Dämonen, Engel und ein Drache von goldenchie (Fortsetzung zu "Enthüllungen und Geständnisse") ================================================================================ Kapitel 41: Antrittsbesuch -------------------------- „..........“ = wörtliche Rede >.........< = Gedanken kursive Worte sind betont ___________________________________________________________________________ ... „Keine Sorge“, meint Ren lächelnd, „es ist keine neue Katastrophe. Denke ich jedenfalls. Bei Takarada hat sich ein älterer Herr gemeldet, der dein Großvater zu sein scheint.“ „Der Vater meiner Mutter?!“, hakt Kyoko entsetzt nach. „Nein, Liebling, dein Großvater väterlicherseits. Das macht die Sache ja so interessant. Takarada-san hat ihm auch schon ordentlich auf den Zahn gefühlt und Nachforschungen angestellt.“ „Ich... ich kenne nicht mal den Namen meines Vaters...“, murmelt Kyoko tief in Gedanken an. „Meine Mutter hat immer ein Riesengeheimnis darum gemacht...“ „Nun, dass kann ich ändern. Der Name deines Vaters lautet Kyouya Hawatari. – Aber lass mich alles der Reihe nach erzählen; stellenweise ist des sogar eine sehr amüsante Geschichte. Du kennst ja Takarada-san...“ Lächelnd bringt er sie nun auf den aktuellen Stand der Erkenntnisse. ___________________________________________________________________________ Antrittsbesuch „Himmel, Kyoko-chan, wo warst Du die letzten Tage?“, poltert Kanae grußlos, als Kyoko an diesem Morgen ihre Garderobe betritt. „Ich wusste zwar, dass du keine Aufnahmen hast, aber ich dachte, du lässt dich wenigstens mal kurz in den Drehpausen blicken.“ „Entschuldige“, gibt Kyoko ein wenig kleinlaut zurück, „ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass ich mal wieder in die Schule muss. - Guten Morgen erstmal. - Ich musste ein paar Prüfungen nachschreiben und mir neues Lernmaterial holen. Außerdem hat mein Klassenleiter noch unbedingt ein Gespräch über meine schulische Zukunft mit mir führen wollen.“ „Oh“, meint Kanae mitfühlend, „neuerdings Probleme?“ „Nein, eigentlich nicht.“, winkt Kyoko beschwichtigend ab. „Er wollte mich nur unbedingt überreden, nach dem Abschluss zu studieren. Aber dafür wird die Zeit dann nicht mehr reichen. Nicht, wenn das hier so weiter geht.“ „Was ja nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen ist.“, findet Kanae. „Immerhin heißt das, dass du genügend Engagements hast.“ „Mehr als genug.“, seufzt Kyoko. „Mittlerweile bin ich sogar soweit, dass ich froh bin, wenn ich mit der Schule durch bin; auch wenn ich durchaus gern hingehe.“ Kanae schnaubt spöttisch durch die Nase. „Ich weiß sowieso nicht, wie du das schaffst, dabei auch noch gute Noten zu haben, du alter Streber.“ „Na ja, es geht mir halt leicht von der Hand.“, gibt Kyoko verlegen zu. „Und ich hab ja auch ein bisschen Hilfe, zumindest manchmal.“ „Jetzt sag nicht, dass Ren-kun deine Hausaufgaben macht.“, lacht Kanae. Kyoko macht eine abwehrende Handbewegung und rollt mit den Augen. „Bist du verrückt?! Ren doch nicht! Eher würde er mir Mathe die halbe Nacht durch erklären...“ >...um mich danach, ohne mit der Wimper zu zucken, als Belohnung für seine Nachhilfe auch noch zu vernaschen...<, ergänzt sie in Gedanken grummelnd. „Nein“, fährt sie ein wenig ruhiger fort, „das hätte doch auch wenig Sinn, ich muss die Prüfungen ja schließlich allein schreiben; da ich ja meist auch noch mutterseelenallein mit einem Lehrer im Prüfungsraum bin, hab ich nicht mal die Möglichkeit zu schummeln. Aber um noch mal auf das Gespräch mit meinem Klassenleiter zurückzukommen, er meinte, es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, den Highschool-Abschluss ein Jahr früher zu bekommen, wenn man gute Noten hat. Er will sich erkundigen, was man dafür machen muss und was für Vorraussetzungen man dafür erfüllen muss. – Es wäre jedenfalls schön, wenn das klappen würde.