Geschichte von Drachen, Perlen und Priestern von Nanuck (Neue Version: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/209310/200274/) ================================================================================ Kapitel 3: Aller Anfang ist schwer ---------------------------------- Kapitel 3: Aller Anfang ist schwer Es gibt immer einen Weg, eine Tür ins Licht. Du musst bloß wissen, wo das Tor zu finden ist. Die Antwort für alles, der Schlüssel, das ist dein Herz. Als ich am Schloss ankam traf ich nicht gerade viele Leute auf dem Hof an. Wie üblich wurden die neuen Gäste erst mal von den Soldaten geprüft und nach den Namen gefragt. Dann durften wir auf den Hof, wo nur König und Prinz mit zwei Stallburschen ihrer Pferde sattelten. Na ja, man könnte wohl eher sagen, dass Vater und Sohn die beiden armen Männer herumscheuchten und mit unsinnigen Kommentaren bombardierten, wie sie die Pferde besser und schneller satteln konnten während sie nur dumm daneben standen und zuschauten. Außerdem traf ich auch noch auf Ryota, der auch sein Pferd sattelte. Er brauchte dafür allerdings keine Stallburschen. Gerade als Ryota dann auf seinen Schimmel aufsteigen wollte, bemerkte er den Besuch. Erst guckte er etwas verwundert, doch als er mich erkannte hatte kam er zu uns herüber und begrüßte mich erst mal herzlich. „Akina, welch ein freudiger Besuch! Hast du dich doch noch für dein Schicksal entschieden“ neckte er mich. „Jaaa, klar, ich kann euch ja nicht einfach so im Stich lassen“ gab ich nur etwas ironisch zurück und lächelte ihn an. Er wurde wieder ernst und sagte etwas was es mir erleichterte mich in dieser fremden Welt heimisch zu fühlen: „Ich bin froh das du wieder da bist.“ „Ich bin auch froh“ sagte ich und lächelte noch mal, aber diesmal ein ehrliches und aufrichtiges Lächeln, kein neckisches wie eben. „Hast du was dagegen wenn ich jetzt gehe“ fragte mich Tatsuya schüchtern. „Nein, nein. Du kannst ruhig nach Hause gehen. Danke noch mal für alles, und grüß bitte noch Moriko von mir“ antwortete ich ihm dankbar. „Danke auch von mir, dass Sie Akina heil nach Kentosai gebracht haben“ sagte dann auch Ryota. „Nicht der Rede wert, nichts zu danken. Machs gut Akina, unsere Hoffnung liegt allein in dir“ sagte Tatsuya glücklich und verabschiedete sich von uns. „So, dann erzähl doch erst einmal. Was ist denn passiert?“ fragte Ryota etwas irritiert. „Also…“ begann ich zu erzählen... Währenddessen im Schloss Yori war gerade auf dem Weg in sein Zimmer. Dabei ging er an der offenen Waschküche der Zofen vorbei und hörte unbeabsichtigt deren Gespräch mit an: „Hast du es auch schon gehört? Die Hüterin der Jadeperlen soll zurückgekehrt sein!“ „Akina? Sie ist wieder da? Welch ein Glück! Wer hat dir das erzählt?“ „Irgendjemand soll sie bei ihrer Ankunft gesehen haben, ich weiß aber nicht mehr wer es war. Der alter Tatsuya soll sie hierher gebracht haben.“ „Gott sei Dank, dass sie zurückgekehrt ist“ sagte noch die eine, doch ab dann konnte Yori nichts mehr verstehen, da die beiden nun fertig damit waren die Wäsche zu waschen und sie jetzt aufhängen gingen. Akina war also wieder da? Sie war wieder da? Wie lange und wo war sie? Man hatte sie zuletzt auf dem Hof gesehen, also spurtete Yori los, den Weg zurück durchs Schloss, durch lange Flure und an vielen verschlossenen Türen vorbei. Das Gerenne kam ihm vor wie eine Ewigkeit, doch dann, endlich, kam er in die Eingangshalle. Er ging an der großen Treppe vorbei und ging zum großen Eingangsportal. Als er es aufstieß flutete gleißendes Sonnenlicht in den großen Saal. Als ich endlich zuende erzählt hatte, bemerkten auch endlich König und Prinz, dass Besuch gekommen war. Sie kamen zu uns herüber getrottet und gerade als Daiji mir zur Begrüßung die Hand küssen wollte, öffnete sich das große Schlossportal und Yori trat ins Freie. Als er mich dann sah, wie meine Hand von Daiji, dem Möchtegernprinzen abgeknutscht wurde, verfinsterte sich langsam seine Miene. Er kam erst noch ein Stückchen näher getrottet, wurde dann immer langsamer und blieb schließlich stehen. Er wirkte unsicher. Unterdessen laberte Daiji mich damit zu, wie glücklich er doch war, eine reizende junge Dame wie mich wiederzusehen, doch ich hörte ihm überhaupt nicht zu. Ich schaute nur zu Yori und als er sich langsam wieder zum gehen wandte, riss ich mich von Daiji los. „Entschuldigst du mich bitte mal kurz“ sagte ich teilnahmslos zu ihm und rannte zu Yori. „Hey“ flüsterte ich und packte ihn sanft an der Schulter. Er drehte sich um und sein zuvor finsteres Gesicht schaute mich jetzt nicht mehr so finster an. „Hey“ antwortete er nur abweisend. „Bist du irgendwie sauer?“ fragte ich ihn direkt aus dem Bauch heraus. Plötzlich wurde er kaum merklich rot im Gesicht und stritt nur ab: „Neeeiiiin, wieso sollte ich denn sauer sein?“ „Deswegen frag ich ja“ lächelte ich ihn an. „Du hast vielleicht Ideen“ lachte er und fuhr sich durch die Haare am Hinterkopf. „Und? Hast wohl nicht damit gerechnet, dass ich wiederkomme, oder? Du hast eben so entsetzt geguckt.“ „Ich hab nur vergessen... mein Licht auszumachen!“ „Dann... solltest du vielleicht in dein Zimmer gehen und es ausmachen?“ „Ach, nicht so tragisch. Die Kerze geht schon irgendwann von alleine aus“ „Dann ist ja gut“ Stille trat ein und wir beide wandten unsere Blicke dem Boden zu. Irgendwie war es schon ein komisches Gefühl hier vor einem Typen zu stehen, der mich eigentlich nicht mag und darauf zu warten, dass er was sagt. Doch was empfand ich eigentlich für Yori? Eigentlich war er ja gar nicht so schrecklich. Er war sogar ganz nett, wenn er nicht gerade auf cool machte. Yori war ja eigentlich auch ganz süß, doch was sollte ich mit einem Typen der mich immer nur anzickt? Vielleicht sollte ich mich einfach verabschieden und mich weiter vom Prinzen zulabern lassen? Unerwartet räusperte er sich . „Du Akina?