Chase me von Nessera_Noire (D// AsagixRuiza ^_^) ================================================================================ Prolog: Chase me, Ruiza ----------------------- Autorin: Nessera Noire Kapitel: Prolog// 1/6 Fandom: D Pairing: AsagixRuiza Disclaimer: Ich habe mit der Band D nichts zu tun, die Mitglieder gehören nicht mir, ich verdiene hiermit kein Geld und alles, was in der Geschichte passiert, entspringt vermutlich nur meiner kranken Fantasie. Danke an: Sareru Shu fürs betalesen und absegnen ^__^~ Kommentar: Meine erste längere ff…na, das kann ja was werden bei meinem Durchhaltevermögen…~_~ ~**~~**~ Chase me// Prolog: Chase me, Ruiza Schweigend begann er seinen Weg durch das geräumige Appartement. Er stellte die noch leere Reisetasche vor dem Kleiderschrank ab, bevor er dessen Türen öffnete. Unachtsam zog er seine Klamotten heraus und ließ sie in die Tasche fallen; Hosen, Pullover, T-Shirts wahllos übereinander. Als letztes kamen die Schuhe auf das Durcheinander, obendrauf wie als Krönung noch ein paar Hüte und Mützen. Seinen schönen dunkelroten Schal legte er nach kurzer Überlegung wieder zurück in den Schrank. Einen Moment lang musste er lächeln, als er sich daran erinnerte, wie Ruiza sich den Schal einmal wie eine Stola um die schmalen Schultern geschlungen hatte und damit auf hohen Schuhen wie eine Operndiva durch das Schlafzimmer getänzelt war, um unter hoheitsvollen Handbewegungen seine Art zu singen zu imitieren, bis sie schließlich beide in Lachen ausbrachen. Entschlossen schüttelte er den Kopf, wie um die Erinnerung abzuschütteln. Nur mit Ruizas Klamotten sah der Kleiderschrank nun recht leer aus, deshalb räumte er dessen Kleidung ein wenig um, betrachtete dabei das ein oder andere Stück einen Moment länger. Dann schloss er die Schranktüren und setzte seinen Weg durch die Wohnung im Bad fort. Haarspray, Zahnputzsachen, Duschbad, Kajal und Parfüm wurden aus allen Ecken hervorgekramt und fanden ihren Platz im Chaos in seiner Reisetasche. Schmuck, Handtücher und andere Sachen folgten. Seine Ersatzbrille zerbrach, blieb aber erstaunlicherweise der einzige Gegenstand, der so gegen die lieblose Behandlung protestierte. Nach einem letzten prüfenden Blick durch den Raum zog er die Badezimmertür hinter sich zu, verteilte seine Sachen ein wenig in der Tasche, damit noch mehr darin Platz hatte. Dann machte er doch noch einmal kehrt, stellte sein eigenes Parfüm wieder zurück in den zierlichen Spiegelschrank, nicht ohne es vorher noch einmal auf Hals und Handgelenke zu sprühen. Dafür nahm Ruizas fantasievoll geformte Parfümflasche den Weg in seine Tasche. Es war ein Weihnachtsgeschenk von ihm gewesen und er erinnerte sich noch genau an Ruizas leuchtende Augen, als dieser das Geschenk ausgepackt hatte sowie an seine überschwängliche Freude. Jeden Tag hatte er den süßlichen Duft aufgetragen, der so gut zu ihm passte. Zu der Person, die das Parfüm nun entwendet hatte, passte dieser Geruch eigentlich weniger, aber es würde ihn wenigstens jeden Tag an Ruiza erinnern. Lautlos richtete er sich wieder auf und ließ seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen, zwirbelte dabei nachdenklich eine Strähne seiner nahezu unnatürlich glänzenden schwarzen Haare um den Finger. Meine Güte, was er doch alles mit der Zeit in diese Wohnung geschleppt hatte, die nicht einmal seine war! Sorgfältig eingerahmte Fotos waren auf den Schränken und Regalen angeordnet, zeigten Ruiza in Schuluniform mit seinem Abschlusszeugnis, Ruiza und seine Familie, ihre gemeinsame Band beim Fotoshooting, ihre vorherige Band beim Soundcheck. Er sammelte alle Bilder ein, auf denen er un die Band zu sehen waren. Das Glas über einem Bild von der Band während einem Konzert zersprang, als er noch einen von den vielen Dekogegenständen obendrauf warf, die er ständig kaufte oder geschenkt bekam und dann hier aufgestellt hatte. Seine Haarbürste lag noch auf dem Sofa. Egal, die blieb liegen, er hatte noch eine andere. Aber das kleine rote Kissen mit dem Teefleck am Rand nahm er mit. Auf dem Balkon waren keine Sachen von ihm, das wusste er. Trotzdem öffnete er noch einmal die Balkontür (mit einem kräftigen Ruck, denn sie klemmte), trat auf die grauen Fliesen hinaus, die er immer so langweilig gefunden hatte und betrachtete die schöne Aussicht auf die Stadt. Ruiza hatte hier jeden Morgen nach dem Frühstück gestanden und geraucht. Ab morgen, wenn er aus dem Krankenhaus zurückkehrte, würde er sicher wieder hier stehen und beim Ziehen an der Zigarette die Hochhäuser von Ikebukuro anschauen. Er begann zu frösteln, deshalb ging er wieder ins Wohnzimmer zurück, schloss die Balkontür sorgfältig hinter sich. Viel gab es jetzt nicht mehr hier, was ihm gehörte. Von dem Geschirr in der Küche entfernte er nur einen Becher, auf dem in geschwungener Schrift sein Name zu lesen war. Auch wenn sämtliche Gläser, Teller und Schälchen doppelt vorhanden waren, befand er es nicht für notwendig, seinen Teil davon einzupacken. Als letztes griff er jetzt noch seinen Schirm und die dünne Sommerjacke von der Garderobe. Nachdem auch diese Dinge verstaut waren, zog er geräuschvoll und mit einiger Mühe den Reisverschluss seiner Tasche zu. Nun gab es nur noch eine letzte Aufgabe für ihn zu erledigen. Eine letzte eindeutige Spur war noch übrig geblieben. Sein Weg führte ihn noch einmal ins Schlafzimmer, wo er vor einer halben Stunde mit dem Packen begonnen hatte. Er wusste, dass Ruiza in der Kommode unter dem Fenster bei den unzähligen Merchandising-Artikeln von diversen Bands auch ein überdimensionales und schrecklich kitschiges Poster vom Fuji-san aufbewahrte und genau dieses Poster benötigte er jetzt. Ruiza hatte es nie aufgehängt (er fand es ebenfalls zu kitschig) aber auch nie weggeschmissen. Nach kurzem Suchen fand er, was er brauchte, entrollte das große Stück Papier und hielt es mit ausgebreiteten Armen kurz vor die Wand über dem Bett. Genau richtig für seine Zwecke. Hastig kramte er eine Rolle Tesafilm hervor. Dieses Poster würde auch die letzte Spur von ihm in Ruizas Wohnung überdecken: Die unzähligen Fotos und Purikuras über dem Bett. Seit sie hier eingezogen waren, hatten sie immer neue Stickerfotos und Privatbilder von ihnen beiden an diese Wand geklebt, wo sie sie ständig sahen. Wie oft hatten sie diese Fotos lächelnd betrachtet und über die Ereignisse gesprochen, bei denen sie geschossen worden waren. Das sollte jetzt ein für alle mal vorbei sein. Mit einigen raschen Handgriffen befestigte er das Poster an der Wand, glitt dann wieder vom Bett, trat einen Schritt zurück und begutachtete wehmütig sein Werk. Letztendlich schloss er auch die Schlafzimmertür hinter sich, warf sich seine volle Tasche über die Schulter und einen letzten Blick durch das Wohnzimmer. Bei einem blau eingerahmten Bild von einem lächelnden Ruiza blieb er hängen. Von einem traurigen Lächeln begleitet strichen seine Fingerspitzen zärtlich darüber. "Ruiza...", flüsterte er, "bitte Ruiza...lass es nicht so enden." Langsam führten ihn seine Schritte zur Tür. Dort drehte er sich mit ernstem Gesicht noch ein letztes Mal um. Er sprach so leise, dass es kaum zu hören war. "Vergiss es nicht, Ruiza...Chase me." Dann verließ er das geräumige Appartement, in dem er zwei Jahre gelebt hatte. Ein paar Minuten noch hing der Duft seines Parfüms in der Luft, dann war jegliche Erinnerung an Asagi von diesem Ort verschwunden. Kapitel 1: The Shadow of a Stranger ----------------------------------- Autorin: Nessera Noire Kapitel: 1/6 Fandom: D Pairing: AsagixRuiza Warnung: Langweilig und zum Teil etwas schwachsinnig, glaube ich ~__~ (hört nicht auf mich, lest lieber, ich jammere eh immer) Disclaimer: Ich habe mit der Band D nichts zu tun, die Mitglieder gehören nicht mir, ich verdiene hiermit kein Geld und alles, was in der Geschichte passiert, entspringt vermutlich nur meiner kranken Fantasie. Danke an: Sareru_Shu fürs betalesen…und für alternative Formulierungen, wenn mir die Wörter ausgehen XD ^_^ Kommentar: Dieses Kapitel ist ein notwendiges Übel. Nicht mehr und nicht weniger. T___T Ich musste es einfügen, um die wichtigsten Hintergrundinformationen einzubauen, aber leider kommt dabei die eigentliche Story ein wenig zu kurz. Freut euch auf das zweite Kapitel, das habe ich schon zum Teil geschrieben, daher kann ich bereits vorhersagen, dass es da dann endlich richtig losgeht. ^^’ Edit: Man sollte nicht abtippen, wenn man noch nicht richtig wach ist, dann entstehen nämlich Sätze wie „Er klebte ein Plaster auf die Wunder.“. *Kopf meets Tischplatte* ~__~;; ~*~ „Soll ich dich stützen, Yoshiyuki?“ „Nein“, sagte er nur ablehnend. „Bist du dir sicher? Soll ich nicht besser deine Tasche tragen?“ „Ja, ich bin mir sicher, und nein, die trag ich selbst,“, war die mürrische Antwort. „Warum bist du denn so garstig, Yoshiyuki? Das kenne ich ja gar nicht von dir. Oh, Vorsicht, hier ist eine Stufe. Soll ich dir nicht doch helfen?“ „Mutter!“ Entnervt blieb er stehen und runzelte die Stirn. „Ich kann nach Hause, weil ich gesund bin! Ich kann alleine gehen, gucken und meine Sachen tragen. Ich bin kein Invalide, mir fehlen nur ein paar Erinnerungen.“ Eine kleine Furche bildete sich zwischen seinen Augenbrauen, während er sich langsam in Rage redete. Beschwichtigend hob seine Mutter die Hände. „Ich mach mir doch nur Sorgen um dich. Und jetzt hör bitte auf, mir in einem Krankenhausflur eine Szene zu machen, die Leute schauen schon.