Wand neben der Tür zu Boden und kauerte sich zusammen. Ihn überkamen die Erinnerungen an die letzten Monate, an die Geschehnisse dieser und an seine eigenen Gedanken. Er war schwach und erbärmlich. Er hatte es noch immer nicht geschafft den Tod seines besten Freundes zu verarbeiten und das, obwohl jemand an seiner Seite gestanden hatte. Er begann zu weinen. Gequält schloss er seine Augen und sah ein Gesicht. Es lächelte ihn an. Die Tränen kamen in Strömen. Das Gesicht wechselte. An dessen Stelle trat eine Person. So vertraut. Sie drehte sich um und ging. Er riss seine Augen auf, um dem Abschied zu entkommen, doch er war längst gewesen. Er weinte bitterlich und lag nur mit Boxershorts bekleidet wie ein Häufchen Elend in seiner Wohnung ohne Heizung an bei minimalen Plusgraden außerhalb dieser vier Wände. Der nächtliche Frost war der Sonne und den damit wärmeren Temperaturen gewichen. Alles erschien in freundlicheren Farben, denn das Grau der letzten Tage war Sonnenschein gewichen und dies nutzten die meisten Menschen aus. So auch er. Lässig fuhr sich Miyavi durch die Haare, setzte seine Sonnenbrille auf und entzündete eine heraus gekramte Zigarette. Genüsslich zog er an dieser. Heute war ein klasse Tag. Seine Arbeit war erledigt. Sie bestand zum Glück, denn dieses Wetter wollte er nicht verpassen, nur aus einem einzelnen Fotoshooting und dieses hatte er gerade hinter sich gebracht. Es hatte zeitig begonnen und so konnte er die Mittagssonne in vollen Zügen genießen. Gemütlich schlenderte er die Einkaufspassage entlang. Es sah so aus, als ob er ohne Ziel unterwegs war. Doch das täuschte. Er hatte ein Ziel und dieses war der Convini. Diese betrat er gerade. Nach einer Stunde - Oder waren es doch zwei? – kam er voll beladen wieder heraus. Die Sonne stach ihm ins Auge und so schob er sich sein Nasenfahrrad wieder auf diese. Seufzend blickte er auf die schweren Tüten in seinen Händen. Für seine Verhältnisse hatte er ziemlich viel gekauft. Noch dazu viel Gesundes. Er zuckte mit den Schultern. War ja egal. Es sollte ein unvergesslicher Abend werden und damit hatte es sich. Mit jedem Schritt, den er tat, wurden seine Arme länger, die Tüten schwerer und er schlecht gelaunter. Als seine Laune einen neuen Tiefpunkt einweihen wollte, erreichte er seine Wohnung. ‚Endlich’, dachte er erleichtert. Doch keine Sekunde später stand er vor dem nächsten Problem. Wie kriegte er die Tür auf? Er wollte, es nicht wirklich riskieren, die Tüten abzustellen. Doch andererseits blieb ihm nichts anderes übrig. Vorsichtig und darauf bedacht nichts von dem Inhalt zu verlieren ließ er einen der beiden Plastikbeutel auf den Boden gleiten. Auf der einen Seite stützte diesen die Hauswand und auf der anderen nahm sein Bein diesen Platz ein. Jetzt konnte er sich auf die Suche nach dem Schlüsselbund machen. Zuerst nahm er sich die rechte Hosentasche vor, fand aber nichts. Dann kramte er in jeder Tasche herum, die er bei sich finden konnte und wurde zum Schluss sogar fündig. Triumphierend hielt er den Schlüssel in der Hand und begab sich erleichtert, seine Last gleich los zu sein, zu seiner Wohnung. Musik hallte durch die ansonsten ruhige Wohnung. Es klang unnatürlich laut und fehl am Platz. Die Melodie, welche eindeutig nicht aus dem Radio stammte, wurde mit jedem Neubeginn lauter. Trotzdem rührte sich der Besitzer kein Stück. Er lag noch immer zusammengerollt neben der Wohnzimmertür. Nur langsam kehrte Leben in den schlanken, ausgezehrten Körper. Das Klingeln, denn ein solches war die Melodie, verklang und Stille nahm den Raum erneut in Besitz. Diese hielt nicht lange an, denn ein Stöhnen verließ den