Unwell von -Red-Karasu ================================================================================ Kapitel 1: 1. Silence --------------------- 1. Silence   [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Ich hebe die Hand und schiebe die schweren Vorhänge vor meinem Fenster etwas zur Seite, sodass ich auf die Straße hinunterblicken kann. Es regnet mal nicht – zur Abwechslung. Ich strecke mich kurz und setze mich etwas bequemer hin, kuschele mich noch ein wenig tiefer in meinen Pullover. Nicht dass es hier wirklich kalt wäre, aber es könnte auch wärmer sein. Ich lasse den Vorhang wieder los und wende meine Augen ab. Einige Sekunden irrt mein Blick durch das Dämmerlicht in meinem Schlafzimmer, bleibt letztendlich aber wieder an der Zimmerdecke hängen.[/LEFT] Nichts Besonderes. Eine kahle, weiße Fläche. Die einzige an die ich nicht herankomme. Unbefleckt. Also bestens zum Anstarren geeignet.   All day Staring at the ceiling Making friends with shadows on my wall   Ich zucke leicht zusammen, als ein vorüberfahrendes Auto mit seinen Scheinwerfern Lichtspiele auf die Wände wirft und neue Schatten entstehen lässt. Hallo auch, schön euch kennenzulernen. Flüchtige Bekanntschaften, aber die einzigen, die ich momentan ertragen kann. Vor allem widersprechen sie einem nicht, egal was man so von sich gibt. Ich merke kaum, dass es irgendwann Abend wird. Nur mein knurrender Magen macht mich darauf aufmerksam, dass ich mich vielleicht mal erheben und nach etwas Essbarem suchen sollte. Ich schiebe mir kurzerhand eine Tiefkühlpizza in den Ofen. Das Zeug schmeckt zwar sowieso nur wie Pappe, macht aber immerhin satt. Und für mehr habe ich ehrlicherweise weder Kraft noch Nerven. Mit einem Päckchen Milch in der Hand setze ich mich an den Küchentisch, während ich auf mein Essen warte. Ich trinke einen Schluck – direkt aus dem Karton, Gläser werden überbewertet – und entdecke dann einen Zettel, der auf dem Tisch liegt. Eindeutig deine Handschrift also wird er wohl für mich sein.   „Hey, ich bin zu Kao gegangen, ok? Ich versuch nicht zu lang wegzubleiben. Bitte iss was, Kyo. Ich liebe dich“   Ich gebe ein grunzendes Geräusch von mir. War ja klar. Natürlich bist du bei Kaoru, wo auch sonst. Ich seufze. Was beschwere ich mich eigentlich? Was willst du hier in unserer Wohnung, wenn ich mich eh nur in meinem Zimmer einsperre und kein Wort mit dir rede? So wie ich dich im Moment behandle, kann ich dir kaum übel nehmen, dass du dir angenehmere Gesellschaft suchst. Das sind jetzt eben die Konsequenzen, die ich nicht anders verdient habe.   Ich lade die Pizza auf einen Teller, greife noch nach Messer und Gabel und nehme dann alles zusammen mit ins Schlafzimmer. Ich setze mich wieder auf meinen üblichen Platz auf dem Fensterbrett und lehne mich an die kalte Wand. Während ich langsam esse, lasse ich meine Gedanken schweifen. Ich dachte immer, wir könnten glücklich sein, du und ich. Ich dachte, ich könnte mit dir glücklich sein, endlich einmal. Und ich liebe dich wirklich, Die, mehr als du vermutlich glaubst. Falls du überhaupt noch denkst, dass ich dich liebe. Aber glaub es oder nicht, aber ich weiß genau, dass mein Verhalten dich wahnsinnig verletzt. Ich sehe, wie schlecht es dir geht und ich weiß auch, dass du zu Kaoru gehst, damit du jemanden hast, der dich trösten kann und der dir zuhört. Nachdenklich kaue ich weiter auf meiner Pizza herum. Obwohl du nicht hier bist, kann ich dennoch in Gedanken deine Stimme hören. Diesen warmen, besorgten Tonfall, der mir Schauer über den Rücken jagt. Schon vor Monaten warst du wahnsinnig besorgt um mich. Du meintest, ich würde zu wenig schlafen, weil ich oft die ganze Nacht wach war, um zu schreiben. Du hast oft, wenn