“ Umständlich kramt Kyoko ihr Drehbuch aus der Tasche und blättert dann seltsam unentschlossen und fahrig darin herum, während sie mit dem Fuß in schneller Folge auf den Boden klopft. Kanae ergreift nachdrücklich den Arm ihrer besten Freundin und mustert sie scharf. „Hör mal.“, sagt sie schließlich. „Das ist schon eine aufregende Sache, aber sicher nicht so sehr, dass du hier gleich so hektisch rumhampeln musst. Das macht mich ganz nervös; du bist doch sonst nicht so zappelig.“ Kyoko schaut sie wie ein verschrecktes Reh mit großen Augen an. „Oh, entschuldige, das wollte ich nicht.“, sagt sie leise. „Deswegen bin ich auch gar nicht aufgeregt. – Ich ... ich treffe mich morgen Nachmittag mit meinem Großvater. Ich... Oh, Gott, ich bin so nervös!“ „Ach ja, Ryuichi Hawatari, dieser stinkreiche Typ von Union Electric, nicht? Stimmt, du hattest mir davon erzählt.“, sagt Kanae grinsend und wird für einen Moment von Rina unterbrochen, die gerade in die Garderobe getreten ist und ihnen mit einem Lächeln und einem freundlichen Nicken die heutigen Skriptänderungen reicht. „Morgen schon?“ , meint Kanae dann. „Das ging aber fix.“ „Jaa“, antwortet Kyoko gedehnt, einen Anflug von Verzweiflung in der Stimme, „Takarada-san meinte, es wäre besser, damit ich im Vorfeld nicht so viel Zeit habe, mir den Kopf darüber zu zerbrechen. Deswegen hat er für morgen ein Treffen arrangiert.“ „Womit er zweifelsohne Recht hat.“, merkt Rina trocken an, während sie bereits Kyokos Kostüm zurecht legt. „Sieht ganz so aus.“, findet Kanae und klopft ihrer Freundin lachend auf die Schulter. „Ach, komm schon, so schlimm wird es schon nicht werden.“ „Woher soll ich das wissen?!“, wettert Kyoko verzweifelt. „Ich mein, ich weiß eigentlich überhaupt nichts über ihn. – Und wieso wussten eigentlich alle - außer mir natürlich - dass er so reich ist? Und obendrein aus einer so angesehenen, alten Familie, dass einem fast schon schwindelig wird? Wie soll ich denn damit umgehen?!“ Kanae kann sich plötzlich ein Kichern nicht mehr verkneifen. „Tja, du hast doch diese höheren Töchter aus vornehmen Häusern immer so bewundert. Vielleicht solltest du jetzt anfangen, dich selbst zu bewundern...“ Prustend bricht sie in Lachen aus. Kyoko kann dem absolut nichts Komisches abgewinnen; allerdings scheint sie auch nicht böse zu sein, sondern nur extrem ratlos ... zumal ihr die Tatsache, offenbar selbst aus einer angesehenen Familie zu stammen, bisher noch gar nicht bewusst war. Kanaes Lachen verebbt so schnell, wie es kam. „Ach, komm schon“, tröstet sie, „das war doch nur ein Witz. Du würdest nie so werden wie Erika-san. Nicht in hundert Jahren.“ „Im Ernst“, mischt sich plötzlich Rina ein, „du solltest diese Art Witze besser lassen, Kanae-san. Sie hat wirklich ein Problem damit. – Aber du hast dabei einiges noch gar nicht bedacht, Kyoko-san. 1. Du musst diesen Besuch nicht allein durchstehen. Ren-san wird dich begleiten und dir den Rücken stärken; ansonsten hätte Takarada-san sicher auch nicht das Treffen bei dem alten Herrn zu Hause arrangiert. 2. Der alte Herr will etwas von dir . Nicht umgekehrt. 3. Musst du ihn ja gar nicht häufiger treffen, wenn ihr nicht miteinander klar kommt. Und 4. soll er doch ganz umgänglich sein... Und wenn Takarada-san das sagt, will das schon was heißen. Also hör auf zu grübeln, Kyoko-chan. Du wirst sehen, dass er deinem Charme gar nicht widerstehen kann; besonders wenn er mitkriegt, dass du deiner Mutter charakterlich so gar nicht ähnelst.“ „Ich hoffe, du hast Recht...“, murmelt Kyoko und beginnt sich umzuziehen. „Menno, Kyoko-chan“, stöhnt Kanae leise lachend, „hör auf, dir Sorgen zu machen, so chaotisch und anstrengend wie meine Familie kann er gar nicht sein...“ „...und so schlimm wie das Treffen damals mit deiner Mutter wird es auch nicht.