Blutsgeschwister von Wachtel ================================================================================ Kapitel 146: Eidbruch --------------------- Juni 1979 Hannah atmete tief aus, bevor sie den Türklopfer betätigte. Es war lange her seit sie zum letzten Mal in Potter Manor gewesen war. Das Anwesen hatte sich kaum verändert. Noch immer war der Garten sehr gepflegt und bereits auf dem langen Weg, die Einfahrt hinauf hatte Hannah mehrfach darüber nachgedacht wieder umzukehren. Natürlich war sie den Potters im letzten Jahr mehrfach im Hauptquartier des Ordens begegnet. Fabia war immer freundlich zu ihr gewesen. Niemals hatte sie sich anmerken lassen, dass etwas nicht stimmte. Nicolas würde bald ihr direkter Vorgesetzter sein. Er hatte sie im Orden auf ihre Veränderung angesprochen. Und doch hatte er sich vor ihren Pflegeeltern in Schutz genommen. Hannah gab es ungern zu, aber sie schämte sich den Potters zu begegnen. Es war einfach irgendwie fürchterlich unangenehm. Das letzte Mal, dass sie im Potter Manor gewesen war, war nach Deleishas Beerdigung gewesen. Damals waren Sirius und sie noch ein Team gewesen. Zur Zweit. Ohne Kleinkind. Ohne andere Anhängsel. Nur sie zwei. Doch Ebonys Geburtstag konnte sie nicht meiden. Sie war es dem Mädchen und auch Remus schuldig zu kommen. Fabia öffnete freudestrahlend die große Flügeltür. Hannah sackte das Herz in die Hose. „Hannahkind, komm rein.“, begrüßte sie sie. Hannah tat wie ihr befohlen und folgte Fabia durch die Eingangshalle. So weit sie es im vorbei gehen erfassen konnte hatte sich im Manor nichts verändert. Immer noch kam es ihr vor als wäre schrecklich viel Zeit vergangen. Sirius und die Anderen waren schon da. Fabia hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Sie hatte für einen kleinen überschaubaren Geburtstagstee im Esszimmer eingedeckt. Bunte Luftballons schwebten durch den Raum. Schwebende Girlanden kamen ihnen des öfteren in die Flugbahn. Hannah musste unweigerlich schmunzeln. Sirius saß am Tischende und hatte die kleine Ebony auf dem Arm. Seit Hannah ihre Nichte das letzte Mal gesehen hatte war sie beachtlich gewachsen. Braune Ringellocken umrandeten ihr puppenhaftes Gesicht. Ebby schien völlig damit beschäftigt Sirius Haare ineinander zu verknoten. Sie giggelte immer wieder erfreut, wenn es ihr Gelungen war eine Haarsträhne in die kleinen Hände zu bekommen. Sirius schien völlig von dem Mädchen vereinnahmt zu sein. Trotzdem sah er auf als Hannah den Raum betrat. Zur ihrer Überraschung schenkte er ihr ein breites Grinsen. Sie konnte nicht anders und grinste reflexartig zurück. Remus stand mit Mr. Potter und Peter vor den decken hohen bogenförmigen Fenstern. Mr. Potter zeigte auf etwas auf den Ländereien und Remus hörte aufmerksam zu. „Hannah!“ Lily war aufgestanden und ihr zu Begrüßung, um den Hals gefallen. „Lils! Du erdrückst mich.“, nuschelte sie in ihre roten Haare. Lily ließ los und betrachtete ihre Freundin zufrieden. „Ich bin einfach froh, dass du gekommen bist.“ Hannah nickte grimmig. „Ist nicht so, als hätte ich das verpassen wollen.“, sagte sie leise und reckte das Kinn in Richtung Ebony. „Wie geht’s deinem Rücken?“ Bevor Hannah Gelegenheit hatte zu antworten war Lily um sie herum geschnellt und entblößte ihren Rücken, in dem sie ihr Shirt ruckartig nach oben zog. „Lily!“, protestierte Hannah. „Muss das hier sein.“ Lily jedoch beachtete ihre Freundin nicht und strich mit ihren Fingern über die feinen Narben. „Sieht gut aus.“, urteilte sie schließlich. „Ey Mädels, mein Junggesellenabschied ist erst nächste Woche. Aber wenn ihr euch gegenseitig auszieht seit ihr natürlich gerne eingeladen.“ James erntete einen vernichtenden Blick von seiner Mutter und hob sofort abwehrend die Hände. „War nur ein Witz, Mum.“, nuschelte er hastig. „Das will ich auch schwer hoffen, Jamie.“, antwortete Fabia und stieß ihren Sohn in die Rippen. „Hol unseren Gästen etwas zu trinken.“ Hannah gluckste, während James aufs Wort gehorchte. „Bist du sicher, dass du ihn heiraten willst, Lily?“, fragte Cheryl über den Tisch hin weg. „Ich verspreche dir, ich könnte dir innerhalb eines Abends einen brauchbareren Kerl auftreiben.“ Lily schüttelte rasch den Kopf. Hannah bemerkte wie James erleichtert aus atmete. Sirius hielt währenddessen Ebony sorgsam die Ohren zu. „Hör nicht auf Onkel Krone, Kleines. Alle versauten Kommentare die der abgibt, werden dich niemals interessieren. Frühstens wenn du achtzig bist.“ James verdrehte genervt die Augen. Er bückte sich zu Hannah hinüber und drückte ihr eine Tasse Tee in die Hand. „Ich will wirklich nie erleben, wenn Ebby in die Pubertät kommt und ihm ihren ersten Freund vorstellt.“, feixte er. Hannah gluckste, verschluckte sich aber Mitten im Lachen, denn Remus hatte sich vom Fenster abgewandt und betrachtete das Geschehen. Er sah absolut schrecklich aus. Seine Haut war grellweiß. Düstere Augenringe umrandeten seine übernachteten Augen. Mehrere frische Kratzer und dunkelblaue Hämatome bedeckten sein Gesicht. „Schau nicht so, Schwesterchen.“, sagte er behutsam. „Er hat mir nicht erlaubt ihn zu heilen.“, bemerkte Lily entrüstet. „Vielleicht bekommst du ihn ja zur Vernunft.“ Hannahs Blick traf Remus und sie wusste augenblicklich, dass keine Chance bestand ihn dazu zu überreden. Er hob abwehrend eine Hand. „Ist halb so schlimm.“ „Du meinst, dass du aussiehst als wärst du zum Kannibalismus mutiert?“ Hannah betrachtete ihn abschätzig. „Was ist passiert, hast du ein Stück aus dir raus beißen wollen?“ Remus zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, ich bin nicht sonderlich nahrhaft.“, versuchte er zu Scherzen. Hannah antwortete ihm nicht. Fabia war währenddessen mit der Geburtstagstorte aus der Küche gekommen. Ein Traum aus pink. Sirius hatte anscheinend nicht sonderlich viel Mitspracherecht bei der Gestaltung gehabt. Blumen aus Marzipan zogen sich in den verschiedensten Farben über die Torte und formte eine Eins. „Was soll den all die langen Gesichter.