du gemerkt hast, dass es mir schlecht geht, gesagt, dass ich nach vorn sehen sollte. Dass immer etwas Gutes passiert, auch wenn es im Moment nicht so aussieht. Ich habe dich immer für deine positive Art bewundert und du hast mich damit oft davor bewahrt Blödsinn anzustellen. All night Hearing voices telling me That I should get some sleep Because tomorrow might be good for something Hold on   Aber um ehrlich zu sein – im Moment hilft mir das nicht. Es würde mich weiterbringen, wenn ich wüsste, warum ich mich so seltsam fühle, so voll und so unfassbar leer gleichzeitig. So vollkommen gleichgültig und antriebslos. Die Einsicht kommt allerdings nicht. Und diesmal hab ich wirklich keine Ahnung, was mit mir ist. Ich hätte allen Grund glücklich zu sein. Ich bin mit dir, dem Mann, den ich liebe, zusammen; in der Band läuft alles wunderbar und auch den anderen geht es gut. Es sollte alles wie am Schnürchen laufen und jetzt muss ich natürlich wieder aus der Reihe fallen und so eine Phase haben, nur weil mein Hirn meint, dass alles andere anscheinend zu einfach wäre. Obwohl es mir gutgehen sollte, habe ich das Gefühl, dass das alles die Ruhe vor dem Sturm ist, dass irgendetwas passieren wird, das meine kleine Welt auseinander reißt.   I'm feeling like I'm headed for a Breakdown And I don't know why   Das klingt, als wäre ich total paranoid. Ich schüttele über mich selbst den Kopf und stelle meinen mittlerweile leeren Teller beiseite. Ich mag ja ziemlich seltsam im Kopf sein, aber so verquer eigentlich dann doch nicht. Dachte ich bisher zumindest. Vielleicht ist es für mich einfach seltsam, ausnahmsweise mal nicht permanent Schadensbegrenzung in meinem eigenen Leben betreiben zu müssen. Ich kann zwar noch nicht sagen, woran es nun liegt, aber ich hoffe, das gibt sich wieder, weil ich allmählich wirklich nicht mehr weiß, wie es sonst weitergeht mit mir. Wenn ich deine Liebe genießen könnte, wäre es sicher nicht so schlimm. Wir wohnen noch nicht lang zusammen. Oder sagen wir es so, es ist noch nicht lange her, dass du dich von heute auf morgen bei mir einquartiert hast, um zu verhindern, dass ich Mist anstelle. Ich muss leicht lächeln. Ich werde nie vergessen wie du damals mit deinem Kram bepackt und einem breiten Grinsen im Gesicht vor meiner Tür standest und mir verkündet hast, dass du bei mir einziehst – während du deine Sachen schon ohne Umschweife in meine Wohnung geschafft hast wohlgemerkt.   Ich stehe auf und schmeiße mich auf mein Bett, rolle mich auf den Rücken, starre wieder an die Decke. Es kotzt mich an. Ich will, dass du auch mal was anderes an mir kennenlernst, als den Kyo, der miesepetrig und verschwiegen vor sich hin vegetiert. Ich will, dass du auch mal den Tooru Nishimura siehst, der dich mit ganzer Seele liebt und der dir das auch zeigen kann.   I'm not crazy, I'm just a little unwell I know, right now you can't tell But stay awhile and maybe then you'll see A different side of me   Ich will es wirklich, auch wenn ich es momentan noch nicht kann, ich will es dir zeigen. Ich weiß, dass es dir nichts ausmacht, zumindest sagst du das und ich weiß wie du es meinst. Du weißt, dass ich dich liebe. Ich hab es dir schließlich nicht umsonst gesagt, geschrieben, gesungen. Aber trotzdem. Ich sehe, dass es an dir nagt. Genau wie an mir. Aber ich werde mir Mühe geben, das schwöre ich mir und dir auch, damit das alles hier irgendwie besser wird. Du hast mir einmal gesagt, dass du mich einmal wieder so lachen sehen willst, wie damals als wir mit Dir en grey gerade angefangen hatten und ich werde dir diesen Wunsch irgendwie erfüllen.   