“, meint Rina ernst. „Takarada-san hat ihn gründlich abgeklopft.“ „Erinnere mich bloß nicht daran !“, ächzt Kyoko leise. „Noch so eine Katastrophe brauche ich echt nicht...“ „Wie dem auch sei“, verkündet Rina grinsend, „ihr Beide habt jetzt sowieso keine Zeit mehr zum Grübeln, man erwartet euch nämlich in der Maske, ... wo ihr auch die Skript-Änderungen durchgehen könnt.“ Lachend und gestikulierend treibt sie die Mädchen zur Eile. Als Kyoko am Nachmittag des nächsten Tages in Rens Auto steigt, hat sich ihre Nervosität beinahe schon bis ins Unerträgliche gesteigert. Beruhigend nimmt Ren ihre kalte Hand in seine warme. „Ich verstehe ja, dass du aufgeregt bist“, sagt er leise, „aber ich finde, du übertreibst jetzt doch ein bisschen, Hime-chan.“ Sachte hebt er ihre Hand an seine Lippen und haucht ihr einen Kuss auf den Handrücken. „Er wird dich ganz sicher nicht auffressen.“ „Ja, aber was...“, beginnt sie, hält jedoch sofort wieder inne, weil sie gar nicht so genau weiß, was sie eigentlich sagen will. Ren sieht ihr ernst in die Augen. „Hime-chan“, sagt er leise. „es ist nicht so, dass ich jetzt vollkommen gelassen wäre. Ich möchte nämlich gern, dass er begreift, dass du in guten Händen bist ... und dass er sich keine Sorgen zu machen braucht.“ Kyokos Augen weiten sich entsetzt. „Glaubst du, er könnte auf die Idee kommen, mich ganz zu sich zu holen?“ Ren lächelt weich. „Nein, das kann er gar nicht; rechtlich sind wir da auf der sicheren Seite. – Aber ich möchte nicht, dass er denkt, ich könne nicht richtig für dich sorgen. Oder dass du möglichst viel arbeiten musst, damit das Geld reicht.“ „Seltsam“, murmelt Kyoko nachdenklich, „als meine Mutter noch das Sorgerecht hatte, hat das irgendwie keinen gekümmert...“ „Kyoko“, meint Ren ernst, „es hätte sehr wohl jemanden gekümmert, nicht nur mich. – Nur wusste niemand davon.“ „Na ja, niemand...“ „Sho Fuwa zählt nicht.“, findet Ren und grinst schräg, „Der war wahrscheinlich so mit sich selbst beschäftigt, dass er es vermutlich gar nicht wirklich mitgekriegt hat. Jedenfalls nicht das ganze Ausmaß. Er ist ein Macho und er kann bisweilen ein ziemliches Arschloch sein, aber ich halte ihn nicht für grausam.“ Kyoko muss ein wenig schmunzeln. „Vermutlich...“, lacht sie leise, „Aber jetzt bin ja dafür in guten Händen.“ „Genau“, stimmt Ren grinsend zu und küsst seine junge Frau liebevoll auf die Handinnenfläche. „nicht nur in guten, sondern auch in ziemlich betuchten Händen. Mit deinem Großvater kann ich zwar vermutlich noch nicht mithalten, ... aber ich arbeite dran.“ Kyoko bedenkt ihn mit einem leicht skeptischen Lächeln. „Ich hatte in letzter Zeit allerdings eher den Eindruck, dass du mehr mit Geld ausgeben beschäftigt bist als mit Geld anlegen.“, findet sie. „Kaum.“, lacht Ren gut gelaunt. „Ich habe nur mehr auf langfristige Anlagen umgeschwenkt, das bringt zwar weniger Rendite, macht aber weniger Arbeit, weil es sicherer ist. Keine Sorge, unser Vermögen gedeiht und vermehrt sich prächtig. Und ich möchte, dass dein Großvater genau das so schnell wie möglich mitbekommt. Was glaubst du, weswegen ich dir das Outfit von Dior für heute vorgeschlagen habe?“ Kyoko schaut ihn mit großen Augen an. „Ach, ich dachte, weil das dunkelgrüne Kostüm dir so gut an mir gefällt ... und der cremefarbene Mantel passt einfach farblich ganz genau zu dem Kaschmir-Rolli.“ „Das auch, mein Herz“, grinst Ren, „aber warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? – Der Verlobungsring wird hoffentlich ein Übriges tun.“ „Willst du ihm wirklich sagen, dass wir verheiratet sind?“, will Kyoko wissen. „Ich weiß noch nicht genau.“, antwortet Ren schulterzuckend. „Ich denke schon. Irgendwie finde ich, dass er ein Recht darauf hat. – Wir werden sehen...