“ Damit drehte sie sich um und bahnte sich weiter ihren Weg durch die vielen Menschen Richtung Ausgang. Ruiza seufzte bevor er ihr folgte. Seine Mutter machte sich immer so viele Gedanken darüber, was andere über sie dachten. Sein Vater war da genauso, daran erinnerte er sich. Nur bekam er davon nicht so viel mit, denn sein Vater schien mehr mit seiner Arbeit verheiratet zu sein als mit seiner Mutter. Er war Arzt; ein so erfolgreicher, dass es praktisch sein Krankenhaus war, welches Ruiza gerade verließ. Trotzdem hatte er während seines zweimonatigen Krankenhausaufenthaltes nicht viel von seinem Vater gesehen. Es waren seine Mutter und seine Schwester gewesen, die ihn jeden Tag besucht hatten und ihm von seinem früheren Leben erzählten, nachdem er bei einem schweren Autounfall sein Gedächtnis verloren hatte. Nur wegen dieser Hilfe erinnerte er sich inzwischen zumindest wieder an einen Großteil seiner Kindheit. Er stammte aus einer wohlhabenden, traditionellen Familie. Sogar ein paar Hausangestellte hatten sie. Ruiza erinnerte sich dunkel an verschiedene Kindermädchen, die früher auf ihn und seine große Schwester Saaya aufgepasst hatten. Noch immer in Gedanken versunken stieg er zu seiner Mutter ins Auto. Sie würde ihn nach Hause fahren. Er selbst mochte sich nicht mehr hinter das Steuer eines Wagens setzen nach seinem Unfall. Er war sich auch gar nicht sicher, ob er es überhaupt noch konnte. Die Bilder des Unfalls waren ihm seltsamerweise im Gedächtnis geblieben. Die Schreckenssekunden, in denen ein entgegenkommendes Fahrzeug auf der Regennassen Fahrbahn plötzlich von der Spur abkam und ihn von der Straße drängte, sowie der Moment, in dem schließlich der dicke Baum vor ihm im Scheinwerferlicht erschien, gehörten zu den ersten Dingen, die er vor sich sah, nachdem er im Krankenhaus wieder aufgewacht war. Ansonsten war in seinem Kopf nur noch Leere gewesen. Er wusste nicht einmal mehr, wo er hingewollt hatte, als der Unfall passierte. Auch seine Eltern und seine Schwester konnten ihm diese Frage nicht beantworten. Er war sich nicht sicher, ob er es überhaupt jemals erfahren würde, denn er musste sich fast jede Erinnerung mühsam zurückerobern, am besten, indem ihn jemand direkt darauf stieß und ihm davon erzählte oder etwa ein Foto zeigte. Dann kehrten die Bilder häufig wie von selbst vor sein inneres Auge zurück. ‚Zum Glück’, dachte er, denn wenn er angestrengt über etwas nachdachte und zu aggressiv in seinem Gedächtnis kramte, bekam er Kopfschmerzen. Ab und zu wurde ihm dann sogar schwarz vor Augen. Ruiza lehnte den Kopf zur Seite gegen das Autofenster, während seine Mutter ihn durch die Straßen fuhr. Aufmerksam betrachtete er die Szenerie. Viele Gebäude und Geschäfte auf dem Weg kamen ihm bekannt vor. Auch die Wohngegend, in die das Auto schließlich einbog, war ihm auf eine seltsame Art und Weise vertraut. Das beruhigte ihn ungemein. Bedächtig stieg er endlich die Treppen des mehrstöckigen Wohnhauses hinauf, sah sich neugierig um, versuchte, Bekanntes zu entdecken. Vor seiner Tür blieb er einen Moment stehen, bevor er tief Luft holte und die Klinke herunterdrückte, eintrat. Für eine Sekunde überwältigten ihn die unzähligen Eindrücke, die auf ihn einströmten. Ruiza blieb einfach mitten im Wohnzimmer stehen, stellte die Tasche neben sich ab und drehte sich erst einmal staunend im Kreis. Ein Gefühl überkam ihn, das er nicht einzuordnen wusste; bei dem er sich nicht entscheiden konnte, ob es ein angenehmes Gefühl war oder nicht. Es fühlte sich merkwürdig an. Er hörte Schritte aus dem Flur, wenig später betrat seine Mutter den Raum. „Und? Hast du dich schon umgesehen?“, fragte sie lächelnd. Ruiza nickte nur kaum merklich zur Antwort. Seine Aufmerksamkeit galt mehr dem großen Stapel Bücher, den sie eben auf dem Wohnzimmertisch absetzte. Seinen Blick bemerkend sagte sie: „Ich weiß, du musst dich gewiss noch schonen, aber ich dachte mir, du solltest deine Studien schon wieder aufnehmen. Deswegen habe ich dir einige Bücher aus Vaters Bestand mitgebracht.“ Sie drückte sich immer so gewählt aus und „gewiss“ war ihr Lieblingswort. Sie war stolz auf ihre vornehme Herkunft. Ruiza hatte diese unterschwellige Arroganz in ihrer Art stets belächelt, ohne je etwas dagegen zu sagen. Auch jetzt ließ er sich ohne jeden Kommentar aufs Sofa fallen, nahm eines der schweren Bücher in die Hand und blätterte wenig interessiert darin herum. Die Beschreibungen diverser Krankheiten und Behandlungsmethoden sowie die vielen Fachbegriffe waren ihm ganz und gar unbekannt. Er konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals mit so etwas befasst zu haben. „Und ich hab wirklich Medizin studiert? Wie mein Vater?“, fragte er deshalb zweifelnd. „Natürlich“, erwiderte seine Mutter nur. „Wenn du dich einmal ausgiebig damit befasst hast, fällt es dir gewiss wieder ein!“ Ihr Lächeln wurde noch breiter. Kurz beschlich Ruiza das Gefühl, dass es falsch war, dass sie ihn belog. Aber er schob diesen Gedanken rasch beiseite, genauso wie er jetzt die dicken Bücher beiseite schob. Er holte eine Packung Zigaretten aus seiner Hosentasche, stellte aber zu seinem Erstaunen fest, dass es keinen Aschenbecher gab. Also beschloss er, das Rauchen auf später zu verschieben. Seine Mutter warf einen missbilligenden Blick auf die Zigaretten und stöckelte auf ihren hohen Schuhen erst ins Bad, dann in die Küche, schließlich sogar in das Schlafzimmer und auf den Balkon, bis ihr Sohn sie genervt fragte: „Sag mal, was tust du da eigentlich?“ „Ich sehe nach, ob alles in Ordnung ist.“ „Was sollte denn nicht in Ordnung sein?“, bemerkte er überrascht. „Außer dir war doch in den letzten Wochen kein Mensch hier, der etwas hätte verändern können, oder?“ Sie blickte ertappt und biss sich auf die Lippe. „Natürlich nicht“, erwiderte sie barsch, begleitete ihre nächsten Worte schon wieder mit einem breiten Lächeln. „Soll ich dir vielleicht noch etwas zu essen machen, Yoshiyuki?“, sagte sie schnell. Zu schnell, durchfuhr es Ruiza plötzlich, dieser Themenwechsel kam zu schnell. Sie verschwieg ihm etwas, da war er sich jetzt sicher. Er wusste noch nicht, was es war, nur, dass er es jetzt nicht aus ihr herausbekommen würde. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht, das hatte er bereits wenige Sekunden, nachdem er diese Wohnung betreten hatte, gedacht. Der verzweifelte Versuch, von selbst draufzukommen, was es war, bereitete ihm Kopfschmerzen. Erschöpft lehnte er sich zurück und schloss die Augen. „Ich koch mir nachher selbst was, danke“, erklärte er seiner Mutter. „Kannst du mich jetzt vielleicht allein lassen, ich hab Kopfschmerzen.“ Als sie nach vielen, vielen Ermahnungen und Anweisungen endlich gegangen war, seufzte Ruiza erst einmal tief. Nun würde er genug Zeit und Ruhe haben, sich hier etwas genauer umzusehen und seinem lädierten Gedächtnis damit ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Aber erst einmal ging er in die Küche und schmiss den Wasserkocher an. Es ärgerte ihn, dass er fast alle Schränke und Schubladen durchsuchen musste, bis er endlich Teebeutel und einen Becher fand. ‚Wie seltsam’, dachte er, als er den hellblauen Becher aus dem Schrank nahm. ‚Alles Geschirr ist doppelt vorhanden.’ Nur einen zweiten Becher hatte er anscheinend nicht. Langsam drehte er das Gefäß in seinen Händen, las die Aufschrift: Ruiza. Etwas in seinem Kopf reagierte darauf. Er kannte dieses Wort, ganz bestimmt. Seine Gedanken überschlugen sich; es schien so viel zu sein, dass er mit diesem Wort verband, doch keiner der schemenhaften Gedankenfetzen wurde klarer. Nachdenklich stellte er den Becher auf den Tisch, hängte den Teebeutel hinein und goss vorsichtig das heiße Wasser darüber. Zufällig fiel ihm noch eine Packung Kekse in die Hände. Er bemerkte beiläufig, dass sie nicht aus einem Supermarkt, sondern einem Süßwarenladen stammte. Er suchte eine Schüssel dafür. Ruiza. Immer noch kreisten seine Gedanken um dieses Wort. Woher kannte er es? Ihm war, als würde plötzlich etwas deutlicher werden in seinem Kopf. Aber von einem Moment auf den anderen durchfuhr ihn ein stechender Schmerz, wie meistens, wenn er nach Erinnerungen kramte. Seine Beine knickten ein, er ging in die Knie, hielt sich mit einer Hand am Tisch fest. Die inzwischen gefundene Schüssel glitt ihm einfach aus der anderen Hand und zerschellte auf dem Küchenboden. Das Klirren erschien ihm ohrenbetäubend. Und plötzlich war da etwas. „Ruiza!“, rief eine angenehm tiefe Stimme in seinem Kopf, „hast du dir wehgetan?“ Er saß auf den hellen Fliesen seiner Küche, vor ihm ein Haufen Scherben. Er hörte sich selbst mit zittriger Stimme antworten: „Nein…nein, ich glaube nicht.“ Der Mann mit der tiefen Stimme kniete neben ihm nieder und ergriff seine Hand. Warm. Und angenehm. „Aber deine Hand blutet“, sagte der Mann besorgt. „Warte, ich geh dir ein Pflaster suchen.“ Er tätschelte sein blondes Haar, als er aufstand. „Manchmal bist du wirklich schusselig, Ruiza“, sagte er liebevoll. Einen Moment lang verschwamm wieder alles vor seinen Augen, dann sah er den Mann erneut neben sich knien. Er legte seine blutende Hand auf sein Knie und klebte vorsichtig ein Pflaster auf die Wunde. Ruiza lächelte. „Danke.“ Sein Gegenüber strich ihm eine der blonden Strähnen aus dem Gesicht und zog ihn wortlos am Handgelenk zu sich. Sacht legte er seine Lippen auf Ruizas, begann einen sanften Kuss. Widerstandslos ließ Ruiza das zu, erwiderte sogar unmittelbar, schmiegte sich näher an den anderen und genoss die zärtliche Berührung. Dann riss er geschockt die Augen auf. Die Erinnerung verblasste. Ungläubig betrachtete Ruiza die Glassplitter auf dem Boden, die vor wenigen Sekunden noch eine Schüssel gewesen waren. Rasch räumte er sie beiseite und suchte sich ein neues Behältnis für seine Kekse. Er setzte sich mit ihnen und seinem Tee auf den Balkon, weil er rauchen wollte. Erst als er die Zigarette bereits angezündet hatte, kam er auf die Idee, sich Gedanken darüber zu machen, warum er zum Rauchen extra auf den Balkon gegangen war. Das hatte er unbewusst getan. Er war eh schon so verwirrt nach der Erinnerung vor ein paar Minuten. ‚Muss wohl eine Angewohnheit von früher sein’, dachte er sich, ‚aber wieso? Wen sollte es denn stören, wenn ich in der Wohnung rauche?’ Er nahm einen tiefen Zug und einen Schluck Tee. ‚Den Mann aus deiner Erinnerung.’ Das war der einzig logische Gedanke. Aber wer war dieser Mann, der ihn Ruiza genannt hatte? Ruiza. Das war er. Der Name klang gleichzeitig fremd und so vertraut. Als dieser Mann ihn ausgesprochen hatte, war er ihm vertraut gewesen. Woher hatte er diesen Namen? Und was ihn noch viel mehr schockierte, warum hatte er ihn geküsst? Und wieso hatte er selbst ihn nicht weggestoßen? Ruiza war nahe daran, in Tränen auszubrechen. Es tat weh, sich selbst nicht zu kennen. Manchmal fühlte er sich wie ein Fremder in seinem eigenen Körper. Wie ein Parasit, der sich als Untermieter eingenistet hatte; oder wie ein Spion in seinem Gehirn. Er hatte zeitweise das Gefühl, nur ein körperloses Wesen zu sein, dass sich tief in der Person namens Yoshiyuki oder Ruiza verborgen hielt und dessen Körper, dessen Erinnerungen und dessen Identität als seinen eigenen Besitz ausgab. Er wusste noch gut, wie ihm in der ersten Zeit nach dem Unfall zumute gewesen war. Als er das erste Mal seinen eigenen Namen ausgesprochen hatte war ihm, als hätte er ihn eben von der Visitenkarte einer neuen Bekanntschaft abgelesen. Als er sich das erste Mal umgezogen hatte, war ihm das so peinlich gewesen, als würde er jemand anderen ausziehen, den er kaum kannte. Flammend rot war er geworden, er hatte es fast nicht fertig gebracht, seine eigene Haut zu berühren und an sich herunterzuschauen, geschweige denn, diesen so unbekannten Körper zu waschen. Und als die ersten Erinnerungen in seinen Kopf zurückkehrten kam ihm das vor, als hätte er verbotenerweise heimlich im Tagebuch eines anderen gelesen. Dieses unangenehme Gefühl hatte er immer noch. Und genau jetzt, in diesem Moment, wurde es ihm zu viel. Es kam auf einmal noch soviel hinzu: Diese Wohnung, seine Wohnung, in der er wie ein geduldeter Gast oder sogar noch mehr wie ein Fremdwohner leben sollte, und nicht zuletzt die neuen Erinnerungen an den fremden Mann, der ihn geküsst hatte. Das alles verwirrte ihn. Niemand hatte ihm von diesem Mann erzählt. Warum nicht? Wer war er und was hatte er in seiner Wohnung zu suchen? Ja, es wurde ihm alles zuviel. Ruiza hätte heulen mögen wie ein kleines Mädchen. Er konnte die Tränen kaum mehr zurückhalten, als er daran