Fear the Sunrise von KittyMolko ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Okay ... also: Ich treib mich schon ne ganze Weile hier rum und dachte es ist endlich mal an der Zeit, so richtig aktiv zu werden ^^ . Hab schon ein paar Stories geschrieben und werde die alle wohl nach und nach mal hochladen. Anfangen tu ich mit meinem längsten Werk ... es geht um Vampire ... alles andere müsst ihr schon selbst herausfinden. Also, dann wünsche ich mal viel Spaß und Kommentare sind immer gern gesehen ^^ Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit ... Fear the Sunrise Die Nacht war bereits hereingebrochen, nur der Vollmond spendete noch Licht. Es war eine wunderschöne Nacht, zumindest für die meisten. Wir befinden uns auf einem Anwesen etwas außerhalb der Stadt Paris: Ein junger Mann saß auf dem Fensterbrett in seinem Zimmer, das Licht hatte er nicht an, dafür waren aber die Scheiben des riesigen Fensters weit geöffnet. Sein kinnlanges schwarzes Haar hing ihm ins Gesicht - klebte an seinen Wangen - Tränen verursachten dies. Es war wie jeden Abend, immer saß er da, mit angewinkelten Beinen, den Kopf auf die Knie gestützt - weinend. Warum? Ganz einfach, wegen seinem Vater. Ein furchtbar brutaler Mann. Er schlug ihn wegen jeder Kleinigkeit - na ja, verprügelte ihn wohl eher. Seit dem Tod seiner Mutter, vor acht Jahren, musste er jeden Abend unter den Gewaltausbrüchen seines Vaters leiden. Einmal hatte er versucht wegzulaufen, aber er wurde gefunden und die Folgen waren so fatal, dass er sich so etwas nie wieder getraut hat. Natürlich dachte er auch schon oft an Selbstmord, aber dazu fehlte dem Schwarzhaarigen der Mut. Er wusste weder ein noch aus, war seelisch völlig fertig und kaputt. Ein gebrochener Junge im Alter von gerade einmal 17 Jahren. Heute war sein Vater wieder äußerst grausam gewesen, noch brutaler als sonst: Seine zukünftige Ehefrau war mit ihren Eltern zum Abendessen gekommen. Ihre Hochzeit war von vorn herein festgelegt, nur leider kam der Junge mit seiner Verlobten überhaupt nicht klar. Er wollte diese Hochzeit um jeden Preis verhindern und benahm sich deswegen absichtlich daneben. Dies gefiel seinem Vater natürlich gar nicht und die Bestrafung nach Abreise der Gäste, sollte grausamer sein als jemals zuvor … Sein gesamter Körper schmerzte fürchterlich und war von unzähligen blauen Flecken sowie roten Striemen übersät. Heute war der Gürtel seines, nennen wir ihn “Erzeugers“, zum Einsatz gekommen. Noch nie zuvor hatte es so wehgetan wie heute. Er konnte sich nicht wehren, sich noch nicht einmal bewegen. Es war keine gute Idee, alles noch mal Revue passieren zu lassen, denn wieder stiegen ihm Tränen in die nachtblauen Augen. Krampfhaft versuchte er sie zu unterdrücken, er warf einen sehnsuchtsvollen Blick gen Himmel und betrachtete den silbrig glitzernden Mond. Er träumte davon, irgendwann einmal genauso frei sein zu können wie der Mond. Ob es nur ein Traum bleiben würde wusste er nicht, aber er nahm sich fest vor alles dafür zu tun, dass sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung ginge. Und doch, trotz aller Schmerzen die er empfand, trotz allen Mitleids welches man für ihn aufzubringen vermochte, konnte man nicht leugnen, dass er, so wie er da saß, unglaublich schön aussah. Ja, Francis Lee Hargreaves, du bist schön, wohl einer der schönsten Menschen der Welt. Dies jedoch wusste auch sein Vater, er sah, dass er seiner Mutter immer ähnlicher wurde und begann ihm Blicke zuzuwerfen, die doch etwas eigenartiger Natur waren. Francis hatte Angst - furchtbare Angst. Sein bester Freund Olivier, der sich vor ungefähr einem Jahr umgebracht hatte, schrieb ihm in seinem Abschiedsbrief, dass er fast jede Nacht von seinem Vater vergewaltigt worden war. Oder wie er es in diesem Brief ausdrückte “unsittlich berührt“ wurde. Dies war auch der Grund, weshalb er Selbstmord begangen hatte. Und mit seinem Tod verlor Francis seinen einzigen Freund, seinen besten Freund, seine einzige Bezugsperson. Und, obgleich ungewollt, riss Olivier ihn mit in die Tiefe, sein Herz zerbrach genau in jenem Moment, als das seines Freundes aufhörte zu schlagen. Würde ihm dasselbe passieren? Würde er auch so enden? Würde eines Nachts seine Zimmertür aufgehen und sein Vater würde … - Francis brach seine Gedankengänge abrupt ab, da der Schmerz unerträglich wurde und er nicht schon wieder weinen wollte. Ein eiskalter Windhauch streifte ihn und er zitterte umgehend am ganzen Körper, worauf er aufstand und das riesige Fenster schloss. Er zog die Gardinen zu, drehte sich um, um ins Bett zu gehen, jedoch erstarrte er vor Schreck, als er eine dunkle Gestalt in der Ecke seines Zimmers erblickte. Wer war das? Sein Vater konnte es von der Statur her schon nicht sein. Und überhaupt, wie kam diese Person hier herein? Mit weit aufgerissenen Augen starrte Francis die dunkle Gestalt an und wusste nicht, was er tun sollte. Er war völlig bewegungsunfähig vor Schreck. Instinktiv wich er jedoch dann einen Schritt nach hinten, worauf er aber mit dem Rücken ans Fensterbrett stieß und somit feststellen musste, dass es keinen Fluchtweg gab - zumindest nicht in diese Richtung. Ein paar Minuten geschah nichts, keiner von beiden bewegte sich, bis dann schließlich Francis’ Neugier siegte. „W… wer … bist du?“, fragte er zögernd. Normalerweise war er nicht so unhöflich, aber wieso sollte er jemanden mit ’Sie’ ansprechen, der, ebenso unhöflich, einfach ohne zu fragen sein Zimmer betrat - na ja, oder einfach aus dem Nichts dort auftauchte. Eine richtige Antwort bekam er nicht, das einzige was der andere tat, war sich in Bewegung zu setzen. Es dauerte nur wenige Sekunden bis der Fremde ins Licht trat. Francis musterte seinen Gegenüber erst einmal gründlich von oben bis unten - zweifellos ein Mann. Silber-graues Haar, welches bis zu den Kniekehlen reichte. Sehr blasse, fast weiße Haut, breite Schultern und die Kleidung … nun, sehr elegant. Er trug einen langen schwarzen Mantel, darunter ein schneeweißes Rüschenhemd und schwarze Hosen. Alles in allem recht stilvoll, so empfand wenigstens Francis. Außerdem war er ziemlich groß, mindestens zwei Köpfe größer als er. Nun fiel ihm auf, dass der Fremde die ganze Zeit seine Augen geschlossen hielt. Es schien ihm zu gefallen, von dem Jüngeren begutachtet zu werden. Plötzlich öffnete er sie jedoch und zum Vorschein kamen zwei strahlende Rubine. Solch ein tiefes, kräftiges Rot hatte Francis noch nie in seinem Leben gesehen - schon gar nicht als Augenfarbe. Total irritiert schaute er den anderen an. „Gefällt dir was du siehst, junger Mann?“, fragte der Fremde nun völlig unerwartet, mit seiner ruhigen und tiefen Stimme. Auf eine Frage dieser Art war Francis gar nicht vorbereitet, deswegen überlegte er kurz und warf dem Weißhaarigen schließlich an den Kopf: „Was soll die Frage? Was soll ich denn darauf sagen? Außerdem werde ich dir keine Antwort geben, da ich von dir auch keine bekommen habe!“, das klang zwar wie die trotzige Antwort eines 7jährigen, aber was soll’s. „Mein Name ist Nuin und ich möchte deine ehrliche Meinung hören. Reicht das als Auskunft?“, konterte dieser nun prompt. Wieder fehlten Francis die Worte und anstatt noch irgendetwas Dummes zu sagen, schwieg er lieber. „Nun gut, wenn du nicht mit mir reden willst, dann spreche ich eben weiter.“, mit diesem Satz trat Nuin noch ein paar Schritte auf den Kleineren zu und schaute ihm erst kurze Zeit direkt in die Augen und begann dann ebenfalls ihn von oben bis unten zu betrachten. „Armer Junge, weißt du wie erbärmlich du aussiehst? Dein ungekämmtes Haar, deine leeren traurigen Augen und das viel zu große Hemd, befleckt mit dem Blut welches aus deinem Mundwinkel fließt und direkt darauf tropft - furchtbar. Damit will ich dich nicht beleidigen, ich meine, du bist selbst in diesem Zustand noch eine ausgesprochene Schönheit, aber die Gründe für dieses Auftreten sind so schrecklich.“, von dieser Aussage war Francis noch mehr geschockt, als von dem plötzlichen Erscheinen Nuins hinter ihm vor wenigen Minuten. /Weiß er etwa über mein Schicksal bescheid?/, fragte er sich selbst. „Ich weiß alles über dich, Francis Lee Hargreaves, alles.“, unterbrach der Ältere abrupt seine Gedanken. „Ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Ich weiß, dass du bald heiraten wirst bzw. musst, ich kenne deine Zukünftige, ich weiß, dass sich dein bester und einziger Freund vor einem Jahr umgebracht hat und vor allem weiß ich, was dein Vater mit dir macht. Ich kenne deine Ängste und Sehnsüchte.“, fuhr er fort. Der 17jährige stand da wie angewurzelt, das konnte doch nicht sein, woher wusste er das alles und wie sollte er ihn beobachtet haben? Er verstand die Welt nicht mehr. „Wie kann es sein, dass du so viel über mich weißt? Und was willst du von mir?“, fragte Francis nun neugierig. „Ich weiß es eben, woher ist doch völlig egal. Und was ich von dir will kann ich dir gerne sagen, wenn dich das so interessiert.“ - „Ich bitte darum!“, entgegnete der Schwarzhaarige Nuin. Dieser stellte sich nun hinter den Kleineren, legte seine Arme um den zierlichen Oberkörper und bettete seinen Kopf auf dessen linker Schulter. Obwohl Francis es nicht wollte musste er doch zugeben, dass er sich in der Umarmung des Fremden unglaublich wohl fühlte. „Ich will dich, kleiner Francis, nur dich, sonst nichts.“, flüsterte der Weißhaarige nun in sein Ohr. Ein eiskalter Schauer lief dem Kleinen den Rücken herunter und er musste erst einmal tief schlucken. „W… was?“ - „So wie ich es sagte, ich will dich. Ich suche schon seit langer Zeit nach einem Gefährten und dich habe ich gewählt.“, fuhr er fort. Stille herrschte für die nächsten Minuten, nichts geschah, alles war ruhig, bis Francis sein Schweigen brach: „Wie hast du dir das vorgestellt? Willst du mich entführen? Und wenn ich mich wehre, anfange zu schreien, willst du dann Gewalt anwenden?“. „Nein, nichts dergleichen. Ich wollte dich fragen, ob du mir die Ehre erweisen würdest, an meiner Seite zu leben. Wenn du ablehnst, muss ich das akzeptieren. Die Entscheidung liegt voll und ganz bei dir.“, während er antwortete fuhr er mit seinem Zeigefinger die Konturen von Francis’ Nacken nach, was diesem ein leises Seufzen entlockte. „Was hast du schon zu verlieren, außer Kummer und Schmerzen? Ich würde dich gut behandeln, würde dir niemals wehtun. Überleg es dir gut, mein kleiner Engel, ich frage kein zweites Mal.