“ „Hm?“ Erwartungsvoll hob ich meinen Kopf ein Stück und schaute ihm schräg in seine leuchtend blauen Augen. „Ich wollte dir noch etwas sagen...“ Plötzlich wurde er von dem Rufen von Ryota unterbrochen: „Akina, komm doch gleich mal rüber.“ Yori drehte sich weg und schaute zur Sonne am Horizont. Ich stellte mich neben ihn und schaute in dieselbe Richtung. „Was wolltest du sagen“ fragte ich noch mal nach und ignorierte, dass mich der Hauptmann gerade gerufen hatte. Er überlegte kurz. „Ich wollte dir sagen, dass ich froh bin, dass du wieder du bist.“ „Wirklich“ fragte ich etwas ungläubig und versuchte ihm in die Augen zu schauen, doch er wich meinen Blicken aus. Ich wurde aus ihm einfach nicht schlau, mal war er total unausstehlich und mal... wie jetzt! „Ja, ich mein es ernst.“ Sollte ich ihm glauben schenken? Wieso eigentlich nicht, Menschen können sich ändern und das hatte er anscheinend. Also wandte ich mich zu ihm und sagte: „Yori, ich bin auch froh wieder da zu sein“ Dann wandte ich mich um. Im Gehen drehte ich mich noch mal um und sagte ihm über die Schulter: „Ach übrigens, ich stehe nicht so auf die Traumprinzen, ich stehe eher auf die Beschützer.“ Ich drehte ich mich wieder nach vorne und verschwand in Richtung Ryota. Ich war inzwischen wieder in meinem alten Zimmer. Seit meiner kurzen Flucht hatte sich hier nichts verändert, immer noch der gleiche, hell eingerichtete Raum. Draußen standen unzählige Sterne am Firmament und der Mond beleuchtete den schönen Raum nur schwach. Glücklich warf ich mich auf das große Bett. Ich kam mir vor wie eine Prinzessin, denn genau so behandelten mich jetzt die Leute. Ich fand es zwar immer noch nicht toll, anders als alle anderen behandelt zu werden, doch trotzdem musste ich einfach manches von diesem zuvorkommenden Verhalten der anderen genießen. Ich hatte ja gedacht, dass mich die Leute hier im Schloss nach meinem Fehltritt nicht mehr so nett behandeln würden, doch darin hatte ich mich getäuscht. Jeder hier war glücklich mich zu sehen und verzieh mir auf anhieb. Nichts hätte besser laufen können. Hikari hatte sich am meisten gefreut mich zu sehen. Die junge Priesterin war fast schon wie eine Freundin für mich. Ab morgen sollte meine Ausbildung zur vollwertigen Priesterin beginnen, das hatte mir Hikari versprochen. Es wird zwar nicht gerade leicht werden, doch die Anwendung meiner Kräfte musste ich leider erst noch lernen. Nachdem ich zu Ryota herübergegangen war, hatte ich mir erst einmal das Dauergequatsche vom Prinzen und nun auch des Königs anhören müssen, doch glücklicher Weise, hatte Hikari mich dann gerettet und nahm mich mit in die Bibliothek. Dort erzählte sie mir dann von der Ausbildung und von allerlei anderen Dingen. Später hatte sie mich dann nur noch in mein Zimmer zurückgebracht. „Du solltest dich erst einmal ausruhen“ hatte sie gesagt. „Wir sehen uns dann morgen.“ Danach hatte sie die Tür geschlossen und war gegangen. Wie ich jetzt bemerkte war ich auch ganzschön müde. Kein Wunder, bei der ganzen Aufregung in den letzten Tagen. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich bei den vielen Gedanken, die noch in meinem Kopf rumschwirrten, gar nicht schlafen konnte. Ich musste immer wieder an meine Eltern denken, ich vermisste sie und irgendwie hatte ich ein bisschen Heimweh. Aus Langeweile zählte ich die Sterne am Himmel. Immer und immer wieder fielen mir die Augen zu, bis ich dann endlich in einen unruhigen Schlaf fiel. Yori lag währenddessen auf seinem Bett in seinem Zimmer. Dieses war nicht so schön eingerichtet wie das von Akina, doch er war ja auch nur im Bediensteten-Trakt untergebracht worden und nicht im schönen Obergeschoss. Schon viele Jahre lebte er in diesem Zimmer, und mit der Zeit hatte es von Yori seine ganz persönliche Note bekommen. Er hatte es zwar nicht groß dekoriert, oder verändert, doch trotzdem konnte man erkennen wer hier leben musste. Egal wo, überall in diesem kleinen Zimmer standen Bilderrahmen mit Fotos aus der Vergangenheit. Bilder aus glücklichen Tagen, wo Yoris Eltern noch gelebt hatten. Auf einem Bild konnte man das junge Elternpaar mit ihrem etwa sechs Jahre alten Sohn erkennen. Yori war der einzige Sohn der kleinen Familie gewesen. Auf einem anderen Bild konnte man den gleichen kleinen Jungen erkennen, jetzt etwa ein Jahr älter. Er saß auf einem Pferd, breit grinsend und neben ihm sein Vater, der so stolz guckte, als wäre sein Sohn gerade zum König gekrönt worden. Auf dem Bild, auf dem Nachtschrank des Jungen, waren einzig seine Eltern zu sehen. Ein glückliches Paar, eng aneinander geschlungen und verliebt lächelnd. Yori guckte sich dieses Bild gerade an. Wie sehnte er sich doch nach den freien, sorgenlosen Tagen, als seine Eltern noch bei ihm waren. Er vermisste die beiden sehr, früher einmal waren es die einzigen Menschen die er hatte. Die Zeit nach ihrem Tod, war die schrecklichste Zeit in seinem ganzen Leben. Früher hatte er immer jemanden zum reden, jemanden der sich mit ihm freute, wenn etwas tolles passiert war. Was würde Yori dafür geben, wenn seine Eltern wieder da wären, wenn einfach alles wie früher wäre. Manchmal wünschte er sich jemandem alles erzählen zu können und um Rat zu fragen. Doch niemand war da, der sich mit ihm freute, niemand hörte ihm zu. Schon klar, Ryota