“ Als sie vor dem Hawatari-Anwesen ankommen, hat sich Kyoko zwar wieder einigermaßen gesammelt, doch als ihr bewusst wird, wie groß das Haus allem Anschein nach ist, kriecht die Nervosität unaufhaltsam wieder in ihr hoch. Rastlos spielt sie an ihrem goldenen Rubinring herum, bis Ren ihre Hand ergreift und sie sachte drückt. „Vielleicht hilft es, wenn wir das Ganze zunächst mal wie eine Art Interviewtermin betrachten.“, flüstert er. Sanft drückt er ihr die Lippen auf die Wange. „Toi, toi, toi“, sagt er dann leise. „Für uns beide.“ An der Tür werden sie von einer sehr gepflegten, freundlich lächelnden, älteren Dame begrüßt, die so entzückend fröhliche Lachfältchen um die Augen hat, dass Kyoko sich unweigerlich an Aya, Kojis Haushälterin, erinnert fühlt. Allerdings dauert das Lächeln nur ein paar Sekunden, dann entgleiten der Dame im Kimono plötzlich sämtliche Gesichtszüge. „Oh, ... mein Gott!“, stammelt sie errötend. „Ren ... Tsuruga... Ich... Ich wusste nicht, dass Sie Kyoko-samas Begleitung sein würden.“ Vergeblich versucht sie, die Fassung wieder zu erlangen, doch sie schüttelt nur aufgeregt lächelnd den Kopf und murmelt atemlos: „Oh, Gott, gleich zwei berühmte Schauspieler zu Besuch! Wenn ich das gewusst hätte...“ „Machen Sie sich keine Umstände, ... äh...“ „Oh, entschuldigen Sie, Tsuruga-san“, wirft die Dame verlegen ein, „mein Name ist Kaede, ich bin die Haushälterin und Köchin hier auf dem Anwesen. – Herzlich willkommen.“ Eilfertig nimmt sie den Gästen die Mäntel ab. „Warten Sie bitte einen Augenblick.“, sagt sie dann, „Ich hänge schnell die Mäntel weg, dann bringe ich Sie zu Hawatari-sama. Er erwartet sie schon.“ Mit einem entschuldigenden Lächeln entfernt sie sich in den Nebenraum. „Sieh an, noch ein Fan!“, raunt Ren grinsend in Kyokos Ohr, als sie außer Hörweite ist. „Ja, ja“, brummt sie kaum hörbar zurück, „hier in Tokyo muss irgendwo ein Nest von denen sein.“ „Sag mal, Hime-chan“, flüstert Ren lachend in ihr Ohr, „hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ziemlich witzig sein kannst?“ Kyoko hat nur noch Zeit, ihn verdutzt anzusehen, dann ist Kaede auch schon wieder bei ihnen und führt sie in ein großes, westlich eingerichtetes Wohnzimmer, wo der Hausherr vor dem Fenster stehend wartet. Als er Kyoko erblickt, hält er einen Moment fassungslos inne. Fast scheint es, als sei er ein klein wenig schockiert, doch dann geht er lächelnd auf Kyoko zu und verbeugt sich unerwartet tief vor ihr. Kyoko erwidert den Gruß nur still und als sie beide wieder aufblicken, sieht sie den alten Herrn fragend an. „Meine Güte“, seufzt dieser darauf, „ich wusste ja schon, wie du aussiehst, Kind, aber diese Ähnlichkeit ist aus der Nähe geradezu ... schockierend.“ Tief durchatmend deutet er auf ein Schwarz-Weiß-Foto auf der Kommode. Sowohl Kyoko als auch Ren verstehen schlagartig, was er meint. Mit offenem Mund geht das Mädchen auf das Bild zu und berührt zart, fast schon ehrfürchtig den silbernen Rahmen mit einem Zeigefinger. „Ist er das?“, flüstert sie rau, „Ist das ... mein...“ Ryuichi Hawatari ist hinter sie getreten und legt sachte eine Hand auf ihre Schulter. „Ja“, sagt er mit belegter Stimme, „das ist Kyouya Hawatari, dein Vater. – Jetzt verstehst du sicher auch, warum ich glaube, dass sich ein Gentest absolut erübrigt.“ Kyoko versagt die Stimme, sie kann nur noch nicken, Tränen glitzern in ihren Augenwinkeln. Ren dagegen hat sich inzwischen weitgehend von dem überraschenden Anblick erholt und tritt nun ebenfalls hinter Kyoko, um ihr unauffällig eine Hand auf den Rücken zu legen. Seine Wärme, die jetzt allmählich vom Rücken aus ihren gesamten Körper durchströmt, ist es, die ihren Blick schließlich wieder klärt. Allerdings ist sie immer noch nicht fähig, auch nur ein einziges Wort herauszubringen. Schwer schluckend dreht sie sich zu den beiden Männern herum und blickt unsicher von einem zum anderen. Hawataris Blick hingegen trifft auf Rens, was den alten Herrn umgehend veranlasst, sich ein wenig umständlich zu räuspern und sich auch vor ihm tief zu verbeugen. „Sie sind Ren Tsuruga, nicht wahr?