Happy even when sorrowful 悲傷也快樂 Bei Shang Ye Kuai Le von Michiaki (Der talentierte Mr. Ripley) ================================================================================ Kapitel 4: Wahrheit? -------------------- Peter war traurig. Er zweifelte an sich und seinen Fähigkeiten. Bis jetzt hatte er immer allen Menschen helfen können, allen um ihn herum Glück gebracht. Doch mit Tom war es gänzlich anders. Seine verletzte Seele hatte noch viele offene Wunden, die er mit unbewusster Gewalt verteidigte. Peter hatte lange Jahre als Seelsorger gedient, aber diese Intensität an menschlichem Leid war ihm noch nicht untergekommen. Während er in Toms hellgraue Augen blickte, füllten sich diese mit Tränen. "Es tut mir Leid, Peter..." Tom ließ ihn los und gab den Weg frei. Schweigend ging Peter an ihm vorbei, nahm seine Sachen vom Boden und zog sie über seinen Pyjama. Mit einem leisen Klicken der Tür verließ er Toms Kabine. Seine eigene Kabine war nur wenige Schritte entfernt. Im Flur traf er auf Mr. Logue Senior, den Vater von Meredith. "Guten Morgen, Mr. Smith-Kingsley! Sie sind also doch auf diesem Schiff!" Peter stutzte, grüßte aber dennoch freundlich zurück: "Einen schönen guten Morgen, Mr. Logue. Warum sollte ich denn nicht hier sein?" Mr. Logue machte eine wegwerfende Geste. "Ach wissen Sie, meine Tochter hat erzählt, Dickie Greenleaf hier getroffen zu haben. Und der behauptet steif und fest, weder mit ihnen zu reisen noch sie gesehen zu haben. Ich meine, seien wir mal ehrlich, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, auf einem Schiff mittlerer Größe und drei Decks unter 47 anderen Passagieren nicht seinen alten Freund wiederzuerkennen? Ich meine, früher oder später muss man sich doch begegnen, Sie sind schließlich nicht menschenfremd! Peter wollte antworten, dass er mit Tom Ripley reise, unterließ es dann aber, weil ihm ein Licht aufging. Tom musste sich als Dickie ausgegeben haben, um Meredith näher zu kommen! Peters Herz krampfte sich zusammen, doch er antwortete. "Gewiss." "Wissen Sie, mein kleines Mädchen ist ja so verliebt. Redet von Heirat und einer Zukunft in Rom. Aber ich habe mich schlau gemacht. Dieser Dickie mag zwar Ihr Freund sein, aber mir scheint, er ist ein ganz krummer Hund. Dieses Dolce Vita in Mongibello hat ihn ganz faul und verschlagen gemacht. Und jetzt noch diese Mordgerüchte. Was soll man als Vater dazu sagen, frage ich Sie?" "Ich bin sicher, das wird sich alles aufklären.", versicherte Peter diplomatisch. Der alte Mr. Logue mochte ein schlauer Kopf sein und mit Sicherheit ein herzensguter Mensch, doch dass er so schlecht über Dickie sprach, konnte Peter nicht hinnehmen. Er fragte sich seit Monaten, wo sein Jugendfreund abgeblieben war. Dem Abschiedsbrief, der ihm und Tom in Venedig unterbreitet wurde, hatte er zumindest wenig Glauben geschenkt. Peter konnte sich vorstellen, dass Dickie schlicht und ergreifend Angst hatte, sich den Untersuchungen im Mordfall Miles zu stellen. Doch dass er Freddie wirklich umgebracht haben sollte, konnte Peter einfach nicht glauben. Zwar war Miles teilweise eine Nervensäge gewesen, der Peters Homosexualität früh erkannt und immer wieder in Dickies Gegenwart darauf angespielt hatte, jedoch konnte Peter sich nicht vorstellen, dass er Dickie bis zum Äußersten gebracht haben sollte. Peter überlegte, wie die Dinge zusammen passen könnten. Ihm wurden immer wieder kleine Brocken eines riesigen Rätsels zugeworfen, vor dessen Lösung er sich fürchtete. Mr. Logue schaltete sich mitfühlend ein: "Vielleicht hat ihr Kumpan auch nur einen Scherz gemacht, um seine Liebste zu verwirren, ohne zu wissen, wie viele Sorgen Sie sich um ihn machen? Es wird sich wohl wirklich alles aufklären, wie Sie meinten. Zuallererst ist mir aber wichtig, Ihnen zu sagen, dass wir Ihnen in Athen lauschen werden. Meredith ist schon ganz aufgeregt, Sie wissen ja, wie das mit den Frauen ist." Peter lächelte dem älteren Mann freundlich zu. "Sie sollten heute unbedingt mal an die Reling gehen, dass Wasser ist so klar wie nie!", empfahl Mr. Logue und verabschiedete sich. Man konnte es seinem schönen Gesicht nicht ansehen, doch innerlich kämpfte Peter mit sich selbst. Er sah dem Mann noch hinterher, dann verschwand er in seiner Kabine. Gegen die Tür gelehnt, schluchzte er herzzereißend auf. Das war zuviel für ihn gewesen. Meredith hier, Meredith da. Und dann die Sache mit Dickie. Peter glaubte jetzt mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit zu wissen, dass Tom sich als Dickie ausgeben hatte. Es lag freilich auf der Hand- wenn Tom seinen Scheitel auf die andere Seite legte und die Hornbrille abnahm, sah er seinem Jugendfreund wirklich zum Verwechseln ähnlich. Doch er wusste immer noch nicht, warum er das tat. Peter stieg aus seiner Kleidung und warf sich im Bad einen Schwall Wasser über den Körper und ins Gesicht. Beim Zähneputzen liefen ihm heiße Tränen übers Gesicht. Er sah in den Spiegel vor ihm und erkannte sich selbst nicht. ****************************************************************************** 26.02.07 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)