“, Nuin gab ihm noch einen flüchtigen Kuss in die Halsbeuge, löste die Umarmung und als der Junge sich umdrehte, um die neue Situation zu prüfen, stand er schon auf dem Fensterbrett. Der Wind wehte ins Zimmer, spielte mit den Gardinen und den Haaren des Größeren. „Morgen, kurz nach Sonnenuntergang, komme ich wieder. Bis dahin hast du Zeit, dich zu entscheiden.“, mit diesen Worten sprang er aus dem Fenster und war bereits verschwunden, als Francis ihm noch einmal nachschauen wollte. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten vergnügt, zudem war es angenehm warm draußen. Francis lag auf seinem Bett, eingekringelt, wie ein Fötus im Mutterleib und starrte ins Leere. Er dachte nach, über Nuin und über das Angebot, welches dieser ihm gemacht hatte. Zu einem richtigen Entschluss war er bis jetzt nicht gekommen, obwohl er feststellen musste, dass er wirklich nichts zu verlieren hatte. Im Gegenteil, viel schlimmer konnte es nicht werden. Denn in der vergangenen Nacht, nachdem er ins Bett gegangen war, geschah genau das, wovor er sich schon die ganze Zeit geängstigt hatte. Er war schon fast eingeschlafen, als er hörte, wie jemand leise die Türklinke herunterdrückte und ins Zimmer kam. Sofort war er wieder hellwach und wusste genau, was nun passieren würde. Er stellte sich schlafend, hoffte, dass die Person - sein Vater - verschwinden würde, doch vergebens. Schon spürte er eine eiskalte Hand auf seiner Wange, die sich jedoch rasch auf den Weg unter die Bettdecke machte. Francis schickte unzählige Gebete gen Himmel, flehte Gott darin um Hilfe an, aber dieser überließ ihn seinem grausamen Schicksal. Er fühlte sich schmutzig, ekelte sich vor seinem eigenen Körper und vor dem ganzen Ge-schehenen. Wie oft hatte er sich nach dieser Gräueltat übergeben müssen - er wusste es nicht mehr. Langsam erhob er sich aus den Kissen, schleppte sich zum Spiegel an der Wand und schaute hinein. Er konnte das Gesicht darin nicht ertragen. Dieser Spiegel machte ihm unmissverständlich klar, was er war - ein menschliches Wrack. Ihn packte die Wut und mit aller Kraft schlug er gegen diesen Horrorgegenstand. Dieser zerbrach in zig kleine Teile, ein Wunder, dass sich Francis bei dieser Aktion nicht verletzt hatte. Weinend brach er zusammen, ein kleines Häufchen Elend hockte inmitten hunderter kleiner glitzernder Scherben. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich der Kleine wieder einigermaßen beruhigt hatte. Er stand auf, wischte sich die Tränen aus dem schönen Gesicht und blickte noch einmal angewidert, doch zugleich fest entschlossen auf die silbernen Teilchen am Boden - er hatte sich entschieden. Der Tag verging nur quälend langsam, die Minuten schleppten sich geradezu dahin. Francis wusste nicht recht, was er tun sollte, um sich die Langeweile bis zum Sonnenuntergang zu vertreiben. Deshalb lag er die ganze Zeit im Bett und hoffte, schlafen zu können. Selbstverständlich wird man immer genau dann nicht müde, wenn man es unbedingt will. Nach einer Weile gab er sich geschlagen und stand auf, um sich ein anderes ’Hobby’ zu suchen. /Was zieh ich denn bloß an?/, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Prompt hatte er eine neue Aufgabe ge-funden. Er durchwühlte seinen ganzen Kleiderschrank, um eine passende Garderobe für den heutigen Abend zu finden. Anfangs konnte er sich nicht so recht entscheiden, er probierte so einiges aus, kombinierte die verschiedensten Kleidungsstücke miteinander. Nun trug er einen schwarzen Anzug, welchen er in den tiefsten Tiefen seines Schrankes gefunden hatte. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, diesen schon jemals getragen zu haben. Darunter blitzte ein schneeweißes Hemd hervor. Nun griff er nach einem schwarzen Zylinder, der wohl dazuzugehören schien, setzte ihn auf und begann, sich in einem großen Spiegel zu betrachten. Ein wenig musste er schmunzeln. /Ich glaube, den Hut lass ich wohl lieber weg, das sieht doch etwas lächerlich aus. Nicht das Nuin mich nachher noch auslacht./, warum er sich wegen Nuin so rausputzte wusste er nicht, eigentlich gab es keinen Grund dazu. Zumindest fiel ihm keiner ein. Nun schnappte er sich eine Bürste und begann, sich sein Haar zu kämmen. Im Laufe dieser ’Modenschau’ hatte er gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit verging - es dämmerte bereits, als er die Haarbürste aus der Hand legte und sich, nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, mit seinem äußeren Erscheinungsbild zufrieden gab. Schlagartig wurde er sich der einsetzenden Dunkelheit bewusst und eilte zum Fenster, um es zu öffnen. /Hoffentlich habe ich ihn jetzt nicht verpasst!/, dachte er. Nun konnte er nichts weiter tun, als abzuwarten. Francis zog sich einen Stuhl heran, setzte sich auf diesen und blickte erwartungsvoll hinaus in die Nacht - nichts geschah. Ein gewisser Unmut machte sich in ihm breit, er begann zu zweifeln. Hatte es sich Nuin etwa anders überlegt? Hatte er vielleicht einen besseren Gefährten gefunden, einen der sofort auf sein Angebot einging, ohne Bedenkzeit zu fordern? Oder war das gar alles nur ein Traum gewesen? Immer wieder stellte er sich diese Fragen - wohl eher unbewusst, da er die Arme verschränkt auf das marmorne Fensterbrett und seinen Kopf auf eben diese gelegt hatte und eingeschlafen war. Eine kleine Träne lief seine Wange hinab, eine Träne der Angst, der Angst davor, dass all seine Fragen mit ’Ja’ beantwortet würden. Wäre er wach und aufmerksam gewesen, dann hätte er diese Träne nicht vergießen müssen, denn Nuin befand sich bereits im Raum und hatte so seine Freude daran, den Schlafenden zu beobachten. /Hübsch hat er sich gemacht. Und das nur für mich./, ein leicht überhebliches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Es verschwand aber eben so schnell wie es gekommen war. Sollte er ihn jetzt wirklich wecken? Am liebsten hätte Nuin alles sofort hinter sich gebracht, damit Francis von Allem nichts mitbekam. Schon gar nicht von den Schmerzen, die ihm bevorstanden. Aber da er sich nicht 100prozentig sicher sein konnte, dass der Kleine einwilligte, mit ihm zu gehen, musste er wohl oder übel noch einmal nachfragen. Er hockte sich neben ihn und streichelte vorsichtig über seinen Kopf. „Hey Francis, wach auf. Es ist soweit, ich bin gekommen, um dich zu holen.“, langsam öffnete der Schwarzhaarige die Augen. Für wenige Sekunden sah er alles verschwommen, doch bald realisierte er, wer ihn da eben sanft aus dem Schlaf gerissen hatte. Sofort fiel er dem Größeren um den Hals. Woher diese über-schwängliche Freude über dieses Wiedersehen kam wusste er nicht, schließlich kannten sie sich kaum, doch irgendwie war ihm das egal. Nuin war auf solch eine Reaktion wirklich nicht gefasst, aber natürlich war ihm diese herzliche Begrüßung nur allzu recht. „Deiner Reaktion nach zu urteilen hast du dich wohl entschieden, auf mein Angebot einzugehen, oder?“, fragte der Weiß-haarige schließlich, nachdem beide die Umarmung gelöst hatten. „Ja, das habe ich.“, antwortete Francis prompt, stand von seinem Stuhl auf und lächelte seinen Gegenüber freudig an. Dieser lächelte ebenfalls, ging aber dann schnellen Schrittes zur Tür und schloss sie ab. „Warum tust du das? Ich laufe dir schon nicht weg, ich sagte doch, dass ich einwillige.“ - „Dein Vater wird gleich kommen. Ich will nicht, dass er uns stört. Zudem müsste ich ihn töten, da ich meine Wut über das was er dir angetan hat nicht mehr bändigen könnte. Ich will ja kein Blutbad anrichten.“, antwortete Nuin leicht schmunzelnd. „Woher weißt du, dass er gleich hier sein wird? Ich höre weder Schritte noch sonst irgendetwas.“, fragte Francis verblüfft. „Ich kann es fühlen, so einfach ist das. Aber lass uns jetzt das Thema wechseln. Du bist dir wirklich sicher, dass du mich begleiten willst?“, der Kleinere verstand nicht ganz, wie ein Mensch das Kommen eines anderen im Voraus erfühlen konnte, dennoch vermochte er nicht weiter darüber nachzudenken und gab ein kurzes und knappes „Ja!“ als Antwort. Mittlerweile war sein Vater tatsächlich eingetroffen, er hämmerte wie wild an die Zimmertür und brüllte wie ein Irrer, dass sein Sohn doch gefälligst auf machen sollte. Doch die beiden ignorierten ihn einfach. „Nun gut, ich freue mich sehr, dass du dich so entschieden hast. In der Hoffnung, du wirst es auch nicht bereuen.“, natürlich würde er es irgendwann bereuen, das wusste Nuin schon jetzt, aber diese Gedanken verdrängte er schnell. „Also, können wir dann los? Obwohl, wie sollen wir jetzt hier herauskommen, wenn mein Erzeu-ger die Tür blockiert?“, Francis begann zu grübeln, wurde darin jedoch von seinem zukünftigen Gefährten gestört. „Nicht so voreilig mein junger Freund. Wir sind noch nicht ganz so weit.“ - „Wie … ?“ - „Schließ die Augen!“, Francis wusste zwar nicht was er vorhatte, aber etwas in ihm sagte, er solle gehorchen. So schloss er die Augen und wartete schweigend ab, was nun passieren würde. Nuin trat hinter den Jüngeren, umfasste mit dem linken Arm dessen schmale Hüfte und zog ihn eng an sich heran. Mit dem rechten Arm drückte er seinen Kopf mit sanfter Gewalt ein wenig zur Seite, sodass es nun sehr einfach war, den schönen blassen Hals mit leichten Küssen zu bedecken. Dieses Tun entlockte Francis ein leises und etwas unterdrücktes Stöhnen. Nuins Lippen arbeiteten sich nach oben, bis sie an seinem Ohr angelangt waren. Er begann zu flüstern: „Nun werde ich dafür sorgen, dass deine atemberaubende Schönheit für immer erhalten bleibt. Ich werde dir jetzt das ewige Leben schenken.“. Unfähig diese Worte noch zu realisieren spürte Francis einen stechenden Schmerz, genau an der Stelle, die Nuin noch kurz zuvor mit Küssen verwöhnt hatte. Gefolgt von einem unangenehmen, jedoch unzuordenbaren Druck. Als Reaktion auf diesen plötzlichen Schmerz hatte er die Augen weit aufgerissen. Er wollte schreien, jedoch bekam er keinen Ton heraus. Er wollte atmen, doch das fiel ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer. Sein Herz raste, doch wurde es mit einem Mal immer langsamer. Ihm war schwindlig geworden und nur Nuins starke Arme bewahrten ihn davor, zusammenzu-brechen. Dieser wiederum trank mit Freuden das süße Blut des Kleineren. Es schmeckte besser, als alles was er bisher getrunken hatte und besser als alles, was er je wieder trinken würde. Zu-gleich verspürte er eine unglaubliche Befriedigung. Nicht nur das er seinen Durst stillte, sondern auch ein sexuelle. Er konnte nicht leugnen, dass ihn dieses Geschehen unglaublich scharf machte, um es mal mit den Worten eines einfachen Menschen auszudrücken, denn Wesen wie Nuin be-vorzugten normalerweise eine etwas gehobenere und niveauvollere Ausdrucksweise. Jedoch besann er sich schnell wieder, denn er musste aufpassen, nicht zuviel von dieser kostbaren Flüssigkeit zu trinken. Langsam ließ er von seinem ’Opfer’ ab, kniete sich auf den Boden und legte es vorsichtig neben sich. Nun schaute er in Francis’ nur halb geöffnete und glasige Augen. „Was … hast …“ - „Shhht, nicht sprechen. Du bist viel zu schwach.