dachte, dass er sich an diese eine Sache sehr gut erinnerte: Er war ein Schwächling. Er war schwach und feige, nie in der Lage gewesen, sich durchzusetzen und seine eigene Meinung zu verteidigen. Ruiza wusste, dass er immer darunter gelitten hatte und er glaubte nicht, dass sich das jemals ändern würde. Im Gegenteil, es wurde eher schlimmer, wo er sich nun so schlecht fühlte. Er nahm den inzwischen geleerten Becher und die Schüssel und ging damit in das Innere des Appartements zurück. Es dämmerte bereits, das sorgte dafür, dass er sich an diesem Ort noch unwohler fühlte. Er machte das Licht an, setzte sich wieder aufs Sofa und stützte den Kopf in die Hände. Er konnte nicht mehr. Am liebsten wäre ihm, wenn er entweder alle Erinnerungen sofort wiederbekommen könnte oder auf der Stelle umfiele und nie wieder aufwachte. Er lehnte sich zurück, nahm ohne hinzusehen ein kleines rotes Kissen, welches neben ihm lag und schlang die Arme darum, drückte es an sich. Er starrte abwesend in die Luft; seine Augen brannten. Entschlossen rieb er mit der Hand darüber. Er durfte jetzt nicht aufgeben. Als er die Hand wieder sinken ließ, ertastete er neben sich einen Gegenstand; er musste unter dem Kissen gelegen haben. Es war eine Haarbürste. Ein langes schwarzes Haar hing darin, von dem gleichen glänzenden tiefschwarz wie die Haare des Mannes, der ihn geküsst hatte. Ruiza hielt erschrocken die Luft an. Schon wieder diese Person! Hier waren so viele Dinge, die ihn irgendwie an ihn erinnerten, auch wenn er sich dessen vielleicht gar nicht immer bewusst war. Aber er spürte es. Überall, in jedem Zimmer gab es etwas, was ihn daran denken ließ. In dieser Wohnung schien ein Schatten zu sein, ein Schatten von diesem Mann, der ihm so nahe zu stehen schien und an den er sich doch nicht mehr erinnerte. Es war, als wäre er nie allein in einem Raum. Immer war der Schatten der fremden Person hinter ihm. Und genau das machte ihm Angst. Kapitel 2: So many Questions, so much Confusion ----------------------------------------------- Chase me – Kapitel 2: So many Questions, so much Confusion Autorin: Nessera Noire Kapitel: 03/06 Fandom: D Pairing: Asagi x Ruiza Warnung: Beinahe-Yaoi, yay! XD Und ich verfalle in Bandwurmsätze, auweiah…Y_Y Disclaimer: Ich habe mit der Band D nichts zu tun, die Mitglieder gehören nicht mir, ich verdiene hiermit kein Geld und alles, was in der Geschichte passiert, entspringt vermutlich nur meiner kranken Fantasie. Danke an: Meine liebe Betaleserin Sareru Shu (GsKillerCrew), der ich den Satz „Wirklich, sie hüpften“ schenke, weil sie ihn so toll findet. XD Rahm ihn dir ein und häng ihn dir übers Bett. XDDD Kommentar: Ruiza macht sich selbstständig, oha. ~__~ Erst einmal benimmt er sich ohne dass ich es gewollt hätte wie der Elefant im Porzellanladen und vollbringt damit etwas Unglaubliches: Asagi verliert für einen Augenblick die Fassung. Und danach ist er plötzlich fest entschlossen, der ganzen Sache, mit der ich ihn quäle auf den Grund zu gehen, obwohl er doch eigentlich noch bis Mitte des nächsten Kapitels verwirrt durch die Gegend stolpern sollte. Also irgendwie will Rui-kun auf einmal nicht mehr so wie ich. *dropz* T__T Im Übrigen ist die erste Szene dieses Kapitels meine Lieblingsszene. *grins* ^__^ Aber der Rest ist nicht so prickelnd…da liegen zum Teil mehrere Wochen Schreibpause zwischen einzelnen Absätzen…es tut mir Leid. T__T ~*~ Staunend sah Ruiza sich um. Er befand sich in einem winzig kleinen Raum, in dem an allen Wänden zimmerhohe Regale standen, bis oben hin gefüllt mit Süßigkeiten. Links Schokolade, rechts täuschend echt aussehende Marzipanfrüchte, dazwischen Pralinen und Geleeringe. Auf dem Boden standen große Gläser, gefüllt mit Bonbons. So viele Süßigkeiten auf einem Haufen! Er wusste kaum, wo er zuerst hinschauen sollte. Alles sah so verlockend aus, dass vermutlich noch nie jemand diesen Laden verlassen hatte, ohne etwas zu kaufen. „Kann ich dir helfen?“, fragte da plötzlich eine Stimme hinter ihm. Eine angenehm tiefe, weiche Männerstimme. Ruiza fuhr herum. Der Mann, der gesprochen hatte, stützte sich mit den Händen auf einem hölzernen Tresen mit einer altmodischen Registrierkasse ab. Er war groß und hatte rabenschwarzes, auffällig glänzendes Haar, aber sein Gesicht war nicht zu erkennen. Wie merkwürdig. „Kann ich dir helfen?“, wiederholte der junge Mann freundlich seine Frage. „Ich…ich suche Pralinen für meine Mutter.“ Verdammt, warum zitterte seine Stimme so? „Ein Geschenk?“ „Ja…ja, zum Geburtstag.“ Er verstand es nicht. Dieser Verkäufer mit dem schönen schwarzen Haar brachte ihn total aus der Fassung. So unglaublich schüchtern war er doch sonst nicht! Der andere trat jetzt hinter seinem Tresen hervor und ging langsam auf ihn zu. „Hast du eine ungefähre Vorstellung, wonach du suchst?“ Diese Stimme…seine Stimme hatte so einen schönen warmen Klang. Er hätte dieser Stimme stundenlang zuhören können, da war er sich sicher. „Hey, träumst du?“, fragte die Stimme da direkt an seinem Gesicht. Ruiza erschrak. „Ich…“ Der Fremde stand jetzt so nah vor ihm, dass er überhaupt keinen vernünftigen Satz mehr herausbekam. Er wich einen Schritt zurück, doch dabei stieß er mit dem Fuß gegen eines der großen Bonbongläser auf dem Boden. Es fiel klirrend um, der Deckel öffnete sich und in gelbes Papier eingewickelte Bonbons hüpften von einem prasselnden Geräusch begleitet über den Boden. Wirklich, sie hüpften. Wie flache Kieselsteine, wenn man sie geschickt aufs Wasser warf, sprangen die Bonbons ein paar Mal über das Parkett, bevor sie liegen blieben. Wie merkwürdig. „Oh nein!“, keuchte Ruiza entsetzt, als er die Auswirkungen seines kleinen Missgeschicks begutachtete. Er fühlte, wie seine Wangen sich tiefrot färbten. „Das tut mir wirklich Leid! Entschuldigen Sie bitte vielmals! Gomen nasai!“ Schnell verbeugte er sich tief, wie seine gute Erziehung es verlangte, weiterhin Entschuldigungen stammelnd. „Hör auf, dich zu entschuldigen und hilf mir lieber!“, rief der andere, der inzwischen auf dem Boden kniete und die gelben Bonbons zurück ins Glas beförderte. Hastig gehorchte Ruiza, ließ sich neben den anderen Mann sinken und griff mit beiden Händen nach einem Haufen entflohener Bonbons. Ein paar Minuten schmissen sie schweigend die kleinen Süßigkeiten in ihr Behältnis. Dann griffen sie zufällig beide nach demselben Bonbon. Ihre Hände berührten sich. Im selben Moment wurde es totenstill und die ganze Szene schien regelrecht zu gefrieren. Ruiza war nicht einmal mehr in der Lage, seine Hand zurückzuziehen und verlegen um Entschuldigung zu bitten. Erschrocken bemerkte er, wie der Schwarzhaarige seine Hand fester umschloss. Gleichzeitig hob er die andere Hand, strich ihm damit zart über die Wange. „Ruiza…“, flüsterte er zärtlich. Der Angesprochene war noch immer nicht fähig, sich zu rühren. Er spürte sein Herz schneller schlagen, spürte die Wärme, die von dem anderen ausging und die ihm auf einmal so vertraut vorkam. Er ließ zu, dass sein Gegenüber ihn mit seinem Gewicht in eine liegende Position beförderte und sich über ihn legte. So fühlte er noch mehr von dieser Wärme und der weichen Haut. Nur aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie sich der Raum mit den vielen Süßigkeiten in Luft auflöste und durch einen anderen Ort ersetzt wurde: Sie lagen jetzt auf Ruizas eigenem Wohnzimmerteppich. „Ruiza“, hauchte der Dunkelhaarige da wieder. Sein Name hallte im ganzen Raum wieder, unzählige Male. Wie merkwürdig. „Ruiza…“ Er war so nah, dass die schwarzen Haarspitzen sein Gesicht kitzelten. „Ruiza…“ Noch ein paar Zentimeter weiter beugte er sich runter und küsste ihn. Seine Lippen waren noch weicher und wärmer als der Rest seiner Haut…Mit diesem Gedanken begann Ruiza den Kuss zu erwidern, öffnete schüchtern seinen Mund für die Zunge, die bittend über seine Lippen fuhr und legte zögerlich seine Hände auf den Rücken des Mannes über ihm. Dieser hielt inzwischen mit beiden Händen seinen Kopf und strich ihm mit den Fingerspitzen durch die blonden Haare, bevor er schließlich langsam den Kuss löste und tiefer glitt, mit seinen Lippen sanft seinen Hals bearbeitete. Ruiza seufzte nur leise und hielt die Augen genüsslich geschlossen. Er stöhnte kurz auf, als er spürte, wie sich das Lippenpaar an einer Stelle festsaugte und krallte daraufhin seine Hände in die Schulterblätter des anderen. „Ruiza…“, hallte es noch immer leise von den Wänden wider, erzeugte gemeinsam mit dem nur spärlichen, leicht flackernden Licht eine geheimnisvolle Atmosphäre, die Ruizas Herz noch schneller schlagen ließ und die Spannung nahezu unerträglich machte. Große Hände glitten jetzt über seinen Körper, streichelten seine Haut. Sie trugen nun beide keine Kleidung mehr. Erschrocken riss Ruiza die Augen auf, als er dies peinlich berührt realisierte, und…sah nichts als Dunkel. Ein paar Sekunden blieb er verwirrt liegen und versuchte seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen, dann tastete er mit einer Hand nach dem Schalter seiner Nachttischlampe. Er kniff kurz die Augen zusammen, als das helle Licht aufflammte. Er lag in seinem Bett, im Schlafanzug, allein. Fast war er ein bisschen enttäuscht. Aber was war das eben für ein seltsamer Traum gewesen? Bis zum Morgen hatte Ruiza kaum mehr geschlafen. Sein Kopf schmerzte. Er fühlte sich so erschöpft und antriebslos, als hätte er seit Wochen kein Bett mehr gesehen. Wie mechanisch bewegten sich seine Gliedmaßen, er duschte, zog sich an, machte Frühstück, ohne einen Moment darüber nachzudenken, was er tat. Seine Arme und Beine machten das alles fast von selbst. Wieder einmal machte sich in ihm dieses unangenehme und bedrückende Gefühl breit, nicht er selbst zu sein. Als würde er neben seinem Körper stehen und ihm zusehen, ihm überall hinfolgen wie ein Schatten. Und wo er gerade bei Schatten war…auch der unheilvolle jenes dunkelhaarigen Mannes war noch da. Wie ein flüchtiger Hauch streifte es Ruiza von Zeit zu Zeit an diesem Morgen, wenn er wieder einmal zufällig über ein Stück Erinnerung an diese Person stolperte. Dann lief ihm ein kurzer kalter Schauer seinen Rücken herunter. Am heftigsten überrollte ihn dieser Schauer, als er im Bad Parfum aus dem einzigen Flakon, den er dort fand, auf seine Handgelenke sprühte. Da bekam er jäh eine solche Gänsehaut, gepaart mit einem Schwindelanfall und einem überwältigenden Gefühl von Vertrautheit, dass er sich kaum traute, wieder aufzusehen, weil er Angst hatte, der Fremde könnte plötzlich hinter ihm im Spiegel auftauchen. Als er endlich mit Frühstück und Zigarette auf dem Balkon saß, war er wie gerädert. Und immer noch glaubte er, dass der andere ihm jetzt gegenüber sitzen müsste. Irgendetwas in seinem Unterbewusstsein gab ihm vor, dass dieser Mann jeden Moment die klemmende Balkontür aufzerren und zu ihm hinaustreten müsste. Er würde mit seiner tiefen Stimme „Guten Morgen, Ruiza“ sagen, sich dann zu ihm runterbeugen, ihm die Zigarette aus dem Mundwinkel ziehen, einen flüchtigen Kuss geben und