Mund des Bewohners. Schwerfällig stemmte sich der junge Mann in die Höhe. Ihm tat alles weh. Dieser Platz war sehr unbequem. Das würde er sich merken. Nach einigen Minuten stand er und kroch in die Küche. Dort setzte er seinen Weg zur Anrichte fort. Murrend, da er sich an einem Stuhl gestoßen hatte, kam er bei dieser an. Dort schaltete er mit geübten Handgriffen die Kaffeemaschine ein. Wartend ließ er seinen Blick schweifen und erhaschte die Uhr. Erschrocken sah er das Ziffernblatt an. Er war doch verabredet gewesen. Oder? Befreit atmete er aus, als ihm einfiel, dass heute nichts angestanden hatte. Seine Augen wanderten weiter und er begann zu zittern. Verwirrt ließ er seine Augen an sich herunter sehen und stellte erblasst fest, dass er nur in Unterwäsche hier stand. Schnell war der Kaffee vergessen und er in seinem Schlafzimmer. Wenig später war er erfrischt und neu eingekleidet mit einer Tasse des schwarzen Gebräus beladen auf der Couch niedergesunken. Sein Blick war ins Leere gerichtet. Die Hand mit der Tasse hob sich zu seinem Mund und er nahm einen Schluck des Kaffees. Den Geschmack von diesem nahm er nicht wahr, da seine Gedanken abgedriftet waren. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~Flashback~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Von der Fahrt bekam der Ältere nichts mit, zu sehr war er in seiner Schuld gefangen. Aus diesem Zustand erwachte er erst, als sie vor der Haustür standen. Automatisch fand seine Hand den Weg in seine Tasche und suchte dort nach dem Schlüssel. Er öffnete diese und ließ sie eintreten. Langsam und völlig in Gedanken versunken stieg er die Treppen herauf. Zitternd schloss er die Wohnungstür auf. Er war müde und total fertig. Die Dunkelheit und Stille, welche sie empfing, fand er angenehm und ein leichtes Gefühl des Wohlseins stellte sich ein. Mit fahrigen Bewegungen zog er seine Jacke aus und ließ diese an Ort und Stelle fallen. Seine Schuhe folgten dem Stoff. Miyavi hinter ihm schloss die Tür und schaffte Ordnung im Eingangsbereich. Dann folgte er dem Bassisten, welcher sich ins Wohnzimmer verzogen hatte. Er betrat den Raum und schaltete das Licht ein, da er in der Dunkelheit nichts erkennen konnte. Der Wohnungsbesitzer murrte aufgrund der plötzlichen Helligkeit. Der Kopf des Solokünstlers ruckte in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und er erblickte den Älteren zusammengerollt auf der Couch liegen. Langsam ging er zu ihm herüber. Unnatürlich laut durchbrach seine Stimme die Stille, obwohl er leise beinah im Flüsterton gesprochen hatte. „Toshiya?“ Keine Reaktion. „Magst du was essen oder trinken?“ Wieder nichts. „Komm schon. Ich mach uns was.“ Immer noch regte sich der andere nicht. Seufzend stand Miyavi auf und ging in die Küche. Leise vor sich hinfluchend hörte der Wohnungsbesitzer seinen Freund dort arbeiten. Mit einer dampfenden Tasse in der Hand kam der Schwarzhaarige zurück in den Raum. Leise setzte er sich neben das Häufchen Elend und stellte den Keramikbecher auf die Tischplatte. „Toshiya?“ So leise Miyavi konnte, stellte er die Frage, dabei ruhten seine Augen auf dem Körper neben ihm. In Zeitlupe hob sich der Kopf des Älteren. Ein fragender Ausdruck spiegelte sich in seinen Augen wieder, auch wenn die Schuld und Trauer dadurch nicht vertrieben werden konnten. „Ich hab dir nen Tee gemacht.“ Seine Hand deutete zu der Tasse. Der Kopf des Bassisten folgte der Hand und blieb an dem dampfenden Gefäß hängen. Ungläubig sah er dieses an. Nach einer Ewigkeit, wie es dem Solosänger vorkam, streckte der andere seine Hand nach dem Becher aus und umschloss diesen vorsichtig. Danach zog er seine Hand samt Becher zurück und hielt seine Nase über das Getränk. Ein angenehmer, süßlicher Duft stieg ihm in die Nase. Bevor er einen Schluck nahm, pustete er etwas, um sich nicht an dem Tee zu verbrennen. Lächelnd wurde er dabei beobachtet. „Schmeckt es?