“, sagte sie und stellte die Torte ab. „Wir haben schließlich etwas zu feiern.“ Strahlend betrachtete sie Ebony. „Die kleine Prinzessin wird schließlich nur einmal Eins.“ „Da hast du Recht, Mum!“, pflichtete James ihr bei. Die Torte schmeckte vorzüglich. Hannah hatte kurze Zeit, dass Gefühl als hätte sie Schokolade gegessen, nach dem sie gegen einen Dementor gekämpft hatte. Manchmal war sie sich auch nicht gänzlich sicher, was Fabia mit ihrem Essen so alles anstellte. Die Stimmung jedenfalls hellte sich beträchtlich auf. Ebony hatte beim Auspacken der Geschenke, deutlich mehr Spaß mit dem Geschenkpapier. Von Cheryl und Remus bekam sie eine Puppe. Peter schenkte ihr einen selbstgehäkelten Hippogreifen. Hannah ging stark davon aus, dass seine Mutter ihn gemacht hatte. Lily verschenkte ein hübsches Kleid. Wohin gegen Sirius gegen jeden Protest seiner Ziehmutter, doch einen Kinderbesen besorgt hatte. Fabia warf ihm absolut vernichtende Blicke zu. Verbot augenblicklich das Ebby den Besen in der Nähe ihres Porzellans ausprobieren durfte. Sirius protestierte natürlich lautstark und überlegte tatsächlich die Party in seine Wohnung zu verlegen, gab sich aber letztendlich geschlagen. James grinste Hannah zu und zwinkerte verschwörerisch. Ebony machte sich an dem vorletzten Geschenk zur Schaffen. Sie raschelte verheißungsvoll mit dem Geschenkpapier. Sirius musste nachhelfen als es darum ging, dass Papier über die Ecken des Kartons zu ziehen und den Karton zu öffnen. Zum Vorschein kam ein kleines Motorrad. Es erinnerte Hannah stark an die Bobycars der Muggelkinder. Sirius warf James einen überschwänglichen Blick zu und setzte Ebby kurzer Hand auf das Motorrad. Sie umklammerte den Lenker. Sirius betätigte demonstrativ die Hupe. Ebby lachte laut auf und ahmte es ihm nach. Sie freute sich sichtlich über das Geräusch und betätigte es immer wieder. „Klasse Sache, Krone!“ Sirius grinste über beide Ohren. „Ja, oder?“ James schien absolut zufrieden mit sich zu sein. Fabia stöhnte auf. „Jungs ihr seid unmöglich.“ Lily nickte zustimmend. Mrs. Potter ließ sich resignierend am Tisch nieder. „Peter, mein Junge?“, wandte sie sich an Wurmschwanz, der ihr am nächsten saß. „Ja, Mrs. Potter?“, fragte Peter eilig. „Bring mir einen Whiskey!“ Peter stand hastig auf und ging hinüber in die Küche. „MUM!“, stöhnte James entsetzt. „Was ist das?“, fragte Sirius und deutete auf das letzte Päckchen. Hannah trat unruhig vom einen Bein aufs Andere. „Von mir.“, murmelte sie. „Ebby!“ Sirius griff mit den Händen nach dem kleinen Mädchen und zog sie von dem Motorrad, unter kurzem Protest gab das quengelnde Mädchen nach. Sie schmiegte sich zufrieden an Sirius. „Da!“, machte Ebony und griff nach dem Geschenkpapier. Grob riss sie das Papier auf und drückte es zu kleinen Kugeln zusammen. Sirius zog eine winzige Lederjacke aus dem zerrissenen Papier. Sirius blickte von Hannah zu James, dann grinste er. „Ihr habt euch abgesprochen.“ James fuhr sich schmunzelnd durch die rabenschwarzen Haare. „Klar!“, erklärte er. „Ziemlich anstrengend mit zwei Frauen shoppen zu gehen übrigens.“ Hannah versetzte ihm einen Hieb auf den Oberarm. „Sorry, Feder!“ „Mir ist wirklich sehr nach einer großen Portion Hirschgulasch, Krone.“ Cheryl betrachtete ihren Cousin nachdenklich und blickte dann die Lederjacke in Sirius Hand an. „Bestimmt vorzügliches Hirschleder, oder?“ Sirius warf einen Blick in das Etikett der kleinen Jacke und nickte bestimmt. „Du hast es erfasst.“, sagte er. James schnaubte verächtlich und verschränkte bockig die Arme vor der Brust. „Tolle Freunde.“, bemerkte er beleidigt, doch keiner beachtete ihn. Sirius zog Ebony vorsichtig die Lederjacke an. Peter schoss ein Foto. „Schaut toll aus.“ Sirius stand auf, während Peter es sich zur Aufgabe mit dem Mädchen und dem Motorrad, um den Esstisch zu fahren. Er grinste Hannah zufrieden an und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Danke, Feder.“ „Wollen wir langsam?“, fragte Remus, nach einer Weile an Hannah gewandt. „Was?“, fragte sie verwirrt zurück. Remus warf Sirius einen vorwurfsvollen Blick zu. Er hatte inzwischen die kleine Ebony auf den Schoß genommen und fütterte sie mit Brei. Sirius starrte finster zurück. „Wir haben darüber geredet!“, sagte er. „Es ist zu gefährlich.“ „Was denn?“, mischte sich Hannah erneut ein. Remus war ihre Frage völlig übergangen. „Zu Leisha natürlich.“ Hannah hatte nicht darüber nachgedacht. Natürlich war ihr bewusst gewesen, dass heute auch Leishas Todestag war. Doch nicht eine Sekunde hatte sie überlegt, ob es angebracht wäre auf den Friedhof zu gehen. Oder ob sie es wollte. Sie warf einen raschen Blick hinüber zu Sirius. Er hasste Friedhöfe. Das letzte Mal, dass sie selbst auf einem Friedhof gestanden war, war in jener Erinnerung gewesen, die dieser verflixte Zaubertrank Regulus offenbart hatte. Hannah schluckte schwer. Natürlich war es Wahnsinn Ebony mit zunehmen. Ihre Existenz war noch immer ein wohlbehütetes Geheimnis. Und dafür mussten sie alle dankbar sein. „Was?“, fragte Remus harsch. „Sag nicht, du willst auch nicht.“ Hannah schüttelte zügig den Kopf und erhob sich. „Doch natürlich.“, versicherte sie Remus. „Wartet.“ James sprang auf und verließ den Raum. Kurze Zeit später kam er zurück. Umsichtig reichte er Remus einen der Zwei-Wege-Spiegel. Hannah erkannte sie sofort. Wie oft hatte sie Sirius und James dabei beobachtet wie sie sie in der Schule benutzten. Meistens um sich bei Streichen zu besprechen oder eben auch um ein nettes Schwätzchen beim Nachsitzen zu halten. Vorzugsweise dafür. Denn irgendwann hatte Professor McGonagall beschlossen, dass es keinen Sinn machte, die beiden Jungen im selben Raum Nachsitzen zu lassen. „Was soll ich damit?