“, Nuin hatte seinen Zeige-finger auf die nun kalten und blassen Lippen des Schwarzhaarigen gelegt, um ihn zum schweigen zu bringen. Dieser schloss müde seine nachtblauen Augen, doch spürte er kurz darauf eine warme Flüssigkeit, die auf seine Lippen und in seinen leicht geöffneten Mund tropfte. Er konnte sie nicht zuordnen, auch nicht durch ihren Geschmack, denn den kannte er nicht. Allerdings wusste er eines ganz genau, er wollte mehr davon. Sein ganzer Körper signalisierte ihm das. Deshalb öffnete er noch einmal mit letzter Kraft seine Augen, sah, dass diese wohltuende Flüssigkeit - wie sich jetzt herausstellte war es Blut - aus einer Wunde am Handgelenk Nuins trat, krallte sich dessen Arm, zog ihn zu sich und begann an der offenen Pulsschlagader zu saugen. Gierig, allein durch seinen Instinkt geleitet, durch einen Trieb, der dem eines wilden hungrigen Tieres glich. Es tat ihm so gut, warme Wellen der Genugtuung durchfluteten seinen Körper, brachten ihn zum beben. Leider endete dieses Gefühl viel zu früh, da Nuin ihm diese Quelle der unbeschreiblichen Lust jäh entriss und ihn plötzlich ein starker Schmerz durchfuhr. Nun lag er fast regungslos auf dem Boden, atmete nur noch flach und sehr schwer. Bis sich sein Brustkorb noch einmal hob und dann nichts mehr geschah. /Das schlimmste steht dir noch bevor, mein Liebster./, dachte Nuin, während er den zierlichen Körper hochhob und ihn aufs Bett legte. Nun musste er warten. Er hatte noch nie jemanden in seines gleichen verwandelt, wusste also nicht, ob alles richtig verlaufen war und ob alles funktioniert hatte - er hoffte es jedoch inständig. Denn sollte er etwas falsch gemacht und so Francis für immer verloren haben, würde er wohl daran zerbrechen. Stille herrschte, denn auch der gewalttätige Vater des Kleinen hatte es aufgegeben, fluchend an die Tür zu hämmern. Plötzlich begann der kleine Körper auf dem Bett wie wild zu zucken, er warf sich hin und her und herzzerreißende Schmerzensschreie verließen ihn gelegent-lich. Nuin wusste was vor sich ging und er konnte es kaum ertragen, seinen Francis so leiden zu sehen. Am liebsten hätte er die Augen zu gemacht und sich die Ohren zu gehalten, doch das hätte nichts gebracht, denn da das Blut des Schwarzhaarigen jetzt auch durch seine Adern floss und umgedreht, hätte er selbst ohne seine Sinnesorgane dessen Höllenqualen gespürt. Von jetzt an würden die beiden bis in alle Ewigkeit miteinander verbunden sein, so wie Nuin es wollte und auch geplant hatte. Er war sichtlich erleichtert, dass er dieses Ritual ordnungsgemäß durchgeführt hatte, doch würde er es wohl erst endgültig glauben, wenn Francis die Augen öffnen und somit sein neues Leben beginnen würde. Nach fünf schier unendlich langen Minuten, die der Prozess des ’Sterbens und wieder Auflebens’ gedauert hatte, herrschte wieder Ruhe. Gespannt blickte Nuin auf seinen Gefährten, der nun endlich die Augen öffnete. Mühselig richtete er sich auf, schaute etwas verwirrt umher und sah dann zu Nuin. „Was hast du mit mir gemacht?“, fragte er schließlich. „Verzeih dass ich dir das verschwiegen habe, aber ich dachte, dass du ablehnen würdest, wenn du die ganze Wahrheit wüsstest. Ich habe dich zu einem meines gleichen gemacht, damit wir für immer und ewig zusammen sein können, Seite an Seite.“, antwortete der Größere. „Zu einem deines gleichen?“ - „Ja, mein Engel. Der Mensch Francis Lee Hargreaves ist heute Nacht gestorben und als Vampir zu neuem Leben erwacht.“, erwiderte Nuin. „Ich bin jetzt ein Vampir … so wie du?“, fragte Francis noch einmal ungläubig nach. „So ist es. Ich werde dir alles beibringen, was du als ein Wesen der Finsternis wissen musst. Außerdem stehst du nun unter meinem persönlichen Schutz und ich werde dir all meine Liebe schenken, als dein Schöpfer bin ich schließlich dazu verpflichtet. Aber natürlich wird mir dies eine wahre Freude sein.“ - „Du als mein Lehrmeister? Dein Schutz sowie deine ungeteilte Aufmerksamkeit und Liebe? Ich glaube … damit kann ich leben.“, Francis lächelte und erleichtert über diese Aussage nahm Nuin ihn in den Arm und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Der Kleinere schmiegte sich eng an seinen Schöpfer und genoss dessen Berührungen. Doch plötzlich wurden sie aus ihrer Traumwelt ge-rissen, als sie ein seltsames Geräusch aus Richtung Tür vernahmen. Diese sprang auch wenige Sekunden später auf und Francis’ furchtbar wütender Vater trat ins Zimmer hinein. Suchend blickte er sich um - niemand war da. Denn die beiden Vampire waren bereits aus dem offenen Fenster in die Dunkelheit geflohen, um Hand in Hand zukünftige Nächte gemeinsam umherzu-streifen. Francis und Nuin waren schon eine ganze Weile unterwegs. Sie hatten kein konkretes Ziel, sie hatten einfach nur Spaß daran, fast wie kleine Kinder, durch die Nacht zu toben. Francis war nämlich gerade dabei, seine neugewonnenen Fähigkeiten auszutesten. Er konnte jetzt viel schneller rennen, konnte sich leise wie eine Katze bewegen und springen konnte er auch viel höher als vorher. So jagten sie sich gegenseitig durch einen dunklen Wald, sprangen gelegentlich von Baum zu Baum oder versuchten sich an den jeweils anderen heranzuschleichen, um diesen dann zu erschrecken. So viel Spaß wie in dieser Nacht hatte der Schwarzhaarige schon lange nicht mehr gehabt. „Hab ich dich!”, prompt lag Francis im weichen Gras und Nuin auf ihm drauf. Der zierliche Körper wandte sich unter dem des Größeren hin und her, versuchte sich zu befreien. Zwischen dem vielen Lachen konnte der Kleine gerade noch ein „Okay, du hast gewonnen!“ hervor-bringen. Er war nämlich sehr kitzlig und Nuin nutzte diese Tatsache natürlich schamlos aus. Nun ließ er allerdings doch von ihm ab und legte sich neben ihn ins Gras. Beide mussten jetzt erstmal durchatmen, da sie ziemlich außer Puste waren. Nach einer Weile blickten sie sich lächeln an. „Was ist, warum lächelst du?“, fragte der Weißhaarige. „Weil ich so glücklich bin. Und du?“ - „Ich auch, überglücklich sogar. Und das nur wegen dir.“, antwortete Nuin auf die Gegenfrage seines Gefährten. „Nur wegen mir? Warst du denn vorher, ohne mich, nicht glücklich?“, fragte Francis weiter. „Nein. Vorher fühlte ich mich sehr einsam. Und wenn man sich einsam fühlt, kann man nicht glücklich sein.“, bekam er zurück. „Die Zeit der Einsamkeit ist ja jetzt vorbei.“, sagte der Kleine mit einem noch viel schöneren Lächeln auf den Lippen. /Dieses Lächeln wird noch mal mein Untergang sein./, dachte Nuin so bei sich und er kam zu dem Schluss, dass er gewillt war, diese Tatsache in Kauf zu nehmen. Jetzt beugte er sich über Francis und sah ihm tief in die Augen. „Ich werde dafür sorgen, dass du immer so glücklich sein wirst wie heute, das verspreche ich dir … mein Engel.“, die letzten Worte hauchte er fast unverständlich leise gegen die Lippen des Jüngeren, um sie dann anschließend mit seinen eigenen zu versiegeln. Dieser Kuss dauerte nur wenige Sekunden, aber selbst in dieser kurzen Zeit war es Nuin möglich, all seine Gefühle der Zuneigung unmissverständlich zu übermitteln. Als er sich von den sinnlichen Lippen löste, sah er in das völlig verwirrte Gesicht von Francis. „Warum hast du mich geküsst?“, fragte dieser völlig überrumpelt. „Weil ich dich liebe, Francis.“, bekam er als Antwort. Jetzt war dem Schwarzhaarigen zum weinen zu mute - vor Freude natürlich. Diese Worte taten ihm so gut und er konnte nichts weiter tun, als sich einem erneuten Kuss völlig hinzugeben. Er legte seine Arme um den Nacken des Älteren, zog ihn noch enger an sich heran und begann dann ihm leicht und noch etwas schüchtern über den Rücken zu streicheln. Er genoss diesen Augenblick in vollen Zügen und er würde ihn wohl nie vergessen, denn dies war sein erster richtiger Kuss. „Ach je, seid ihr vielleicht niedlich!“, zerriss eine Stimme die leidenschaftliche Atmosphäre. Nuin schreckte hoch und sah auf dem untersten Ast eines Baumes über ihm zwei dunkle Gestalten. Die eine sitzend, die andere lässig an den Stamm gelehnt. „Was wollt ihr beiden denn hier? Habt ihr nichts Besseres zu tun, als uns zu beobachten?“, fragte der Weißhaarige gereizt. Die beiden Personen sprangen von dem Ast herunter und standen nun neben Nuin, der gerade dabei war Francis aufzuhelfen. „Wir haben euch nicht beobachtet. Wir sind nur ganz zufällig hier vorbeigekommen und haben dich gesehen.“, der Antwortende war etwas größer als Francis und hatte eine ebenso außergewöhnliche Haarfarbe wie Nuin. Seine Augen waren eisblau mit einem silbrigen Schimmer. Der andere neben ihm war etwas größer, hatte stahlblaue Augen und langes schwarzes Haar. „Willst du uns nicht vorstellen?“, fragte der eben beschriebene Schwarzhaarige. „Na gut, also, das ist Francis. Er ist ab heute mein Gefährte.“, antwortete Nuin. Nun deutete er auf den Weißhaarigen ihm gegenüber: „Francis, das ist mein Bruder Etienne.“. Jetzt deutete er auf den mit den langen Haaren: „Und das ist Alain, die beiden haben ein ähnliches Verhältnis wie wir.“. Nun folgten ein paar grüßende Gesten und ein verblüfftes „Dein Bruder ist auch ein Vampir?“ von Francis. Diese Frage wurde kurz und knapp bejaht. „Das ist also der junge Mann, von dem du immer erzählt hast. Schön, dass er jetzt dein Begleiter ist und du nicht mehr allein sein musst. Aber was rede ich hier, es wird bald hell. Wir sollten uns langsam in unser Quartier begeben, dort können wir uns ja weiter unterhalten.“, sagte Etienne, erhielt ein bestätigendes Nicken von den anderen und nun machten sie sich gemeinsam auf den Weg ins Quartier. Ungefähr eine halbe Stunde später waren die vier in ihrem Quartier angekommen. Es war ein altes, aber dennoch ziemlich prunkvolles und schönes Schloss. „Also dann, ich glaube, unsere Gespräche verlegen wir lieber auf morgen. Gute Nacht!“, verabschiedeten sich Etienne und Alain und verließen gemeinsam die anderen beiden. „Folge mir!