ihm dann noch einmal lächelnd durch die Haare wuscheln, bevor er sich ihm gegenüber auf den anderen Stuhl fallen ließ. Dort hätte er dann einen Zug aus der Zigarette genommen, die er immer noch in der Hand hielt, um danach angeekelt das Gesicht zu verziehen und sie seinem Gegenüber wieder zwischen die Lippen zu klemmen. Ruiza drückte seine Zigarette jetzt energisch im Aschenbecher aus. Woher zum Teufel wusste er das alles so genau? Sein Gehirn projizierte ihm die Bilder davon, wie es sein würde, wenn der andere da wäre, so genau hinter die Lider, dass das kaum komplett seiner Fantasie entspringen konnte. Und je mehr dieser Erinnerungen ihm durch den Kopf gingen, umso stärker wurden dieses unheilvolle Gefühl und seine Kopfschmerzen. Konnte er den Fremden denn wirklich nicht einmal für ein paar Minuten vergessen, um wenigstens in Ruhe zu frühstücken? Nein, konnte er nicht. Und was noch viel schlimmer war: Er wollte es gar nicht. Das Ganze war so widersprüchlich und suspekt, dass es Ruizas Neugier geweckt hatte. Diese Erinnerungen und die Informationen, die er über sein Leben bekommen hatte, passten einfach nicht zusammen. Er wollte es jetzt genauer wissen, immerhin ging es hier um sein eigenes Leben. Seit gestern, seit er die Erinnerungen an diesen Mann hatte, keimte in ihm die Hoffnung, dass es ihm besser gehen würde, wenn er nur herausfände, was es mit der ganzen Sache auf sich hatte, dass er sich dann wieder mehr wie er selbst fühlen würde. An diesen Gedanken klammerte sich Ruiza jetzt. Es machte seine Situation ein wenig erträglicher, nahm ihm etwas von der Empfindung, in seiner eigenen Haut zu ersticken. Er war entschlossen, herauszubekommen, wer der Fremde war und was er mit ihm zu tun gehabt hatte. Dass dabei auch die Tatsache eine Rolle spielte, dass bei dem Gedanken an den Dunkelhaarigen Mann mit der schönen Stimme fast so etwas wie Sehnsucht in ihm aufkam, verdrängte er vorerst. Er war jedenfalls entschlossen. Und er begann umgehend, diesen Entschluss in die Tat umzusetzen: Er stellte sein Appartement auf den Kopf. Ruiza suchte nun wirklich gezielt nach Spuren. Er kam sich dabei fast wie ein Detektiv vor, der mit einer Lupe auf Fingerabdrücke starrte. Fehlte nur noch die Pfeife im Mundwinkel. Doch es war wie verhext: Alles in dieser Wohnung hatte irgendeine Verbindung zu ihm, natürlich, und deshalb wusste er nie, was genau er mit den verschiedenen Dingen assoziierte, geschweige denn, ob er sie mit jenem Mann verband. Das einzige, über das er eine ganze Weile nachdachte, war das kitschige Poster vom Fuji-san über seinem Bett. Er erinnerte sich dunkel an dieses Poster, aber nicht daran, es jemals irgendwo aufgehängt zu haben. Doch weiter half ihm das auch nicht. Nach einer halben Stunde war er gefrustet und resignierte. Ruiza setzte sich seufzend auf den Boden, lehnte sich gegen das Sofa und rieb sich erst einmal die Schläfen wegen seiner Kopfschmerzen. Zum Teufel mit seinem lädierten Gehirn! Konnte ihm die Lösung nicht einfach so vor die Füße fallen? In einem plötzlichen Anfall von Jähzorn, was sonst gar nicht seiner ruhigen Art entsprach, sprang Ruiza auf und trat einmal gegen das an seinem Zustand völlig unschuldige Sofa. Er schob es dabei um einige Zentimeter nach hinten Richtung Wand. Und wie es der Zufall so wollte, fiel ihm dabei ein Teil der Lösung buchstäblich vor die Füße, und zwar in Form eines kleinen quadratischen Zettels mit einem Eselsohr. Er hatte unter dem Sofa gelegen. In den Sekunden, die Ruiza dagestanden und etwas dümmlich auf den Zettel gestarrt hatte, war sein Zorn vollkommen verraucht. Dann stürzte er sich hastig auf das kleine Stück Papier und entknickte erst einmal das Eselsohr. Es stand nicht viel auf auf dem Zettel geschrieben. Ruiza war beinahe enttäuscht. Das einzige, was irgendjemand mit Kugelschreiber hingekritzelt hatte, war eine Zahlenfolge, die stark nach einer Telefonnummer aussah und zwei Wörter, die er nach einminütigem Überlegen schließlich als „Dringend anrufen!“ entzifferte. Die Handschrift, in der diese Mitteilung verfasst war, war jedenfalls nicht seine. „Dringend anrufen“, sagte Ruiza zu sich selbst, „na gut, dann werd ich das mal tun!“ Seine Hände zitterten richtig vor Neugier, als er den Telefonhörer abnahm. War das jetzt endlich der entscheidende Hinweis auf seine Vergangenheit, den er gesucht hatte? Er biss sich nervös auf den Zeigefinger, als das bekannte Tuten ihn darauf warten ließ, dass endlich jemand abnahm. „Moshi moshi?“ Eine männliche Stimme. SEINE Stimme? Ruiza bekam Herzklopfen. Plötzlich hatte er keine Ahnung mehr, was er überhaupt sagen sollte. ‚Wie dämlich’, schalt er sich, daran hätte er auch eher denken können. „Hallo?“, fragte die Stimme im Hörer nochmals nach. „Ähm….Hallo.“, sagte Ruiza nur. Kurze Stille an der anderen Seite. „Ruiza-kun, bist du das?“ Angesprochenem setzte fast das Herz aus. Es war das erste Mal (seit seinem Unfall), dass er diesen Namen aus dem Mund einer anderen Person hörte. „Ja“, antwortete er nur, „hier ist Ruiza.“ Für seinen Gesprächspartner was damit anscheinend das Eis gebrochen. „Toll, geht’s dir wieder besser? Du rufst doch von zu Hause an, oder? Davon hätten mir die anderen auch ruhig was erzählen können. Mit ihnen hast du ja sicher schon gesprochen, oder? Find ich übrigens nett, dass du mich anrufst, gibt’s was Bestimmtes?“ Das alles prasselte ohne Punkt und Komma auf Ruiza ein, aber mit echter Fröhlichkeit. Der andere freute sich anscheinend wirklich über seinen Anruf. „Etto…Ja…ja, mir geht’s schon wieder besser und ich bin zu Hause.“ „Das freut mich!“, zwitscherte es fröhlich aus dem Hörer, „dann werd ich dich ja nicht mehr lange ersetzen müssen. Schade eigentlich, es hat mir Spaß gemacht, bei D zu spielen. Also ruh dich ruhig so lange aus, wie du willst und bis du wieder hundertprozentig fit bist, ich halt hier für dich die Stellung.“ Er machte eine kurze Pause. „Und warum rufst du nun an?“ „Ich…eigentlich nichts Besonderes. Ich hab einen Zettel gefunden mit einer Telefonnummer drauf und wollte wissen, zu wem die gehört“, sagte Ruiza wahrheitsgemäß. Allerdings verriet er so nur die halbe Wahrheit. Er brachte es nicht über sich, dem anderen zu sagen, dass er nicht wusste, mit wem er sprach, wer die anderen, wer D waren und nicht einmal genau, wer er selbst war. „Achso, wenn’s weiter nichts ist…Hier ist Tetsu, weißt du noch?“, lachte Tetsu. „Ja, klar, natürlich.“ Er war so ein Feigling. In diesem Moment hasste Ruiza sich dafür. Jetzt hatte er jemanden am Telefon, der anscheinend einiges über ihn wusste, und er traute sich nicht zu fragen, weil er zu feige war, um zu gestehen, dass er sein Gedächtnis verloren hatte. Stattdessen log er den anderen auch noch an. Er war wirklich erbärmlich. „Also, Tetsu-kun“, sagte er hilflos, „ich leg dann wieder auf, ja?“ „Okay. Wir sehen uns ja sicher bald mal. Lass dich am besten von A-chan mit seiner Luxus-Schokolade füttern, das päppelt dich bestimmt wieder auf!“ Dieser Tetsu war in jedem Fall ein Witzbold und einer der unbekümmertsten Menschen, mit denen er je gesprochen hatte. „Bis dann, Tschüss!“, flötete Tetsu noch. „Bis dann!“, erwiderte Ruiza und legte auf. Jetzt war er zwar nicht schlauer als vorher, aber immerhin weiter. Wenigstens konnte er seine Fragen etwas konkretisieren. Er musste sich nicht mehr auf die Frage „Wer bin ich?“ beschränken, sondern dazu kamen „Wer ist Tetsu? Wobei ersetzt er mich? Wer sind die andern? Wer sind D, beziehungsweise, wie schreibt man das überhaupt? D? De? Oder Di? Und wer ist A-chan?“. Das Problem war nur: Wie sollte er an die Antworten auf diese Fragen kommen? Ruiza lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme. „A-chan…“, murmelte er, angestrengt nachdenkend. „Schokolade…was meinte er damit: „A-chans Luxus-Schokolade“? Wieso Schokolade?“ Ruiza runzelte die Stirn. Dann weiteten sich seine Augen. Mit einem Ruck stieß er sich wieder von der Wand ab. Schokolade! Sein Traum! In seinem komischen Traum von letzter Nacht hatte der geheimnisvolle Fremde in einem Süßwarenladen gearbeitet! „Das muss es sein“, hauchte er atemlos. Endlich tat sich irgendwo eine Verbindung auf; ein Hinweis, der ihm weiterhelfen konnte. Und Ruiza wusste auch ganz genau, wie er besagtes Geschäft finden konnte. Zehn Minuten später rannte er schon die Treppe hinunter. Vor lauter Aufregung nahm er immer zwei Stufen auf einmal. ~*~ Cliffhanger? *muhaha* ^_^V Kapitel 3: Can't bear it any longer ----------------------------------- Chase me – Kapitel 3: Can’t bear it any longer Autorin: Nessera Noire Kapitel: 04/06 Fandom: D Pairing: AsagixRuiza Warnung: ähm…keine? ^^’’’ Disclaimer: Ich habe mit der Band D nichts zu tun, die Mitglieder gehören nicht mir, ich verdiene hiermit kein Geld und alles, was in der Geschichte passiert, entspringt vermutlich nur meiner kranken Fantasie. Danke an: Sareru Shu fürs Betalesen, auch wenn sie behauptet, dieses Mal allen Ernstes keinen einzigen Fehler gefunden zu haben. Wenn ihr doch einen findet, beschwert euch bei ihr. XD Kommentar: Ou man, hab ich bei dem Dialog gehangen. Nachdem ich den ersten Satz geschrieben hatte, hab ich einige Minuten draufgestarrt, dann Word zugemacht und es für über eine Woche dabei belassen. XD Nya, jetzt ist es ja fertig. Ich bitte euch, seid gnädig und schickt mir keine Morddrohungen, nur weil ich hier gleich zwei Mal furchtbar gemein zu meinen Lesern bin. ^^’’ Und jedem, der hier auch nur eine Sekunde an Mahoras Magic Shop denkt, wenn er den Namen des Ladens liest, bekommt von mir persönlich eins übergebraten. XD ~*~ So langsam begriff Ruiza, was das Sprichwort „Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ bedeutete. Da hatte er so lange sinnlos in seiner Wohnung rumgesucht, obwohl der beste Hinweis schon lange vor ihm gelegen hatte. Er hatte ihn sich quasi selbst auf dem Silbertablett serviert, ohne drauf zu kommen. Der Mann aus seinem Traum hatte in einem Süßwarenladen gearbeitet. Dieser Tetsu hatte von Schokolade von irgendeiner Person gesprochen, die er A-chan genannt hatte. Und was hatte er selbst, Ruiza, gestern noch zu seinem Tee gegessen? Schokoladenkekse. Kekse von woher? Richtig. Nicht aus dem Supermarkt, sondern aus einem Süßwarenladen. Auf der Packung hatte sogar die Adresse des Geschäfts gestanden. Er hatte nur einen kurzen Blick auf den Stadtplan werfen müssen, um zu erfahren, wo sich dieser Laden befand, und nun war er bereits auf dem Weg dorthin. Das war ja fast zu einfach. Er fuhr ein Stück mit der U-bahn. Und was war, wenn er sich täuschte? Vielleicht war das alles ja nur ein ganz dummer Zufall und sein Traum hatte überhaupt nichts zu bedeuten. Oder dieser Tetsu hatte ihn mit jemandem verwechselt. Vielleicht war der Laden, zu dem er wollte, inzwischen pleite gegangen oder hatte heute geschlossen wegen Renovierungsarbeiten. Wahrscheinlich war er einfach nur ein Riesendepp, der irgendwelchen Hirngespinsten nachrannte. Oder aber er hatte einfach nur Angst. „Oh Mann…“, seufzte Ruiza. Die alte Frau