I'm not crazy, I'm just a little impaired I know, right now you don't care But soon enough you're gonna think of me And how I used to be   Kapitel 2: 2. Insight --------------------- 2. Insight     Am nächsten Morgen wache ich nur langsam auf. Das Erste, was ich wahrnehme ist, dass es warm ist und nach dir riecht. Ich blinzele und erkenne, dass du mich anscheinend im Schlaf in den Armen gehalten hast. Einen Moment lang frage ich mich, warum du überhaupt hier bist und nicht in deinem Bett, beschließe dann aber, dass ich nichts dagegen habe. Ich kuschele mich noch ein wenig mehr an deinen Körper, genieße die Wärme, die du mir gibst. Leider wachst du dadurch auf. Erst ein wenig verwirrt, dann mit einem verschlafenen Lächeln auf den Lippen siehst du mich an.   „Guten Morgen…“ Ich nicke nur leicht. „Wie…geht es dir?“ Ich spüre, wie deine Hand sacht durch meine Haare fährt, mich dann leicht im Genick krault. Ich sollte das genießen, aber mir krampft sich das Herz zusammen und ich muss darum kämpfen nicht panisch zu werden. „Geht schon…“, nuschele ich leise, verkrieche mich an dir. Es tut mir so wahnsinnig weh, dich so zu sehen. Ich weiß, dass es dich verletzt, wie ich bin, aber ich schaffe es nicht das zu ändern. „Die?“ „Mh?“ Ich richte mich etwas auf und sehe dir in die Augen. „Ich…liebe dich.“ Etwas zittrig verlassen die Worte meinen Mund. Deine Hand streicht sanft über meine Wange, wischt eine Träne weg, die ich nicht einmal bemerkt habe.   „Ich weiß Kyo. Ich liebe dich auch.“ Du ziehst mich leicht zu dir, küsst mich liebevoll.   Eine ganze Weile herrscht Schweigen, wir hängen beide unseren Gedanken hinterher. Schließlich bist wieder einmal du es, der die Stille bricht. „Wir haben heute Probe…“ Wieder nicke ich nur. „Ist das okay für dich? Oder soll ich Kaoru fragen, ob wir es verschieben können?“ Jetzt schüttele ich den Kopf. „Nein, das geht schon. Irgendwann müssen wir ja mal was machen, oder?“ Ich versuche irgendwie zuversichtlich zu klingen. Vielleicht hilft es mir ja sogar, wenn ich hier mal rauskomme, auch wenn ich mich allein bei dem Gedanken, meine gewohnten vier Wände zu verlassen, einfach nur unglaublich unwohl fühle.     Also machen wir uns, wie versprochen, knappe zwei Stunden später auf den Weg zu unserem Proberaum. Der Weg ist von meiner Wohnung aus – nicht ganz zufällig – nicht sehr weit. Und da heute anscheinend ausnahmsweise schönes Wetter ist, haben wir, oder eher du, beschlossen, dass wir zu Fuß gehen. Du, wie immer fällst du durch dein rotes Haar auf, hast ein kleines Lächeln im Gesicht, blinzelst gegen die durch die Wolken brechende Sonne, als könnte rein gar nichts deine gute Laune trüben. Deine Gitarre in ihrem Koffer mit dir tragend, bahnst du dir deinen Weg durch die Menschenmenge und achtest doch immer noch darauf, dass ich dir nicht verloren gehe. Ich laufe ein, zwei Schritte hinter dir und beobachte dich, lasse meine Blicke über die Menschen schweifen. Überall sehe ich nur die gleichen verschwiegenen, hinter gleichgültigen Masken verborgenen Gesichter, die von einem Ort zum nächsten hetzen. Dann erhasche ich in einem Schaufenster ein Aufblitzen von Gelbblond und bleibe stehen. Ich betrachte meine eigene jämmerliche Gestalt, tief in die wärmende Jacke verkrochen, mit leeren Augen vor sich hin starrend, im Schaufenster.   „Was ist nur aus dir geworden…“, brumme ich leise, fahre im nächsten Augenblick zusammen, weil du mir einen Kuss auf die Wange hauchst.   „Du bist wunderschön.“, flüstert deine Stimme erstaunlich liebevoll in mein Ohr, bevor du mich an der Hand nimmst und sanft mit dir ziehst. Etwas überrascht folge ich dir, blicke einem vorbeifahrenden Zug hinterher, während ich die Wärme deiner Hand an meinen kalten Fingern genieße.   