“, fragte Remus skeptisch. Er machte keinerlei Anstalten James den Spiegel aus der Hand zu nehmen. James nickte hinüber zu Ebony, die mit dem Brei auf Sirius T-Shirt herummatschte. „So kann sie dabei sein.“ „Tolle Idee.“ Hannah grinste. Remus nahm den Spiegel und verstaute ihn sorgsam in seiner Umhängetasche. „Danke...“, sagte er. „Das ist echt....“ James strahlte ihn an. „Ja, oder?“ Remus war ziemlich schweigsam auf dem Weg zum Friedhof. Er wirkte absolut neben der Spur. Hannah wusste, dass er Angst hatte. Sie selbst verspürte die selbe Angst. Aber es war nicht nur Angst, die ihre Gedanken beherrschte. Hauptsächlich war da Scham. Leisha hatte nicht die Möglichkeit sich um ihre Tochter zu kümmern. Niemals würde sie sehen können wie sie Laufen lernte oder erste Sätze sprach. Sie würde sie niemals zum Hogwartsexpress bringen können oder Eulen aus der Schule über ihre Untaten bekommen. Niemals würde sie Weihnachten oder einen Geburtstag mit ihrer Tochter feiern können. Sie hatte keine Chance ihr Kind kennenzulernen. Aber Hannah hatte eine Chance. Sie hatte das Mädchen gewickelt, gefüttert, es getröstet wenn es weinte, in den Schlaf gesungen. Sie hatte all diese Sachen getan und dann war sie aus einem Café gerannt und Dung in die Arme gelaufen. So mehr oder weniger. Die Tatsache das sie ihre Beziehung zu Sirius weggeworfen hatte, weil sie zu stolz gewesen war, sich zu entschuldigen, war die eine Sache. Ebony war die andere Sache. Hannah biss sich nervös auf die Unterlippe. Die Sonne ging bereits über Godrics Hallow unter. In der Luft roch es nach gegrilltem Fleisch. Die Muggel schienen den Sommer zu genießen. Remus Schritte waren nicht so schnell wie die von Sirius oder Dung. Hannah musste sich nicht bemühen sich seinem Tempo anzupassen. Das war schon immer so. Sie hatten das selbe Tempo. Der Weg durch das kleine Dorf kam ihr unendlich lang vor. Sie passierten Lilys und James Vorgarten. In der Ferne entdeckte Hannah die Kapelle. Sie warf einen langen Schatten auf den Weg und die angrenzenden Häuserreihen. Das mulmige Gefühle in ihrem Magen wurde stärker, als Remus das Gatter zum Friedhof aufschob. Sie hatte den deutlichen Wunsch umzukehren, doch ihre Beine folgten ihren Gedanken nicht. Wie aus eigener Kraft, als wären sie kein Teil ihres Körpers, liefen sie Remus hinterher. Der Weg zum Grab wirkte vertraut, auch wenn Hannah seit der Beerdigung nicht hier gewesen war. Remus verlangsamte seine Schritte. Sicher fühlte er sich ebenso unbehaglich. Leisha hätte ihnen im letzten Jahr bestimmt die Köpfe gewaschen. Sie hätte nicht zu gelassen, dass sie sich so von einander entfernten. Hannah war dankbar darüber, dass sie es nicht hatte mitansehen müssen. Es nützte nichts. Egal wie langsam sie gingen schließlich erreichten sie den Grabstein. Noch immer wirkte er unwirklich neu, neben all den verwitterten Gräbern. Ein Strauß frischer Lilien stand zwischen der weißen Kieselsteine. Die Blechdose in der eine frische rote Grabkerze stand war offen. Jemand musste sich um das Grab gekümmert haben. Wie oft war Remus hier? Hannah betrachtete die Schnittblumen in der dunklen Vase. Sicher war Lily hier gewesen. Es war nicht weit. Auch Joshua kam sicher hier hin, um an seinen Bruder zu denken. Irgendwie war es bestimmt auch normal zum Grab eines geliebten Menschen zu gehen. Hannah wusste das. Trotzdem fühlte sich diese Gestik komisch an. Vielleicht weil sie selbst nie diese Möglichkeit gehabt hatte. Vielleicht war es auch die Sache mit Ebony. Sie schämte sich dafür, Ebony im Stich gelassen zu haben. Unruhig durchwühlte sie die Taschen ihrer Jeansjacke und wurde schließlich fündig. Sie schnippste am Rädchen von Dungs altem Feuerzeug. Es funktionierte noch. Eine orange Flamme flimmerte durch die Dämmerung. Hannah ging in die Knie und entzündete vorsichtig die Grabkerze. Mit zittrigen Händen schloss sie das Blechgefäß als Feuerschutz. „Tut mir leid.“, nuschelte sie betrübt. „Was?“, fragte Remus, obwohl ihm sichtlich klar war, dass Hannah nicht mit ihm gesprochen hatte. Auch sein Blick war Starr auf den Grabstein seiner Schwester gerichtet. „Du weißt was.“, sagte Hannah niedergeschlagen. „Sag es!“, forderte Remus sie auf. Hannah beobachtete aus den Augenwinkeln wie er seine Hände tief in den Taschen seines Umhangs vergrub. „Tut mir leid..“, wiederholte sie. Es war als würde sie nie die passenden Worte finden. Ein harter Kloß hatte sich in ihrem Hals gebildet. Hannah war fast sicher, dass kein Wort über ihre Lippen kommen konnte. Wiedererwarten klappte es doch. Die Luft war zum Schneiden angespannt. „...das ich dein Kind im Stich gelassen habe, weil...“ sie sog hörbar nach Luft. „...weil mir alles zu viel war. Und weil die Flucht einfach so verflucht einfach war.“ Zaghaft strich sie mit einer Hand über die Blumen. „Ich versuche nicht mehr alles zu verpassen. Versprochen.“ Remus zuckte mit den Schultern. „Versuchen tust du es schon seit Weihnachten.“, bemerkte er knapp. „Manchmal glaube ich, du willst es gar nicht.“ Der Vorwurf lag seit Monaten zwischen ihnen. Obwohl er weh tat, war es gut ihn ausgesprochen zu wissen. Hannah rappelte sich auf und trat auf Remus zu. Er blickte sie finster an. „Ich schäme mich auch.“, gestand er tonlos. „Manchmal denke ich, wenn ich sie genommen hätte, dann wäre das alles nicht passiert.“ Hannah schwieg. „Das zwischen euch.“, Er meinte Sirius. Es hämmerte in ihrem Kopf. „Manchmal glaube ich...nein eigentlich immer...ich hätte mehr tun müssen. Sie ist meine Nichte.“ „Leisha hätte nicht gewollt...“, begann Hannah, Remus unterbrach sie. „Wir werden nie wissen, was sie gewollt hätte.“ Seine Stimme klang unfassbar verbittert. „Sicher hätte sie nicht gewollt, dass ihre Tochter zwischen einem überarbeiteten Rekruten und einer alten Frau hin und her geschoben wird.“ Es war gemein. Remus wusste das. Aber es änderte nichts. „Tatze gibt sein bestes.“, verteidigte ihn Hannah ohne Umschweife. „Mit mir wäre es im letzten Jahr auch nicht großartig anderes verlaufen. Ich war in Hogwarts. Das wusstest du.