neben ihm sah ihn merkwürdig an. Er versuchte, sie einfach nicht zu beachten. Er hatte Angst. Am liebsten wäre er bei der nächsten Station wieder ausgestiegen und mit der nächstenbesten Bahn zurück nach Hause gefahren, wo er sich ins Bett gekuschelt und sich schlecht gefühlt hätte. Was war er doch für ein entsetzlicher Feigling. Einige Minuten später war er am Ziel, schlängelte sich an der alten Frau vorbei, die ihn mit einem letzten mitleidigen Blick bedachte und ging gemächlich durch den Bahnhof. Täuschte er sich oder wurden seine Schritte tatsächlich immer langsamer, je näher er dem Ausgang kam? Was sollte er tun, wenn er dem dunkelhaarigen Mann in ein paar Minuten plötzlich gegenüber stünde? Einfach hingehen und sagen „Hallo, hier bin ich wieder, und jetzt erklär mir bitte, wer du bist, wer ich bin und woher wir uns kennen“? So einfach war es nicht. Aber was sollte er denn sagen? Oh Gott, er hatte so entsetzliches Herzklopfen, je näher er seinem Ziel kam. Er blieb an einer Kreuzung stehen und sah sich um. Dort. Dort war die Straße. Nur noch wenige Meter nach rechts, dann war er da. Und tatsächlich, das Geschäft existierte noch. Es war schmal und erweckte ein wenig den Anschein, als würde es sich zwischen den anderen Häusern verstecken wollen mit seiner verblichenen rot-weißen Markise, den hölzernen Fensterrahmen und der altmodischen Tür, die wehleidig quietschte, als jemand den Laden verließ. Lediglich eine alte Metalltafel an der Wand wies in einer stark verschnörkelten Schrift darauf hin, dass man hier vor „Mayuko’s Süßwarenladen“ stand. Doch trotz des bescheidenen Äußeren des Geschäfts ließen die Auslagen im Schaufenster erahnen, was einen im Innern für Köstlichkeiten erwarteten. Das kleine, wendbare Schild in der Tür stand auf „Open“. Ruiza zitterte vor Aufregung. Kurz zögerte er noch, dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen, öffnete die Tür und trat begleitet vom melodiösen Klang der Türglocke ein. Staunend sah er sich um. Er befand sich in einem winzig kleinen Raum, in dem an allen Wänden zimmerhohe Regale standen, bis oben hin gefüllt mit Süßigkeiten. Links Schokolade, rechts täuschend echt aussehende Marzipanfrüchte, dazwischen Pralinen und Geleeringe. Auf dem Boden standen große Gläser, gefüllt mit Bonbons. Es war alles genauso wie in seinem Traum. Alles sah so verlockend aus, dass vermutlich noch nie jemand diesen Laden verlassen hatte, ohne etwas zu kaufen. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte da plötzlich eine Stimme hinter ihm. Er fuhr herum. Am Tresen stand eine alte, freundlich dreinblickende Frau mit grauen Haaren, zu einem Dutt gebunden. Sie trug einen Kimono in gedämpften Farben und war auffällig klein. Die tief liegenden Augen mit dem warmen Glanz weiteten sich gerade erstaunt, als sie ihm ins Gesicht sah, das nette Lächeln wurde noch eine Spur breiter. „Ruiza-kun!“, rief die alte Dame erfreut, „dich habe ich ja lange nicht mehr hier gesehen!“ Eine Erinnerung durchfuhr ihn. Er saß auf einem knarrenden Holzstuhl hinter der Kasse. Der Dunkelhaarige hatte sich auf den Tresen geschwungen, die Beine elegant übereinander geschlagen, stützte sich mit einer Hand auf und gestikulierte mit der anderen, während er lächelnd etwas erzählte. Ruiza hörte ihm kichernd zu. Dann verschwamm das Bild auch schon wieder. Ruiza griff sich an den Kopf. Die alte Dame griff besorgt nach seinem Arm und führte ihn zu dem Stuhl hinter dem Tresen. Er hörte dumpf, wie sie ihn fragte, ob alles in Ordnung sei. Davon wurde sein Kopf wieder klar. „Schon gut, Mayuko-san“ – plötzlich wusste er wieder, wie sie hieß – „ich hab nur ein wenig Kopfschmerzen.“ „Ich mach dir einen Tee!“, meinte sie lächelnd und verschwand umgehend durch einen Vorhang ins Hinterzimmer. Er hörte den Wasserkocher rauschen, während er sich genauer umsah. Ihn überkam ein seltsames Gefühl, ein bisschen so, als ob er zu Hause wäre. Er war oft hier gewesen, sehr oft. Und er hatte sich hier wohl gefühlt, zusammen mit Ihm. Mayuko-san kam wieder angetrippelt, stellte mit mütterlichem Lächeln eine Tasse mit dampfendem grünem Tee vor ihm ab. „Geht es dir wieder besser?“, fragte sie lächelnd. Ruiza nickte nur zur Antwort. Eine Weile saßen sie schweigend da, starrten auf ihre Tassen und nahmen ab und zu einen Schluck. Dann fing die alte Frau wieder an zu sprechen. „Entschuldige, wenn ich dir das so undiskret ins Gesicht sage, Ruiza-kun, aber du wirkst sehr unglücklich.“ Sie machte eine kurze Pause. „Du erinnerst mich wieder ein bisschen daran, wie du am Anfang warst, die ersten Male, als du hierher kamst. So…unsicher, weißt du? Später wart ihr dann ja meist zusammen hier, und da wirktest du immer sehr gelöst und fröhlich. Ich glaube, mein lieber Gehilfe hat dich sehr glücklich gemacht.“ Ihr Mund verzog sich wieder zu ihrem warmen Lächeln. „Ihr spielt doch heute zusammen in einer Band, nicht wahr?“ Ruiza nickte. Er sah zu Boden. „Ich…glaube schon.“ „Du glaubst?“, fragte Mayuko mit hochgezogenen Augenbrauen. „Wissen Sie…ich hatte einen Unfall. Ich erinnere mich nicht mehr an alles. Ich weiß nicht mehr viel über ihn.“ „Ihr wart wirklich ein hübsches Paar. Ich bin nicht altmodisch; ich dachte oft, dass ihr perfekt füreinander seid. Aber leider schien es bei dir Probleme mit deiner Familie gegeben zu haben…und dir selbst fiel es wohl auch nicht leicht, dir einzugestehen, dass du einen Mann liebst und für ihn alles aufzugeben; dein Studium, deine Familie. Ich hab euch in der letzten Zeit ja nicht mehr oft gesehen, ich weiß nicht, wie es sich entwickelt hat mit euch beiden. Ich mag auch nicht danach fragen“, lachte sie verlegen, „Auch wenn Asagi mich von Zeit zu Zeit noch besuchen kommt, obwohl er nicht mehr hier arbeitet.“ Asagi. Der Name traf Ruiza wie ein Schlag. Asagi. Damit hatte der geheimnisvolle Mann aus seinen Erinnerungen seinen Namen wieder. Asagi. In seinem Kopf begann es sich zu drehen, bruchstückhafte Erinnerungen wurden durcheinander gewirbelt. Er sah ihn genau vor sich, wie er ihm mit sanftem Lächeln die Hand entgegenstreckte und sagte: „Ich heiße übrigens Asagi.“ Und Ruiza sah vor sich, wie er seinen Vater belog, weil er sich nicht traute, ihm die Wahrheit zu sagen. Er sah sich und Asagi Händchen haltend durch eine Straße laufen und hörte jemanden hinter sich zu seiner Begleitung flüstern: „Verdammte Schwuchteln!“ Er zwang sich dazu, aufzustehen, die Tasse hinzustellen, zu lächeln. „Mayuko-san…ich denke, ich gehe jetzt besser wieder.“ Langsam wankte Ruiza Richtung Tür, achtete nicht mehr darauf, was die Ladeninhaberin zu ihm sagte, versuchte nur, aufrecht zu gehen und sich nicht unter der Flut von Erinnerungen begraben zu lassen. Er sah kaum noch, wo er hinlief. Im selben Moment, in dem er nach der Klinke griff, um die Tür aufzuziehen, wurde sie jedoch bereits von außen aufgestoßen. Hastig wich Ruiza einen Schritt zurück, um nicht in die Person hineinzulaufen, die jetzt das Geschäft betrat. Er wollte sich rasch vorbeidrängeln, doch als er einen Blick nach oben in das Gesicht seines Gegenübers warf, erstarrte er. Einige Sekunden, die den beiden wie Minuten erschienen, sahen sie sich in vollkommenem Schweigen in die Augen. Dann fanden Fingerspitzen den Weg zu Ruizas Gesicht, strich ihm eine warme Hand sanft über die Wange, verwob sich in seinen Haaren. Ohne dass ein einziges Wort gesprochen war, wurde er näher zu dem anderen gezogen, gab dieser ihm einen Kuss auf die Stirn, ließ seine Lippen einen Moment dort verweilen. Ruiza spürte sein Herz klopfen, er fühlte sich, als stünde er in Flammen, er wusste nicht mehr, was er tun sollte. Sein Kopf war wie leergefegt, seine Gliedmaßen nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen. Doch dann hoben sich seine Arme wie automatisch; er legte seine Handflächen auf den Oberkörper des anderen und drückte ihn leicht von sich, sah ihm weiterhin vollkommen fassungslos in die Augen. „Asagi…“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Plötzlich fing er an zu zittern. In seinem Innern begann ein Gefühlschaos zu toben, dass ihn zu überwältigen drohte. Ihm kamen so viele Momente mit Asagi in den Sinn, in denen er restlos glücklich und verliebt gewesen war, sich so sicher und geborgen bei ihm gefühlt hatte; doch dazwischen waren immer wieder seine Eltern, Familie, Freunde, die sich von ihm abgewandt hatten, ihm ihre Verachtung ins Gesicht sagten; da waren all die Dinge, die er aufgeben musste und verloren hatte. Es war zu viel für diesen Moment. Ruiza brach den Blickkontakt, riss sich los. Er taumelte durch die Tür nach draußen. Schon nach ein paar Schritten rannte er. Er wollte nur weg. Ihm wurde schwindlig, schwarz vor Augen. Er begriff noch, dass er nicht vor Asagi davonlief, sondern vor sich selbst und dem Chaos in ihm, das ihn jetzt übermannte. Er spürte, wie seine Beine drohten, unter ihm nachzugeben, fühlte, wie er schwankte. Dann kippte er vornüber. Ein Arm schlang sich um seinen Bauch, bewahrte ihn davor, auf das Pflaster zu stürzen. Kraftlos drehte er seinen Kopf, sah wie durch einen Schleier das lange dunkle Haar seines Helfers vor sich. Danach wurde es endgültig dunkel um ihn. Kapitel 4: Find the answer, don't avoid making the ultimate Decision -------------------------------------------------------------------- Chase me - Kapitel 04: Find the Answer, don’t avoid making the ultimate Decision Autorin: Nessera Noire Kapitel: 05/06 Fandom: D Pairing: Asagi x Ruiza Warnung: keine mal wieder ?_? Disclaimer: Ich habe mit der Band D nichts zu tun, die Mitglieder gehören nicht mir, ich verdiene hiermit kein Geld und alles, was in der Geschichte passiert, entspringt vermutlich nur meiner kranken Fantasie. Danke an: Sareru Shu fürs betalesen ^__^ *liebhatz* Kommentar: Es geht in die entscheidende Phase. Jetzt kommt mal ein bisschen Schwung in die Sache, es wird endlich spannend. Hoffe ich. XD Ruiza hat es in diesem Kapitel zum zweiten Mal geschafft, sich zu verselbstständigen und Dinge zu tun, die ich nie mit ihm vorhatte. Nichts als Ärger mit dem Kerl. T__T ~*~ Benommen öffnete Ruiza die Augen. Alles drehte sich, er sah verschwommene Farbkleckse tanzen. Er blinzelte ein paar Mal, dann erkannte er in seinem Blickfeld ein amüsiert grinsendes, aber ihm unbekanntes Gesicht, umrahmt von langen dunkelbraunen Haarsträhnen, von denen eine seine Wange kitzelte. Ruiza merkte, dass er auf dem Rücken lag, auf etwas kaltem harten. Es war eine hölzerne Parkbank von hässlicher, ausgeblichener grüner Farbe. Nachdem er seine Gedanken geordnet hatte, fiel ihm immerhin wieder ein, dass er im Süßwarenladen vor Asagi davongelaufen war. „Na, wieder wach?“, grinste nun das amüsierte Gesicht. Ruiza blinzelte verwirrt. „Du bist einfach umgekippt! Mann, hab ich mich vielleicht erschrocken! Hab dich aufgefangen und hierher getragen. Bist ganz schön leicht, du solltest mehr essen.