“, wandte sich Nuin zu Francis und ging die Treppe, die, mit rotem Teppich bespannt, in den ersten Stock führte. Der Schwarzhaarige tat wie ihm befohlen und eilte seinem Schöpfer hinterher. Im ersten Stock angekommen, führte Nuin den Kleineren in sein Schlafzimmer. Es war wirklich schön eingerichtet. Auffällig war, dass die Fenster mit langen dicken purpurnen Vorhängen versehen waren. Verständlich, in Anbetracht dessen, dass so kein -für Vampire tötliches- Sonnenlicht hereinfallen konnte. Der weißhaarige Vampir hatte derweilen ein paar Kerzen angezündet, welche nun das Zimmer er-hellten. Als erstes erblickte Francis das riesige Himmelbett, welches -schon allein durch seine Größe bedingt- dem Besucher sofort ins Auge fiel. „Hier werden wir schlafen. Ich hoffe es gefällt dir. Ansonsten sag mir bitte, was ich ändern soll, damit du dich hier schnell wohl fühlst. Und wenn du irgendeinen Wunsch hast oder etwas brauchst, dann sag mir einfach bescheid.“, der Schwarzhaarige vernahm Nuins Worte nur so nebenbei, da er vorrangig damit beschäftigt war, alle -für ihn interessanten- Dinge ausgiebig zu mustern. „Hey, Schatz! Hast du mir zugehört?“, Francis drehte sich um und sah den Weißhaarigen fragend an. /Schatz?/, schoss es ihm durch den Kopf. Er beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken und nickte nur kurz. „Doch, ich hab dir zugehört. Es ist alles okay, mach dir keine Sorgen.“ - „Dann ist ja gut. Bist du müde? Wollen wir ins Bett gehen?“, fragte Nuin anschließend. „Bett?“ - „Ja, das Ding mit Matratze, Kissen und so. Kennst du doch?!“, scherzte der Ältere. „Ja, natürlich. Ich dachte nur immer, Vampire schlafen in Särgen.“, entgegnete Francis, der das ganze gar nicht so witzig fand. „Quatsch, viel zu unbequem. Du hast zu viele Gruselgeschichten gelesen. Das meiste was da über uns drin steht stimmt sowieso nicht.“, bekam er von Nuin zurück. Dieser begann nun sich auszuziehen und in sein Nachtgewand zu schlüpfen. Francis wurde ganz rot, beim Anblick der bloßen Haut seines Schöpfers und drehte seinen Kopf beschämt zur Seite. Wenige Augenblicke später spürte er eine Hand auf seiner Wange, die ihn mit sanfter Gewalt zwang, wieder in die vorherige Richtung zu blicken. „Tut mir leid, aber mir diesem Anblick musst du wohl noch eine ganze Weile zurechtkommen.“, er sah in Nuins lächelndes Gesicht und nickte, amüsiert über die Offenheit seines Gegenüber. „Du brauchst noch ein Nachtgewand.“, fiel dem Älteren plötzlich ein. „Na ja, da leihen wir dir eben schnell eins.“ - „Leihen? Ich glaube kaum, dass mir die Sachen von Etienne oder Alain passen.“, entgegnete Francis. Ich habe ja auch nicht gesagt, dass du etwas von den beiden tragen sollst.“ - „Hä?“ - „Nicht ‚Hä?’. Wir haben noch einen ’Mitbewohner’. Komm mit, mal sehen ob er schon da ist.“, Nuin nahm den -sichtlich verwirrten- Schwarzhaarigen bei der Hand und sie begaben sich ins dritte -zugleich oberste bewohnbare- Stockwerk. Sie gingen bis zum Ende des schwach beleuchteten Ganges und standen nun vor einer massiven Holztür. Der Ältere klopfte und nachdem ein leises „Herein!“ ertönt war, öffnete er einen Spalt und steckte seinen Kopf hindurch, um vorsichtig in den Raum sehen zu können. „Hast du kurz Zeit?“, fragte der Weißhaarige die Person im Zimmer. Diese schien genickt zu haben, da zwar keine Antwort zu hören war, Nuin jedoch trotzdem die Tür ganz öffnete und Francis hinter sich her ins Innere des Raumes zog. Die Person stand vom Bett auf und trat ins Licht. Als Francis den jungen Mann erblickte blieb ihm fast das Herz stehen, diesem schien es jedoch nicht anders zu gehen. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie sich gegenseitig an. Nuin lächelte zufrieden, legte eine Hand auf die Schulter des Schwarzhaarigen und flüsterte: „Ihr kennt euch ja bereits. Entschuldige, dass ich es dir verschwiegen habe, aber es sollte eine Überraschung sein. Ich lass euch jetzt allein, ihr habt euch sicher viel zu erzählen.“. Mit diesen Worten verschwand der Ältere aus dem Raum und ging zurück in sein Schlafzimmer. Wie angewurzelt standen sich die beiden immer noch gegenüber. „D…Das ka…kann doch nicht …! Ich dachte…du wärst…! Olivier…!“, weinend fiel Francis dem Angesprochenen um den Hals. Er konnte es nicht fassen, das konnte einfach nicht wahr sein. Ein Jahr lang hatte der Schwarzhaarige geglaubt, dass Olivier tot sei. Er hatte sich doch umgebracht. Und jetzt stand er leibhaftig vor ihm: so groß wie er selbst, dunkelbraunes Haar und diese einmaligen gold-grünen Augen, er war es tatsächlich, aber wie war das möglich? Olivier umarmte Francis herzlich und auch ihm liefen Freudentränen übers Gesicht. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatten. Der Braunhaarige drückte seinen Freund ein wenig von sich weg, um ihm liebevoll in die Augen sehen zu können. „Bitte Francis…verzeih mir. Hast du sehr um mich geweint? Ich wollte nicht, dass du wegen mir traurig bist.“, begann er nun zu sprechen. „Spinnst du?! Weißt du überhaupt, was du mir damit angetan hast? Ich war drauf und dran dir zu folgen. Idiot…lässt mich einfach allein, dabei warst du doch der einzige, den ich hatte.“, platzte es nur so aus dem Schwarzhaarigen heraus. Aber selbst wenn er es gewollt hätte, war er viel zu glücklich über das unerwartete Wiedersehen, als das er seinem besten Freund hätte böse sein können. „Hasst du mich jetzt?“, fragte Olivier ängstlich. „Natürlich nicht…Spaßvogel!“, antwortete Francis und wuschelte seinem Gegenüber durchs Haar. „Aber jetzt mal im ernst…“, fuhr er fort: „…wie ist das alles möglich? Ich meine…dein Abschiedsbrief…und die Beerdigung? Ich stand an deinem Grab!“ - „Tja, gewusst wie, würde ich sagen. Also, es stimmt schon, ich war wirklich kurz davor mich umzubringen. Ich hatte den Entschluss gefasst…deshalb auch der Brief. Aber dann lernte ich diesen Vampir kennen - meinen Schöpfer. Er hielt mich von meinem Vorhaben ab. Er lehrte mich was es heißt zu lieben…und vor allem…geliebt zu werden. Natürlich habe ich auch daran gedacht dir alles zu erzählen, aber mein Schöpfer meinte, dass es besser wäre, wenn du nichts erführest. In erster Linie weil es gefährlich sei, wenn Sterbliche von unserer Existenz Wind bekämen. Und außerdem, sagte mein Schöpfer, könnte es sein dass ich, bei einem Zusammentreffen mit dir, über dich herfalle und dir das Blut aussauge. Wegen der Instinkte und so…du weißt schon. Und das wollte ich nicht. Durch meinen Abschiedsbrief und die Beerdigung ließ ich dich und alle Welt im Glauben, dass ich tot sei und so konnte auch keiner auf die Idee kommen, nach mir zu suchen.“, erzählte Olivier die Geschichte. „Also war deine Beisetzung nur inszeniert?“, hakte Francis nach. „So ist es. Aber ich bin froh, das Schicksal scheint es gut mit uns zu meinen. Schließlich sind wir beide jetzt wieder vereint. Ich hab dich nämlich furchtbar vermisst!“ - „So ist es und darüber bin auch ich froh!“, entgegnete der Schwarzhaarige und ein freudiges Lächeln zierte die Gesichter beider. Jetzt legten sie sich auf Oliviers Bett und begannen zu reden. Sie erzählten sich alles was in dem vergangenen Jahr passiert war, in dem sie sich nicht gesehen hatten. Francis erzählte seinem Freund von den Schlägen und von den anderen Grausamkeiten seines Vaters. Von seinen Gefühlen als er vom Tod des anderen erfuhr und von der Nacht, in der er Nuin kennen lernte. Olivier hörte aufmerksam zu, gab ab und an seinen Kommentar dazu und nahm Francis immer dann in den Arm, wenn er es für richtig hielt. Dann erzählte er wiederum von seinen Erlebnissen. Wie er zum Vampir geworden war und von seinem Schöpfer, der vor einer Weile auf Reisen gegangen war und ihn gebeten hatte, solange auf ihn zu warten bis er zurückkäme um ihn abzuholen. So redeten sie Stunde um Stunde bis sie irgendwann zufrieden einschliefen. Als Francis erwachte war es später Nachmittag - zu hell um nach draußen zu gehen, aber dunkel genug um durchs Schloss zu streifen. Deshalb stand er auf, stellte fest dass Olivier noch schlief und fasste den Entschluss, sich ein wenig in seinem neuen zu Hause umzusehen. Er verließ das Zimmer seines Freundes, ging den Gang entlang und die Treppe hinunter. Unten angekommen blieb er stehen und sah sich verwirrt um. /Wo ging es denn jetzt gleich lang?/, fragte er sich. „Suchst du was?“, wie aus dem Nichts tauchte Etienne hinter ihm auf. „Oh … du hast mich aber erschreckt! Nein, eigentlich suche ich nichts, ich wollte mich nur ein wenig umsehen, hab aber Angst mich zu verlaufen.“, antwortete Francis grinsend. „Wenn du zu Nuin willst, das ist die letzte Tür rechts.“ - „Danke! Jetzt finde ich das wenigstens wieder.“, Etienne wollte sich gerade von dem Schwarzhaarigen verabschieden, als dieser ihn jedoch wieder aufhielt. „Sag mal, wo führt die Tür da hin?“, zeitgleich deutete er auf eben diese. „Tja Kleiner, hinter dieser Tür lauert der Tod.“, geschockt blickte der Jüngere den Weißhaarigen an. „Jetzt guck nicht so! Das ist ein Balkon und da es noch zu hell draußen ist, würde dich das umbringen. Du kannst ihn ja nach Sonnenuntergang mal betreten, die Aussicht ist toll. Na dann, ich muss zurück zu Alain, der vermisst mich bestimmt schon. Bis später!“, mit diesen Worten verließ Etienne Francis und verschwand in einem Raum am Ende des Gangs. Der Kleinere dachte noch kurz über die Worte seines Mitbewohners nach, beschloss jedoch dann zu Nuin zu gehen. Dieser allerdings schlief noch und der Schwarzhaarige setzte sich zu ihm aufs Bett, um ihm ein wenig bei dieser Tätigkeit zuzusehen. /Er sieht ja so süß aus./, dachte er sich und streichelte ihm gedankenverloren über die Wange. Als er sein Vorgehen realisierte war es aber schon zu spät, langsam öffnete der Weißhaarige seine Augen. „Hey Baby, schon wach?“, flüsterte er kurz darauf, als er den Kleineren erkannt hatte. „Bitte entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“ - „Schon okay. Es freut mich sogar, von dir geweckt zu werden. Willst du dich ein wenig zu mir legen?“, ein Nicken von Francis reichte als Antwort. Nuin rutschte ein Stück und der Jüngere krabbelte flink mit zu ihm unter die Decke. Der Weißhaarige schlang seine Arme um den zierlichen Körper und dieser wiederum kuschelte sich eng an seine Brust. „Das ist schön!“, schnurrte Francis. „Es gefällt dir?“, fragte Nuin. „Sehr sogar.“, antwortete der Kleinere. „So bleiben?“ - „Ja, so bleiben.“, und so blieben sie liegen, bis die Sonne endgültig untergegangen war. Dann ergriff der Hunger die beiden und sie machten sich auf den Weg, um etwas “Essbares“ aufzutreiben. „Nuin, ich glaube nicht dass ich das kann.“, sagte Francis und sah verunsichert zu der jungen Frau, die versuchte sich aus dem festen Griff des Weißhaarigen zu befreien. „Irgendwann musst du es übers Herz bringen, wenn du nicht verhungern willst. Aber da es das erste Mal ist, werde ich sie für dich töten.“, ein fürchterliches Knacken hallte durch die stille und menschenleere Gasse - Nuin hatte der Frau das Genick gebrochen. „Oh mein Gott!