“, machte sich der Sänger wieder bemerkbar, nach dem die Hand seines Kumpels sich gesenkt hatte. Ein ‚Hm’ bekam er als Antwort, dann senkte sich der Kopf wieder. Er wusste nicht, was er mit dem anderen anfangen sollte. Ohne lange drüber nachzudenken, zog er den Älteren, da dieser nicht mehr auf der Couch lag, sondern saß, in seine Arme und drückte ihn an sich. Es dauerte keine Sekunde und er vernahm ein leises Schluchzen. Beruhigend redete er auf den anderen ein. Er versuchte ihn damit zu beruhigen. Doch zu helfen schien es nicht, denn wenig später merkte er, wie sein T-Shirt an der Stelle, an der Toshiyas Kopf lag, feucht wurde. Trotzdem redete er weiter auf den anderen ein und strich sanft über dessen Rücken. Zwischen den einzelnen Schluchzern konnte er gewisperte Worte vernehmen. „Ich bin Schuld. Ich bin an allem Schuld“ drang immer wieder an das Ohr des Besuchers. Und der Bassist vernahm immer wieder: „Das stimmt nicht. Du trägst keine Schuld. So wie die anderen.“ Stunden später herrschten in dem Raum wieder Stille und Dunkelheit. Die Tränen waren versiegt und der Herr dieser im Land der Träume. Das Licht war beim Verlassen des Raumes gelöscht wurden und so nahm die Schwärze alles ein, auch die zwei Körper, welche in dem großen Doppelbett im Schlafzimmer lagen und eng aneinander gekuschelt schliefen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~Flashback~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das, was er vor Wochen in diesem Moment gefühlt hatte, holte ihn heute ein und ließ ihn den Weg zurück in die Gegenwart finden, auch wenn die Vergangenheit verlockender war. Seufzend griff er nach seiner Tasse und stellte sie gleich wieder weg, denn der Kaffee war kalt geworden. Wenige Augenblicke starrte er noch in die Gegend ohne ein festes Ziel zu haben, dann erhob er sich und nahm das erkaltete Getränke in die Hand und ging mit diesem in die Küche. Dort ließ er die braune Flüssigkeit in den Abfluss fließen, ehe er sich etwas zum Essen aus dem Schrank holte. Murrend ließ er sich am Tisch nieder und verspeiste das Obst, mehr hatte er nicht mehr im Haus. Also musste er einkaufen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es er das auch gleich erledigen konnte. So schnappte er sich sein Portemonnaie, zog sich seine Jacke und Schuhe an und verließ sein kleines Heiligtum. Es war das erste Mal seit Wochen, dass er alleine raus ging. Sonst hatte ihn immer Miyavi begleitet, doch dieser hatte vor einigen Tagen beschlossen, dass es an der Zeit war, dass Toshiya wieder auf eigenen Füßen stand und sich nicht von anderen abhängig machte. Leicht verloren wirkte die dunkelgekleidete, hochgewachsene, schlanke Gestalt. Sie stand vor einem Regal mit Fertiggerichten und schien sich nicht entscheiden zu können. Mit einer fahrigen Handbewegung strich die Person ihre wieder einmal blau-schwarzen Haare zurück. Dann griff sie entschlossen zu und packte das Menü in den Einkaufswagen. Danach wurde die Gemüse- und Obsttheke angesteuert. Erneut verweilte der junge Mann vor den Regalen, doch diesmal wusste er was wollte, nur nicht wie viel davon. In Gedanken überlegte er, wann er wieder einkaufen wollte und nahm dann die entsprechende Menge von dem gesunden Essen mit. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung und blieb dann vor der Frischfleisch- und -fischtheke stehen. Mit leichter Freude auf dem sonst so traurigen Gesicht ließ er sich einiges davon geben. Irgendwie hatte ihn die Lust gepackt etwas zu kochen. Bei diesem Gedanken setzte sich gleich noch ein weiterer fest. Er würde für Miyavi bei diesem zu Hause etwas für sie zu Essen machen. Einen gemütlichen Abend mit seinem Schwarm vor Augen bezahlte er alles und verstaute seine Einkäufe in den Tüten. Gierig sog er die frische Luft ein, bevor er sich eine Zigarette anzündete. Er schlenderte durch die Gassen und genoss die letzten Sonnenstrahlen. Sein Blick wanderte von einem Schaufenster zum nächsten und ließ auch die Menschen, welche ihm begegneten, nicht aus. Bei einer U-Bahn-Station blieben seine Augen hängen und er steuerte diese an. Bei dem Fahrplan angekommen, suchte er sich die nächste Bahne, welche in die Richtung, in der Miyavi wohnte, fuhr, raus. Beim Vergleichen der angegebenen Ankunftszeit und der aktuellen Uhrzeit stellte er fest, dass er nur wenig warten musste. Toshiya lehnte sich gegen eine Wand und stellte die Tüten ab, da sie aufgrund der Menge an Lebensmitteln doch ein gewisses Gewicht hatten. Bahn fahren wurde seiner Meinung nach überbewertet. Er hatte erst nach Hause gehen sollen und dann sein Auto nehmen, aber dafür war es jetzt zu spät. Seufzend nahm die große Gestalt ihre Tüten auf und verließ das öffentliche Verkehrsmittel. Seine Stimmung besserte sich mit jedem Schritt den der Blauschwarzhaarige an der frischen Luft tat. Auch wenn das Wetter wirklich schön war, freute er sich doch ungemein, als er das gewünschte Haus entdeckte. Jetzt musste er nur noch klingeln und könnte dann die Stufen erklimmen. Doch dann wäre die Überraschung hin und das wollte er nicht. Eine Idee brauchte er jetzt oder einfach nur etwas Glück. Wie aufs Stichwort ging die Haustür auf und eine ältere Frau wollte heraus kommen. In Toshiyas Augen schien sie Probleme zu haben, so stellte er schnell seine Einkäufe ab und half ihr, wodurch er die Möglichkeit hatte, die Tür für sich selbst offen zu lassen. Nach einer kurzen Beteuerung, dass es ihm keine Umstände gemacht hatte, und einige Dankeschöns der netten Dame später, hatte er seine Tüten wieder im Griff und war auf den Weg zu der ersehnten Wohnung. Mit jeder weiteren Stufe wurde ihm leichter ums Herz und seine Vorfreude größer. Er malte sich die verschiedensten Reaktion Miyavis aus. Er hoffte nur, dass er nicht unpassend kommen würde. ‚Das ist bestimmt nicht der Fall’, machte er sich selber Mut. Vor der Tür mit dem Namensschild seines Freundes angekommen, betätigte er den Klingelknopf. Drinnen hörte er es Schellen und kurz darauf Gerumpel. Die Tür wurde mit einem genervten „Was?“ aufgerissen und ihm stockte der Atem. Vor ihm stand Miyavi mehr als spärlich bekleidet und bot einen sehr heißen Anblick. Toshiya schoss die Röte ins Gesicht und er stammelte ein „Gomen“. „Toshiya?“ Ungläubig riss der Schwarzhaarige die Augen auf. „Was machst du denn hier?“ Er ließ seinen Blick über den Älteren gleiten und freute sich im Inneren über dessen Auftauchen, auch wenn es mehr als unpassend war. Er hoffte nur, dass er es regeln konnte, bevor irgendetwas Ungünstiges, vorsichtig ausgedrückt, passierte. „Na ja“, verlegen hob Toshi seine Tüten an und sah den anderen verlegen an, „ich wollte als Dankeschön was für dich kochen.“ Die Worte des Bassisten wurden immer leiser und unverständlicher, trotzdem hatte der Sänger keine Probleme, sie zu verstehen. Ein warmes und aufrichtiges Lächeln legte sich auf dessen Züge. „Das ist gerade etwas ungünstig.“ Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und schielte über seine Schulter zurück in die Wohnung. Zum Glück konnte er seinen Gast nicht ausmachen. Also hatte er noch etwas Zeit den anderen los zu werden. Auch wenn er lieber die Person vor der Tür mit der im Schlafzimmer tauschen wollte, doch dies würde der Bassist bestimmt nicht mit sich machen lassen. Er seufzte und sah den anderen an. Dieser schaute verlegen und anscheinend voll interessiert auf seine Schuhe. Toshiya kam sich blöd vor. Er hätte sich doch vorher melden sollen, dann hätte er diese Situation vermeiden können. Jetzt war es zu spät und er musste das Beste daraus machen. Mit neuem Elan und Mut hob er schwungvoll seinen Kopf und blickte direkt an Miyavi vorbei auf eine in ein Laken gewickelte Frau, die gerade in sein Blickfeld getreten war. Ihm stockte der Atem. Sein Schwarm hatte Damenbesuch. Alles in ihm schrie danach, einfach weg zu rennen. Doch er wollte sich nicht so kindisch benehmen. „Wo bleibst du denn?“ Miyavi drehte sich zu der Frau nach den mit lieblicher Stimme gesprochenen Worten um. Das war zu viel für den Bassisten. Nicht nur das die Frau wirklich umwerfend aussah, auch ihre Stimme konnte einen in ihren Bann ziehen. Dies zeigte ihm deutlich, auf was der andere stand. Und das war bestimmt nicht ein Typ, der einst nur fröhlich und aufgedreht umhergehüpft war und nun nicht mehr als ein Trauerkloß war. Dazu besaß er eine Stimme die weder lieblich noch hell war. Seine konnte nur schrill oder dunkel sein. Was anderes war nicht drin. Mit einem dumpfen Plumps fielen die Tüten auf den Boden und Obst wie Äpfel oder auch Gemüse wie Tomaten rollten auf dem Flur Richtung Treppe. Doch dies realisierte der Bassist nicht mehr, denn er hatte sich im selben Moment umgedreht und war mit Tränen in den Augen losgestürmt. „Toshiya!“ rief ihm der etwas Größere zu, doch wurde er von der Frau aufgehalten, als er ihm hinterher wollte. „Lass ihn“ kam es nur kalt von ihr. „Lass uns lieber Spaß haben.“ Erst wollte er ablehnen, dann jedoch überlegte er es sich aufgrund eines mehr als atemberaubenden Kusses anders und ließ sich in seine eigene Wohnung ziehen. Er achtete nicht auf den Weg, sondern rannte einfach drauflos. Er wollte einfach nur soweit wie möglich weg. War ihm doch nun klar, dass es für ihn keine Hoffnung gab. Das ihn das Leben überhaupt nicht liebte und lieber leiden ließ. Das Glück nichts entschädigen konnte, wenn es nicht kam. Und das es bei ihm einfach nicht vorbei schaute. Tränen versperrten ihm die Sicht, als er versuchte sich zu orientieren. Trotzdem wusste er nach einigen Minuten, wo er sich befand und nahm die Stufen zur nächsten Bahnstation, nach dem er diese erreicht hatte. Die Rückfahrt war wesentlich einsamer für ihn und auch langweiliger. Bei der Hinfahrt war er nervös gewesen und nun war er ein gebrochener Mann. Was doch ein paar Sekunden im Leben verändern konnten. Fahrig strich er sich seine Haare aus der Stirn und blickte in die Dunkelheit außerhalb der Bahn. Sein Gesicht spiegelte sich in der Scheibe wieder, doch seine Augen nahmen nichts wahr. Er konnte keine Sinneseindrücke mehr verarbeiten, da seine ganze Gehirnleistung für die Verarbeitung der Szene bei Miyavi drauf ging. Langsam hasste er seine Feigheit, wenn es um Gefühle ging. Wieso hatte er bei jeder Möglichkeit eine große Klappe, aber wenn es darum ging drei Worte zu sagen, bekam er nicht einen sinnvollen Satz über die Lippen. Er ließ seinen Kopf unsanft gegen die Scheibe gleiten. Die Kühle tat seiner Stirn gut. Er seufzte und stieß sich von dem Sitz ab. Er war bei seiner Station angekommen. Mit jedem Schritt, den er tat, wurden seine Füße schwerer und sein Gang schlürfender. Er fühlte sich mies und hatte eine Vorstellung davon, wie