“ Ruiza wurde rot bei diesen Worten. Dieser Kerl hatte ihn mitten durch die Stadt getragen, wie peinlich. Dem anderen schien das jedoch nichts auszumachen, er grinste immer noch belustigt und zwirbelte dabei eine der langen braunen Haarsträhnen um eine Fingerspitze. An seiner Körperhaltung und seinem Gesichtsausdruck erkannte Ruiza auf den ersten Blick, dass er es hier mit einem sehr selbstbewussten Menschen zu tun hatte. „Vielen Dank für deine Hilfe“, bedankte er sich, seiner guten Erziehung folgend. Er setzte sich auf und verbeugte sich leicht. „Lass mal“, winkte der Braunhaarige ab, „immer wieder gerne.“ Als er sah, dass der Kleinere Anstalten machte, aufzustehen und zu gehen, hielt er ihn jedoch zurück. „Bist du dir sicher, dass es dir auch gut geht? Du siehst nämlich nicht so aus, wenn ich das mal so sagen darf“, sagte er, eine Augenbraue hochgezogen, „Und ich geh nicht davon aus, dass du öfters mal einfach so mitten in der Stadt aus den Latschen kippst.“ „Naja….“ Ruiza blieb tatsächlich sitzen, zögerte. „Dir geht’s allgemein nicht besonders, hab ich Recht, Kleiner?“ „Hmm….“ „Jetzt erzähl schon, ich verrats auch keinem.“ Länger als wenige Sekunden schien es der Größere nicht durchzuhalten, ernst zu sein. Schon zierte wieder das selbstsichere, fast eingebildete Grinsen sein Gesicht. „Das ist nicht so einfach“, sagte Ruiza verlegen lachend, während der andere sich neben ihm auf die Parkbank fallen ließ und die Ellenbogen auf den Knien aufstützte. „Hey, ich seh vielleicht so aus, aber so dumm bin ich gar nicht!“ Unwillkürlich musste Ruiza lachen. Einen witzigen Typen hatte er da getroffen! Er war ihm langsam wirklich sympathisch. „Na gut…“, begann er also, „Das hört sich jetzt wahrscheinlich ziemlich komische an, aber ich hab vor einiger Zeit mein Gedächtnis verloren…“ „Woah, wie cool!“, staunte der Braunhaarige. „Quatsch!“, fauchte Ruiza, „Als ob daran irgendwas toll wäre!“ „Ah…nein, sorry…natürlich nicht cool. Aber du weißt schon noch, wie du heißt und so?“ Ruiza seufzte etwas genervt. „Jaaa, das Meiste weiß ich inzwischen sowieso wieder.“ „Aber?“ „Jetzt lass mich doch mal aussprechen, man!“ „Entschuldige!“, lachte der Dunkelhaarige unverwüstlich, hob beschwichtigend die Hände. „Ich bin schon still.“ „Weißt du…es gab da jemanden, der mir anscheinend sehr wichtig war, nur erinnere ich mich nicht mehr so genau an ihn. Es ist alles sehr merkwürdig und verwirrend.“ Er kratzte sich verlegen am Kopf. „Ja…und?“ Der Größere verstand das Problem nicht. „Dann versuch doch, was rauszukriegen über ihn!“ „Das hab ich. Heute hab ich ihn gesehen.“ „Dann versteh ich erst recht nicht mehr, wo das Problem ist.“ „Ich bin abgehauen. Ich weiß nicht, wieso, aber ich hab plötzlich wahnsinnige Angst bekommen.“ Der Blonde vergrub den Kopf in den Händen, um zu verbergen, dass er am liebsten heulen würde. „Du siehst, ich bin entsetzlich feige. Ich bekomm einfach nichts auf die Reihe, so unfähig wie ich bin.“ Ruiza verstand selbst nicht, aus welchem Grund er einem fremden Mann so ein Geständnis machte. Vielleicht brauchte er es einfach, weil er noch nie jemandem auf diese Weise von seinen Sorgen erzählt hatte, vielleicht lag es aber auch daran, dass ihm sein selbstsicherer Gegenüber vertraut vorkam, wie ein guter Freund. „Hmm“, machte jener selbstbewusste Mann jetzt nachdenklich, „ich glaube….ich glaube, du bist einfach ein wenig unentschlossen. Ruiza….ganz ehrlich, willst du diese Person, die so wichtig für dich ist, wiedertreffen und herausfinden, was vor deinem Gedächtnisverlust war?“ Ruiza nickte auf der Stelle. „Ja.“ „Wenn du etwas wirklich willst, dann musst du dafür manchmal auch etwas aufgeben. Du kannst nicht alles bekommen. Das solltest du akzeptieren, sonst gehst du am Ende ganz leer aus. Du willst ihn zurückhaben? Dann kämpf auch darum!“ Erschrocken sah Ruiza ihn an. „Ich….ich kann nicht!“ „Doch. Du willst nur nicht, weil du viel zu viel Angst hast, etwas zu verlieren.“ Die Stimme des Braunhaarigen wurde bei seinen nächsten Sätzen wieder sanfter. „Glaub mir, Ruiza, überleg dir, was für dich am wichtigsten ist und wenn du das weißt, tu auch alles dafür, es zu kriegen und nie wieder loszulassen.“ Nachdenklich senkte der Angesprochene den Kopf. Er wusste ganz genau, dass der andere seine Schwäche ganz klar erkannt hatte und dass an seinen Worten etwas dran war. Er war wirklich kein großer Kämpfer, er hatte immer Angst, etwas falsch zu machen und jemanden zu verärgern. Er gehörte definitiv zu jenen Menschen, die permanent versuchten, es allen recht zu machen, ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, weil der andere ihm mit seinem typischen Grinsen aufmunternd auf die Schulter klopfte. „Komm, guck nicht so deprimiert, sondern geh nach Hause und denk über das nach, was ich dir gesagt hab.“ Beide erhoben sich von der hölzernen Parkbank, wandten sich in verschiedene Richtungen. „Also…vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Ciao, Ruiza!“, verabschiedete sich der Größere und ging winkend raschen Schrittes den Weg hinunter zur nächsten U-bahnstation. Ruiza sah ihm einen Moment nach, dann rief er „Warte!“ Der andere drehte sich um. „Woher kennst du meinen Namen? Ich hab mich dir nicht vorgestellt!“ „Oh“, machte er und brach in kurzes, verlegenes Lachen aus, „Du hast es doch noch gemerkt.“ „Wir…wir kannten uns früher, hab ich Recht? Ich hatte gleich so ein Gefühl.“ Ein zögerliches Nicken gab ihm die Antwort. „Dann kennst du auch Asagi?“ Erstaunt weiteten sich die Augen seines Gegenübers. „Oho, so weit bist du also schon?“ Jetzt wurde Ruiza wütend. In wenigen Schritten war er beim anderen angekommen, packte ihn, den Größenunterschied nicht beachtend, am Kragen und funkelte ihn bedrohlich an. „Raus mit der Sprache! Was zum Teufel soll das Ganze? Was verbergt ihr alle vor mir? Ich hätte nie was von Asagi erfahren, wenn ich mich nicht selbst daran erinnert hätte! Warum?“ Er ließ den Größeren los und schubste ihn von sich. Es kam selten vor, dass Ruiza wütend wurde, doch inzwischen kam er sich vor, als würde er gewaltig hereingelegt, als hätten sich alle um ihn herum gegen ihn verschworen. Er machte sich so viele Gedanken, seine Kopfschmerzen ließen ihm keine Ruhe mehr und er kam keinen Schritt weiter, weil ihn alle, die etwas wussten, nur noch mehr verwirrten. Es reichte ihm. „Verrat mir endlich, was hier gespielt wird!“, schrie er deshalb, „Ich hab keinen Bock mehr auf diesen Mist, ich will nicht mehr! Warum versteckt sich dieser Asagi vor mir, warum versteckt ihr anderen ihn vor mir? Ich will einfach nur wissen, was mit dem Kerl war und meine Ruhe vor ihm haben!“ Ruiza wusste, dass er das Letzte nicht so ganz ernst meinte, aber in seiner Wut schrie er es einfach heraus, verfluchte er alles, was mit Asagi zu tun hatte und ihm so zu schaffen machte. Er ballte die Hände zu Fäusten, die Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in seine Handflächen. „Los, sag es mir, Hide-zou!“ Dieser hatte sich den ganzen Ausbruch ruhig und mit unbewegtem Gesicht angehört, doch nun begann er zu lächeln. „Du erinnerst dich ja wieder an meinen Namen.“ Ruiza hielt inne. In seiner Wut hatte er das gar nicht bemerkt. Von einem Augenblick auf den anderen war sein Zorn wieder verraucht, hatte er sich beruhigt. „Hide-zou…“ „So heiß ich“, grinste der, „Ruiza…ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, was genau Asagi plant oder was er mit der ganzen Sache bezwecken will…ich kann das höchstens ansatzweise erahnen. Aber ich werde mich nicht einmischen. Das geht nur dich und Asagi etwas an und ich glaube, Asagi wäre sauer, wenn ich dir helfen und es dir zu leicht machen würde. Nein, du musst das schon selber herausfinden.“ Er umarmte Ruiza freundschaftlich. „Du schaffst das schon, du hast bereits so viel herausgekriegt. Also lass dich nicht unterkriegen.“ Und mit einem letzten breiten Grinsen drehte sich Hide-zou ein zweites Mal um, winkte und ging den Weg entlang; der Sand knirschte unter seinen Schuhen. Ruiza blieb mit dem sonderbaren Gefühl im Bauch zurück, dass sich irgendetwas anbahnte, noch einiges bevorstand. Einerseits wollte er weiterhin vor alledem flüchten und die ganze Sache vergessen, aber andererseits hatte ihn Hide-zou auch ein wenig bestärkt, seine Neugier geweckt und ihn auf diese Weise ein bisschen entschlossener gemacht, ihm das Gefühl gegeben, das Rätsel lösen zu können. Doch war Ruiza sich auch sicher, dass die Lösung ihm nicht nur Positives bringen würde. Irgendwo in sich drin war ihm klar geworden, dass ihm eine schwierige Entscheidung bevorstand, die vieles in seinem Leben verändern würde und er wusste noch nicht, ob er dem gewachsen war. Denn die Entscheidung würde eine endgültige sein. In den nächsten Tagen geschah zu Ruizas Unmut gar nichts. Er schleppte sich unruhig durch seine Wohnung, kaum länger als ein paar Sekunden hielt er es an einem Platz aus. Gerade hatte er sich aufs Sofa gesetzt, schon erhob er sich wieder, wechselte auf den Balkon, rauchte, ging zurück, setzte sich, stand wieder auf, ging woanders hin und so weiter. Eine undefinierbare innere Unruhe trieb ihn von einem Ort zum anderen, ohne dass es ihn auch nur einen Schritt weiter brachte. Dazu kam das sichere Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben. Er dachte viel über Asagi, Mayuko-san und vor allem auch Hide-zou nach, da er letzteren nicht einordnen konnte, nicht wusste, was er für ein Verhältnis zu ihm gehabt hatte. Ein Freundschaftliches? Er erinnerte sich nicht. Eine Schachtel Zigaretten nach der anderen leerte Ruiza, doch außer wenn er neue kaufte, verließ er selten das Haus, zu sehr war er in seinen Gedanken versunken, die doch nur immer im Kreis liefen. Einer war klar: Er musste Asagi finden, musste sich erinnern, aber wo sollte er anfangen? Wonach sollte er suchen, wohin könnte er gehen? Hide-zou hatte ihm gesagt, dass er alleine klarkommen müsste, also konnte er niemanden fragen, auch Mayuko-san nicht. Das wäre gegen die Spielregeln, Asagis Spielregeln, und das hielt ihn davon ab, es doch zu tun. Eine Woche war es nun her, dass er Hide-zou getroffen hatte und er war nicht einen Millimeter vorwärts gekommen. Ruiza lag, nachdenklich wie immer in letzter Zeit, in der Badewanne, bis zum Hals im Schaumbad versunken. Er schlief schlecht im Moment, da er so selten rausging, sondern nur herumsaß. Doch jetzt war er müde und erschöpft. Er hielt die Augen halbgeschlossen, döste bei gedämpftem Licht vor sich hin und genoss die Wärme des Wassers. Wenn er so in halbwachem Zustand seine Gedanken treiben ließ, fühlte er sich auf einmal wohl, wie zu Hause, nicht mehr wie ein Eindringling in einem fremden Haus. Fast dachte er, Asagi könnte jeden Moment an die Tür klopfen und ihn fragen, ob er seine Brille gesehen hätte oder wer das Abendessen machen sollte. Über diese Erinnerung schlief Ruiza ein. Ein sanftes Rütteln an seiner Schulter weckte ihn. Er fröstelte, das Wasser war inzwischen abgekühlt, der Schaum verschwunden. „Ruiza“, sprach ihn die dunkle Stimme Asagis an, „wach auf, sonst erkältest du dich.“ „Asagi, was…bin ich eingeschlafen?