“ Remus sah sie noch immer an. Hannah gelang es nicht seine Aussagen vorauszusehen. Der Wolf schien noch immer sehr präsent zu sein. „Aber jetzt wäre es anders, Feder.“ „Was erwartest du?“, entgegnete sie. Hannah hatte Mühe ihre Stimme zu beherrschen. Noch immer waren sie auf einem Friedhof. Ein paar Gräber weiter stand ein altes Muggelehepaar und entfernte Blätter von einem Grab. Remus schob nachdenklich den Kopf zur Seite. „Ich weiß es nicht.“, sagte er. Hannah war sicher, dass es nicht das war, was er dachte. Er unterdrückte die Antwort, um sie nicht zu verletzen oder zu erzürnen. Remus tat es oft nach Vollmond. Vor Vollmond war das ganze eine andere Sache. Er musste sich jene Gedanken in den letzten Tag zu recht gelegt haben. „Das stimmt nicht.“, erwiderte sie. „Du sagst es mir bloß nicht.“ „Vielleicht besser so.“, sagte er. „Willst du das ich zurück gehe?“, fragte sie. „Um unser beider Schuld zu lindern?“ „Das habe ich nicht gesagt, Hannah.“ „Aber wahrscheinlich hast du daran gedacht. Ihr alle habt das.“ „Das stimmt nicht.“, sagte Remus. Hannah bemerkte, dass seine Stimme nun fester Klang. „Ich habe nur an Mum und Dad gedacht. Daran wie es wäre, wenn sie hier sein könnten.“ Hannah schmunzelte. „Sicher wäre meine Flucht nicht so leicht gewesen.“, gab sie zu. Remus nickte. Er griff zögernd nach ihrer Hand und drückte sie. „Ich vermisse sie.“ Hannah verstand. „Ich auch.“ Eine Weile standen sie schweigend da, hielten sich an den Händen und betrachteten Leishas Namen, der in den harten grauen Stein gemeißelt war. Schließlich zog Remus den Zwei-Wege-Spiegel aus der Tasche. „Du weißt, dass sie nicht versteht, was sie da sieht.“, Hannah hielt seine Hand zurück. „Macht das Sinn? Sie wird sich nicht daran erinnern!“ Remus antwortete nicht. „Vielleicht wird sie niemals hier her gehen können.“, sagte er. „Wir werden ihr Leben nicht ewig verbergen können, Moony.“ Remus schluckte krampfhaft und nickte. Er wusste Ebby würde Älter werden. Irgendwann würde sie selbst Fragen stellen. Irgendwann würde sie nach Hogwarts gehen. Er würde sie nicht über ihre Herkunft belügen. Greyback würde irgendwann erfahren, dass sie lebte. Oder er würde vorher fallen. „Mag sein, dass sie sich nicht erinnert, Feder! Aber ich werde es tun.“ Narzissa sah wunderschön aus in ihrem prächtigen weißen Hochzeitskleid. Es war nicht zu bauschig, sondern umschmeichelte sanft ihre zierliche Figur. Eine sagenhaft eingearbeitete Spitze zog sich über ihren sonst entblößten Rücken. Ihr Haar war halb hochgesteckt und dünne blonde Locken fielen in ihr spitzes Gesicht. Regulus kam nicht um hin seine Cousine zu bewundern. Man konnte sie nicht einfach als gutaussehend und hübsch bezeichnen. Sie war wahrlich schön. Manchmal dachte Regulus, dass man sie nicht mit ihren Schwestern vergleichen konnte. Natürlich hatte Bellatrix mit ihrem langem dunklen Haar und dem prägnanten Gesicht ein sehr imposantes Auftreten. Doch es war nicht dasselbe. An Andromeda konnte er sich nur wage erinnern. Er war sehr jung gewesen als sie die Familie verließ. Seit dem hatte er sie nicht mehr gesehen. Er erinnerte sich daran, dass sie stämmiger war als ihre Schwestern, aber auch lustig. Sie hatte sich stets um ihn gekümmert als er ein Kind gewesen war. Natürlich war sie nicht hier. Auf der Hochzeit ihrer jüngsten Schwester. Niemand wäre jemals auf die Idee gekommen sie oder Sirius einzuladen. Natürlich wären beide auch niemals einer Einladung gefolgt. Sie gehörten nicht hier her in eine Menge von Todessern. Man musste den Malfoys lassen, dass sie keine Kosten gescheut hatten, um diese Hochzeit auszurichten. Lucius war ihr Erbe, er würde eine Dynastie fortsetzen. Man hielt große Stücke auf ihn, dass musste man der Gesellschaft zeigen. Natürlich gehörte kein Verräter hier her. Die Feierlichkeiten fanden in Malfoy Manor statt. Es war riesig und durch aus imposant. Narzissas Kleid musste ein Vermögen gekostet haben. Andere Menschen konnten sich davon vermutlich ein kleines Haus kaufen. Sie gab es her für ein Kleid, dass sie nur einen Tag lang tragen würde. Die Eheringe waren aus koboldartigen Gold gegossen. Regulus konnte nur erahnen wie Lucius daran gekommen war. Schließlich waren die Kobolde aktuell nicht gerade friedlich gesonnen. Noch immer verwehrten sie seinem Herren ihre Gefolgschaft. Ein Orchester spielte im Hintergrund. Hauselfen liefen durch den Salon und servierten Getränke und Häppchen auf großen silbernen Servierplatten. Die Trauung war fantastisch. Onkel und Tante waren vor stolz förmlich explodiert. Regulus hatte beobachtet wie seine Mutter auch ziemlich rührselig reagiert hatte. Eigentlich war sie überhaupt kein emotionaler Mensch. Doch eine reinblütige Hochzeit mit einem steinreichen Malfoy schien selbst das Herz seiner Mutter zu erwärmen. Regulus war sich nicht ganz sicher, ob sie für jede Galleone, die Narzissas Vermählung der Familie brachte eine Träne geweint hatte. Er wusste, dass Tante und Onkel eigentlich ziemlich enttäuscht gewesen waren keinen männlichen Erben zu haben. Bereits Bellatrix hätte ein Junge werden sollen. Seine Mutter hatte ihm einst berichtet, dass Zissy nicht ohne Komplikationen auf die Welt gekommen war. Tante Druella hatte nach ihrer Geburt kein weiteres Kind bekommen können. Niemanden der den Namen Black weiterführen würde. Missmutig trat er von einem Bein aufs Andere. Er hatte sich an den Rand des Geschehens verdrückt. Seine Mutter saß bei Tante und Onkel ganz in der Nähe des Brauttisches. Regulus schnappte sich ein großes Glas Whiskey von einem der vorbeigehenden Hauselfen und lehnte sich lässig an das Treppengeländer. Das Brautpaar machte Anstalten die Tanzfläche zu eröffnen. Das Orchester stimmte eine leise ruhige Melodie an. Er beobachtete wie Lucius in seinem langen Gehrock mit goldenen Stickereien auf seine