Me Talking to myself in public Dodging glances on the train   Ich verstehe wirklich nicht, wieso du das alles für mich tust, und wie du es überhaupt so lange mit mir ausgehalten hast, aber in diesem Moment kann ich nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen schleicht.   „Danke.“   Ich sage es ganz leise, doch daran, dass du kurz meine Hand drückst, merke ich, dass du mich gehört hast. Womit habe ich jemanden wie dich eigentlich verdient? Mit einem Anflug von guter Laune setze ich den Weg fort.   Keine zehn Minuten später erreichen wir das Gebäude, in dem sich auch unser Proberaum befindet. Wir fahren mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock und betreten dann das Studio. Die anderen drei sind schon da, heben unisono die Köpfe als wir eintreten. Ich weiß nicht was es ist. Aber irgendwas macht mich sicher, dass ihr über mich geredet habt, versetzt mir einen geradezu körperlich schmerzhaften Stich. Ich murmele nur ein desinteressiertes ‚Hallo‘ und verziehe mich dann in meine Ecke, um meine Jacke auszuziehen und eine zu rauchen. Ich weiß nicht, warum ich mich so enttäuscht fühle. Klar, ich weiß, dass du mit Kaoru geredet hast. Ist ja dein gutes Recht und bei dem, was du durch mich mitmachen musst auch absolut verständlich. Wer bräuchte nicht hin und wieder jemanden zum Reden, wenn der eigene Freund ein mentales Wrack ist? Aber aus irgendeinem Grund zieht sich mir das Herz zusammen, wenn ich sehe, dass ihr anscheinend alle über mich geredet habt. Selbst wenn ich weiß, dass es mit ziemlicher Sicherheit nichts Schlechtes war und ihr euch sicher nur Sorgen macht, komme ich mir gewissermaßen verraten vor.   Ich höre zwischen Toshiyas Stimme, der wegen irgendwas auf Shinya einredet, der sich seinerseits vor ihm zu retten versucht, auch Kaoru leise sprechen oder eher ruhig, aber bestimmt auf dich einreden. Unwillkürlich balle ich die Hand zur Faust, während ich wieder einmal an eine kahle Wand starre. Hitze breitet sich in meinem Körper auf und ich habe das Gefühl vor plötzlicher Wut schreien zu müssen. Oder irgendetwas kurz und klein schlagen. Irgendetwas tun, um mit diesem ‚zu viel‘ das in mir immer mehr wird, besser fertig zu werden. Durch dieses leise Reden fühle ich mich nur noch mehr, als sei irgendetwas mit mir nicht in Ordnung. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist, dass sich das alles noch auf die Band auswirkt. Wenn diese Sache, das Wichtigste in meinem Leben neben dir, jetzt auch noch den Bach runter geht, habe ich nichts mehr, was mich noch am Leben hält, was vermutlich der einzige Grund dafür ist, dass ich irgendwie an meiner Selbstbeherrschung festhalten kann. I know I know they've all been talking 'bout me I can hear them whisper And it makes me think there must be something wrong With me   Was soll's. Ich werde das schon hinbekommen. Ich muss sogar. Ich werde dafür kämpfen, dass es weitergeht mit uns allen. Konzentriert atme ich einige Male tief ein und aus, bis ich das Gefühl habe, wieder etwas mehr Herr meiner selbst zu sein. Das wird schon. Muss werden. Egal um welchen Preis. Mit einem leisen Seufzen straffe ich meine Schultern und gehe dann langsam zu euch. Ich setze mich neben Die und erwidere ruhig eure neugierigen Blicke. Eine Weile herrscht Schweigen.   „Sollten wir nicht mal anfangen?“, frage ich dann und versuche zu lächeln. Ihr schaut mich kurz verwundert an, dann übernimmt Kaoru wie immer die Führung.   „Gute Idee“, er lacht kurz. „Dann mal los!