“, stellt er fest. „Sie drehen doch gerade mit meiner Enkelin eine Agentenkomödie.“ „Richtig.“, bestätigt Ren lächelnd. „es freut mich, Sie kennen zu lernen.“ „Nein, nein“, winkt Ryuichi ein wenig verlegen ab, „Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine Enkelin hierher zu begleiten. Ich denke, es wäre auch nicht fair gewesen, sie allein herkommen zu lassen. Vielen Dank für Ihre Mühe.“ Noch ein Mal verbeugt er sich höflich vor Ren. „Keine Ursache“, meint Ren lächelnd, während auch er sich noch ein Mal kurz verbeugt, „es hat mir nicht geringste Mühe verursacht, im Gegenteil. Um keinen Preis der Welt hätte ich es mir nehmen lassen.“ „Das freut mich, zu hören. Aber vielleicht sollten wir uns endlich setzen, meine Haushälterin wird sicher gleich den Tee servieren.“ Einladend deutet Ryuichi auf das Sofa, auf dem daraufhin Kyoko und Ren nebeneinander Platz nehmen, während Kyokos Großvater sich auf einen Sessel ihnen gegenüber setzt. Gedankenverloren betrachtet der alte Herr dann seine Enkelin, die sich schon bald ziemlich unwohl unter seinem forschenden Blick fühlt. Unsicher schaut sie zu Ren hinüber, der ihr jedoch beruhigend zulächelt und ihr ohne jedes Wort zu verstehen gibt, dass sie ihrem Großvater ein wenig Zeit geben soll. Erst das Erscheinen von Kaede, die Tee und Gebäck bringt, durchbricht das etwas angespannte Schweigen, indem sie ihrem Arbeitgeber leicht vorwurfsvoll zuraunt: „Aber Hawatari-sama, Sie können das Mädchen doch nicht einfach so die ganze Zeit anstarren, ohne mit ihr zu reden. Da kriegt sie ja Angst.“ „Ja, Sie haben Recht, meine Liebe.“, seufzt Ryuichi und atmet ein Mal kräftig durch. „Wie immer.“ Mit einem leicht verlegenen Lächeln wendet er sich an Kyoko. „Entschuldige, bitte, Kyoko-chan. Ich kann es einfach immer noch nicht fassen, wie ähnlich du deinem Vater siehst. – Dabei kann man nicht einmal sagen, dass du gar nichts von deiner Mutter hast.“ Kyoko schluckt schwer und kann ihre plötzlich aufkommende Enttäuschung kaum verbergen. „Nein, nein!“, winkt ihr Großvater lächelnd ab, als er ihren leicht verzweifelten Blick bemerkt. „Es ist nicht schlimm. Es ist nur so, dass ich dich ja schon eine Weile in den Medien beobachte ... und als ich dich und Tsuruga-san auf der UNICEF-Gala letztes Wochenende tanzen gesehen habe, da ist mir aufgegangen, dass du die Eleganz und Anmut deiner Mutter geerbt hast.“ „Na ja“, merkt Ren grummelnd an, „ob man bei Saena Mogami wirklich von Anmut sprechen kann...?“ „Doch, doch, Tsuruga-san, das kann man.“, gibt Ryuichi ernst zurück. „Man kann dieser Frau sicher vieles vorwerfen, aber sie versteht es, sich wirklich anmutig zu bewegen und solange die Dinge nach ihren Wünschen laufen, kann sie durchaus auch sehr kultiviert und charmant sein. Was ihr dagegen immer gefehlt hat, war Herzenswärme; etwas, das mein Sohn – mitunter leider sehr zu seinem Nachteil – im Überfluss hatte.“ Leise seufzend nippt er an seiner Teetasse und auch die beiden Schauspieler auf dem Sofa nutzen die kurze Sprechpause, um davon zu kosten. „Wie es aussieht“, wendet Ryuichi sich nun lächelnd an Kyoko, „hast du zumindest eine große Portion seiner Warmherzigkeit mitbekommen. – Ich bin zwar auf der Gala nie näher als 20 Meter an dich und Tsuruga-san herangekommen, aber ich habe sehr wohl mitbekommen, wie freundlich und herzlich du mit den Fans umgegangen bist, die dich den ganzen Abend umlagert haben.“ Lächelnd sieht zu Ren hinüber. „Ich bin Ihnen übrigens mehr als dankbar, dass Sie an dem Abend ein Auge auf meine Enkelin hatten, Tsuruga-san, insbesondere diese Reporter waren ja zeitweise richtig aufdringlich.