behandelte ihn wie einen Sohn, doch trotzdem war es nicht das gleiche wie eine richtige Familie. Manchmal dachte er, irgendwo da draußen gab es einen Menschen der ihn verstand, der vielleicht das gleiche Schicksal wie er teilte. Er hoffte oft darauf, dass einfach jemand durch seine Zimmertür schreiten würde und ihr fragen würde wie es ihm geht, ihn fragen würde was los ist, wenn er traurig guckt. Oft fühlte er sich alleine, doch an dem Tag, als er allein mit Akina auf dem Berg gewesen war, fühlte er ein Gefühl, was seit Jahren nicht mehr da gewesen war. Er hatte sich geborgen gefühlt und in gewisser Weise auch verstanden. Akina hatte ihm zugehört, ihm Trost gespendet und mit ihm gefühlt. Er wusste nicht, was er für dieses Mädchen empfinden sollte. War sie vielleicht nur eine Freundin, oder hasste er sie wirklich so sehr, wie er am Anfang der ganzen Geschichte behauptet hatte? War sie vielleicht die Person auf die er schon so lange gewartet hatte? Er wusste einfach nicht mehr was er glauben sollte, dieses Mädchen raubte ihm einfach nur noch den letzten Nerv. Warum brachte sie ihn immer wieder so aus der Fassung? Wieso war er traurig, wenn sie nicht da war und wieso war er froh, wenn er in ihrer Nähe sein durfte? Yori dachte an die Szene heute im Hof. Warum war er nur so glücklich gewesen, als er von ihrer Rückkehr gehört hatte? Und warum war er dann so enttäuscht und wütend gewesen, als er dann seine Akina und Prinz Daiji zusammen gesehen hatte? Könnte es etwa sein, das er eifersüchtig war? Yori konnte einfach nicht glauben, was er gerade gedacht hatte. Schnell verscheuchte er diesen Gedanken wieder aus seinem Kopf. Das nächste Teil des Puzzles bereitet ihm genau solche Kopfschmerzen. War der letzte Satz bevor sie gegangen war etwa eine Anspielung? Dachte Akina etwa wirklich, dass er eifersüchtig geworden war? Und selbst wenn, hatte sie diesen Satz ernst gemeint? „Ach übrigens, ich stehe nicht so auf die Traumprinzen, ich stehe eher auf die Beschützer“ hatte sie gesagt. Hatte sie etwa damit gemeint, dass sie ihn, Yori, dem Prinzen Daiji vorziehen würde? Schließlich war der ja so etwas wie ein Traumprinz, und beschützt hatte Yori sie nun einmal. Fragen über Fragen.. Sein gesamtes Gedankenfeld glich einem einzigen unlösbaren Puzzle. Er wusste weder ein, noch aus. Er wusste nicht was er denken oder fühlen sollte. Doch eine Sache war klar: Ihm kam es so vor, als wäre er nicht mehr allein auf dieser Welt, seit sie in sein Leben getreten war. Er fühlte sich nicht mehr leer und einsam, denn in seinem zuvor dunklen und leeren Herzen war nun ein helles Licht aufgetaucht. Trotzdem war sie ihm ein Rätsel, so nah und trotzdem so fern für ihn. Mit einem Seufzer drehte er sich um, schaute nicht mehr auf das Bild seiner Eltern. Wenn doch nur seine Mutter da wäre, oder sein Vater. Er brauchte einen Rat, doch damit konnte er nicht zu Akina gehen, auch wenn er es gerne getan hätte. Er konnte sie ja schlecht fragen, was er für sie fühlte! Yori war immer noch genauso ratlos wie am Anfang. Wieso war das alles so schwer? Wieso quälte er sich überhaupt so? Ich sollte einfach das Beste aus allem machen, dachte Yori sich. Einfach abwarten was passiert. Im Laufe der Zeit würde sich sein Gedankenpuzzle schon noch lösen. Das hoffte der Schwarzhaarige jedenfalls. Aber es brachte nichts jetzt weiter vor sich hinzugrübeln. Es war schon spät, höchste Zeit schlafen zu gehen. Plötzlich vernahm Yori ein leises klopfen an der Tür. Wer konnte das denn so spät noch sein? Irritiert stand Yori auf. Er öffnete die Tür und schaute in das Gesicht von Akina. Ein stummes Lächeln huschte über ihre Lippen. „Du bist noch auf?“ fragte sie ihn. „Ja, aber ich wollte eigentlich gerade schlafen gehen.“ „Ich glaube dann sollte ich besser wieder gehen, oder?“ Sie wollte sich gerade wieder umdrehen, als Yori sie plötzlich zurückhielt. „Warte! ... Ich meine... Nein, du brauchst nicht gehen“ fügte er noch hinzu. „Wirklich? Stör ich dich auch nicht?“ „Nein gar nicht, möchtest du nicht rein kommen?“ fragte er etwas schüchtern. „Gerne doch“ antwortete sie nur und ging neben ihm her durch die Tür. Verblüfft schaute er ihr nach und erwachte dann schlagartig wieder aus seiner Trance. Er schloss die Tür und folgte ihr. „Nettes Zimmer“ sagte Akina und ging erst mal quer durch den Raum um ihn genau zu betrachten: Ein Bett, eine Kommode und ein Tisch mit zwei Stühlen, alles aus demselben, hellen Holz. Über der Kommode hing ein kleiner Spiegel, darunter standen ein paar Bilderrahmen und ein Stapel Bücher. Sie schaute sich alles an, ab und zu musste sie lächeln. « Wie süß Yori doch damals ausgesehen hat...» dachte die zukünftige Hüterin der Jadeperlen nur. „Was machst du eigentlich hier, Akina?“ fragte Yori etwas verwirrt und unterbrach so die Stille. Sie drehte sich zu ihm um, lehnte sich an die Kommode und meinte nur: „Ich konnte nicht schlafen, da dachte ich, ich schau mal ob du noch wach bist.“ Sie guckte ihn schon wieder so an, mit ihren wunderschönen blauen Augen. Dieses unschuldige Lächeln und der schüchterne Blick. Akina war einfach nur das schönste Mädchen das er kannte. Seit Tagen konnte er jetzt schon nicht mehr aufhören an sie zu denken, und jetzt wo sie vor ihm stand, die beiden alleine waren und sie nur wegen ihm, ihm ganz allein, hier war, konnte er nichts sagen. Sein Kopf wurde Tagelang durch nervenden Gedanken gequält und jetzt wo sie vor ihm stand war sein Kopf leer. Was sollte er denn jetzt sagen? Unbewusst nahm Akina ihm diese schwere Last ab und fing an zu Reden. „Hattest du eigentlich gar keine Geschwister Yori?