“, angewidert und mit zugekniffenen Augen wendete Francis sich ab. Der Ältere wusste wie der Schwarzhaarige sich jetzt fühlte, deshalb nahm er ihn in den Arm, um ihn aufzumuntern. „Es tut mir leid, aber, so grausam das auch ist, du musst von nun an damit zu Recht kommen.“ - „Ich kann das nicht!“ - „Und ob du es kannst! Ich hatte anfangs auch so meine Schwierigkeiten, aber auch ich habe gelernt damit umzugehen. Und jetzt trink ihr Blut.“, Nuin löste die Umarmung und hockte sich neben den leblosen Körper am Boden. Mit seinem Fingernagel ritzte er ihre Halsschlagader auf und das Blut schoss aus der Wunde. „Beeil dich, eh es gerinnt.“ - „Nein!“, sträubte sich Francis. „Jetzt hab dich nicht so! Sieh her!“, befahl der Weißhaarige. „Nein!“, bekam er erneut als Antwort. „Sieh her!!!“, schrie er den Schwarzhaarigen wütend an. Da dieser Nuin unter keinen Umständen erzürnen wollte, drehte er sich jetzt doch zu der Leiche um. Als er die rote Flüssigkeit erblickte, die aus ihrem Hals trat, setzte sein Verstand aus und er stürzte sich regelrecht auf sie. Instinktiv saugte er der Toten das Blut aus. Als auch der letzte Tropfen aus ihrem Körper gewichen war ließ Francis von ihr ab. Verwundert über sein eigenes Verhalten, aber auch irgendwie zufrieden stand er auf und sah sich suchend nach Nuin um. Dieser hatte sich nämlich zur gleichen Zeit ein eigenes Opfer gesucht und kehrte wenige Minuten später gesättigt zu seinem Liebsten zurück. „Lass uns einen Spaziergang machen.“, er wollte mit dem Kleineren nicht erst großartig über das eben Geschehene reden, schließlich war es für ihre Spezies etwas ganz normales und daran sollte er sich so schnell wie möglich gewöhnen. Nuin nahm Francis bei der Hand und zusammen schlenderten sie durch die dunklen Gassen bis sie beim örtlichen Friedhof angelangt waren. Vor dem schön verzierten Eisentor, welches als Eingang diente, blieben sie stehen. „Was wollen wir denn hier?“, fragte der junge Schwarzhaarige seinen Schöpfer. „Ich wollte dir meinen Lieblingsplatz zeigen. Ich weiß, mit einem Friedhof als Lieblingsplatz erfülle ich als Vampir wieder so ein dummes Klischee, aber ich finde es hier nun mal sehr schön und romantisch.“, antwortete der Weißhaarige, öffnete das Tor und beide betraten diesen Ort der ewigen Ruhe. Ein wahrlich beeindruckender Anblick bot sich ihnen. Riesige Trauerweiden prangten über den zahlreichen gleichmäßig angeordneten Gräbern, deren dazugehörige Grabsteine teils schlicht, teils prunkvoll verziert, waren. Dichte Hecken trennten diesen ehrwürdigen Ort in verschiedene Teile, man hatte das Gefühl sich in einem Irrgarten zu befinden. Hier und da erblickte man alte, verschlissene steinerne Statuen, die bereits stellenweise mit Moos bewachsen waren. Inmitten dieses riesigen Friedhofs befand sich eine wunderschöne Gruft, die wohl mit reichlich Geld und Aufwand errichtet und verziert worden sein musste. Auf den Treppen des Gebäudes nahmen die beiden Vampire platz. Eine zeitlang geschah nichts, sie saßen einfach nur nebeneinander und schwiegen. Plötzlich sprang Francis auf und sah sich suchend um. Nuin, der dies wohl bemerkt, öffnete seine Augen, welche er zuvor die ganze Zeit genießerisch geschlossen hielt, um sich nach der Ursache für dieses Verhalten seines Liebsten zu erkundigen. „Was hast du?“ - „Hörst du das nicht?“, fragte der Schwarzhaarige verstört. „Was denn?“ - „Na … diese Stimmen!“, fuhr er fort. Beide schwiegen wieder, um jedes noch so leise Geräusch wahrzunehmen - und tatsächlich, da waren Stimmen. „Ach die meinst du.“, begann Nuin zu sprechen. „Das sind nur die Krähen, mach dir also keine Sorgen.“, fügte er hinzu. „Krähen? Verarschst du mich jetzt?“, entgegnete Francis ungläubig. „Nein, das sind wirklich Krähen. Sieh doch, da drüben, jede Menge.“, der Weißhaarige deutete in die Richtung links von ihm. „Seit wann können Vögel sprechen?“, der Jüngere glaubte das immer noch nicht. „Nicht alle Vögel, sondern nur Krähen können das und seit wann sie das tun … keine Ahnung, schon immer, denke ich.“, bekam er als Antwort. „Quatsch! Mit mir hat noch nie eine gesprochen.“ - „Sterbliche sind nicht in der Lage diese Stimmen zu hören … oder wollen es nicht. Andererseits sind diese Viecher auch nicht gerade gesprächig, zumindest nicht gegenüber Kreaturen, die keine Artgenossen sind.“, erklärte Nuin seinem Schützling. „Hm …, aber …, ich versteh immer noch nicht ganz.“ - „Nun ja, manche behaupten es wäre eine Laune der Natur, doch es gibt da noch eine andere Erklärung, die mir persönlich besser gefällt.“, fuhr der Ältere fort. „Erzähl!“, forderte der Schwarzhaarige seinen Schöpfer auf. „Man sagt, in den Krähen stecken verlorene Seelen.“ - „Verlorene Seelen?“ - „Ja, es heißt, Gott lässt Verstorbene, die noch etwas wichtiges auf Erden zu erledigen haben, als Krähen wiederauferstehen - gibt ihnen also eine zweite Chance.“, klärte der Weißhaarige Francis auf. „Irgendwie trostlos, oder? Ich meine, wie bitte soll man denn als Krähe erreichen, was man bereits als Mensch nicht geschafft hat? So eine blöde Idee!“, sagte der Jüngere, nachdem er Nuin aufmerksam zugehört hatte. „Verstehst du jetzt, weshalb ich kein großes Vertrauen in den da oben habe?“ - „Ja, aber dieses Vertrauen hatte ich schon als Sterblicher verloren.“, erwiderte Francis mit traurigem Blick. Der Größere sah ihn fragend an. „Zig Gebete habe ich damals gen Himmel gesandt, dass Gott mich doch endlich von diesen ganzen Qualen erlösen möge. Angefleht habe ich ihn, aber …“ - „… nichts geschah und stattdessen schickte dir der Teufel mich.“, fiel Nuin ihm ins Wort. „Ja, so ungefähr. Und dafür bin ich ihm auch sehr dankbar.“, während Francis dies sagte umarmte er den Größeren und gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. Lautes Geschrei einer Gruppe Menschen zerstörte jedoch die traute Zweisamkeit und die beiden Vampire wandten sich in die Richtung, aus der der Lärm kam. Ebenfalls durch diesen aufgeschreckt floh die Schar quasselnder Krähen in den Nachthimmel. Nuin wurde nervös und das ließ wiederum Francis ängstlich werden. „Was ist das?“, fragte Letzterer zitternd. Bevor er allerdings eine Antwort von seinem Geliebten erhielt, sahen sie Etienne auf sich zu hasten. Als er bei den beiden ankam atmete er furchtbar schnell, er hatte schon eine ziemlich lange Strecke rennend zurückgelegt. „Nuin, wir müssen schnell verschwinden! Die Jäger sind hinter uns her!“, begann er die Situation aufzuklären. „Die Jäger? Verdammt! Los, kommt mit!”, forderte der vorher Angesprochene die anderen auf. „Welche Jäger? Und, wo wollen wir denn hin?“, fragte Francis verwirrt. „Jetzt ist keine Zeit für Erklärungen! In der Gruft befindet sich ein Geheimgang, der führt in den Garten unseres Quartiers. Wir müssen uns beeilen!“, fuhr Nuin aufgeregt fort. Gesagt, getan - die drei begaben sich flink zur Rückseite des Gebäudes, dort angekommen kletterten sie durch ein kaputtes Fenster ins Innere. Nun rannten sie die Treppen hinunter und gelangten in einen Raum voll mit sargähnlichen Gebilden. Etienne öffnete den Deckel eines dieser Gebilde, kletterte hinein und war komplett darin verschwunden. „Los, das ist der Eingang des Tunnels! Dort sind wir in Sicherheit!“, Francis kletterte nach dieser kurzen Aufforderung Nuins ebenfalls hinein. Der Weißhaarige folgte den beiden und schloss den Sargdeckel hinter sich. Atemlos kamen die drei Vampire in ihrem Versteck an. Nuin setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Etienne und Francis standen, sich gegenseitig stützend, vor ihm. „Sagtest du nicht, in dem Tunnel wären wir sicher? Warum sind wir den ganzen Weg dann so gerannt?“, wollte der junge Schwarzhaarige von seinem Schöpfer wissen. „Hättest du lieber krepieren wollen?“, fuhr dieser ihn an. Erschrocken über diese wütende Reaktion wich Francis ein paar Schritte zurück. „Etienne, wo ist Alain?“, fragte Nuin, ohne weiter auf den Kleinen zu achten. „Ich weiß es nicht. Wir haben uns während der Flucht getrennt, um die Jäger zu verwirren. Ich hoffe ihm ist nichts passiert, das könnte ich mir nie verzeihen!“, weinend sank der Befragte auf die Knie. Nuin hockte sich neben seinen Bruder und nahm ihn in den Arm, um ihm ein wenig Trost zu spenden. „Mach dir keine Sorgen! Es geht ihm bestimmt gut. Er wird sicherlich bald hier auftauchen. Also … Kopf hoch!“ - „Wenn diese Schweine ihm etwas angetan haben, dann bring ich sie um und zwar jeden einzelnen!“, vor lauter Schluchzen verstand man ihn kaum. Es brauchte einige Zeit bis der jüngere der beiden Brüder sich beruhigt hatte, aber als es soweit war stand Nuin auf, um nachzusehen ob Olivier in seinem Zimmer war und nicht auch noch irgendwo draußen herumstreifte. Etienne hingegen beschloss, sich ein wenig um Francis zu kümmern, der immer noch wie eingeschüchtert herumstand. „Hey Kleiner, nimm dir den Ausraster meines Bruders nicht so zu Herzen, er hat’s nicht böse gemeint.“, begann er auf ihn einzureden. „Hab ich denn vorhin was Falsches gesagt?“, fragte der Schwarzhaarige ganz aufgelöst. „Nein, es lag nicht an dir. Nuin hatte einfach Angst, deshalb war er so aufgekratzt.“, der Weißhaarige gab sein Bestes, um den Kleinen von seiner Unschuld zu überzeugen. „Er hatte Angst? Etwa vor diesen Menschen, vor denen wir geflohen sind?“ - „Genau. Pass mal auf, diese Menschen waren Vampirjäger. Die sind hinter uns her um uns zu töten, verstehst du?“, klärte Etienne den Jüngeren auf. „Vampirjäger? Und vor denen hat er so große Angst?“, gab Francis zurück. „Ja, die sind wirklich gefährlich für uns. Du musst wissen … unser Vater ist von Jägern getötet worden. Er war das große Vorbild meines Bruders und deshalb denkt er seit diesem Tag, dass, wenn selbst unser Vater es nicht mit ihnen aufnehmen konnte, wir erst recht keine Chance haben.“, fuhr der Weißhaarige fort. „Euer Vater? Er war auch ein Vampir? Also hat er euch dazu gemacht, ja? Ich hab mich nämlich schon oft gefragt, wie Nuin wohl zu einem geworden ist. Jetzt kann ich auch verstehen, weshalb er vor diesen Jägern so große Angst hat. Danke für die Aufklärung.“, gab Francis lächelnd zurück. In diesem Moment kam auch Nuin die Treppen herunter. „Mit Olivier ist alles in Ordnung. Er ist schon eine ganze Weile zu Hause.“, teilte er den beiden mit. Nun ging die Tür auf und Alain trat, unversehrt, ein. „Baby!!!“, überglücklich fiel Etienne ihm um den Hals und küsste ihn leidenschaftlich. „Hey, ist ja gut. Mir ist doch nichts passiert.“, sagte der eben zurückgekehrte. „Entschuldigt uns, aber ich glaube der Kleine braucht erstmal ein paar Streicheleinheiten als Entschädigung dafür, dass ich ihm so einen großen Schrecken eingejagt habe.