“ Verwirrt rieb Ruiza sich die Augen. „Ja“, schmunzelte Asagi, „los komm, raus da jetzt, du musst total durchgefroren sein.“ Er breitete ein großes weißes Handtuch aus, Ruiza erhob sich umgehend und ließ sich von Asagi in das Tuch einwickeln. Wie ein kleines Kind wurde er aus der Badewanne gehoben, Asagi achtete nicht darauf, dass er nass wurde. Er schloss seinen blonden Freund in eine feste, wärmende Umarmung, bis dieser keine Gänsehaut mehr hatte. Ruiza genoss das Gefühl, schmiegte sich mit halbgeschlossenen Augen an den Größeren, sog seinen Duft ein. Nach kurzer Zeit löste sich Asagi wieder ein bisschen und sagte leise: „Ich hab die Fotos entwickeln lassen, die wir letzte Woche gemacht haben. Es sind schöne dabei.“ Ruiza streckte sich etwas, um Asagi auf die Lippen zu küssen. „Ich beeil mich mit Anziehen“, erwiderte er lächelnd, „Ich will sie gleich sehen.“ Asagi musste erneut schmunzeln bei diesen Worten. Seine Finger spielten mit Ruizas Haaren, als er zurückküsste. „Wenn du weiterhin so viele Bilder an die Wand hängst, ist da aber bald kein Platz mehr.“ „Dann such ich mir halt ne andere Wand.“ Lachend zog Asagi Ruiza in eine weitere innige Umarmung, bevor er das Bad verließ, um im Wohnzimmer auf den anderen zu warten. Ein dumpfer Schmerz in seinem Arm weckte ihn. Ruiza fröstelte, das Wasser war inzwischen abgekühlt, der Schaum verschwunden. Er war in der Badewanne eingeschlafen und hatte sich im Schlaf den Arm am Wannenrand gestoßen. Einen Augenblick lang fragte er sich, wo Asagi war, dann begriff er, dass er erneut von ihm geträumt hatte. Während er ein großes weißes Handtuch aus dem Schrank holte und sich damit abrieb, um die Gänsehaut zu vertreiben, dachte er über das eben Gesehene nach. Es war um Fotos gegangen, die er irgendwo an eine Wand hängte. Was für Fotos? Und wo, an welcher Wand sollten die sein? In seiner ganzen Wohnung hingen nirgendwo Bilder an den Wänden, nur einige Kinderfotos von ihm standen in Bilderahmen auf Kommoden und Regalen und über seinem Bett hing dieses blöde kitschige Poster vom Fuji-san. Von einem Moment auf den anderen durchfuhr es Ruiza wie ein Blitzschlag. Das Poster! Der Gedanke, der ihm gerade kam, musste einfach stimmen, er wusste es! Ohne sich die Mühe zu machen, sich anzuziehen, nur das Handtuch um die Hüfte gebunden, rannte er ins Schlafzimmer, sprang auf das breite Bett und riss das Poster von der Wand. Es war ihm egal, dass der Tesafilm dabei einen Teil der Wandfarbe mitnahm. Fassungslos starrte er auf den Anblick, der sich ihm bot. Er hatte Recht gehabt. Es war alles klar. Das letzte Puzzlestück war gefunden, das Bild fügte sich zusammen. Was hatte er nur getan? Alles hatte er zerstört und Asagi gab ihm eine zweite Chance. Womit hatte er das verdient, wie sollte er ihm je dafür danken? Weinend fiel Ruiza auf seinem Bett auf die Knie, schrie seinen ganzen Schmerz heraus. Kapitel 5: Stand your Ground, Decide and Insist ----------------------------------------------- Chase me// Kapitel 05 – Stand your Ground, Decide and Insist Autorin: Nessera Noire Kapitel: 06/06 Fandom: D Pairing: Asagi x Ruiza Warnung: total kitschig *seufz* Disclaimer: Ich habe mit der Band D nichts zu tun, die Mitglieder gehören nicht mir, ich verdiene hiermit kein Geld und alles, was in der Geschichte passiert, entspringt vermutlich nur meiner kranken Fantasie. Kommentar: Endlich! Das letzte Kapitel! Ich habe fertig *muhaha* Auch wenn es ein ziemlich lahmes Ende ist…seit ich mit Chase me angefangen hab, hab ich doch viel dazugelernt…inzwischen würde ich so eine Ff ganz anders aufbauen, um ein Ende wie dieses zu vermeiden. Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem. ^^’’’ (Aber warum muss in dieser Ff dauernd jemand weinen? Oo) Ach ja: Ich weiß, dass Ruiza und Asagi bereits vor der Gründung von D zusammen in einer Band gespielt haben…und sie waren wohl auch schon ein paar Jährchen älter, als sie die Band gegründet haben. Tut mir Leid, dass ich mich hier nicht ganz an die Fakten gehalten hab – aber das ist künstlerische Freiheit. XDDD ~*~ „Hallo?“ „Oh…Hallo, ich wollte eigentlich mit Tetsu sprechen.“ „Tut mir Leid, der gibt gerade ein Konzert“, teilte die Stimme im Telefon mit. „Was? D geben ein Konzert? Wo?“ „Im Shibuya O-East. Aber es ist schon beinahe zu Ende.“ „Das macht nichts. Danke für die Auskunft. Auf Wiedersehen!“ Zehn Minuten später war Ruiza auf dem Weg nach draußen. Ihm war alles klar geworden. Und es tat weh, zu begreifen. Es tat so verdammt weh. Es kostete ihm viel Selbstbeherrschung, sich jetzt nicht weinend in seiner Wohnung einzuschließen, sondern sich zusammenzureißen und loszugehen, um es besser zu machen. Wenigstens dieses Mal. Ruiza erinnerte sich an ihren ersten und einzigen ernsthaften Streit. Er dachte daran, was Asagi ihm damals vorgeworfen hatte. Ruiza war bei seiner Familie gewesen. Er hatte Theater gespielt, wie immer; ihnen von dem guten Freund erzählt, mit dem er zusammenlebte, und als seine Schwester nachfragte, hatte er von einem netten Mädchen aus dem Staff gesprochen, mit der er schon einmal ein Date gehabt hatte und hoffte, dass mehr daraus würde. Kurzum: Er hatte wieder einmal gelogen, was das Zeug hielt. Zu Hause erzählte er Asagi davon. Und diesmal hörte dieser nicht einfach zu und nickte verständnisvoll. Dieses eine Mal zog ein unausgeschlafener und schlecht gelaunter Asagi seine Augenbrauen zusammen und sagte Ruiza seine Meinung. Er war wütend geworden dabei, und laut. Asagi wurde sonst nie laut. „Wir können uns nicht ewig vor der Welt verstecken, Ruiza. Und selbst, wenn du es kannst, ich kann es nicht. Ich WILL es nicht!“ schrie er und schlug mit der Faust gegen die Sofalehne. Danach wurde seine Stimme wieder sanfter. „Ich will dich ganz haben, Ruiza, und ich will von meinem Freund erzählen dürfen und stolz auf ihn sein können.“ Beschämt senkte der Kleinere den Kopf. „Ich weiß“, sagte er leise, „aber…sie sind immer noch meine Familie, Asagi, und ich möchte sie nicht verlieren. Zumindest nicht meine Schwester. Und ich weiß sehr genau, dass meine Eltern es NIE akzeptieren würden.“ „Das ist mir schon klar“, nickte der Dunkelhaarige mit grimmigem Gesicht, „nur habe ich manchmal das Gefühl, dass du deine eigenen Wünsche für diese Familie total unterdrückst. Und bist du glücklich, so wie es ist, Rui?“ Er gab sich selbst die Antwort auf diese rhetorische Frage. „Nein, das bist du nicht. Ich sehe es ja jeden Tag, wie du dich damit quälst. Aber weißt du was, Ruiza? Du kannst nicht dein ganzes Leben lang so weiter lügen. Das ist nicht fair! Weder mir noch deiner Familie gegenüber. Du willst immer alles zusammen haben und hoffst, dass es schon irgendwie gut gehen wird, anstatt einmal für klare Verhältnisse zu sorgen und zu sagen, was du wirklich willst. Ich bin es Leid, Rui, ich bin das so Leid!“ Mit diesen Worten stand Asagi auf und schlug die Tür hinter sich zu, nachdem er aus dem Raum gerauscht war. Er ließ einen weinenden Ruiza zurück. Doch noch am selben Abend entschied dieser, sich bei Asagi zu entschuldigen. Er wusste, dass der Sänger sich meistens zu seinen Eltern flüchtete, wenn er Probleme hatte. Dorthin wollte Ruiza fahren. Doch er kam nie bei Asagi an. Er hatte sich schon damals entschieden! Diese Tatsache wurde Ruiza erst in diesem Moment bewusst, als er die vielen Treppen seines Wohnhauses hinunterging. Er hatte sich damals nicht nur bei Asagi wegen dem Streit entschuldigen wollen, sondern er wollte ihm auch seine Entscheidung mitteilen. Nach jenem ersten großen Streit war Ruiza bewusst geworden, dass er nicht mehr ohne seinen Asagi leben wollte. Und ihm war klar geworden, dass sein Freund Recht hatte mit dem, was er ihm im Zorn an den Kopf geworfen hatte. Er war auf dem besten Wege gewesen, mit seiner Unentschlossenheit ihre Beziehung zu zerstören. Ruiza hatte beschlossen, seiner Familie die Wahrheit zu sagen über ihre Beziehung, egal was danach geschehen würde. Er hatte es lediglich nach dem Unfall vergessen. Diese Entscheidung wollte er Asagi an jenem Abend mitteilen. Hätte der Größere das gewusst, wären all die Dinge nach seinem Unfall nie so passiert, sie wären nie voneinander getrennt geworden und diese ganze verzweifelte Schnitzeljagd wäre überflüssig gewesen. Welche Ironie des Schicksals, dachte Ruiza. Er zog eben die Tür hinter sich zu, als er eine ihm wohlbekannte Person den Weg hinaufkommen sah. „Mutter?“ fragte er erstaunt. „Was tust du denn um diese Zeit hier?“ „Ich wollte einfach meinen Sohn besuchen“, erwiderte die Person mit den roten Stöckelschuhen spitz. „Aber so wie es aussieht, scheinst du gerade gehen zu wollen. Wohin willst du denn?“ Solche unauffälligen Aushorch-Aktionen kannte Ruiza schon zur Genüge. Und leider wusste er nur zu gut, dass seine Mutter nicht locker lassen würde, bis sie wusste, was Sache war. Aber jetzt wollte er ihr nicht die Wahrheit sagen. Noch nicht. „Ich wollte mich mit einem Freund in Shibuya treffen und noch was trinken gehen oder so“, log er deshalb. Zu seinem Erstaunen stieg seine Mutter sofort darauf ein. „Soll ich dich fahren?“ bot sie an. „Wo ich doch eh umsonst hergekommen bin.“ Er willigte ein. Nachdenklich sah der zierliche Gitarrist durch das Autofenster auf die vorbeiziehenden Lichter, als seine Mutter sie durch die Nacht fuhr. Wenn er jetzt zu Asagi ging und noch immer nicht für klare Verhältnisse gesorgt hatte, wie würde er reagieren? Würde er ihm überhaupt glauben? Möglicherweise nicht. Zu oft hatte er in der Vergangenheit behauptet, bald mit seinen Eltern zu reden und es dann doch nicht getan. Nein, das Beste würde sein, noch vorher mit seiner Familie zu sprechen. Auch, weil er mehr über die Hintergründe von Asagis Auszug aus der gemeinsamen Wohnung wissen wollte. Er drehte den Kopf und betrachtete mit nervösem Herzklopfen das strenge Gesicht seiner Mutter. Wie sie dort saß, die schmalen Gesichtszüge von hellem Haar eingerahmt, hatte sie Ähnlichkeit mit ihm. Und doch waren sie so verschieden. Dennoch, er fasste sich ein Herz. „Mutter?“ Ein zustimmendes Geräusch sagte ihm, dass er ihre Aufmerksamkeit hatte. „Warum habt ihr Asagi rausgeschmissen?“ griff er direkt an. Er wusste nicht genau, ob das der Fall gewesen oder ob Asagi freiwillig gegangen war, aber so würde er es am ehesten herausfinden. Erschrocken ruckte das Gesicht seiner Mutter in seine Richtung. Beinahe wäre sie vor Schreck auf die Bremse getreten. Doch schnell fasste sie sich wieder. „Woher weißt du das? An wie viel erinnerst du dich?“ „Ich denke, an alles.“ „Oh Gott“, kommentierte sie nur. Ruiza ignorierte sie und hakte nochmals nach: „Also, warum? Wie viel wusstest DU?“ Er konnte sehen, dass ihre Hände zitterten. Sie bog in eine Bushaltestelle ein und hielt dort. Nachdem sie den Motor abgestellt hatte, ließ sie den Kopf aufs Lenkrad sinken. „Genug“, flüsterte sie. „Glaubst du, ich bin blind, Yoshiyuki? Ich habe immer geahnt, dass ihr nicht nur gute Freunde seid. Für ihn und für diese Band hast du bereits nach dem ersten Semester dein Medizinstudium abgebrochen. Du wärst ein guter Arzt geworden. Wir hätten so stolz auf dich sein können, du hättest Erfolg haben können! Aber dann kam dieser Sänger und setzte dir Flausen in den Kopf von Erfolg als Musiker und ich weiß nicht was. Das konnte und wollte ich nicht zulassen!