“ Ren lächelt. „Keine Ursache. Es war mir ein ausgesprochenes Vergnügen.“ Kyoko ist unwillkürlich rosa angelaufen, dennoch brennt ihr eine Frage auf dem Herzen. „Ich...“, stammelt sie leise und räuspert sich kurz. „Wie... Wie war er sonst so, ... mein Vater? Meine Mutter hat nie auch nur ein Wort über ihn verloren, Hawatari-san...“ „Bitte sag doch Großvater. Oder Ryuichi, wenn dir das lieber ist.“, sagt Ryuichi und räuspert sich dann seinerseits. „Kyouya war als Kind ein sehr stiller, verträumter Junge; immer hilfsbereit und freundlich ... und oft furchtbar schüchtern.“ Ren wirft Kyoko ein amüsiertes Lächeln zu, das auch Ryuichi nicht entgeht, der darauf für einen Augenblick ein wenig irritiert scheint. „Seine Schüchternheit hat sich später etwas gegeben, aber trotzdem ist er immer ein zurückhaltender Mensch geblieben. Er hat seine Mutter früh verloren und weil ich beruflich damals ziemlich eingespannt war, hat ihn quasi unsere Haushälterin großgezogen.“ Der alte Herr senkt ein wenig beschämt den Kopf. „Nein, ehrlich gesagt, habe ich mich davor gedrückt, allzu oft Zeit mit ihm zu verbringen; er hat mich so unglaublich an meine Frau erinnert. Eine zeitlang hat es furchtbar wehgetan, ihn einfach nur anzusehen.“ Ryuichi atmet tief durch und sieht Kyoko direkt in die Augen. „Ich hätte ihm damals sicher ein besserer Vater sein können... Jedenfalls hatte das wohl zur Folge, dass er sich für eine Weile ziemlich einsam gefühlt hat. Zudem stellte sich in der Schule schon bald heraus, dass viele Mitschüler nur mit ihm befreundet sein wollten, weil er mein Sohn war. Darunter hat er eine Weile sehr gelitten, allerdings hat er dann doch recht schnell herausgefunden, dass er auch wirklich gute Freunde hatte, denen er unbedingt vertrauen konnte. Er hat immer davon geträumt, Frau und Kinder zu haben und ein harmonisches, glückliches Familienleben zu haben, darum war er auch so furchtbar enttäuscht, als er bemerkt hat, wie berechnend und abgebrüht Saena Mogami war; er war damals wirklich zutiefst verletzt. Danach hatte er jedenfalls nie wieder eine Beziehung, die länger als ein paar Wochen gedauert hätte. – Und als Saena dann irgendwann wieder aufgetaucht ist, wollte er dich eigentlich zu sich holen.“ Kyoko hebt überrascht sie Augenbrauen. „Ja, das wollte er wirklich.“, bestätigt Ryuichi ernst. „Er wollte dich nicht in den Händen dieser unverantwortlichen Frau lassen, weil er meinte, dass sie zum einen überhaupt nicht mit Geld umgehen könne und zum anderen auch nicht eine Person sei, der man die Erziehung eines Kindes anvertrauen würde, weil sie viel zu hart und berechnend sei. Er hat sie sogar als vollkommen gefühllos bezeichnet.“ „Womit er wahrscheinlich auch Recht hatte.“, murmelt Ren seufzend. „Darf ich fragen, warum er Kyoko dann doch nicht von ihr weggeholt hat?“ Ryuichi seufzt tief und holt geräuschvoll Luft. „Weil ich es ihm damals ausgeredet habe.“, gesteht er leise. „Heute tut es mir entsetzlich Leid, Kyoko-chan. Wenn ich dich so hier sitzen sehe...“ Für ein paar Momente versagt ihm die Stimme, dann räuspert er sich erneut. „Es hätte dir sicher einiges erspart.“ „Das kann schon sein.“, meint Kyoko leise und mit belegter Stimme. „Auf der anderen Seite hätte ich dann sicher einige Erfahrungen nicht gemacht und einige Menschen nicht getroffen, die ich um nichts auf der Welt missen möchte.“ „Es ist schön, dass du das so sehen kannst“, meint Ryuichi, „aber vielleicht würdest du das im anderen Fall jetzt auch sagen.“ Kyoko lächelt plötzlich warm. „In einem speziellen Fall glaube ich das ganz sicher nicht.“, sagt sie. „Außerdem hätte ich dann höchstwahrscheinlich nie mein Talent für die Schauspielerei entdeckt.“ „Nun ja, vermutlich eher nicht.