Cousine zu Schritt und ihr die Hand reichte. Der Bräutigam sah ziemlich stattlich aus. Den Tanz beherrschte er ebenso gut wie seine Cousine. Selbstverständlich tat es das. Tanzen gehörte schließlich zur klassischen Erziehung. Lucius würde seinen Namen an seine Kinder weitergeben. Er würde Erben haben, die seinen Namen fortführten. Auch an ihm hing die Last einer langen ehrwürdigen Familie, dachte Regulus verbittert. Sirius hatte ihm die ganze Last zurückgelassen. Regulus war nun das, was sie alle als Erben bezeichneten. Auch wenn er nicht der Erstgeborene war. Es war verflucht noch mal nicht seine Aufgabe gewesen. Aber jetzt war es das. Es war nicht so, dass seine Name aussterben würde, wenn er keine Söhne zeugen würde. Sirius konnte ihn nach wie vor weiterführen. Regulus nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas. Aber wenn sollte sein Bruder schon heiraten? Jetzt wo Tyler ihm davon gelaufen war. Der Gedanke an Tyler versetzte ihm einen Stich. Er war froh darüber, dass niemand sehen konnte wie verwirrt er wirklich war. Irgendwie hatte Regulus immer gedacht, Sirius und sie würden zusammengehören. Er hatte sie oft beobachtet in Hogwarts. Den Feind musste man schließlich kennen. Das hatte er sich zumindest gesagt. Wenn er Tylers Worte über seinen Bruder richtig verstanden hatte, dann war da noch immer etwas zwischen ihnen. Sie hatte es Freundschaft genannt. Regulus konnte sich das nicht vorstellen. Er kannte seinen Bruder besser als der es sich jemals eingestehen würde. Er war aufbrausend, temperamentvoll und besitzergreifend. Regulus konnte sich nicht vorstellen, dass er etwas ziehen ließ, dass ihm gehörte. Jemanden. Aber egal was mit Sirius geschehen würde. Es wäre ein anderer Zweig der Familie. Ein Zweig ohne Zugriff auf die Tradition und das Familienvermögen. Und so blieb es an ihm hängen. Seine Mutter hatte keine Zweifel daran gelassen, dass sie es genauso sah. Bereits auf dem Sektempfang nach der Vermählung hatte sie die Gelegenheit genutzt und ihm verschiedene junge Mädchen vorgestellt. Alle reinblütig, aus angesehenen englischen Familien und im heiratsfähigen Alter. Regulus hatte höflich Hände geschüttelt, charmant gegrinst und die ganze Prozedur über sich ergehen lassen. So wie es sich für einen guten Sohn und Erben gehörte. Was war ihm auch anderes übrig geblieben? Er beobachtete wie sein stämmiger Onkel den Bräutigam ablöste, um den Tanz mit seiner Tochter fortzusetzen. Weitere Paare gesellten sich zu dem Paar auf die Tanzfläche. Unter ihnen Bellatrix mit ihrem Mann Rodolphus sowie dessen Bruder Rabastan, der mit Notts jüngerer Schwester tanzte. Nott und Zabini standen etwas abseits. Regulus hatte ihnen bewusst keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt, nachdem sie sich entschieden hatten ihn an Snape zu verraten. Er spürte ihre Blicke jedoch unablässig auf sich. Als würde er etwas unvorhergesehenes Tun, was ihnen die Möglichkeit liefern würde ihn an den dunklen Lord zu verraten. Regulus schnaubte laut. Die Musik übertönte es. Was erwarteten diese beiden Hohlköpfe den, was er tat? Mit Tyler auf der Hochzeit seiner Cousine auftauchen, um sie danach zum dunklen Lord zu bringen? Ihr eine Eule schicken, die sie abfangen konnten? Die Sache mit der Eule war tatsächlich so eine Sache. Er hatte darüber nachgedacht. Mehrfach. Er sah keine andere Möglichkeit. Das Flohnetzwerk wurde streng überwacht sowohl vom Ministerium als von den Spionen seines Meisters. Und er konnte schlecht den ganzen Tag in der Winkelgasse oder der Nokturngasse herumstreunen, in der Hoffnung das sie dort mit diesem Penner herumlungerte. Jemand würde Fragen stellen. Oder schlimmer jemanden würde ihm folgen. Und wenn es Snape, Nott oder Zabini taten, dann würden sie ihm keine Ausweichmöglichkeiten geben. Er wäre gezwungen mit dem Mädchen zu seinem Meister zu gehen. Sie ihm auszuliefern. Und auch wenn er nicht so genau wusste, warum er sich danach sehnte mit ihr zu sprechen, so war er sich doch sicher, dass er das nicht wollte. Er wollte nicht derjenige sein, der sie dem dunklen Lord auslieferte. Das Lied endete. Narzissas blickte sich strahlend um. Ihre Wangen waren gerötet, aber ihre Frisur saß noch immer perfekt. Sie hielt Ausschau nach ihrem nächsten Tanzpartner. Ihr frisch angetrauter Ehemann hatte bereits seine Schwiegermutter auf die Tanzfläche geholt. Regulus ahnte es. Er hatte keine Zeit in Deckung zu gehen und sich hinter einer Truppe streng gekleideter Ministeriumszauberer zu verstecken. Narzissa fingen seinen Blick auf und ihr Grinsen wurde breiter. Sie machte eine fordernde Handbewegung und noch bevor er wusste wie ihm geschah ging er steif auf seine Cousine zu. „Darf ich bitten, die Dame?“, säuselte er und deutete eine Verbeugung an. Narzissa nickte strahlend und griff nach seiner Hand. Die Musik begann von Neuem zu spielen als hätte sie nur auf das Zugeständnis der Braut gewartet. „Du wolltest doch nicht etwa verschwinden, Regi?“, fragte sie. Regulus übernahm die Führung. „Was denkst du von mir, Cousine?“ „Nur das Beste, das weißt du doch.“ Regulus drehte Zissy um die eigene Achse und fing ihre zweite Hand anmutig wieder auf. Bestimmt zog er sie an sich heran und platzierte einen Arm auf ihrer Taille. „Vermisst du sie?“, fragte Regulus, nach dem er sich mit einem Blick über seine Schulter versichert hatte, dass sowohl seine Mutter als auch der Bräutigam auf der anderen Seite der Tanzfläche waren. Zissy hatte bereits immer eine schnelle Auffassungsgabe gehabt. Sie maß ihn mit einem langen strafenden Blick. „Sprichst du von Andromeda?“, fragte sie. Regulus passte seine Schritte dem Takt an. Sie entfernten sich kurz von einander, da die Tanzfigur es von ihnen forderte, als sie einander wieder gegen überstanden nickte er bedeutungsvoll. „Manchmal.“, antwortete Narzissa. „Aber das gehört hier nicht her.