“     Am Abend, als die Proben beendet sind und ich dich überreden konnte, dass wir mit dem Taxi nach Hause fahren, erreichen wir unsere Wohnung. Du betrittst sie vor mir und lässt dich aufs Sofa fallen. Ich wollte eigentlich ins Bad gehen, aber du hältst mich fest und ziehst mich zu dir, sodass ich stolpere und schließlich auf deinem Schoß lande. Ich sehe dich vorerst nur mit großen Augen an, was du mit einem warmen Lächeln erwiderst. Dieses Lächeln, das mir schon früher, nein eigentlich schon immer den Boden unter den Füßen weg gerissen hat. Selbst als ich mir noch nicht eingestehen wollte, dass ich mehr als Freundschaft für dich empfinde. Dieses Lächeln war eines der wenigen Dinge, dass mich immer erden konnte, immer ein bisschen ‚Zuhause‘ war, egal wo wir gerade waren oder was gerade passierte. Eine Zeit lang bleiben wir einfach so liegen, ich schmiege mich an deinen warmen Körper, atme entspannt deinen Geruch ein. Deine Hand ruht auf meinem Rücken, streichelt mich sanft. Es ist lang her, dass wir so etwas getan haben. Obwohl es nichts Besonderes ist.   „Dir geht es besser heute, oder?“, fragst du mich nach einer Weile leise. Es klingt hoffnungsvoll. Ich nicke nur, entscheide mich dann aber doch zu antworten. Ich wollte ja etwas ändern.   „…ich weiß zwar nicht warum…aber es ist leichter im Moment, ein bisschen zumindest.“ Ich atme kurz durch, hebe dann den Kopf, um dir in die Augen sehen zu können. „Ihr habt über mich geredet, oder?“   Du wirkst einen Moment lang erstaunt, siehst mich dann unsicher und ein wenig verlegen an. Du scheinst darüber nachzudenken, was du mir antworten sollst, nickst dann aber.   „Ja… Die anderen machen sich Sorgen um dich, Kyo.“ Du merkst, wie ich mich sofort verspanne. Ich kann nichts dagegen tun, ich fühle mich angegriffen. Deine Hand löst sich von meinem Rücken und beide legen sich an meine Wangen. „Und ich mache mir auch Sorgen.“   „Ich weiß.“ Meine Stimme ist leise, ich beiße die Zähne zusammen.   Obwohl du es nicht recht zulassen willst, stehe ich auf und gehe ins Bad. Ich spüre deine traurigen Blicke in meinem Rücken. Trotzdem schließe ich mit zittrigen Händen die Tür hinter mir. Ich lasse mich auf den Boden rutschen und starre an die Decke. Wie kann man nur so paranoid sein? Wie kann man die Sorge seiner besten Freunde als etwas so Schlechtes empfinden, als etwas das sie nur tun, um einen zu verletzen, statt einem Zeichen dafür, dass man ihnen wichtig ist? Ich schüttele den Kopf. So kann das wirklich nicht mehr weitergehen.   Out of all the hours thinking~ Somehow I've lost my mind   Ich nicke meinen Gedanken zu und raffe mich dann auf. Langsam ziehe ich mich aus, werfe einen kurzen, vernichtenden Blick in Richtung Spiegel und steige dann unter die Dusche. Ich drehe das Wasser auf und als die ersten Tropfen heißen Wassers auf meinen Körper fallen, atme ich durch. Es ist mir irgendwie klar geworden. Ich muss irgendetwas tun. So kann es nicht weitergehen. Schon allein wegen dir. Auch wenn du mich liebst, ich will dir das nicht antun, dass du mit mir, so wie ich jetzt bin, zusammen sein musst. Denn gerade, weil du mich liebst, werde ich auf diese Weise dein Herz in Stücke reißen ohne es zu wollen. Vermutlich ohne es zu bemerken. Also – bitte Die – halte noch ein bisschen durch. Ich werde mein Möglichstes tun, um es zu ändern.   I'm not crazy, I'm just a little unwell I know, right now you can't tell But stay awhile and maybe then you'll see A different side of me   Ich seufzte, lasse das Wasser weiter über meine Haut rinnen. Meine Blicke gleiten über meine Arme, mein Mund verzieht sich. Ich empfinde keinen Ekel, eher eine tiefe Verbitterung. Die Spuren der vergangenen Jahre lassen sich nicht auslöschen, erinnern mich ständig daran, was ich getan haben und locken mich öfter, als mir lieb ist, diese Taten zu wiederholen. Aber das ist schon okay, sie gehören zu mir und sind gewissermaßen auch eine Erinnerung daran, was ich bisher überlebt habe. Solange ich die Kraft habe dir meine