“, fügte er noch hinzu. Jetzt hob er seinen Geliebten hoch und trug ihn, die Treppe hinauf, in ihr gemeinsames Zimmer. „Die sehen wir so schnell nicht wieder.“, sagte Nuin schmunzelnd, dann sprach er weiter: „Francis, das wegen vorhin tut mir leid. Ich wollte dich nicht anschreien, es ist nur so dass …“ - „Ist schon gut, war doch nicht so schlimm.“, unterbrach ihn der eben angesprochene und warf ihm ein verführerisches Lächeln zu. „Was denn, brauchst du etwa auch Streicheleinheiten?“, fragte der Weißhaarige amüsiert. „Natürlich!“, nach dieser, irgendwie vorhersehbaren, Antwort machten sich die zwei Verliebten auf den Weg nach oben. Sich bereits aufs heftigste küssend verschwanden beide in Nuins Schlafzimmer und wenig später hallten Laute der puren, uneingeschränkten Lust durch die Korridore des alten Schlosses. Zufrieden und extrem schnell atmend lag Francis in dem weichen Himmelbett, sein Geliebter direkt neben ihm. Dieser rang ebenfalls nach Luft, ohne dabei den Blick von dem Jüngeren abzuwenden. Der Schwarzhaarige konnte immer noch nicht fassen, was da eben passiert war. Sein Verstand und seine Gefühle schienen unaufhörlich Karussell zu fahren. Er hatte so etwas noch nie erlebt. Diese Hitze, diese zügellose Leidenschaft. Ihm war, als könne er noch immer die sanften Hände Nuins auf seiner Haut spüren. Er schloss die Augen und ließ den zuvor geschehenen Liebesakt noch einmal Revue passieren. Heiße und kalte Schauer liefen ihm über den Rücken, die Küsse, welche sein Schöpfer auf seinem ganzen Körper verteilt hatte, brannten wie Feuer - jedoch nicht unangenehm. Nie hätte er gedacht, dass sein erstes Mal so schön sein würde. Nuin war unglaublich zärtlich gewesen, manchmal sogar etwas zu zärtlich. Mit seinen flüchtigen und vorsichtigen Berührungen hätte er Francis fast in den Wahnsinn getrieben. Er löste mit diesen ein vorher unbekanntes Verlangen in dem Jungen aus, welches danach schrie gestillt zu werden. Dies tat er dann natürlich auch ausreichend. „Hey kleiner Prinz, noch nicht einschlafen!“, der Weißhaarige gab seinem Schützling einen Kuss auf die Nasenspitze. Daraufhin öffnete dieser seine Augen wieder und blickte seinen Geliebten verwirrt an. „Warum nicht? Bist du etwa noch nicht müde?“ - „Doch, aber ich glaube es ist besser, wenn ich noch die Bettwäsche wechsle, bevor wir uns zur Ruhe begeben.“, bekam der Schwarzhaarige als Antwort. Nach einem prüfenden Blick auf das Laken schien es wohl wirklich das Beste zu sein, frisches Bettzeug aufzuziehen - alles voller Blut. Das ließ sich dadurch erklären, dass sich die beiden während ihres ’Spiels’ des Öfteren ineinander verbissen hatten und dabei natürlich auch nicht darauf achteten, ob die rote Flüssigkeit vielleicht auf dem Stoff landete. Diese, nennen wir es brutale, Vorgehensweise hatte aber keineswegs arg geschmerzt, im Gegenteil, es war eher erregend gewesen. Wahrscheinlich sind Vampire von Natur aus masochistisch veranlagt. Nun gut, beide erhoben sich und Francis machte es sich sofort wieder, auf einem Sessel der nicht weit vom Bett entfernt stand, bequem. Nach ca. 10 Minuten hatte Nuin es letztendlich geschafft, die Bettwäsche zu erneuern. Er bemerkte, dass sein kleiner Liebling mittlerweile auf dem Stuhl eingeschlafen war. Behutsam hob er ihn hoch und trug ihn zum eigentlichen, vor allem bequemeren, Schlafplatz. Nun krabbelte er selbst mit unter die Decke und kuschelte sich eng an seinen kleinen Gefährten. Ein paar Minuten lag er noch wach und lauschte der gleichmäßigen Atmung des Jüngeren, bevor er selbst in einen tiefen, ruhigen Schlaf fiel. Kurz vor Sonnenuntergang erwachte Francis aus seinem erholsamen Schlaf. Seit er ein Vampir war, hatte er festgestellt, schlief er viel ruhiger, da ihn auch keine Albträume mehr plagten - sehr zu seiner Freude. Nuin hingegen schlief noch, was dem Schwarzhaarigen gar nicht gefiel, denn er langweilte sich recht schnell. Somit beschloss er, ihn zu wecken - auf seine gewohnt liebenswerte Art. Vorsichtig setzte er sich auf die Oberschenkel des Weißhaarigen, besah ihn sich kurz und begann dann, ihn mörderisch auszukitzeln. Eine sehr erfolgreiche Methode wie sich herausstellte, denn Nuin erwachte augenblicklich. Allerdings schien er nicht sehr begeistert, er packte Francis an den Oberarmen und schubste ihn von sich herunter. „Was zum Teufel sollte das denn??? Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen!!! Baby, ich liebe dich wirklich abgöttisch, aber mach das bloß nie wieder, sonst muss ich dich wohl oder übel des Bettes verweisen!!!“, fuhr er den Kleinen, mehr oder weniger zornig, an und rieb sich erst einmal den Schlaf aus den Augen. Mit Schmollmund und Hundeblick saß der eben zusammengestauchte in der äußersten Ecke des Bettes - ein himmlischer Anblick. Das musste auch Nuin feststellen und sah sich augenblicklich dazu genötigt, über seinen Schützling herzufallen. „Ja kriegt ihr beide denn nie genug?“, vernahmen sie aus Richtung Tür. Etienne stand, an den Türrahmen gelehnt, da und musterte sie mit einem undefinierbaren Blick. Sofort ließen sie voneinander ab und zupften schnell ihre Kleidung zu-recht. „Kannst du nicht anklopfen?“, fragte Nuin seinen Bruder mürrisch. „Nein, denn das habe ich noch nie getan und werde es auch nie tun. Ich wollte nur mal nachsehen, ob ihr schon wach seid. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ihr schon wieder aneinander herumfummelt, schließlich habt ihr das ja vor ein paar Stunden erst ausgiebig und vor allem lautstark gemacht.“, rechtfertigte sich der Angesprochene. „Wie jetzt? Reg dich mal nicht auf, schließlich habt ihr doch zur selben Zeit auch rumgemacht, oder etwa nicht?“, konterte Nuin. „Pah, als ihr richtig zur Sache gekommen seid waren wir schon längst fertig.“, gab Etienne zurück, wurde allerdings bei den letzten Worten immer leiser. „Oh, das ist natürlich schlecht. Kannst du das näher erläutern?“, für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. „Ich bin unbefriedigt!!!“, gespielt dramatisch sank der Jüngere auf die Knie und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Francis konnte sich ein leises lachen nicht verkneifen, erntete dafür allerdings einen Knuff in die Seite. „Das ist nicht witzig!“, zischte Nuin, stand auf und ging zu seinem Bruder, um ihn zu trösten. „Ist ja gut mein Süßer, sei nicht traurig. Das wird schon wieder. Wir drei Hübschen gehen dann erstmal gemeinsam auf die Jagd, okay? Das lenkt dich ab und hinterher sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“, der Ältere streichelte ihm aufmunternd über den Kopf. „Na gut, aber wir gehen wirklich nur zu dritt! Alain will ich nicht sehen. Dieser blöde Egoist, Hauptsache er kriegt was er will und ich kann sehen wie ich komme - im wahrsten Sinne des Wortes.“, damit stand Etienne auf und ging aus dem Zimmer, um sich fertig zu machen. „Komm Francis, zieh dich an. Wir wollen dann los.“ - „Gut!“ nun verließ auch der Schwarzhaarige das Bett und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Wenig später sah man die drei durch die dunklen Gassen der Stadt streifen. Gezielt suchten sich Nuin und Francis ihre Opfer aus. Der Jüngere verliebte sich in einen schönen blonden Jüngling, den er, mit Hilfe seines unvergleichlichen Charmes, in eine uneinsichtige Ecke lockte, wo er ihm in aller Ruhe das Blut aussaugen konnte. Der Weißhaarige hingegen wählte eine zierliche Frau mit langen schwarzen Haaren, sehr blasser Haut und in ein atemberaubend schönes rotes Kleid gehüllt. Etienne war nicht so wählerisch, er fiel über alles her was zwei Beine hatte - wohl eher aus Frust als aus Hunger, denn normalerweise reicht einem Vampir bereits ein Mensch pro Nacht, um seinen Durst zu stillen. Nachdem alle drei gesättigt waren schlenderten sie langsam in Richtung Quartier. Eigentlich wollten sie noch nicht nach Hause -vor allem Etienne nicht-, aber der Himmel trübte sich ein, die Sterne und der wunderschöne Mond verschwanden hinter dicken Wolken, es sah stark nach Regen aus - und Nuin hasste Regen. „Vielleicht hätten wir Olivier auch mitnehmen sollen? Hab leider gar nicht daran gedacht ihn zu fragen, ob er vielleicht mitkommen will.“, stellte Francis fest. „Der hätte sowieso nein gesagt. Er geht jede Nacht nur für wenige Minuten aus dem Haus, um etwas Nahrung zu sich zu nehmen. Der Kleine hat nämlich Angst, dass sein Schöpfer zurückkommen könnte, während er nicht da ist. Deswegen beeilt er sich immer bei der Jagd.“, sagte Etienne. „Na ja, das könnte ja gut möglich sein.“ - „Hör zu Francis, wir haben es Olivier noch nie gesagt, aber wir glauben alle nicht mehr daran, dass sein Meister zurückkommt.“, sprach Nuin mit ernster Miene. „Warum denn nicht, er hat es ihm doch versprochen?“, fragte der Schwarzhaarige verwundert. „Er ist schon viel zu lange weg. Kurz nachdem er Olivier zu einem von uns gemacht hat, ist er gegangen und normalerweise lässt ein Meister seinen Schützling nicht allein, wenn dieser noch nicht lange ein Vampir ist. In dieser Zeit ist er nämlich noch sehr hilfsbedürftig und auf die Ratschläge seines Schöpfers angewiesen.“, erklärte der Weißhaarige. „Jeder Vampir weiß das und wenn es unbedingt notwendig ist, seinen Schützling in dieser Phase zu verlassen, dann versucht man wenigstens die Zeit der Trennung kurz zu halten.“, fuhr er nach einer kleinen Pause fort. Und was glaubst du ist der Grund, weshalb sollte er nicht zurückkommen?“, fragte Francis. „Entweder er hat einen neuen Gefährten gefunden, der ihm besser gefällt oder er ist tot.“, antwortete Etienne trocken. Die Augen des Schwarzhaarigen weiteten sich vor Schreck. „Das wäre ja furchtbar! Olivier liebt ihn doch so sehr, er würde daran zu Grunde gehen.“ - „Mach dir mal keine Sorgen, vielleicht kommt er ja doch wieder. Die Zeit wird es zeigen.