“, ergänzte sie. Es war kein strafender Blick in ihren Augen. „Natürlich nicht.“, entschuldigte sich Regulus rasch. Er drehte sie erneut. Ihr wunderschönes weißes Kleid flatterte durch die Luft. „Vermisst du ihn?“, fragte Zissy, als sie einander wieder berührten. Regulus schmunzelte. „Manchmal.“, wiederholte er ihre Antwort. Er mied es sie anzusehen. „Ganz schön absurd, nicht wahr Zissy?“ Sie drehte den Kopf leicht. Noch immer folgten ihre Schritte geschmeidig dem Takt. „Finde ich nicht.“, entgegnete sie sanft. „Es wäre seltsam, wenn es nicht so wäre.“ Sie schwiegen eine Weile und folgten der Musik. „Snape hat mit mir geredet.“, sagte sie schließlich. „Eigentlich hat er mit Lucius geredet.“ Regulus stöhnte genervt auf. „Du auch noch.“, sagte er. Er klang verbitterter als er es vorgehabt hatte. Intuitiv trommelte sie mit ihren Fingerspitzen über seine Schultern. Sie lächelte noch immer. Es war ein Lächeln, wie es sich für eine Braut gehörte. „Ich weiß wirklich nicht, was ihr alle an der findet.“, sie klang ein bisschen schnippisch. „Sie ist ziemlich burschikos, findest du nicht?“ Regulus biss sich wütend auf die Zunge. „Ich finde gar nichts an der.“, sagte er ehrlich. „Regulus...“, tadelte Narzissa ihn. Er hatte nicht bemerkt, dass er stehen geblieben war. Narzissa zog an seinem Arm. Er benötigte einen Moment, bis er wieder in den Takt fand. Ohne Umschweife setzen sie den Tanz fort. „Gut.“, sagte sie schlicht. Es folgte eine weitere Drehung. Regulus kam nicht um hin Zissys Gestik zu bewundern. Er betrachtete ihr zartes Gesicht, bevor er sie erneut zu sich zog. „Du musst auf dich aufpassen, Regulus.“, sagte sie. Ihr Blick war undurchschaubar. Nur jemand der sie gut kannte, konnte den Hauch der Sorge hören, der in ihrer Stimme mitklang. Regulus erwiderte ihren Blick. „Ich weiß.“, sagte er tonlos. Das Lied endete. Regulus ließ seine Cousine los. Verneigte sich kurz vor ihr und drückte ihr dann einen flüchtigen Kuss auf beide Wangen. „WO ZUM TEUFEL BLEIBT BLACK!“, polterte Moodys kräftige Stimme durch die Aurorenzentrale. James ging in Deckung, in dem er sich hinter Franks Rücken versteckte. Er war sich ziemlich sicher, dass man Moodys zartes Organ noch an den Aufzügen vernommen hatte. „Er kommt nach.“, versicherte Lily. Moodys Ausbruch verschreckte sie in keinsterweise. „Als sie nach uns riefen brachte er gerade Ebony ins Bett.“ Der Notruf aus der Aurorenzentrale hatte sie am frühen Abend erreicht. Hannah und Remus waren gerade vom Friedhof zurückgekehrt. Ursprünglich hatte James versucht seine Freunde zu einer kleinen Partie Quidditch im Obstgarten seiner Eltern zu überreden. Natürlich wurde daraus Mal wieder nichts. Moodys vernarbtes Gesicht färbte sich purpurrot. „Und woher bei Merlin soll er wissen, wo wir sind?“, knurrte er und hob eine Augenbraue bedrohlich an. „Oh, dass ist kein Problem, Boss!“, antwortete Lily. „Sie werden ja wohl kaum einen Patronus quer durchs Land schicken wollen, Evans. Bisher hatte ich gehofft, sie hätten mehr Verstand als diese beiden Stümper.“ „Ähm.“, machte James, um zu signalisieren, dass er anwesend war. Moody ignorierte ihn. Lily schmunzelte und zog den Zwei-Wege-Spiegel aus James Tasche hervor. Sie hielt ihn dem alten Auror unbeindruckt vor die Nase. „Ich denke sie wissen was das ist, Sir?“, fragte sie geduldig. „Deutlich unauffälliger als ein Patronus.“ Moody schnaubte, doch James hinter Franks Rücken bemerkte, dass seine Atmung sich langsam beruhigte. „Bei Merlin...“, stöhnte er resignierend und begutachtete den Spiegel mit zusammengekniffenen Augen. „Wo haben sie den denn her? Die sind unfassbar selten...“ Und wertvoll, fügte James in Gedanken hinzu. Er nahm sich fest vor die Spiegel so weit wie möglich wegzuräumen, wenn Mundungus in der Nähe war. „Mein Dad...“, erklärte James, während Frank ihn hinter seinem Rücken hervor schob. Moody zuckte kaum merklich. „Mit dem werde ich wohl einmal einen ordentlichen Hippogreif rupfen müssen.“ James atmete erleichtert auf. „Mitkommen.“, bellte Moody. Seine Rekruten folgten ihm schweigend bis hinunter zu den Apparierpunkten. Kingsley Shacklebolt der dunkelhäutiger Auror, den sowohl James als auch Lily bisher nur flüchtig kannten wartete bereits auf sie. Beiden wurde schlagartig klar, dass dieser Auftrag, was immer er beinhaltete ein echter Notfall war. Moody nahm selten vollausgebildete Auroren mit. James wusste, dass er stets sagte, dass er am liebsten mit einem vertrauten Team arbeitete. Und noch lieber alleine. „Abend, Alastor.“, begrüßte Kingsley die Truppe. Er maß seine Rekruten mit abschätzendem Blick. „Ich sagte jeden den du entbehren kannst.“ Moody hob abwinkend eine Hand. „Black kommt nach.“, bemerkte er grimmig. „Wohin?“ Umständlich zog Kingsley eine Karte hervor und breitete sie in der Luft aus. James stellte fest, dass sie an den verschiedensten Stellen des Landes mit farbigen Flecken und Fähnchen markiert war. Die Flecken bewegten sich unruhig. „Da!“, deutete Kingsley auf einen Ort, der etwas unterhalb von Cardiff lag. Es konnte kein großer Ort sein, den die Schrift auf der Karte war so winzig, dass man sie mit bloßem Auge fast nicht erkennen konnte. Moody lies ihnen keine Zeit, um sich zu sortieren. „Abmarsch!“, forderte er und verschwand mit einem lauten Knall im Nichts. James seufzte innerlich und folgte Lily und Frank. Der Ort bei Cardiff war wie bereits vermutetet ein abgelegenes Dorf. Er war wie seine Kollegen an den Ortseingang gesprungen. Lange Gatterzäune grenzten mehrere Kuhwiesen von dem schmalen Pfad ab. James konnte die Tiere in der Dämmerung erkennen. Sie machten einen ausgesprochen unnatürlichen Lärm. Etwas musste sie nervös gemacht haben. Denn sie scharrten sich in der Mitte der Koppel dicht aneinander. James folgte seinen Kollegen rasch. Moody war mit seiner Prothese ausgesprochen schnell. Die Häuser am Rande des Dorfes waren größtenteils einstöckig, breite dunkle Dächer flankierten sie. Die meisten Grundstücke waren weiträumig umzäunt oder massive Gartenmauern verbargen den Blick auf die Vorgärten. Der Pfad dem Moody und Kingsley folgten war von großen majestätischen Bäumen umrandet. Moody überquerte eine Kreuzung und blieb vor einem Eckhaus stehen. Der Garten war flankiert durch wildernde Pflanzen. Efeu erstreckte sich ungezähmt über die bröckelnde Gartenmauer. Lily wandte sich kurz ab. James bemerkte, dass sie flüsternd Sirius mit Hilfe des Spiegels über ihren Standort informierte. Moody beäugte sie nach wie vor kritisch, wartete aber ab bis sie den Vorgang beendet hatte. „Zauberstäbe raus!