“ Überrascht, dass sie das Schweigen brach, antwortete er nur wahrheitsgemäß mit einem ‚Nein’. „Waren deine Eltern... die einzigen Menschen die du hattest?“ Er senkte den Kopf und nickte nur stumm. Manchmal wünschte sich Yori einfach weinen zu können, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, doch, wie er fand, war das gar nicht so einfach. Der Verlust seiner Eltern hatte aus dem einst fröhlichen kleinen Jungen, einen gefühlskalten Menschen gemacht. Er konnte nicht jeder x-beliebigen Person vertrauen. Er wusste nicht wie aber Akina brachte ihn dazu etwas zu tun, was er schon sehr lange nicht mehr getan hatte: Er erzählte von seinen Gefühlen. „Seit meine Eltern weg sind, fühle ich mich so leer. Irgendwie kommt es mir manchmal vor, als wäre ich ganz alleine auf der Welt.“ Langsam ging sie näher an ihn heran. „Aber Yori, du bist doch nicht allein! Was ist denn mit dir los? Überall, wenn du um dich herum guckst sind Menschen die mit dir leben. Wir alle zählen auf dich Yori, und egal was passiert, wir stehen alle hinter dir. Du bist nicht allein. Du hast doch uns.“ Sie kam näher und versuchte Augenkontakt mit ihm aufzunehmen, doch er wandte sich ab und ging zu dem Bild seiner Eltern auf seinem Nachtschrank. „Du hast Recht Akina, jetzt nicht mehr. Früher vielleicht, aber langsam wird mir klar, dass das nicht stimmt.“ Er nahm den Bilderrahmen in die Hand und guckte es sich an. „Was meinst du? Was passiert mit denen die sterben?“ Akina kam zu ihm herüber und schaute nun auch auf den silbernen Rahmen. „Ich weiß nicht genau, aber bestimmt gibt es irgendwo einen Ort, wo deine Eltern weiterleben. Von dort schauen sie dir dann jeden Tag zu und stehen dir bei. Sie sind immer da, egal wo du bist. Und zwar genau da!“ sagte Akina und zeigte auf Yoris Herz. „Egal wo du bist, deine Eltern sind immer in deinem Herzen, und daran wird sich auch nichts ändern. Selbst wenn du glaubst allein zu sein, die Menschen die dich lieben sind immer bei dir und zwar da drin.“ „Akina, du bist echt unglaublich. Du bist die einzige die mir richtig zuhört. Danke...“ „Du hast mich auch getröstet als es mir schlecht ging, ist doch klar, dass ich mich nicht einfach umdreh und gehe wenn es dir schlecht geht.“ „Darf ich dich noch etwas fragen?“ Sie nickte. „Warum bist du zurückgekommen?“ Akina seufzte. „Das ist schwer zu erklären. Als ich wieder zu Hause war hatte ich erst alles vergessen. Es war so, als wäre überhaupt nichts passiert. Ich wusste gar nicht, dass ich überhaupt kurzzeitig in Kalderan war. Dann hab ich diese Perlenkette in meiner Tasche gefunden, ich wusste auch nicht woher sie kam. Wahrscheinlich ist sie mir irgendwie in die Tasche gerutscht als ich meine Sachen gepackt habe. Auf jeden Fall fiel mir dann irgendwie alles wieder ein als ich mir die Perlenkette genauer ansah. Irgendwie war der Rest dann nur noch Kurzschlussreaktion. Ich fühlte mich irgendwie schlecht euch alle im Stich gelassen zu haben und bin ohne auch nur zu zögern zurückgekehrt.“ „Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dass du zurückkehrst.“ „Hab ich anfangs auch gedacht“ sagte das Mädchen und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Jetzt bin ich aber froh, dass ich es getan hab. Anfangs hatte ich ja gedacht, dass ihr mir jetzt alle böse wärt...“ sagte Akina und setzte sich auf die Kante des Bettes. „Ist ja noch alles gut gegangen“ gab der Junge zurück. Mit verschwommenem Blick schaute Akina auf den Boden. „Findest du echt, dass alles gut gegangen ist? Ich fand es nicht gerade lustig von 12 schwarzen Rittern gleichzeitig angegriffen zu werden.“ Die Blonde lachte zynisch auf. „Du wurdest...angegriffen?“, fragte Yori entsetzt. „Ja, aber ich konnte flüchten. Danach ist ja wirklich fast alles gut gelaufen“, sagte das Mädchen gelassen. „Erzähl schon, was ist den passiert“ fragte Yori entsetzt und ließ sich neben Akina nieder. „Als ich zur Quelle kam lauerte mir ein Dutzend von diesen Monstern auf. Es ist wieder diese Lichtmauer gekommen, danach konnte ich flüchten. Dann bin ich durch das Spiegelportal und hab versucht nach Kentosai zurückzufinden. Ich hab mich dann aber irgendwo in einem Wald verirrt und bin dann zu dem Gutshof von Moriko und Tatsuya gekommen. Eine Nacht habe ich bei den beiden verbracht, und am nächsten Tag hat mich Tatsuya dann zurückgebracht. Ende der Geschichte.“ „So wie du das erzählst hört sich das gar nicht so schrecklich an. Hattest du denn gar keine Angst?“ „Anfangs schon, ich war voll in Panik, weil ich dachte die Ritter würden mir folgen. Später wollte ich dann einfach nur noch ins Schloss.“ „Wärst du nicht nach Hause gegangen, hätte das alles gar nicht passieren müssen.“ Sagte der Kendo, ein Lehrling des Hauptmanns. „Sag das noch mal! Willst du etwa sagen ich bin an allem Schuld?“ fragte Akina und stellte sich mit den Händen in den Hüften vor Yori. „Ja, das wollte ich damit sagen. Du hättest einfach direkt bleiben sollen!“ Yori ahnte was sie jetzt gleich machen wollte, doch er provozierte sie trotzdem weiter. Er wollte sie testen, gucken ob sie das jetzt wirklich machte. Und sie tat es. „Jetzt bist du dran“ sagte sie und ein breites Grinsen zog sich über ihr Gesicht. „Ich kenne kein Erbarmen.“ Plötzlich stürzte Akina sich auf Yori und kippte ihn aufs Bett. Sie kitzelte ihn und tat ihr bestes um ihn festzunageln. Doch Yori gelang es Akina nach unten zu drehen. Er hielt ihre Handgelenke fest und fesselte sie so auf dem Bett. „Blödmann“ maulte sie ihn an. „Zicke“ erwiderte er nur. „Das hättest du nicht sagen sollen!