“, versuchte Nuin seinen Geliebten zu beruhigen, was ihm auch recht gut gelang. Daraufhin wechselten sie ihr Gesprächsthema und noch bevor heftiger Regen auf die Erde niederging, erreichten sie das Schloss. Ziemlich ausgelaugt von der Jagd beschlossen Francis und Nuin, sich in ihr Schlafgemach zurückzuziehen. Etienne hingegen zog es vor, auf dem Sofa zu schlafen, da er immer noch wütend auf Alain war. Dieser wusste natürlich nicht, weshalb ihm sein Liebster aus dem Weg ging. Da er aber eine Diskussion vermeiden wollte, ließ er ihn gewähren und schlief allein. In den darauf folgenden Wochen geschah nicht wirklich viel, außer dass Etienne sich immer noch vehement weigerte mit Alain zu sprechen, geschweige denn mit ihm in ein und demselben Bett zu schlafen. Er war jetzt öfters bei Olivier anzutreffen, natürlich nur wegen den schönen langen tiefgründigen Gesprächen, welche man mit ihm führen konnte, so rechtfertigte sich zumindest der Weißhaarige. Alain war extrem eifersüchtig, doch konnte er nicht nachweisen, dass zwischen den beiden mehr lief und so musste er weiter unter permanenter Einsamkeit leiden. Francis und Nuin widmeten sich unterdessen ziemlich oft sexuellen Aktivitäten jeglicher Art. Es war nicht zu glauben, wie ’unersättlich’ der Schwarzhaarige war. Hin und wieder waren sie aber tatsächlich auch außerhalb des Schlafzimmers anzutreffen -gelegentlich sogar getrennt- und heute war so ein Tag. Francis saß im Wohnzimmer auf dem Sofa vor dem Kamin und beobachtete interessiert die lodernden Flammen. Etienne saß am Esstisch und las, während Alain damit beschäftigt war, sich wieder einmal bei ihm einzuschleimen. „Duuuu, Engelchen? Habe ich dir heute eigentlich schon mal gesagt wie schön du bist?“, fragte Alain seinen Geliebten und blickte ihn mit großen treuen Augen an. Er erntete -wie sooft- keine Reaktion. „Ehrlich, ich meine das ernst. Du bist bestimmt das hübscheste Wesen der ganzen Welt. Mir wird immer ganz komisch, wenn ich dich ansehe.“, wieder keine Reaktion. „Ach jetzt komm schon, red’ doch mal mit mir. Oder schau mich wenigstens an, damit ich deine atemberaubend schönen Augen begutachten kann.“, immer noch keine Reaktion. Der war aber auch stur, normalerweise schmolz er bei solchen Komplimenten immer dahin. Es half nichts, Alain musste sich eine neue Strategie ausdenken. „Duuuu, Liebling? Weißt du was, Nuins kleines Püppchen gefällt mir von Tag zu Tag besser. Vielleicht sollten wir uns den mal vornehmen, oder was meinst du?“, geschockt von dieser Aussage blickte Francis den Älteren mit weit aufgerissenen Augen an. „Pah, du schaffst es ja noch nicht einmal mich zu befriedigen, wie willst du das dann bei uns beiden schaffen?“, Bingo, der saß! Etienne wäre geplatzt, hätte er diesen Kommentar, seiner Prinzipien wegen, nicht geäußert. Alain war perplex, daher wehte also der Wind, deswegen war der Weißhaarige sauer auf ihn. „Ach, das ist also der Grund, weshalb du nicht mehr mit mir redest? Du zweifelst an meiner Männlichkeit, na schönen Dank auch!“, Francis zog es vor, die beiden jetzt lieber allein zu lassen und verließ auf schnellstem Wege den Raum. „Ich zweifle nicht, das ist eine Tatsache!“, entgegnete Etienne und legte erstmal sein Buch aus der Hand. „Wie jetzt? Wieso hast du denn nicht gleich etwas gesagt?“ - „Das ist ja wohl nicht meine Pflicht. Im Übrigen siehst du da mal, wie egoistisch du bist! Hauptsache du kommst auf deine Kosten, auf mich achtest du beim Sex gar nicht!“, fuhr der Weißhaarige den Älteren an. „Ja woher soll ich denn wissen, dass du nicht gekommen bist?“ - „Wärst du ein guter Liebhaber hättest du es von selbst gemerkt. Du gehst überhaupt nicht mehr auf mich und meine Bedürfnisse ein, früher hast du dich wenigstens noch nach meinen Wünschen und Vorlieben erkundigt, aber diese Zeiten sind schon lange vorbei!“, Etienne war nun von seinem Stuhl aufgestanden, um seinen Worten mittels Gestik Nachdruck zu verleihen. „Vielleicht bist du einfach ein zu guter Schauspieler, sodass ich es gar nicht merken konnte?“, fragte der Schwarzhaarige zynisch. „Ich habe dir nie etwas vorgespielt! So aufmerksam bist du also, bekommst noch nicht mal mit, wenn ich ohne einen Ton von mir zu geben, unter dir liege! Dich interessiert doch eh nur noch mein Körper, mehr nicht! Langsam habe ich echt das Gefühl, du liebst mich nicht mehr!“, traurig senkte der Jüngere den Kopf, um die aufkommenden Tränen zu verstecken. Die letzte Aussage war zuviel für Alain. Hatte er denn wirklich so wenig auf den anderen geachtet, dass dieser jetzt dachte, er bedeute ihm nichts mehr? Das wäre ja furchtbar! „Baby, das wollte ich nicht! Es tut mir leid! Ich liebe dich wirklich über alles, das musst du mir glauben!“, er wollte den Kleineren in den Arm nehmen. „Fass mich nicht an! Ich glaube dir kein Wort!“, entgegnete Etienne mit zitternder Stimme und stieß den Schwarzhaarigen von sich weg. Kurz überlegte dieser, fiel jedoch dann vor seinem Geliebten auf die Knie. „Aber ich sage die Wahrheit! Ich liebe dich wirklich! Ich verspreche dir, ich werde mich ändern! Ich werde dir nie wieder das Gefühl geben, dass ich nur an deinem Körper interessiert bin!“, der Weißhaarige blickte den am Boden knienden mit verweinten Augen an. „Und ich verspreche dir auch, dass ich mich richtig anstrengen werde. Wenn du willst, dann sorge ich dafür, dass du zwei- oder sogar dreimal in einer Nacht kommst, aber bitte gib mir noch eine Chance! Ich kann doch nicht ohne dich leben!“, fuhr dieser fort. „Ehrlich?“, fragte Etienne leise. „Klar, von mir aus auch viermal!“ - „Nein, ich meinte … das du nicht ohne mich leben kannst … war das dein ernst?“ - „Natürlich! Du bist meine große Liebe! Oder glaubst du etwa ich hätte mein sterbliches Leben für dich aufgegeben und mich von dir zu einem Vampir machen lassen, wenn das nicht so wäre? Wohl kaum!“, antwortete Alain, erhob sich und zog seinen Liebsten in eine tröstende Umarmung. Diesmal leistete dieser keinen Widerstand, im Gegenteil, er erwiderte die Umarmung und weinte sich an der Schulter des Schwarzhaarigen erst einmal richtig aus. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Kleinere sich beruhigt hatte und nur noch gelegentlich leise schluchzte. Er wischte sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht und sah zu Alain auf. „Okay, du bekommst deine Chance.“, der Angesprochene lächelte zufrieden. „Schläfst du dann auch ab jetzt wieder bei mir?“ - „Na klar!“, Etienne nahm den Schwarzhaarigen bei der Hand und zog ihn hinter sich her in Richtung Tür. Er öffnete diese und wandte sich seinem Geliebten zu. „Viermal hast du gesagt? Na da bin ich aber gespannt!“, mit diesen Worten, einem Zwinkern und einem Grinsen hüpfte der Weißhaarige fröhlich aus dem Zimmer. /Was hab ich mir da bloß eingebrockt? Das kann ja was werden! Aber was soll’s, ich hab’s nun mal versprochen./, dachte Alain, seufzte und folgte Etienne. Etwas müde von dem vorangegangenen nächtlichen Beutezug saßen Nuin und Francis auf dem Bett. Der Jüngere starrte vor sich hin, dies bemerkte natürlich auch sein Geliebter. „Was ist mit dir? Du guckst so traurig?“, fragte dieser. „Mir ist langweilig!“, bekam er als Antwort. „Tja, was willst du machen? Wollen wir ein bisschen … na du weißt schon?“, entgegnete der Weißhaarige mit einem zweideutigen Grinsen. „Nein … ich bin nicht in der Stimmung!“, wie, ’nicht in der Stimmung’? Das verwunderte Nuin jetzt ein wenig, sonst war der Kleine doch immer als erster ’in der Stimmung’. „Was willst du dann unternehmen?“, fragte er daraufhin erneut. „Geh mit mir auf den Balkon!“ - „Auf den Balkon?“ - „Ja, Etienne hat ihn mir gezeigt, als ich den ersten Tag hier war. Er sagte, von dort aus hätte man einen schönen Ausblick.“, erklärte Francis. „Okay, wenn du willst. Gehen wir!“, gesagt getan, es dauerte nur ein paar Minuten, bis sie bei ihrem Ziel angekommen waren. Sie betraten den Balkon und der Anblick der sich ihnen bot, war wahrlich wunderschön. Vollmond, unter ihnen der Wald, der sich, wie ein tiefer schwarzer Graben, um das Schloss zog und in der Ferne die vielen kleinen Lichter der Stadt. „Gefällt es dir?“, fragte Nuin leise, doch er bekam keine Antwort, da Francis zu sehr damit beschäftigt war sich alles genau anzusehen. Aber natürlich gefiel es ihm, sehr sogar. Er wunderte sich darüber, dass ihm noch nie aufgefallen war, wie schön die Nacht doch eigentlich ist. Früher hatte die Nacht immer etwas Beängstigendes für ihn, was wahrscheinlich an den vielen Gruselgeschichten lag, die er im Laufe seines Lebens erzählt bekommen hatte, deren Handlungen sich doch immer in der Nacht abspielten. Schade eigentlich, dass viele schon in frühster Kindheit auf diesem Wege eingeredet bekommen, dass die Nacht und die Dunkelheit etwas Böses an sich haben. Dabei muss man sich doch nur mal die Zeit nehmen und genau hinschauen, um zu merken, dass das ganze Gegenteil der Fall ist. Aber darüber wollte er jetzt nicht weiter nachdenken, er wollte einfach nur noch genießen. Sie standen gewiss eine gute halbe Stunde schweigend nebeneinander und erfreuten sich an dem schönen Anblick. „Mir ist kalt! Magst du mich wärmen?“, fragte der Schwarzhaarige seinen Begleiter. Dieser trat sofort hinter ihn um seine Arme um den zierlichen Körper zu schlingen, ihn ganz eng an sich zu drücken und so die gewünschte Wärme zu spenden. „Danke!“, flüsterte der Kleinere, schloss kurz genießerisch seine Augen und atmete tief die frische Luft ein. „Sieh mal, so viele Sterne am Himmel!“, sagte Nuin nach einer Weile. Tatsächlich, Francis war so damit beschäftigt gewesen sich die Umgebung anzusehen, dass er noch gar nicht dazu gekommen war, seinen Blick gen Himmel zu richten. Unzählbar viele, kleine schimmernde Punkte leuchteten am nachtschwarzen Firmament. „Wahnsinn … oh, eine Sternschnuppe! Wünsch dir was!“, äußerte der Schwarzhaarige und schloss fast zeitgleich wieder seine Augen, um sich auch selbst etwas zu wünschen. „Du darfst aber niemandem deinen Wunsch verraten, sonst geht er nicht in Erfüllung!“, fuhr er anschließend fort. Ein Nicken von Nuin als Antwort und schon schwiegen sie wieder für die nächsten Minuten. Genossen die Nähe des anderen, kosteten jeden Moment voll und ganz aus. „Sag, mein Herz, welcher Stern gefällt dir am besten?“, fragte der Weißhaarige plötzlich. Francis überlegte kurz, entschied sich dann für einen der größten und hellsten und deutete mit dem Finger auf ihn. „Der da … der gefällt mir! Warum?“, fügte er seiner Geste noch hinzu. „Okay, … ich schenke ihn dir!“, fragend sah der Jüngere seinen Schöpfer an. „Du kannst mir doch nicht einfach so einen Stern schenken?“ - „Doch, wieso nicht? Ich bin ein Vampir, ich kann alles. Von nun an gehört er dir - als Zeichen meiner schier unendlichen Liebe.“, gab Nuin lächelnd zurück. Immer noch verwirrt blickte der Schwarzhaarige seinen Liebsten an, bis sich ganz plötzlich kleine Tränen ihren Weg über seine Wangen bahnten. Besorgt nahm der Ältere den Kleinen in die Arme, versuchte ihn zu beruhigen. „Was ist, was hast du? Hab ich etwas falsch gemacht? Wieso weinst du?“ - „Nein … es ist nur … so etwas Schönes hat noch nie jemand …“, weiter kam er nicht. Sein Schluchzen ließ keine weiteren Worte zu. „Du freust dich also? Da bin ich ja beruhigt, ich dachte schon, du wärst traurig. Aber an solche Aktionen solltest du dich gewöhnen. Diese Dinge fallen mir immer ganz spontan ein und ich will nicht, dass du deswegen immer Tränen vergießen musst.