“, wies Moody sie an. Sie gehorchten wortlos, während Moody das quietschende Gartentor auf schob und es mit einem hässlichen krachenden Geräusch, über den Boden schob. James stellte erleichtert fest, dass er nirgendwo das Dunkle Mal entdeckte. Auch in der näheren Umgebung wäre es sicher aufgefallen. Seine Erleichterung verschwand als Moody die Eingangstür öffnete. Bereits in der Diele des Bauernhauses war alles blutverschmiert. Eine riesige Blutlache signalisierte das ein Mensch rücklings durch das Haus geschleift worden sein musste. James stieg der penetrante metallische Geruch in die Nase und er musste ein Würgen unterdrücken. Er gab sich Mühe nicht in die tiefen Blutpfützen zu treten, doch er hatte keinen Sinn. Es fühlte sich an, als würde er durch eine Mischung aus Wasser und Matsch marschieren. Im Wohnraum fanden sie die erste Leiche. Es war eine junge Frau, mit langen dunklen Locken. Ihr Gesicht lag auf dem Boden und die Haare waren über ihren Kopf geschoben. Sie lag zwischen dem Sofa und einem kleinen gläsernen Tisch. Ihr Körper war in einem unnatürlichen Winkel verbogen. Die Wirbelsäule musste gebrochen sein. James entdeckte tiefe schwarze Löcher in ihrem Hals. Ansonsten war der Raum verlassen. Moody kontrollierte den Hohlraum hinter der Tür. Kingsley schob geräuschlos ein paar Schubladen und Schränke auf. Nirgends war ein Mensch oder ein anderes Wesen mit einer halbwegs humanen Größe versteckt. Moody nickte und bedeutete James, dass sie mit den nächsten Räumen fortfahren konnte. Das Erdgeschoss war gänzlich verlassen. Ein polterndes Geräusch ließ sie zusammen schrecken, doch es war lediglich ein loses Fenster. Es hing an einem Scharnier in seiner Verankerung und knallte durch eine laue Windböhe gegen den Fensterrahmen. James lies sich keine Zeit, dass Fenster zu begutachten. Den Moody machte sich bereits auf den Weg die hölzerne Wendeltreppe hinauf zum Dachboden. Beim Verlassen der Küche bemerkte James einen Tagespropheten auf dem Küchentisch. Dies musste ein Zaubererhaushalt sein. Der Fernseher im Wohnzimmer hatte ihn ursprünglich glauben lassen, dass es sich bei den Opfern um Muggel handelte. Vermutlich Muggelstämmige oder Halbblüter. Moody zog den Kopf ein, um nicht gegen die schräge Decke im Obergeschoss zu stoßen. James, der deutlich größer als sein Chef war, musste sich bücken und ging etwas in die Knie, um noch ausreichend Sicht zu haben. Als sie das Obergeschoss betraten wünschte er sich hingegen er hätte den Kopf gesenkt. Der Anblick, der sich ihnen bot war abscheulich. Er verspürte das starke Bedürfnis, Lily die hinter ihm auf der Treppe stand wieder nach unten zu schicken oder ihr die Augen zu zuhalten. Im selben Atemzug wusste er, dass sie das niemals zu gelassen hätte. In einem liebevoll gestalteten Kinderzimmer lag ein junger Mann auf dem Boden. James musste seinen Puls nicht überprüfen, um zu wissen, dass er Tod war. Auch sein Körper war in einem widernatürlichen Winkel verbogen. Blutspritzer erstreckten sich über die hellblaue Tapete. Ein Säugling lag keinen Meter entfernt von dem jungen Mann. Der Mann hatte die Arme nach ihm ausgestreckt. Seine Augen waren aufgerissen und erstarrt. James bemerkte seinen leeren Blick. Das tote Kind wirkte flach, als wäre es unterernährt. Ganz dürr. Als James näher trat bemerkte er die Blutlache unter dem Baby. Lily hinter ihm stöhnte entsetzt. James ballte die Hände zu Fäusten. Nirgends war eine Spur von dem Täter zu sehen. Wieder waren sie zu spät! Wer verging sich an kleinen Kindern, die sich nicht wehren konnten? Moody beäugte sich über den Leichnam des jungen Mannes. Er schob seine Haare zurück. Auch an seinem Hals waren deutliche Spuren. Wie Bisswunden wurde James schlagartig bewusst. „Boss!“, Sirius Stimme erklang deutlich aus dem Erdgeschoss. Moody verzog angestrengt das Gesicht. „Ich dachte immer, ich hätte mich bei der Thematik Sicherheit deutlich ausgedruckt.“, zischte er. Keiner sagte etwas. Alle waren sie zu sehr mit dem Anblick beschäftigt, der sich ihnen bot. Der junge Vater musste versucht haben seinen Sohn zu schützen, so wie Eltern es nun einmal taten. Die Tatsache wie gänzlich er dabei gescheitert war, erschütterte sie alle. Es war einerlei Menschen zu sehen, die ein Avada Kedavra zu Boden gestreckt hatte. Natürlich war es eben so grausam. Doch der Todesfluch hinterließ keine Spuren an seinem Opfer. Die menschliche Hülle blieb unverzerrt. Auch an die Brandmale des Aquares hatten sie sich nie gewöhnt. Besonders Lily nicht. Sie hatte eine solche Verunstaltung der Opfer stark getroffen. Das hier jedoch war etwas vollkommen anderes. Die Körper waren grausam zerschunden. James war nicht sicher, ob sie überhaupt noch Blut in sich hatten. „Ach du scheiße!“ Sirius war die Treppe herauf gekommen. „Das können sie laut sagen, Black.“, sagte Moody. James hatte damit gerechnet, dass er seinen Freund auf Grund der Verspätung oder zumindest wegen der unbeholfenen Art wie er an ihrem Tatort aufgetaucht war, rügen würde. Moody jedoch tat nichts der gleichen. Er erfasste Sirius entsetztes blasses Gesicht und schien stumm für sich zu entscheiden, dass es keiner weiteren Maßreglung benötigte. „Was ist den hier passiert?