“ Dann riss sie sich los. Das Ringen zwischen den beiden hatte schnell ein Ende, denn müde und schweratmend fielen die beiden auf die weichen Kissen. „Wirst du eigentlich irgendwann auch mal müde?“ keuchte Yori. „Nein…“ murmelte sie. Die Augen hatte sie geschlossen und sie atmete ruhig und langsam. „Sag mal, willst du jetzt etwa hier schlafen?“ fragte der Schwarzhaarige leise. „Mmh..“ Sie schlief bereits. « Was soll ich denn jetzt machen?» fragte sich Yori. Er guckte Akina beim Schlafen zu. Sie sah so unschuldig und lieb aus, wenn sie schlief. Nicht so temperamentvoll, wie sie eben noch gewesen war. Irgendwie war sie doch gewissermaßen süß. Ab und zu zwar etwas zickig und aufbrausend, aber einfach süß, wunderhübsch und unbeschreiblich. An einem Tag hatte sie es geschafft ihn so sehr zu verändern. Es war fast schon beängstigend. Yori legte sich auf die Seite, den Kopf auf der Hand abgestützt, und betrachtete Akina. Ihre blonden Haare lagen wild neben ihr auf dem Kissen, die Beine hatte sie angewinkelt und sie lag auf der Seite. Yori überlegte. Langsam wurde ihm klar, dass er Akina nicht hasste. Sie war etwas ganz besonderes für ihn, er mochte sie. Akina akzeptierte ihn so wie er war und wusste genau was er fühlte. Sie stand ihm bei und tröstete ihn und danach brachte sie ihn immer zum Lachen. Langsam stand Yori auf und holte eine zweite Decke aus dem Schrank. Sanft zog er die Decke auf seinem Bett unter Akina weg und deckte sie damit zu. Dann nahm er die zweite Decke und legte sich daneben. Erst fühlte er sich ein bisschen komisch in dieser Situation, doch dann gewöhnte Yori sich daran. Er gähnte herzhaft, kuschelte sich in die Kissen und nach kurzer Zeit schlief auch er ein. Wiedereinmal wurde ich von diesen nervtötenden Sonnenstrahlen geweckt. Ich musste blinzeln als ich meine Augen öffnete, da mir die Sonne direkt auf Gesicht knallte. Hektisch kramte ich halb blind nach einem Kissen und hielt es mir über meine Augen, in der Hoffnung, doch noch wieder einzuschlafen. Ich war noch hundemüde, doch irgendwie konnte ich einfach nicht wieder einschlafen. Genervt legte ich das Kissen zur Seite und richtete mich langsam auf. Überall sah ich Sterne... Was schien die Sonne einem auch direkt in die Augen wenn man gerade aufwachte!? Erst schaute ich mich ein wenig verwirrt um, doch ich realisierte sehr schnell, dass ich ja gestern in Yoris Zimmer eingeschlafen war. Fragt sich bloß, wo Yori war? Im Zimmer konnte ich ihn auf jeden Fall nicht entdecken, das einzige, was ich vorfand, war ein Tablett mit Frühstück auf dem Nachtschrank. Ich schnappte mir erst mal ein Croissant vom Teller und schaute mich noch ein bisschen im Zimmer um. Vielleicht ließ sich Yori ja doch noch irgendwann mal blicken. Umschauend ging ich langsam durchs Zimmer. Beim Vorbeigehen am Spiegel erhaschte ich einen kurz Blick auf mein total verschlafenes Selbst. Müde schaute ich drein, mit wild zerstrubbelten Haaren vom Kopf abstehend. Hastig strich ich mir die Haare glatt und wanderte weiter durch den Raum zum Fenster. Von Yoris Zimmer aus konnte man direkt auf den Innenhof des Schlosses schauen. Draußen herrschte dasselbe Treiben wie jeden Tag. Die Stallburschen versorgten die Pferde der Ritter, die gerade von einem Kontrollritt wiedergekommen waren, sattelten die Tiere oder misteten aus. Es war beruhigend zu sehen, dass sich hier wirklich nichts verändert hatte. Als ich mein Frühstück aufgegessen hatte wandte ich mich vom Fenster ab und verließ den Raum. Im Gehen richtete ich meinen Blick auf die Armbanduhr. Es war inzwischen schon kurz nach halb zehn, wie ich feststellte. Sehr lange hatte ich also nicht mehr Zeit, bis mich Hikari zu meiner ersten Lehrstunde an der Bibliothek erwartete. Auf leisen Sohlen schlich ich über die leeren Gänge bis in die Eingangshalle. Leise wie eine Katze huschte ich die Treppe hoch und verschwand durch den rechten Torbogen. Nun eilte ich nur noch die letzten paar Gänge entlang und stand schließlich vor meiner Zimmertür. Fast geräuschlos drückte ich die Klinke herunter und glitt durch den schmalen Türspalt in den Raum. Mit tapsenden Schritten ging ich ins Zimmer und Schloss die Tür wieder hinter mir. Erleichtert atmete ich auf und rutschte langsam an der Tür hinunter auf den Boden. Es ist ganz schön anstrengend durchs halbe Schloss zu schleichen, wie ich jetzt wusste. Zum Glück hatte mich keiner gesehen, ich hatte keine Lust die dummen Fragen zu beantworten, die sie mir dann stellen würden, besonders weil ich selbst nicht genau wusste, warum ich eigentlich gestern bei Yori geschlafen hatte. Ich hoffe nur ich hab niemanden geweckt, insofern überhaupt noch jemand schläft. Langsam stand ich wieder auf, und schlenderte zum Kleiderschrank. Hikari hatte mir gestern extra noch gesagt, dass man mir Kleidung in die Kommode hatte legen lassen. Dann fiel mir plötzlich ein wunderschönes, schneeweißes Kleid auf, welches über den Stuhl in meinem Zimmer gelegt wurde. Also war doch schon irgendwer hier gewesen... Ein bisschen enttäuscht darüber, das meine ganze Mühe beim leise sein umsonst gewesen war, widmete ich mich jetzt dem Kleid. Wie gesagt war es schneeweiß, hatte einen etwa knielangen, aus flatternden Stoffschichten bestehenden Rock und um die Hüfte waren schöne, rote Bänder gewickelt die hinten mit einer Schleife zusammengebunden waren. Insgesamt wirkte das Kleid sehr verspielt, was besonders durch den mit Bändern zusammengebundenen Ausschnitt unterstrichen wurde. Glücklich hob ich es hoch und hielt es mir mit durchgestreckten Armen vors Gesicht um es genauer zu betrachten. Normalerweise mochte