“ „Was hast du gemacht, um uns auseinander zu bringen?“ fragte Ruiza kühl. Er fühlte sich wie benommen. Jegliches Gefühl schien sich gerade aus seinem Körper zu verabschieden. Ihm war kalt, so entsetzlich kalt. „Zuerst…zuerst wollte ich es gar nicht wahrhaben. Dann hab ich ihn gefragt, diesen Asagi. Und er hat mir all meine Befürchtungen bestätigt. Ich hab ihn gebeten zu gehen, er sollte dich in Ruhe lassen. Aber er wollte nicht! Er hat nur gesagt, du solltest selbst entscheiden.“ Ruiza unterbrach. „Und warum hast du mich nicht einfach selbst gefragt? Mich gefragt, was ICH will?“ Sie sah auf und ihm direkt ins Gesicht. Sie war wütend, aber Ruiza sah, dass sie weinte. Er hatte seine Mutter noch nie weinen sehen. Sie krallte ihre Finger ins Lenkrad, als sie weiter sprach. „Mein Gott, ist das denn so schwer zu verstehen? Was hättest du denn gesagt? Du wärst gegangen, Yoshiyuki, ich war mir sicher, dass du gegangen wärst.“ Jetzt konnte sie sich kaum mehr zusammenreißen, ihr Körper wurde von Schluchzern geschüttelt. Sie wandte ein wenig beschämt über ihren Ausbruch den Kopf wieder nach vorn. „Ich wollte dich nicht verlieren, Yoshiyuki…Ich bin deine Mutter, vergiss das nicht. Ich wollte immer eine intakte Familie und ich wollte sie zusammenhalten. Um jeden Preis. Und ich wollte einen erfolgreichen Sohn, auf den ich stolz sein kann und keinen Schwulen, der sich als Musiker durchschlägt!“ Wutentbrannt schlug sie mit der Faust auf das Lenkrad. Ruiza wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Er konnte sie verstehen, auf der einen Seite, aber auf der anderen war er mit ihrer Meinung nicht einverstanden. Und er war in diesem Moment nicht fähig, den schluchzenden, über dem Steuer zusammengesunkenen Menschen, der einmal seine harte, über allem stehende und unfehlbare Mutter gewesen war, tröstend in den Arm zu nehmen. „Du hast Recht“, sagte Ruiza schließlich leise. „Ich wäre gegangen. Und ich würde es auch heute noch tun, wenn ihr es nicht akzeptieren könnt. Nein, viel mehr noch: Ich habe mich schon längst entschieden zu gehen.“ Danach hatte keiner von beiden mehr etwas zu sagen. Schweigend saßen sie einige Minuten da. Dann richtete sich seine Mutter plötzlich wieder auf, wischte sich einmal über die Augen und startete mit unbewegtem Gesicht den Motor. Sie schien wieder ganz die Alte zu sein, ihr Gesicht war von einer gewissen Entschlossenheit geprägt, die keinen Widerspruch duldete. Weiterhin stumm setzten die beiden ihre Fahrt fort. Das Auto hielt vor einer Ampel. Ruiza schreckte aus seinen Gedanken auf. „Wo willst du hin? Wenn wir weiter nach Shibuya reinwollen, müssen wir nach links!“ Ein harter Zug umspielte die Lippen seine Mutter, als sie sich ihm zuwandte. Im selben Moment drückte sie mit der linken Hand den Knopf an ihrer Tür herunter. An sämtlichen vier Türen rasteten die kleinen Knöpfe klackend ein und verschlossen das Auto. Als Ruiza jetzt bewusst wurde, was seine Mutter vorhatte, kroch es ihm kalt den Rücken herunter. „Du willst dich doch nicht einfach mit irgendeinem Freund treffen, hab ich Recht?“ fragte sie ihn, wartete gar keine Antwort ab. „Du willst zu IHM.“ Ruiza konnte nicht anders und nickte sprachlos. „Ich kann das nicht zulassen, Yoshiyuki. Ich kann es einfach nicht. Ich kenne deinen Vater besser als du. Wenn ich dich gehen lasse und er davon erfährt, wird er dich nie wieder sehen wollen. Und ein großer Teil der restlichen Familie ebenfalls nicht.“ „Mutter, bitte!“ rief er fassungslos, versuchte an seiner Tür den Knopf wieder nach oben zu ziehen, die Tür zu öffnen. Doch es half nichts, sie hielt solange ihre Hand darauf, wie sie vor der Ampel standen. Erst nachdem sie angefahren war, ließ sie los. „Das kannst du nicht machen“, wisperte Ruiza. Sie antwortete nicht. Die nächste Ampel vor ihnen sprang wieder auf rot. Und dieses Mal war Ruiza schneller. Bevor seine Mutter reagieren konnte, hatte er den Knopf hochgezogen und die Tür aufgerissen. „Yoshiyuki!“ schrie sie, versuchte, ihn am Arm festzuhalten, doch es war zu spät. Ruiza drehte sich zurück, sah ihr durch die offene Tür ins Gesicht. „Habt ihr ihn wirklich aus der Wohnung geschmissen?“ fragte er ernst. „Ja…das heißt, nein, ich….“ Sie wusste nicht mehr recht, was sie sagen sollte. „Ich bin hingegangen und hab ihm in aller Deutlichkeit gesagt, er soll gehen und er…hat sich nicht gewehrt. Ich war erstaunt darüber, aber es schien so, als wollte er selbst gehen. Mehr weiß ich auch nicht.“ Ruiza nickte verstehend. Das war genau das, was er vermutet hatte. Asagi hatte ihm ein deutliches Zeichen gesetzt. Und jetzt würde er ein deutliches Zeichen zurückbekommen. „Es tut mir Leid. Aber ich will Asagi genauso wenig verlieren wie du mich. Bitte versteh das.“ Er hielt einen Moment inne. „Mutter…wenn du uns jemals besuchen kommen möchtest, werde ich dich nicht abweisen. Und auch keinen anderen aus der Familie.“ Damit schlug er die Autotür hinter sich zu und rannte den Bürgersteig entlang. Er sah noch aus dem Augenwinkel, wie seine Mutter die Hand vor den Mund schlug und krampfhaft versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken. Dann sprang die Ampel um, sie fuhr an und verschwand aus seinem Blickfeld. Ruiza rannte. Nach dem langen Gespräch war es spät geworden, er hatte Angst, Asagi nicht mehr zu erwischen. Achtlos drängelte er sich durch die Passanten, verschwendete keine Zeit darauf, sich zu entschuldigen wie sonst. Er konnte schon das Dach der Halle erkenn und versuchte, noch ein wenig schneller zu rennen. Erschöpft hielt er schließlich inne und stützte die Hände auf den Knien ab, schwer nach Luft schnappend. Vor ihm strömte eine Masse an freudestrahlenden Mädchen und wenigen Jungs dazwischen aus dem Ausgang. Das Konzert war bereits zu Ende. Ob die anderen noch da wären? Bestimmt. Und er hatte selbst schon einmal mit ihnen hier gespielt, er wusste, aus welchem Ausgang sie rauskommen würden. Rasch machte er sich auf den Weg dorthin. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch und hielt Abstand zu den anderen Menschen, um nicht erkannt zu werden. Ruiza suchte sich eine dunkle Ecke im Schatten der Tür aus. Hier würde man ihn nicht bemerken. Er verspürte jetzt nicht den Wunsch danach, mit einem der anderen zu sprechen. Heute Abend wollte er erst einmal nur mit Asagi reden. Und der kam immer alleine und als Letzter aus der Halle. Nach ihren gemeinsamen Konzerten war er stets vor seinem Freund nach draußen gegangen und hatte dort eine Zigarette geraucht, während er wartete. Jedes Mal, wenn sich die Tür öffnete, drückte er sich unwillkürlich ein wenig tiefer in den Schatten und hielt die Luft an. Er sah zuerst Hiroki und Rena, dann Hide-zou und schließlich Tetsu in Begleitung eines Tontechnikers vorübergehen. Keiner bemerkte ihn. Langsam schlug sein Herz schneller. Da! Die Tür öffnete sich wieder. Zuerst konnte er nur die Silhouette eines groß gewachsenen Mannes erkennen, doch instinktiv wusste er sofort: Das was Asagi! Jener ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und machte sich auf den Weg zu seinem Auto. Ruiza blieb atemlos noch ein paar Sekunden reglos in seiner Ecke stehen und sprach sich Mut zu, dann trat er aus dem Schatten heraus. Ja. Er würde nicht mehr weglaufen. Nicht mehr zweifeln. Nie mehr. Bevor er etwas sagen konnte, hatte Asagi seine Schritte gehört und drehte sich um. Seine Augen weiteten sich ungläubig, als er erkannte, wen er vor sich hatte. „Ruiza?“ fragte er leise. „Ja“, antwortete er mit ebenso zögerlicher Stimme. „Ich…ich bin wieder zurück, Asagi.“ Der Dunkelhaarige drehte sich nun völlig zu ihm um, das Erstaunen stand ihm weiterhin ins Gesicht geschrieben. „Heißt das…du erinnerst dich?“ Seine Stimme war heiser vor Aufregung. Ruiza nickte. „Ich erinnere mich wieder an alles. An jede Einzelheit.“ Und plötzlich konnte er diese angespannte, unpersönlich Atmosphäre zwischen ihnen beiden nicht mehr ertragen; ohne, dass er es verhindern konnte, traten ihm Tränen in die Augen, als die Worte wie ein Sturzbach seinen Mund verließen. „Ich will dich zurückhaben, Asagi! Ich will wieder mit dir die Wohnung teilen, neben dir aufwachen und abends mit dir nach Hause gehen. Genau wie früher. Bitte, Asagi…lass wieder alles so sein wie früher!“ „Alles?“ Asagis Ausdruck wurde noch unergründlicher, als er es eh schon war. Ruiza verstand. „Nein, nicht alles…Weißt du, warum ich heute Abend hierher gekommen bin? Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich hab dir wohl ziemlich zugesetzt mit meiner Feigheit und Unentschlossenheit, oder?“ Unsicher blinzelte er durch die blonden Haarsträhnen zu dem Größeren hoch, der bei diesem Anblick lächeln musste. „Meine Mutter hat mir gesagt, dass du mehr oder weniger freiwillig die Wohnung verlassen hast…und…“, er blickte seinem Gegenüber jetzt fest in die Augen, „ich habe ihr gesagt, dass ich dich nicht verlieren will. Ich hab mich für DICH entschieden, Asagi.“ Im nächsten Moment war Asagi bei ihm und schloss beide Arme um ihn, zog seinen Körper in eine innige Umarmung. „Ruiza“, flüsterte er, während er ihm durchs Haar strich, „ich hatte gehofft, dass es so kommt. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich mir das gewünscht hab. Wie hast du dich wieder an mich erinnert?“ „Du hast immerhin einiges in der Wohnung zurückgelassen, was dir gehörte…Das hast du doch mit Absicht gemacht, oder?“ Der Kleinere lächelte. „Stimmt“, schmunzelte Asagi. „Deine Mutter hat mir gesagt, ich soll alles, was an mich erinnert mitnehmen. Aber ich wollte ja schließlich, dass du mich auch wieder findest. Und du wirst jetzt wirklich bei mir bleiben? Egal, was deine Familie, was alle anderen sagen? Und du wirst keine Ausreden mehr erfinden, wenn man dich fragt, warum du keine Freundin hast? Und nicht mehr behaupten, du würdest mit einem guten Freund zusammenwohnen?“ „Es reicht!“ lachte Ruiza an Asagis Schulter, „Nein, in Zukunft bist du ganz offiziell mein Freund. Versprochen.“ Kurz sahen sie sich einfach in die Augen, dann trafen sich ihre Lippen zu einem sanften Kuss. Ruiza spürte die Wärme, die von Asagis Körper ausging, roch seinen angenehmen Duft, und es machte ihn unbeschreiblich glücklich. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er das in den letzten Wochen vermisst hatte. Noch einige lange Minuten hielten sie sich einfach im Arm; Ruiza hatte den Kopf an die Schulter des Sängers gelehnt und betrachtete sein Gesicht. „Asagi?“ wisperte er dann. „Gehen wir nach Hause?“ Der andere löste sich aus der Umarmung, nicht ohne ihm vorher noch einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. „Ja…lass uns nach Hause gehen.“ Die Hand, die er Ruiza bei seinen Worten entgegenstreckte, wurde ohne zu Zögern ergriffen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)