Liebe zu zeigen und wir alle zusammen unseren Traum von Musik weiterleben können, ist es auch gar nicht so wichtig, ob da nun ein paar Narben mehr oder weniger sind. Für unseren gemeinsamen Traum, für das, was wir zu fünft erschaffen konnten und auch weiterhin können, würde ich alles tun. Also werde ich jetzt alles versuchen, um wieder der Mensch zu werden, der ich eigentlich bin. Mit allen Höhen und Tiefen, aber der Kyo, der es sich gern antut mit euch zusammen auf Tour zu gehen, Konzerte zu spielen, sich bei den Albumsvorbereitungen fast mit euch zu schlagen und der auch einfach mal nur Mist mit seinen Freunden macht. Und nicht nur der, der antriebslos in irgendeiner Ecke hockt und nichts mehr auf die Reihe bekommt. Wie genau weiß ich noch nicht, aber irgendein Weg findet sich schon.   I'm not crazy, I'm just a little impaired I know right now you don't care But soon enough you're gonna think of me And how I used to be Kapitel 3: 3. Relief --------------------   3. Relief   Mitten in der Nacht wache ich auf, weil ich deine Stimme höre. Es dauert ein bisschen, bis ich begreife, dass du wieder und wieder eindringlich meinen Namen sagst. Ich öffne die Augen und begegne deinem besorgten Blick.   „Was ist?“, murmle ich verschlafen. Dein Gesichtsausdruck entspannt sich ein bisschen und du streichst mir leicht mit der Hand über die Stirn.   „Du hast im Schlaf geredet. Hattest du einen Albtraum?“ Ich schaue, glaube ich, ziemlich verwirrt drein und schüttele schwach den Kopf.   „N-nein, ich weiß nicht… Ich erinnere mich nicht daran einen gehabt zu haben…hab wohl zu tief geschlafen. Tut mir leid, dass ich dich geweckt hab, Die.“ Jetzt schüttelst du mit einem schwachen Lächeln den Kopf.   „Ist schon okay.“ Du schließt mich fest in die Arme und ich lehne mich gegen deinen Brustkorb.   „Sag mal“, beginne ich nach einer Weile. „Hast du mit hier geschlafen?“   „Nein. Ich hab dich drüben gehört, deswegen war ich auch so besorgt.“   „Mh…“ Ich seufze leise. „Hast du verstanden…was ich gesagt hab?“ Ich kralle mich leicht in dein Schlafshirt. Irgendwie ist mir zum Heulen zumute und ich fühle mich schon wieder vollkommen überfordert mit allem.   „Nicht genau. Aber es hat sich angehört, als ob dir irgendjemand etwas antun würde. Du hast richtig geschrien, als hättest du wahnsinnige Angst oder Schmerzen…“ Deine Stimme verklingt leise und du ziehst mich noch enger an dich.   „Die?“   „Mh?“ Ich merke, wie ich verlegen werde.   „Bleibst du heute Nacht hier bei mir?“   „Natürlich.“   „Danke…“   I've been talking in my sleep Pretty soon they'll come to get me Yeah, they're taking me away   Wir verharren lange so, bewegen uns nur hin und wieder, um bequem zu liegen. Ich merke, wie sich mein Körper langsam entspannt, aber einschlafen kann trotzdem ich nicht mehr. Ich starre an die Decke, lasse meine Blicke schweifen und werde schließlich von deinen dunklen Augen, die mich liebevoll anblicken, gefangen genommen.   „Ich werde doch nicht verrückt, oder?“ Sogar in meinen eigenen Ohren klingt meine Stimme brüchig und angsterfüllt. Aber du siehst mich nur erstaunt an, als verstündest du die Frage nicht.   „Wie kommst du darauf?“ Ich verkrieche mich in der Decke und suche Schutz in der Wärme, die von deinem Körper ausgeht.   „Naja… Ich…das ist doch nicht normal.“ Ich erschaudere leicht, als du mir mit einer Hand sacht über die Haare streichst.   „Was ist in dieser Welt schon normal, Kyo.“ Ich schüttele den Kopf, überlege, wie ich es dir verständlich machen kann.   „Das meine ich nicht. Wir waren schon immer anders, das ist mir klar, aber… Die, ich will nicht so sein, wie ich jetzt bin.“ Ich unterbreche mich und setze mich vielleicht ein wenig zu hastig auf, sehe dich aber weiterhin an. „Ich will nicht so sein...