ich ja nicht so gerne Kleider, doch dieses hier war irgendwie besonders und nicht so wie ein Rüschenkleid, in welches man als kleines Mädchen immer von der Mutter hineingezwängt wurde, weil es ja so süß aussieht. Fröhlich über diesen schönen Tagesbeginn trottete ich mit dem Kleid ins nahegelegene Badezimmer. Auch hier war alles aus atemberaubenden, glänzenden Steinen gefertigt. Von der Marmorbadewanne, bis zu den Wänden aus einem weißen, spiegelglatten Stein. Ich legte das Kleid erst einmal über den Badewannenrand und putzte mir Zähne und wusch mein Gesicht. Dann zog ich das viel zu große Hemd aus, welches ich gestern Abend zum Schlafen angezogen hatte und schlüpfte in das neue Kleid. Es passte als wäre es extra für mich gemacht. Ich bürstete noch schnell meine schulterlangen, blonden Haare und verließ dann das Bad. Mit einem letzten Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es Zeit war um mich auf den Weg zu den Bibliotheken zu machen, insofern ich sie überhaupt wiederfinden würde. Ich konnte nur hoffen, dass ich mir die Wegbeschreibung von Hikari genau genug gemerkt hatte. Voller Tatendrang endlich mehr über meine Begabungen in Erfahrung zu bringen machte ich mich auf und trottete gemütlich die Gänge des riesigen Schlosses entlang. Ohne mich nur einmal zu verirren erreichte ich dann endlich den hellen Fensterraum mit der Kuppelförmigen Decke mit dem Drachenportrait an der Stirnseite. Ich fummelte kurz hinter dem Rahmen des Bildes herum und betätigte dann den versteckten Schalter. Klickend ging die Tür auf und eröffnete den Eingang zu den geheimen Bibliotheken Kalderans. Mir blieb nichts anderes übrig als wieder über diesen unglaublichen Raum des Schlosses zu staunen. Verwirrt schaute ich mich um, auf der Suche nach Hikari. Endlich entdeckte ich sie auf der oberen Ebene wo sie, wie ich glaubte, einige Bücher sortierte. Munter stapfte ich die Treppe hinauf und rief Hikari gut gelaunt ein „Gute Morgen“ entgegen. Erschreckt schaute sie von den Büchern auf, entspannte aber dann gleich wieder, als sie bemerkte, dass es nur ich war. „Guten Morgen“ antwortete sie mir und stand von ihrem Stuhl auf um zu mir herüberzuschlendern. „Na, gut geschlafen, Akina?“ „Ja, super! Meine erste Nacht hier hätte kaum besser sein können“ gab ich ihr mit einem Lächeln zurück. „Ja, erste Nacht und schon außer Haus! Sag schon, wo warst du gestern Nacht“ sagte Hikari gespielt ernst und stemmte dabei ihre Arme in die Hüften. Mein Lächeln wurde noch breiter. „Ach, muss ich dir das etwa sagen?“ „Ja klar, schließlich bin ich deine Erziehungsberechtigte!“ schauspielerte Hikari weiter und guckte dabei genau wie meine Mutter, wenn ich etwas angestellt hatte. „Und wenn nicht?“ „Dann, meine kleine Akina, bringe ich dir nicht bei, wie du deine Kräfte richtig einsetzt!“ „Das ist gemein!“ protestierte ich. „So ist das Leben“ spottete sie nur und tippte mir gegen die Stirn. „Ich sag es dir ja“ maulte ich und rieb mir die Stirn. „Ich hab Yori besucht und bin dann bei ihm eingeschlafen. Bist du jetzt zufrieden?“ „Ja, mehr wollte ich nicht wissen“ lachte Hikari nur und fragte dann doch weiter. „Und du bist dir auch sicher, dass da nichts gelaufen ist.“ Mir neugierigen Blicken musterte sie mich. „Chices Kleid übrigens“ fügte sie noch hinzu und deutete auf mich. „Dankeschön, und ja, ich bin mir sicher, dass da nichts mehr gelaufen ist! Wir haben nur geredet. Können wir jetzt anfangen?“ gab ich genervt zurück. „Ja ja, schon gut“ plauderte Hikari nur vor sich hin, als sie seelenruhig zum Tisch zurück schlenderte. „Also für heute habe ich mir überlegt, solltest du erst mal lernen, wie du deine Magie richtig bündelst. Das kann man am Besten damit üben, indem du wieder eine deiner netten Schutzmauern baust.“ Erklärte meine Lehrmeisterin und setzte sich mit einem verspielten Lächeln auf die Tischkante. „Dann fang mal an und zeig mir was du kannst.“ „Wie jetzt? Einfach eine Wand auftauchen lassen?“ fragte ich etwas irritiert. „Ja doch..“ „Aber wie soll ich das machen?“ fragte ich etwas verzweifelt. „Sonst ist die Wand doch immer nur aufgetaucht, wenn ich in Schwierigkeiten war!“ „Na das sollst du ja jetzt eben lernen, deine Magie auch so zu bündeln, nicht nur instinktiv!“ „Oh mein Gott“ sagte ich nur und versuchte mich zu konzentrieren. Plötzlich fing meine Handfläche an zu kribbeln. Erschrocken öffnete ich die Augen und sah eine klägliche kleine Magiemauer vor meiner Hand. „Na das kann ja noch heiter werden“ hörte ich Hikaris zynische Stimme. Das glaube ich aber auch, fügte ich in Gedanken hinzu. Das kann man aber laut sagen... Mit einem lauten Seufzer ließ ich mich auf den Stuhl neben Hikari fallen. „Ganz schön anstrengend, so ne dumme Wand aufrecht zu erhalten“ seufzte ich. „Es hat ja auch keiner gesagt, dass Magie einfach wäre.“ Sagte die immer noch putzmuntere Hikari und tänzelte um mich herum. „Das müsste für heute auch reichen. Wenn du willst kannst du jetzt gehen. „Echt, das war’s schon? Aber meine Magiewand ist doch immer noch nicht größer als ein normaler Ritterschild!“ wunderte ich mich. „Das stimmt schon, aber deine Kräfte müssen sich erst wieder generieren. Es ist nicht gut deine Energie überzustrapazieren. Außerdem sind deine bisherigen Ergebnisse gar nicht mal so schlecht, du lernst sehr schnell!“ „Meinst du das wirklich“ fragte ich noch einmal nach und lächelte sie schüchtern an. „Ja doch, und jetzt verschwinde schon, du hast bestimmt noch was Besseres zu tun als den ganzen Tag in der Bibliothek rumzuhocken. Falls du mich fragen würdest, ich würde an deiner Stelle erst mal Mittagessen, weil mein Magen schon seit ungefähr einer Stunde knurrt und danach täte es dir gut daran dich endlich mal hier auf dem Gelände etwas umzuschauen.