“ - „Ist schon gut … ich bin halt etwas zu … sentimental.“, brachte Francis stockend hervor. „Nein, es ist gut, wenn du ab und zu weinst. Weißt du, wenn man unsterblich ist, dann kann es passieren, dass man gewisse menschliche Gewohnheiten vergisst, wenn man ihnen keine Beachtung schenkt. Ich habe schon vor Jahren vergessen wie man weint. Ich möchte nicht, dass dir das auch passiert.“, erklärte Nuin und gab seinem Liebsten einen Kuss auf die Stirn. Dieser konnte sich zwar nicht vorstellen, dass es möglich war, etwas wie ’das Weinen’ zu vergessen, aber trotzdem behielt er die Aussage des Älteren in seinem Hinterkopf, denn bis jetzt hatte ihm noch jeder Rat seines Schöpfers geholfen. Sie standen noch Stunden auf dem Balkon, unterhielten sich, oder kuschelten einfach nur miteinander. Kurz vor Sonnenaufgang gingen sie wieder ins Innere des Schlosses, um sich den Tag über schlafen zu legen. Ein gutes halbes Jahr hatte Francis bereits als Vampir in Gesellschaft der anderen verbracht. Es war, seiner Meinung nach, die schönste Zeit seines bisherigen Lebens. Die Liebe zwischen Nuin und ihm schien von Tag zu Tag immer stärker zu werden. Mit Etienne und Alain verstand er sich auch bestens und zu Olivier hatte er ja seit jeher ein sehr inniges, freundschaftliches Verhältnis. Heute war Samstag, einer der schönsten Tage der Woche. Die fünf Vampire hatten sich nämlich angewöhnt, in dieser Nacht immer gemeinsam auf die Jagd zu gehen. Dies war schon zu einer Art Ritual geworden und machte riesigen Spaß - wie ein Familienausflug. Gegen 22 Uhr - ungewöhnlich spät, aber Etienne und Alain mussten ja unbedingt ’noch etwas wichtiges besprechen’- machten sie sich gemeinsam auf den Weg in die Nacht. Alles verlief wie immer, sie suchten sich ihre Opfer gleich zu Anfang ihres Streifzugs, damit sie noch genügend Zeit hatten, um im Dunkeln durch die Gegend zu toben. Leider lief dabei diesmal nicht alles wie geplant … „Was war das?“, fragte Alain und die anderen verstummten sofort um zu lauschen - Lärm war zu vernehmen. Man hörte in der Ferne das Geschrei einer Gruppe Menschen - und es kam näher. „Verdammt, das sind Jäger!“, brach es aus Nuin heraus. Verängstigt sah Francis seinen Liebsten an. „Wir müssen sofort verschwinden!“, gab Etienne von sich. „Da hast du Recht. Schaut, da hinten kann man schon ihre Fackeln sehen!“, ergänzte Olivier. Nuin nahm seinen Schützling an die Hand und sie flüchteten in das benachbarte Waldstück. Anscheinend hatten die Vampirjäger schon Wind von ihnen bekommen, denn sie vernahmen hinter sich gelegentlich Sätze wie „Die kriegen wir!“ und „Ihr entkommt uns nicht!“. Eine regelrechte Hetzjagd begann. Die fünf rannten so schnell sie konnten durch den Wald, ziemlich beschwerlich bei solch unwegsamem Gelände. Den Feind immer noch im Nacken mussten sie nach einer halben Stunde doch erst einmal rasten. In einem Graben kamen sie zum stehen - schwer und schnell atmend. „Wie … werden wir die … bloß los?“, fragte Etienne, der nach Luft rang. „Vielleicht ist es besser … wenn wir uns aufteilen.“, schlug Alain vor. „Nein! Wir haben es … fast geschafft. Der Friedhof … ist nicht mehr weit weg. Ihr geht dort hin … und flüchtet durch den Geheimgang ins Schloss. Ich werde … die Idioten ablenken.“, erklärte Nuin den anderen. „Kommt gar nicht in Frage! Das ist viel zu gefährlich! Wir können doch alle zusammen fliehen, wieso willst du sie erst noch ablenken?“, Francis war entsetzt über das Vorhaben seines Schöpfers. „Sie sind schon viel zu dicht dran, wenn die mitbekommen das in der Gruft ein Fluchtweg ist, dann hat sich eh alles erledigt. Ich werde sie auf eine falsche Fährte locken, damit euch nichts passiert und die Typen auf keinen Fall unser Quartier finden.“, antwortete der Weißhaarige dem jüngsten der Gruppe. „Und was ist mit dir? Was ist wenn die dich kriegen? Die werden dich töten! Das lass’ ich nicht zu!“ - „Willst du etwa das wir alle draufgehen???“, schrie Nuin den Schwarzhaarigen an. Nun stiegen diesem Tränen in die Augen. Er mochte es nicht, wenn sein Geliebter ihn anschrie - es tat weh. „Nein … natürlich will ich das nicht. Aber ich mach mir doch nur Sorgen. Ich will dich nicht verlieren, verstehst du das nicht?“, fragte er, immer darauf bedacht, nicht jeden Moment loszuweinen. „Ich versteh dich ja, aber ich möchte ebenso wenig, dass dir etwas zustößt. Ich werde gehen!“, versuchte der Angesprochene Francis zu trösten. „Aber ich will das nicht! Du darfst nicht allein gehen! … Verdammt, jetzt sagt ihr doch auch mal was!“, der Kleine warf den anderen einen vor-wurfsvollen Blick zu. Diese sahen jedoch nur traurig zu Boden und schwiegen. „Seid ihr etwa alle seiner Meinung? Ihr wollt ihn also wirklich einfach so gehen lassen?“, keine Antwort. „Na gut, dann komme ich eben mit dir mit! Wenn die anderen zu feige sind …“, Francis war fest entschlossen. „Vergiss es! Du fliehst mit den anderen! Ich bin doch bald wieder bei dir, versprochen! Hab keine Angst um mich!“, Nuin nahm seinen Liebsten in den Arm und streichelte ihm behutsam über den Rücken. „Aber … aber …“, weiter kam dieser nicht, denn der Weiß-haarige hatte sich in seinem Hals festgebissen und war nicht gewillt ihn loszulassen. Olivier versuchte noch ihn aufzuhalten, aber es gelang ihm nicht. Nuin saugte dem Kleineren so lange das Blut aus, bis er bewusstlos in seinen Armen zusammensank. „Verzeih mir mein Engel, aber so ist es am besten für dich.“, flüsterte er ihm noch ins Ohr, gab ihm einen liebevollen Kuss, hob ihn hoch und übergab ihn dann an Alain. „Was sollte denn das jetzt? Du hättest ihn umbringen können!“, fuhr Olivier den Älteren an. „Er wird bald wieder zu sich kommen, keine Sorge. Aber hätte ich das nicht getan, dann wäre er mir sicherlich gefolgt und das wollte ich nicht. Passt bitte gut auf ihn auf!“, nach diesen Worten wandte er sich an seinen jüngeren Bruder. „Du bist gemein! Du hast ihn belogen! Du wirst nicht bald wieder bei ihm sein, oder?“, fragte dieser ihn schluchzend. Ein gequältes, trauriges Lächeln legte sich auf das Gesicht des Angesprochenen. „Bringt euch jetzt in Sicherheit! Lebt wohl!“, sprach er und rannte von der Gruppe weg, den Vampirjägern entgegen. Schweigend sahen sie ihm solange nach, bis er in der Dunkelheit end-gültig verschwunden war und taten dann, schweren Herzens, wie ihnen geheißen. Ein Schrei … das war alles, was sie wenig später von ihrem Quartier aus hörten. Zeitgleich riss Francis die Augen auf, blickte sich panisch um - suchend. Höllische Schmerzen peinigten ihn in diesem Moment, er fing an zu schreien, sein Herz verkrampfte sich, es war kaum auszuhalten. Und ganz plötzlich … nichts mehr. „Wo … wo ist er? Ich kann ihn nicht mehr spüren! Sagt mir bitte wo er ist!“, flehte er die anderen an. Die Leere in seinem Herzen ließ ihn vor Kälte erzittern. „Er hat es nicht geschafft, Francis. Er ist tot.“, antwortete Olivier, der sich soeben neben seinen besten Freund gehockt hatte und ihn nun in die Arme nahm. „Was?“ - „Es war die Sonne!“, sprach Alain. „Ganz sicher war es die Sonne. Er hätte sich niemals von diesen Schweinen umbringen lassen, nein, nicht Nuin!“, fügte er hinzu. Er war gerade dabei Etienne ein wenig zu trösten, der hatte seine Tränen schon den ganzen Weg bis in ihr Versteck nicht mehr zurückhalten können. Eine ganze Weile sagte niemand mehr auch nur ein Wort. Francis weinte hemmungslos und auch die anderen gaben sich einfach ihren Emotionen hin, jeder auf seine Weise. Der Jüngste war der erste, der seine Sprache wieder fand. „Das kann nicht … das darf nicht … ich wollte ihn noch aufhalten und ihr habt mir nicht geholfen, es ist alles eure Schuld!“, schrie der Schwarzhaarige verzweifelt. „Er wollte es so. Selbst wir alle zusammen hätten ihn nicht davon abbringen können.“, meldete sich nun Etienne zu Wort. „Aber ihr hättet es wenigstens versuchen können … ihr habt nur dagestanden und nichts getan!“, Francis konnte es einfach nicht begreifen, dass sein Geliebter nie wieder zu ihm zurückkehren würde. „Halt den Mund! Glaubst du etwa du bist der einzige der ihn geliebt hat und der jetzt um ihn trauert? Du hast kein Recht uns die Schuld an seinem Tod zu geben!“, Etienne war furchtbar wütend über die Anschuldigungen des Jüngeren. „Hört auf euch zu streiten! Das bringt doch nichts! Wir müssen jetzt füreinander da sein und uns nicht gegenseitig Vorwürfe machen!“, versuchte Olivier die beiden zu besänftigen. „Ein Anführer fühlt sich dazu verpflichtet, für das Wohl seines Clans zu sterben.“, sagte Alain plötzlich und alle sahen ihn verwirrt an. „So und nicht anders ist Nuins Verhalten zu interpretieren. Mit seinem Tod konnte er die die er liebte beschützen und so zu sterben hatte er sich immer gewünscht. Glaubt mir, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, denn ich bin mir sicher, in den letzten Momenten seines Lebens … war er glücklich.“, sprach er weiter - und er hatte Recht. So langsam beruhigten sich die Gemüter der anderen. Irgendwie hatten Alains Worte viel Trost gespendet und so trug es sich zu, dass schon bald keine einzige Träne mehr vergossen wurde. „Was haltet ihr davon, wenn wir von hier weggehen?“, schlug Francis vor. Die anderen drei blickten sich erst einmal verwundert an. „Und wohin?“, fragte Etienne dann. „Keine Ahnung … irgendwo hin. Wir werden schon was Hübsches finden.“, antwortete der Schwarzhaarige. Für ein paar Minuten schwiegen sie, dachten nach. „Also ich bin einverstanden! Lasst uns von hier weggehen!“, Olivier unterbrach als erster die Stille. Diese Antwort brachte ihm ein freudiges Lächeln Francis’ ein. „Okay, ich bin auch dafür!“, Etienne war der nächste der zustimmte und er blickte Alain nun auffordernd an. „Ich folge dir überall hin!“, grinste dieser und nun war es beschlossene Sache - in der kommenden Nacht würden sie gehen. Pünktlich zum Sonnenuntergang hatten alle vier das Nötigste zusammengepackt und waren aufbruchbereit. Sie verließen das Gebäude, schlossen es sorgfältig ab, damit das Risiko geringer war ungebetene Gäste aufzufinden, wenn sie im nächsten Jahr zurückkommen würden. Das hatten sie kurz zuvor noch besprochen: Von nun an wollten sie jedes Jahr, an Nuins Todestag, hierher zurückkehren. Olivier, Etienne und Alain hatten das Grundstück bereits verlassen, nur Francis blieb noch kurz zurück. Er blickte noch einmal zu den Sternen, zu seinem Stern, lächelte und ging seinen Freunden dann nach … Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)