Zwischenwelt von Jim (Die Saga der Vampire) ================================================================================ Kapitel 6: Geschichte 05: Winternacht ------------------------------------- Prag, Dezember 1200 „Was... was hast du mit mir gemacht?“, krächzte ein junger Mann am Boden. Zwei kleine Löcher befanden sich in seiner Kehle, aus denen ein klein wenig Blut lief. Es rann seine Kehle hinab und färbte den Schnee auf dem er lag rot. Vor ihm hockte eine junge Frau, gekleidet in einen langen Mantel. Durch die runden, randlosen Gläser ihrer Brille sah sie ihn lächelnd an. Mit ihrer behandschuhten Hand fuhr sie ihm über die Wange. Der Körper des am Boden liegenden zitterte stark, aber nicht aufgrund der Kälte. Er starb... wortwörtlich. „Du wirst dich verändern.“, erklärte sie mit einer Stimme, wie sie sanfter nicht hätte sein können, „Du wirst keinen Hunger mehr haben... und auch keinen Durst. Diese Gefühle... diese Schwächen, werden gegen eine andere Art von Durst eingetauscht werden. Von nun an wirst du dich vom Lebensnektar anderer ernähren müssen. Tust du dies nicht, wirst du immer schwächer und schwächer werden. Phsysisch wirst du schneller, stärker werden... du wirst Dinge schaffen, die dir vorher undenkbar schienen, aber dafür wirst du das Sonnenlicht nicht mehr vertragen. Und du wirst in der Lage sein Fähigkeiten zu entwickeln, die über deine Vorstellungskraft hinaus gehen.“ Elegant erhob sie sich aus der Hocke und in der Ferne konnte man einen Wolf heulen hören, trotz des scharf pfeifenden Windes in der Seitengasse. Mit ernster Miene sah sie zum wolkenverahgenen Himmel auf. „Es tut mir leid das ich dich nicht lehren kann, wie du es verdient hättest, aber meine Zeit ist gekommen... ich wollte nur das etwas von mir in dieser Welt übrig bleibt, deshalb habe ich dir das Beste gegeben, an das ich denken konnte. Wäre es mir noch möglich, hätte ich ein Kind geboren... aber so wie die Dinge stehen, bist DU von nun an mein Kind.“ Die Frau griff ihm unter die Achseln und richtete ihn so hin, dass er an der Hauswand hinter ihm saß. Dann griff sie in das Innere ihres Mantels und zog eine Flasche hervor, die sie ihm in die Hand drückte – Vodka, er konnte es riechen. Das Zittern hatte bereits nachgelassen und ihm war seltsamerweise kein bisschen kalt. Im Gegenteil, ihm war sogar angenehm war. Dennoch konnte er sich kaum bewegen. „Deine Wunde ist geheilt und sie werden dich nicht aufspüren, nicht heute... noch bist du ein Mensch. Aber versprich mir, dass du ab Morgen aufpassen wirst.“ Traurig lächelte sie auf ihn herab und eine tiefrote Tränen lief ihre Wange hinab. „Denn du bist das einzige was von mir übrig bleiben wird.“ Laut knurrend rannten drei Wolfshunde in die Seitenstraße und zähnefletschend setzten sie auf die Unbekannte zu. „Mach es besser als ich...“, flüsterte sie, während sie sich in Bewegung setzte. Zwei der Wolfshunde rannten einfach an ihm vorbei, der Dritte jedoch blieb bei ihm stehen. Mit funkelnd blauen Augen starrte er ihn an und begann ihn zu beschnuppern. Dann warf er mit seiner Schnauze den Kopf auf die andere Seite und besah sich den Hals, was er jedoch nach einigen Sekunden wieder stoppte und seinen Artgenossen folgte. Immer noch hatte er gar nicht begriffen was eigentlich geschehen war. Er hatte nur nach einem Plätzchen gesucht, um diese bitterkalte Nacht zu überstehen. Dann war auf einmal diese Frau neben ihm erschienen, wie aus dem Nichts, und hatte ihn in den Hals gebissen. Ehe er es sich versehen hatte, war ihm für einen Augenblick schwarz vor Augen geworden. Und nun... das. War das nur ein Traum? Lag er bereits irgendwo im Sterben und dies war nichts weiter als eine Halluzination? Ein mit einer Armbrust bewaffnete Mann trat in die Seitengasse ein, während ihm gegenüber am anderen Ende der Gasse die Frau wieder eintrat. Ihre Haare waren wild durcheinander, ihr Mantel zum Großteil zerfetzt und sie war über und über mit Blut beschmiert. Sie zischte wie ein wildes Tier als sie den Mann erblickte, bevor sie auf ihn zuraste und mit einer Hand ausholte. Der Fremde jedoch schien wenig davon beeindruckt. Während sie näher kam legte er die Armbrust an und zielte. Für einen Menschen eigentlich viel zu schnell kam sie auf ihn zu, doch er machte keine Anstalten sich zu rühren. Wie eine Statue stand er da und zielte. In dem Moment, in dem ihre Hände seinen Kopf erreicht hätten, drückte er den Abzug nach hinten. Beinahe lautlos schoss der Pfeil durch ihren Körper. Für einen Augenblick sah es so aus als würde sich einfach in der Luft hängen, bevor die Wucht des Schusses sie zurückwarf. Der am Boden liegende konnte es nur aus den Augenwinkeln heraus erkennen, wie sich an ihrem Rücken ein kleines Brandloch abzeichnete, dass sich ausweitete und sie schließlich in einen kleinen Haufen Asche verwandelte. Zuerst lösten sich Kleidung und Haut auf und entblößten ein pechschwarzes Skelett, welches aber genauso schnell einfach zu feinem Pulver zerfiel, wie es erschienen war. Sichtlich erleichtert atmete der Mann aus und zertrat den kleinen Haufen, bevor er vor dem Mann in die Hocke ging und ihn ansah. Wäre er ein Untoter, hätten die Hunde ihn zerfleischt, dass wusste der Jäger. „Diese Straßen sind gefährlich bei Nacht.“, sprach er zu ihm, mit einem südländischen Akzent, „Du solltest dir eine Bleibe suchen.“ Er drückte ihm ein paar Scheine in die Hand, dann stand er wieder auf und lies die Armbrust unter seinem Mantel verschwinden. Der Mann in der Gasse sah die Geldscheine an, dann nahm er einen kräftigen Schluck aus der Vodkaflasche. Irgendwie hatte er das Gefühl, dies war nicht seine Nacht. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)