“ „Wenn das so ist frag ich dich halt: was soll ich jetzt machen?“ „Komm mit mir in den Speisesaal, dann können wir erst einmal was essen. Danach könntest du dann ja mal das Gelände ein wenig erkunden.“ „Gute Idee, los, gehen wir!“ Arm in Arm schlenderte wir aus dem Raum und bahnten uns den Weg in den Speisesaal... Der Speisesaal war einfach atemberaubend. Der riesige Saal des Erdgeschosses war lichtdurchflutet, denn gegenüber der großen Flügeltür war eine ganze Wand, einzig und allein aus Glas bestehend. An den übrigen Wänden hingen wunderschöne Bilder von adeligen Leuten und dazwischen hingen jede Menge silberne Kerzenhalter mit schneeweißen Kerzen. Von der Mitte der Decke hing ein riesiger Kronleuchter besetzt mit Rubinen, Saphiren und Smaragden. Das Sonnenlicht brach sich tausendfach in den vielen bunten Steinen und warf funkelndes Regenbogenlicht auf den darrunterstehenden Tisch, der quer durch den ganzen Saal reichte. Auf dem Tisch standen so viele verschiedene Speisen, dass man sie gar nicht alle hätte zählen können. An dem Tisch saßen zahlreiche Leute die angeregt plauderten und glücklich das üppige Mahl verspeisten. An der Fensterseite des Saales saßen an der Mitte des Tisches, wie ich erkannte, König und Sohn, daneben die Priester und andere adelig aussehende Menschen. Außerdem erkannte ich noch die Ratspriester, unter ihnen auch Hikaru und daneben Ryota mit seinem Schützling Yori. Erstaunt über diesen prächtigen Saal folgte ich etwas eingeschüchtert Hikari, die sich mit Vorsicht den Weg um den Tisch herum zur Fensterseite bahnte. Sie hielt auf Hikaru zu, neben dem noch zwei Plätze frei waren. Flink setzte sich Hikari auf den leeren Stuhl neben Hikaru, der, wie mir schien, ihr zugewiesener Platz war. Wie ich jetzt bemerkte, stand bei jedem Platz ein Namensschildchen. Meines stand neben dem Platz von meiner Lehrmeisterin, also setzte ich mich auf den freien Platz zwischen Hikari und Yori. „Hi Yori“ begrüßte ich den Schwarzhaarigen freundlich. „Hallo Akina“ antwortete er mir höflich und schenkte mir eines seiner berüchtigten Grinsen. „Danke wegen des Frühstücks heute Morgen, du warst aber sehr früh auf!“ „Gern geschehen“ sagte Yori nur und wurde leicht rosa im Gesicht. „Ich musste zum Training“ sagte er dann noch, als er seine Fassung zurückgewonnen hatte. „Achso, na dann. Ich hatte auch eben Training. Und was hat mein Lieblingskendo heute alles so gelernt?“ Erstaunt schaute er von seinem Essen auf und begann zu erzählen. Währenddessen tat ich mir Essen auf und hörte ihm aufmerksam zu. Danach berichtete ich ihm von meinem Training. Nach und nach verstrickten wir immer mehr Themen in unser Gespräch. „Wann bringst du mir eigentlich jetzt reiten bei?“ Verwundert schaute mich Yori an und hob eine Augenbraue. „Das hast du nicht vergessen?“ „Nö, wieso sollte ich denn. Also, was sagst du, steht das Angebot noch?“ „Wenn du willst geb ich dir gleich heute Nachmittag deine erste Reitstunde. Ich hab heute Nachmittag frei.“ „Und du willst deinen freien Nachmittag wirklich für eine Reitstunde mit der wohl unbegabtesten Reiterin ganz Kalderans opfern?“ „Wenn ich mit dir fertig bin, bist du die beste Reiterin ganz Kalderans“ lachte Yori. „Okay, das fasse ich dann mal als ein ja auf, also, wann und wo treffen wir uns?“ „Am besten so um drei bei den Stallungen.“ „Okay, dann bis um drei.“ Sagte ich und stand auf. Ich verabschiedete mich noch kurz mit einer Umarmung von Hikari und wir machten meine nächste Trainingsstunde für morgen früh um dieselbe Zeit ab. Dann ging ich in mein Zimmer. Pünktlich um drei fand ich mich in Jeans und T-Shirt unten auf dem Platz vor den Stallungen ein. Ungeduldig schaute ich mich um und beschäftigte mich damit mir noch schnell einen Pferdeschwanz zu machen. In der Eile hatte ich keine Zeit mehr dafür gehabt, da ich beim Lesen des von mir aus der Bibliothek ausgeliehenen Buches die Zeit völlig vergessen hatte. So konnte ich mich nur noch schnell umziehen und dann hier herunter gesprintet kommen. Gerade als ich mehr genervt die Haare zurückstrich und sie mit dem Haargummi zusammen band, hörte ich die trippelnden Schritte eines Pferdes hinter mir. Ich zog noch schnell die Haare durch das Band und drehte mich dann um. In der dunklen Stallgasse konnte ich Yori erkennen, der, gefolgt von einem Pferd, gerade auf dem Weg nach draußen war. „Hi Yori, auch schon da?“ fragte ich ihn gespielt genervt. „Entschuldigung, habe ich unsere Prinzessin etwa warten lassen?“ konterte er nur. „Wen nennst du hier Prinzessin“ fragte ich kampflustig und kam ein paar Schritte auf ihn zu. „Reg dich ab, ich nehme es ja schon zurück. Prinzessinenhaft führst du dich ganz bestimmt nicht auf, du bist eben eine Priesterin, da ist es klar das du aufbrausend...“ „Was?“ „...arrogant...“ „Wie bitte?“ „...selbstbewusst...“ „Pah...“ „...verrückt, ein bisschen zickig...“ „Musst du gerade sagen!“ „...und wunderhübsch bist.“ Baff schaute ich ihn mit großen Augen an. „Was hast du grad eben gesagt?!“ „Dass du arrogant, zickig und verrückt bist. Eben eine Priesterin.“ „Und du bist total bescheuert, ein Trampeltier und dazu auch noch vorlaut! Eben ein Trampel von einem Kendo!“ sagte ich und streckte ihm die Zunge raus. Dann wandte ich mich von ihm ab und schaute mich um. „Wo müssen wir noch mal hin?“ „Hier links und über den Platz, wir gehen vor dem Schlosstor auf die Wiese.