“, gibt ihr Großvater schmunzelnd zu. „Aber mal eine ganz andere Frage, mein Kind. Und ich bitte dich inständig, sie mir ehrlich zu beantworten.“ „Wenn ich kann.“ „Fühlst du dich in Takarada-sans Obhut wohl?“, beginnt er und setzt gleich noch hinzu: „Ich meine, man merkt schon, dass ihm was an dir liegt, aber ... er ist schon auch ein wenig ... merkwürdig. Dass es dir materiell an nichts mehr mangelt, kann man ja unschwer erkennen, aber ... es gibt ja da auch noch eine zwischenmenschliche Komponente...“ Kyokos höchst verwirrter Gesichtsausdruck lässt ihn abrupt innehalten. „Ja, schon...“, stammelt sie unsicher, „Takarada-san ist schon etwas merkwürdig, aber... Worauf willst du hinaus, ...ähm... Großvater?“ Ryuichi ist wahrhaftig damit beschäftigt, in vollen Zügen zu genießen, dass Kyoko ihn gerade tatsächlich Großvater genannt hat, statt über eine Antwort nachzudenken, während Ren nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken kann. „ Merkwürdig “, meint der junge Schauspieler schließlich mit einem breiten Grinsen im Gesicht, „ist aber ausgesprochen höflich ausgedrückt. – Die meisten anderen Leute, die ihn nicht genauer kennen, würden ihn für komplett verrückt halten.“ Ryuichi schaut ihn so verdutzt an, dass Ren nun doch leise kichern muss, immerhin sieht der alte Mann seiner Kyoko im Moment selbst verblüffend ähnlich; zumindest im Gesicht. „Verzeihen Sie mir, Hawatari-san“, sagt er dann, „aber wie es scheint, sind sie einem – durchaus nicht ganz ungewollten – Irrtum aufgesessen. Derjenige, der Kyokos Vormund ist, bin ich.“ Der alte Herr schaut verwirrt zu Kyoko, die darauf postwendend rot anläuft und nervös an ihrem Ring herumspielt. „Oh!“, macht Ryuichi, kann jedoch mit dieser Information einstweilen noch nicht allzu viel anfangen. Fragend sieht er Ren an. „Als ihre Mutter neulich aus heiterem Himmel aufgetaucht ist und ihr gesamtes Leben nicht nur erneut auf den Kopf stellen, sondern sich auch noch vehement und höchst destruktiv in ihr gesamtes Leben einmischen wollte, hab ich Kyoko einen Heiratsantrag gemacht, den sie auch angenommen hat. Es ist eine längere Geschichte, die ich ihnen bei Gelegenheit bestimmt noch genauer erzählen werde, für den Moment sollte dies allerdings genügen: Kyoko ist meine rechtmäßig angetraute Ehefrau.“ Einen Moment lang starrt Ryuichi Hawatari mit offenem Mund auf Rens nach wie vor herzliches Lächeln, dann wandern seine Mundwinkel langsam nach oben, bis er schließlich übers ganze Gesicht strahlt. „Uff!“, macht er dann erleichtert. „Da denkt man, man hat nur noch eine Schwester, die man nur zweimal im Jahr zu Gesicht bekommt, weil sie mit ihrem Mann in Hong Kong lebt ... und dann kriegt man – mir nichts, dir nichts – plötzlich nicht nur eine entzückende Enkelin auf dem Silbertablett serviert, sondern auch noch einen stattlichen Schwiegersohn dazu. Eigentlich hatte ich mich schon damit abgefunden, als Letzter der Familie hier in Japan übrig zu bleiben.“ Freudestrahlend klingelt er nach der Haushälterin. „Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist!“ „Freut mich, wenn Sie es so betrachten.“, sagt Ren lächelnd. „Allerdings muss ich Sie trotzdem darum bitten, es vorerst nicht weiterzuerzählen, Hawatari-san. Unsere Beziehung wird leider zurzeit noch wie ein Staatsgeheimnis gehandelt.“ Sowohl Kyoko als auch Ren seufzen leise. „Aha.“, macht Ryuichi nachdenklich. „Aus PR-Gründen?“ „Nein, das weniger.“, stellt Ren ernst klar. „Wenn es nach mir ginge, würde ich es lieber heute als morgen publik machen, aber es gibt einige ziemlich unangenehme Fans, die Kyoko in dem Fall mit ziemlicher Sicherheit das Leben zur Hölle machen würden. Darum tasten wir uns an die Bekanntmachung lieber langsam und vorsichtig heran.“ „Jaa... Ja..., das klingt vernünftig.