“ Kingsley Shacklebolt, der im Gegensatz zu ihnen nicht zu Stein erstarrt war, sondern die Schränke und Nischen im Obergeschoss durchsucht hatte, trat hinter einer Wand hervor. „Vampire.“, sagte er steif. „Was?“ Sirius klappte der Kiefer herunter. „Geschöpfe der Finsternis. Ich werde ihnen nicht erklären müssen, was sie sind.“ Sirius blickte Moody irritiert an. „Natürlich nicht, Boss.“, antwortete er eilig. „Deutlich humaner als Werwölfe, die ungehemmt ihren animalischen Trieben folgen.“, bemerkte Shacklebolt. Er ging in die Hocke, drehte den leblosen Körper des Kindes um und inspizierte gründlich seinen Hals. James verzog das Gesicht. Nichts hier ran, erschien ihm human. „Shacklebolt ist zuständig für die Verfolgung von schwarzmagischen Kreaturen, die außer Kontrolle geraten sind.“, erklärte Moody beiläufig. Lily warf dem Auror einen prüfenden Blick zu. „Aber da ist kein Mal!“, sagte James und deutete mit dem Zeigefinger auf die Decke. Moody nickte abschätzig und grummelte etwas unverständliches. „Vampire sind stolze Geschöpfe.“, sagte Shacklebolt. „Sie sind nicht der Art leicht zu unterwerfen wie Werwölfe und Dementoren.“ Er drehte das Kind behutsam um. „Sie behaupten von sich sie hätten Ehrgefühl.“ Sirius rümpfte angewidert die Nase. Sein Blick huschte über das blutige Massaker auf dem Boden. „Sehr ehrenhaft.“, kommentierte er. „Aber wir haben einen Pakt, nicht wahr?“, mischte sich Lily in das Geschehen ein. „Das Ministerium hat einen Pakt mit ihnen geschlossen. Wenn ich mich Recht erinnere wurde er 1897 beim internationalen magischem Kongress in New York abgeschlossen.“ „Ganz recht, Miss Evans.“, Shacklebolt nickte Lily anerkennend zu. „Was für einen Pakt?“, fragten James und Sirius wie aus einem Mund. Moody schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. Genervt verdrehte er die Augen. „Wenn ich jemals heraus bekomme wie Sie beide diese hervorragenden UTZ bekommen haben...“ Sirius versetzte James einen kameradschaftlichen Stoß in die Seite. „So wie ich deine Eltern kenne, war dabei eine gehörige Portion Elfenwein mit im Spiel.“ James lief rot an. Lily warf beiden einen strafenden Blick zu, der James an einer Erwiderung hinderte. Shacklebolt lies von dem toten Kind ab. „Einst gab es ein Bündnis zwischen Vampiren und Hexen. Viele Hexen dienten einem Vampir als Blutspender. Es war kein ebenwürdiges Bündnis. Vampire haben eine Kraft, der wir nicht widerstehen können. Sie benötigen keinen Imperio um einen Menschen zu manipulieren. Keiner von uns vermag zu sagen, ob es sich um ihre pure Ausstrahlung handelt oder ob es eine magische Kraft ist. Ihnen gelingt es den Willen eines Menschen gänzlich zu unterwerfen.“ Shacklebolt sah sich angewidert im Raum um, bevor er fort fuhr. „Dieser Zustand wurde lange Zeit toleriert. Schließlich traf es stets nur einzelne von uns. Die Ministerien hatten sich entschieden, dass es der sicherere Weg war sich bedeckt zu halten. Um die Jahrtausendwende jedoch kam es zu einer Fehde zwischen einem rumänischen Zauberer und einem berüchtigten Vampirclan der damaligen Zeit. Man sagt, der Vampir habe sich dessen Frau genommen. In seinem Eifer mobilisierte der Zauberer ganze Scharen von Kreaturen, die sich gegen die Dominanz der Vampire auflehnten. Letztendlich waren beide Seiten zum Handeln gezwungen...die Anzahl der Toten konnte nicht ignoriert werden.“ Kingsley nickte Lily zu. „Wie Miss Evans bereits richtig bemerkte wurde im internationalen Rahmen ein Abkommen geschlossen. Seit dem ist es Vampiren nicht mehr gestattet magisches Blut zu verzehren. Auch Ehen oder eheähnliche Verhältnisse zwischen Vampiren und Hexen sind nicht gestattet. Im Gegenzug....“ Kingsley blickte steif zu Boden. Es war offensichtlich, dass er mit der Gegenleistung nicht einverstanden war. Bevor er fort fahren konnte, ergriff Lily das Wort. „Schauen wir weg wenn sie Muggel jagen, sofern sie das Geheimhaltungsabkommen nicht gefährden.“ „Korrekt.“, brummte Moody. „Aber...“, James wirkte völlig entrüstet. „Kein aber, Potter.“, knurrte Moody. „Manchmal müssen wir Dinge in Kauf nehmen, die uns nicht gefallen.“ „Boss, dass ist doch nicht richtig. Wir können doch nicht...“ Moody unterbrach ihn unsanft. „Bei Merlin, Potter.“, zischte er. „Sie sollten mittlerweile wissen, dass Politik ein schmutziges Geschäft ist.“ „Aber das sind keine Muggel.“, sagte Sirius und deutete auf den Mann. „Er schon.“, sagte Shacklebolt sachlich. „Aber seine Frau nicht.“ „Das heißt doch, sie haben gegen das Abkommen verstoßen.“ Moody nickte grimmig. „Wir sollten in Betracht ziehen, dass die Frau ein kollateral Schaden war.“, schlug Kingsley schulterzuckend vor. James sah ihn entsetzt an. „Das kann nicht unser ernst sein!“, protestierte er lautstark. „Mr. Potter, nicht wahr?“ James nickte dem dunkelhäutigen Auroren zu. „Ja.“, sagte er tonlos. „Sie wissen was dort draußen vor sich geht. Wir können uns keinen Konflikt mit Vampiren leisten. Es schluckt zu viele Kapazitäten.“ „Das haben nicht wir zu entscheiden, Kings.“, warf Moody ein, bevor James etwas sagen konnte. Kingsley nickte grimmig und sichtbar unzufrieden. Er hob seinen Zauberstab. Unausgesprochen ließ er die Blutspuren vom Teppich und der Tapete verschwinden. „Aber, Sir...“, warf Lily ein. „Können wir sicher sein, dass es ein Zufall ist?“ „Raus mit der Sprache, Evans.“, forderte Moody. „Wie kann es ein Zufall sein, dass die Vampire ihren Pakt ausgerechnet bei einer Hexe brechen die einen Muggel geheiratet hat? Soweit ich weiß, machen sich diese Kreaturen nichts aus dem Blutstatus ihrer Opfer.“ „So ist das nicht ganz richtig...“, begann Moody. Shacklebolt unterbrach ihn. „Wenn sie andeuten wollen, Miss Evans das die Vampire gemeinsame Sache mit Voldemort und seinem Rudel an Werwölfen machen, dann muss ich ihnen leider sagen, dass sie da auf dem falschen Weg sind!“ „Und was, wenn nicht?“ Lilys Frage blieb unbeantwortet im Raum stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)