sich Shinya gefühlt haben musste. Doch er, Toshiya, hatte nicht einmal seine Liebe gestanden. Er hatte lediglich eine halbnackte Frau bei seinem Schwarm in der Wohnung gesehen und war nun so kaputt, dass er nicht mehr in seine Wohnung wollte. Nicht mehr diese Wände sehen wollte, in denen er mit Miyavi mehrere Wochen gewohnt hatte. Zu viel von dem verrückten Solokünstler spürte er in seiner Wohnung. Trotzdem kam er nach schier endlosen Minuten vor der Haustür an. Ohne Verzögerung schloss er diese auf und erklomm die Stufen. Der Fahrstuhl war heute Morgen ausgefallen. So musste er bis in den 6. Stock laufen. Oben angekommen merkte er seine Tränen nicht mehr, denn der Kampf um den Sauerstoff war wichtiger. War er das wirklich? Oder bildete er es sich nur ein, weil es so sein sollte? Er wusste es nicht. Mit einem Schulterzucken ob seiner Gedanken öffnete er die Wohnungstür und betrat den kalten, dunklen Raum. Nichts erinnerte an den fröhlichen jungen Mann, welcher vor 4 Jahren hier eingezogen war. Nichts zeugte mehr von den schönen, mit viel Lachen erfüllten Momenten. Er selbst fand sich in dieser Wohnung nicht mehr. Alles hatte sich verändert. Oder hatte nur er eine Änderung durchgemacht, die ihn alles in anderem Licht sehen ließ? Seine Schuhe streifte er im vorbeigehen ab und die Jacke zog er sich nebenbei aus. Im Wohnzimmer schaltete er den Fernseher ein und ging weiter in die Küche. Er wollte etwas Trinken. Doch er fand nichts. So schlürfte er weiter ins Bad und besah sich sein Gesicht. Erschrocken stellte er fest wie schrecklich er aussah. Blass und ausgemergelt. Mit seiner Faust schlug er den Spiegel in tausend Scherben, die ihn nicht weiter interessierten, denn er vernahm aus dem Wohnzimmer bekannte Klänge. Sofort begab er sich in dieses und sah ein Dir en grey Video. Eines ihrer ersten PVs. Damals war alles noch in Ordnung und sie zu fünft. Doch nun war nichts mehr wie es einmal war. Und die Schuld trug er allein, auch wenn ihm Wochen was anderes erzählt wurde. Doch diese Stütze war verschwunden und mit ihr die tröstende Wirkung. Mit einem Schluchzer ließ er sich vor dem Fernseher zu Boden gleiten und verfolgte gespannt die Bilder. Noch Minuten nach dem Ende saß er ohne eine Regung auf dem Teppich. Die Kälte, die langsam in ihm hoch kroch, nahm er nicht wahr. Mit neu erwachter Kraft stand er auf und ging zu seiner kleinen Anrichte. Von dieser nahm er sich einen Block sowie einen Stift. Danach ließ er sich auf der Couch nieder und schrieb. Minuten vergingen, in denen nur der Fernseher und das Geräusch von dem Kuli zu vernehmen waren. Mit einem tiefen Seufzen machte der Wohnungsbesitzer wieder auf sich aufmerksam. Er stieß sich von der Couch ab und ging mit ungeweinten Tränen in den Augen in sein Bad. Er wollte ein Ende. Er wollte nicht mehr leben, denn das würde nur leiden bedeuten. Er konnte nicht mehr. Toshiya war mit seiner Kraft am Ende. Seine ganze Energie war aufgebraucht und sein Wille zu leben erloschen. Mit schweren Schritten betrat er das Bad. Die kalten Fliesen unter seinen Füßen nahm er nicht wahr. Auch spürte er den ersten Schnitt nicht. Die weiteren noch weniger. Selbst das Rot seines Blutes drang nicht in sein Gehirn vor. Sein letzter Gedanke galt dem Mann, den er mehr liebte als sein Leben. Mit einem Lächeln auf den Lippen glitt Toshiya vor der Wanne auf den Boden, lehnte sich an diese und schlief ein. Er erwachte nie wieder. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ich nehm wieder was ich kriegen kann... Und hoffe, dass ich noch leben darf wenn ihr wollt gibt es noch nen epilog^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)