“ Ryuichi denkt einen Moment nach, dann fällt ihm etwas ein. „Aber bitte, mein Junge, ich finde, es ist durchaus angebracht, dass du mich auch Großvater nennst. Oder wahlweise Ryuichi. – Komisch eigentlich: Auf der Gala dachte ich noch so, dass ihr Beide durchaus ein schönes Paar abgeben würdet. Ich war sehr beeindruckt, wie ihr das Tanzen bei diesem Größenunterschied gemeistert habt.“ „Na ja“, winkt Kyoko verlegen ab, „wir hatten ja für den Film, den wir gerade drehen, sowieso Unterricht in Gesellschaftstanz...“ „Trotzdem... Darüber hinaus war ja Ren-kun auch die ganze Zeit bemüht, dir allzu aufdringliche Verehrer und Reporter vom Hals zu halten, nicht?“ Ryuichi hält einen Moment inne und muss plötzlich lachen. „Du warst eifersüchtig, Ren-kun, oder?“ Ren reagiert unerwartet verlegen. „Schon.“, gibt er zu. „Ein bisschen. – Aber vor allem wollte ich mal in vollen Zügen auskosten, meine Frau in aller Öffentlichkeit den ganzen Abend lang für mich allein zu haben.“ „Das ist eine gute Einstellung.“, schmunzelt Ryuichi. Kaede erscheint nach kurzem Klopfen im Zimmer, ein Tablett mit Sake und drei Schälchen in den Händen. „Kaede-san, Sie sind ein wahrer Schatz!“, entfährt es Ryuichi lächelnd. „Können Sie etwa Gedanken lesen?“ „Nicht dass ich wüsste.“, gibt Kaede trocken zurück, während sie das Tablett auf dem Tisch abstellt. „Aber es gehört nicht viel dazu, zu begreifen, dass Sie jetzt einen Sake brauchen, wenn Sie nach mir klingeln, Hawatari-sama. Entweder, weil Sie etwas zur Beruhigung brauchen oder weil es etwas zu Feiern gibt.“ Sie lächelt kurz in die Runde. „Und nach den Gesichtern zu urteilen, gehe ich von Letzterem aus.“ „Oh, ja es gibt einen Grund zum Feiern“, meint Ryuichi lachend. „Eine Familienzusammenführung ist immer ein guter Grund, meine Liebe.“ „Das freut mich aber.“, findet Kaede. „Dann kommen Sie jetzt hoffentlich häufiger zu Besuch, Kyoko-sama.“ „Ich... Ja, wenn ich darf.“, stammelt Kyoko verlegen. „Und natürlich, wenn der Terminplan es erlaubt.“, fügt Ren grinsend hinzu. „Du... Ihr Beide seid jederzeit hier im Haus willkommen.“, meint Ryuichi mit einem warmen Lächeln. „Auch wenn du nur mal eine Pause brauchst, Kyoko-chan.“ „Ach, das geht schon.“, meint Kyoko und deutet grinsend auf Ren. „Dieser Herr da bräuchte sicher eher mal so was wie Urlaub; er ist nämlich ein echter Workaholic.“ Ren grinst breit zurück. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen! – Ich schicke sie dir, wenn ich sie mal nicht zur Räson kriege, Ryuichi-san.“, setzt er dann lachend hinzu. „Aber Vorsicht, die junge Dame kann verdammt stur sein. Es kann nämlich ziemlich schwierig sein, sie davon abzuhalten, den Haushalt ganz allein zu schmeißen oder nach einem 14-Stunden-Tag noch zu kochen.“ „Was soll ich machen, wenn du in all den Stunden, kaum was isst?“, gibt Kyoko ein wenig beleidigt zurück. Unvermittelt greift Ren nach ihrer Hand und küsst lächelnd ihren Handrücken. „Wie wär’s mir Essen gehen?“, fragt er verschmitzt. „Damit du wieder die Gelegenheit kriegst, in einem furchtbar teuren Restaurant dein Geld unnütz auf den Kopf zu hauen?!“, empört sich Kyoko leise. „ Unser Geld.“, berichtigt Ren sanft. „Und keine Sorge, es ist mehr als genug davon da. – Und es vermehrt sich zudem prächtig.“ „Sind die Beiden ein Paar?“, fragt Kaede leise den Hausherrn, der darauf ein wenig hilflos zu dem jungen Ehepaar sieht. „Es ist schon in Ordnung.“, meint Ren gelassen und nickt bestätigend in Kaedes Richtung. „Aber bitte erzählen Sie es nicht weiter.“ „Natürlich nicht.“, antwortet Kaede ernst. „Ehrensache.“ „Na gut.“, wirft Ryuichi unvermittelt ein. „Würden Sie uns bitte die Fotoalben holen, Kaede-san? Ich denke, es ist sicher ganz interessant für unser Nesthäkchen.“ „Gern, Hawatari-sama, ich bin schon unterwegs.“, gibt die Haushälterin lächelnd zurück und macht sich auch gleich auf den Weg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)