“ Also wandte ich mich nach links und stürmte auf die Wiese zu. Ich drehte mich noch mal um und rief: „Wer zuerst auf der Wiese ist hat gewonnen!“ Und schon rannte ich los. Erst dachte ich Yori würde nicht mitmachen, doch kurz bevor ich durch das Schlosstor rennen konnte überholte mich Yori mit seinem Fuchs. Auf der Wiese hielt er an und stieg ab. Mit einem breiten Grinsen wandte er sich an mich. „Und, was habe ich jetzt gewonnen?“ Ich überlegte kurz. „Was du willst. Ist mir egal!“ „Dann... möchte ich dich gerne zu einem Ausritt einladen. Natürlich erst wenn du reiten kannst und wenn du willst“ fügte er noch schüchtern hinzu. „Yori...“ fing ich an. „Ich würde sehr gerne mit dir ausreiten.“ „Okay, dann sollten wir jetzt schleunigst mit den Reitstunden anfangen“ sagte er und führte den Fuchs zu mir herüber. „Wenn ich vorstellen darf, dass ist Jarik.“ „Hallo Jarik“ sagte ich und kraulte den Fuchs zwischen den Nüstern. „So, dann sollte ich dir am besten mal zeigen, wie du aufsteigst. Also, du musst dich mit deinem linken Fuß in den Steigbügel stellen und dann mit dem anderen Bein rüberschwingen. Meinst du das schaffst du?“ „Klar“ sagte ich nur und setzte sogleich meinen Fuß in den Steigbügel. Gekonnt schwang ich mein rechtes Bein über den Sattel und setzte mich aufrecht hin.“ „So, das hat ja schon mal geklappt, aber das aufsteigen ist ja auch nur der einfache Teil des Reitens. Jetzt zeig ich dir mal, wie du die Zügel halten musst. Am Besten, machst du gleich mit.“ Yori zeigte mir Schritt für Schritt, wie ich die Zügel halten sollte, und so hatte ich auch das schnell begriffen. Jetzt kam eigentlich erst der zentrale Punkt meiner Reitstunde: Wie reite ich eigentlich richtig? Yori wollte mich als erstes am langen Zügel longieren, damit ich ein besseres Gefühl im Sattel bekam. Locker saß ich im Sattel und wackelte wie ein Sack bei jedem einzelnen Schritt des Pferdes mit. „Du musst gerade sitzen, dann wackelst du auch nicht immer so“ analysierte Yori mein Problem. Also setzte ich mich gerade hin. „Jetzt nimm die Schultern noch ein bisschen weiter zurück, dann sitzt du richtig.“ Ich tat ihm auch diesen Gefallen. Und ich wackelte nicht mehr mit. „So sieht das schon viel besser aus“ rief mir Yori zu. „Deine Tipps bringen ja auch was“ rief ich zurück. „Willst du Traben?“ „Das heißt?“ „Ein bisschen schneller.“ „Ok“ Yori schnalzte mit der Zunge und Jarik begann schneller zu werden. Langsam verlor ich immer mehr den Halt, auf dem jetzt wieder ziemlich wackeligen Pferderücken und rutschte immer weiter zu Seite. Gerade noch im passenden Moment hielt Yori das Pferd an und bewahrte mich davor, nicht herunter zu fallen. „Du hast nicht gesagt, dass es auch wackeliger wird“ fauchte ich ihn vorwurfsvoll an. „Tut mir Leid, ich hätte dich nicht direkt schneller reiten lassen dürfen.“ „Ist nicht so schlimm. Jetzt bin ich ja vorgewarnt. Außerdem hast du mich ja gerettet“ lächelte ich ihn an. „Dann lass uns mal weitermachen.“ Ich ritt noch viele Runden Schritt, und nach ein paar Runden klappte das Reiten auch im Trab. „Galoppieren lasse ich dich heute am Besten noch nicht allein“ sagte Yori dann, als er nach dem Traben das Pferd anhielt. „Nicht, wie schade. Beim letzten Mal fand ich das Galoppieren sehr lustig.“ „Wenn du willst können wir ja zusammen galoppieren.“ „Yeah, das wär super. Komm, steig auf.“ Ich rutschte so weit es ging nach vorn und Yori schwang sich hinter mich aufs Pferd. Er ergriff die Zügel und ich krallte mich an der Mähne fest. Yori gab Jarik die Sporen und der preschte mit uns die Schräge des Bergkessels hinauf. Oben angekommen hielt Yori an und vor uns Tat sich der schönste Sonnenuntergang auf, den ich je gesehen hatte. Der Himmel war tief pink und am Horizont erstreckte sich eine lange Bergkette. Die hellleuchtende Sonne tauchte die Umgebung in ein mattes, warmes Licht. Die langen Grashalme wippten im gleichen Takt wie der Wind und die Blätter der Bäume am weit weg am Waldrand tanzten farbenfroh im Wind. Der Anblick war einfach atemberaubend schön. Stumm schweigend guckten Yori und ich der Sonne beim Untergehen zu. Erst ging sie nur langsam unter und färbte den Himmel in ein immer kräftiger werdendes rot. Nach einiger Zeit wurde der glühende Feuerball nach und nach von der Bergkette verschluckt. Um uns herum wurde es dunkler und der Himmel färbte sich immer dunkler blau. Als die Sonne vollständig untergegangen war und sich schon die ersten Sterne am Nachthimmel abzeichneten, griff Yori in die Zügel und ritt im Schritt den Hügel hinunter zum Schloss. Der Hof vor den Stallungen war menschenverlassen. Yori stieg ab und auch ich schwang mein Bein über den Rücken Jariks und stieg ab. „Es war ein wirklich schöner Nachmittag, Yori.“ „Finde ich auch“ antwortet Yori nur knapp. „Und so schlecht reitest du jetzt auch schon wieder nicht. „Danke, dass du mir das Reiten beibringst.“ „Mach ich doch gern. Willst du schon mal zum Abendessen vorgehen? Ich muss noch Jarik versorgen.“ „Ich warte noch, dann können wir zusammen gehen.“ „Ok, ich beeil mich auch.“ Yori versorgte schnell sein Pferd und dann gingen wir gemeinsam zum Abendessen. Später ließ ich mich kaputt auf mein Bett fallen. Der Tag war doch ganz schön anstrengend gewesen. Erst meine erste Lehrstunde und dann auch noch reiten lernen. Aber wie sagte man noch? Aller Anfang ist schwer. Aber dafür, dass der Anfang schwer sein soll, finde ich, dass mein erster richtiger Tag in Kalderan doch ganz schön geworden ist. Schmunzelnd dachte ich an den wunderschönen Sonnenuntergang, kuschelte mich unter meine Decke und schlief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)