“   „Was meinst du? Dass du…dich verletzt…?“ Wieder ein Kopfschütteln von meiner Seite.   „Nein, nicht unbedingt. Oder, nicht nur. Ich will mich nicht so schwach und verletzlich fühlen, ich will nicht denken, dass ihr mir etwas Böses wollt, wenn ihr über mich redet… Und vor allem…“ Ich spüre ein Brennen in meinen Augen und versuche die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. „Vor allem will ich es genießen können, dass du meine Gefühle erwiderst…ich will uns genießen können und dir nicht immer nur Sorgen und schlaflose Nächte bereiten.“   Du ziehst mich wieder zu dir zurück, auch wenn ich versuche mich zu wehren. Vorsichtig küsst du die Tränen, die sich nun doch ihren Weg gebahnt haben, von meinen Wangen.   „Weißt du, Kyo, es ist nicht so schlimm. Auch wenn es dir jetzt nicht so gut geht, ich bin für dich da. Und ich bleibe bei dir, egal was ist.“ Ich höre ein leises Lächeln in deiner Stimme als du fortfährst. „Ein sehr kluger Mann hat mir gesagt, dass es Zeit braucht, bis so etwas vorübergeht und dass es viel Arbeit braucht. Aber es wird vorbeigehen. Wir schaffen das zusammen… Und irgendwann können wir wieder alle gemeinsam lachen.“   „Dieser weise Mann heißt nicht zufällig Kaoru Niikura?“   „Nur vielleicht.“ Ein Lächeln legt sich auf mein Gesicht, als ich mich zu dir hochrecke.   „Danke Die…“ Ich lege meine Lippen auf deine. Es ist das erste Mal seit Wochen, dass ich dich von mir aus auf diese Art und Weise küsse.   I'm not crazy, I'm just a little unwell I know, right now you can't tell But stay awhile and maybe then you'll see A different side of me   [LEFT]Als wir uns voneinander lösen siehst du mich ernst an.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Versprichst du mir etwas, Kyo?“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Was denn?“[/LEFT] [LEFT] „Wenn es dir schlecht geht, sag es mir. Oder geh zu Kao oder Shinya oder Toshiya, aber leide nicht allein, ja? Wir machen uns alle Sorgen, wir sind alle immer gern für dich da und wie alle vermissen den Kyo, der explodiert, wenn man ihn putzig nennt…“ Ich boxe ihn spielerisch in die Seite, werde aber gleich wieder ernster.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Ich versuche es, okay?“ Du nickst und ich kuschele mich wieder an dich.[/LEFT]   I'm not crazy I'm just a little impaired I know, right now you don't care But soon enough you're gonna think of me And how I used to be   Ich sehe durch das Fenster nach draußen, bemerke, dass es bereits beginnt zu dämmern, ohne das wir gemerkt hätte, wie spät es geworden ist. Ein bisschen ruhiger als noch vor Minuten beobachte ich, wie der Himmel sich verfärbt und genieße die Geborgenheit, die du mir gibst.   „Ich liebe dich...“, murmele ich leise. Als du nicht antwortest, sehe ich auf und bemerke, dass du nun doch eingeschlafen bist. Und trotzdem lässt du mich nicht los, im Gegenteil – du murmelst im Schlaf meinen Namen. Und das macht mich irgendwie sicher, dass es wirklich bald vorbei sein wird. Es gibt mir das Gefühl, dass ich nicht wirklich so allein bin, wie ich mich in den letzten Wochen gefühlt habe. Ich muss nur wieder lernen, dass ich mich auf euch verlassen kann, egal was passiert. Innerlich schüttele ich den Kopf. Wie hatte ich eigentlich so vergessen können, dass ich nicht allein bin? Wir waren doch immer füreinander da, egal was los war. Und das wird sich auch in Zukunft mit Sicherheit nicht ändern. Egal, was von nun an passiert und was aus uns werden wird. Erleichtert schließe ich die Augen und falle schließlich doch noch in einen ruhigeren Schlaf.   Well...I'm just a little unwell   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)